Neu im Kino/Filmkritik: Jason Statham ist „The Beekeeper“

Januar 11, 2024

David Ayer, Jason Statham, Kurt Wimmer: das sind Namen, die bei Menschen, die auch einen Blick auf den Namen des Regisseurs und Drehbuchautors werfen, Erwartungen wecken. Kurt Wimmer schrieb das Drehbuch für „The Beekeeper“. Zu seinen vorherigen Arbeiten als Autor gehören „Die Thomas Crown Affäre“, „Street Kings“, „Salt“, „Total Recall“ (das überflüssige Remake), „Point Break“ (das nächste überflüssige Remake), „The Misfits – Die Meisterdiebe“ (verzichtbar) und, zuletzt, „The Expendables 4“. Zu seinen Regiearbeiten gehören der gelungene SF-Film „Equilibrium“, die SF-Gurke „Ultraviolet“ und, jüngst, das schlechte Stephen-King-Remake/Prequel/Reboot „Kinder des Zorns“. Das ist deutlich mehr Schatten als Licht.

David Ayer überzeugte als Regisseur mit „Harsh Times – Leben am Limit“, „Street Kings“, „End of Watch“ und „Herz aus Stahl“. „Sabotage“ und „Suicide Squad“ waren dann nicht gut. Bei „Sabotage“ lag es am Drehbuch. Bei „Suicide Squad“ wohl, was man so hört, am Studio. Oder, anders gesagt: an unterschiedlichen Vorstellungen über den Film.

Jason Statham ist, nun, einer unserer liebsten Actionhelden, der hier eine weitere Version seines „Transporters“ Frank Martin und anderer unkaputtbarer Actionhelden liefert. Sogar Superhelden haben irgendeine Achillesferse. Aber nicht dieser Beekeeper (auch in der deutschen Synchronisation wird er immer Beekeeper genannt, was dann nicht mehr bedrohlich, sondern parodistisch wirkt). Der Beekeeper ist ein grotesk unzerstörbarer Held, der mit stoischer Miene gegen ganze Armeen antritt und sie mühelos und ohne eine sichtbare Verletzung tötet.

Wer genau das will, der wird – das kann schon jetzt gesagt werden – „The Beekeeper“ lieben. Es gibt viel Statham-Action. David Ayer inszeniert das mit viel Wumms und, so gut es geht, über die mehr als offensichtlichen Schwächen des Drehbuchs hinweg. Denn das Buch von Wimmer ist so formelhaft schlecht und ambitionslos, dass ich mich fragte, wer dafür Geld ausgibt. Immerhin ist dieser Bauplan für einen Film in seiner Einfachheit und Kunstlosigkeit solide konstruiert. Jede Szene bringt die abstruse Geschichte voran.

Adam Clay (Jason Statham) führt in Massachusetts ein einfaches Leben als Bienenzüchter. Als eines Tages seine überaus nette Nachbarin Eloise Parker (Phylicia Rashad) von Internetbetrügern um ihr Vermögen gebracht wird und sie sich umbringt, beginnt Clay einen Rachefeldzug gegen die Übeltäter. Hinter dem Betrug steckt, wie er nach einem Telefonat weiß, Danford Enterprises und ihr Geschäftsführer Derek Danforth (Josh Hutcherson).

Clays erste Station auf seinem Rachefeldzug ist das Callcenter, von dem aus Eloise Parker angerufen wurde. Er geht rein, verteilt großzügig Benzin, schlägt dabei einige Männer zusammen, gibt den anderen einige Sekunden für die Flucht aus dem Gebäude und jagt das Büro und das Gebäude in die Luft. Danach mordet er sich, ohne eine Miene zu verziehen oder Gefangene zu machen, an die Spitze des Unternehmens.

Halbherzig verfolgt wird er von der FBI-Agentin Verona Parker (Emmy Raver-Lampman), der Tochter von Eloise Parker, und ihrem Partner Matt Wiley (Bobby Naderi).

Auf der Seite des Bösewichts Danforth steht der ehemalige CIA-Direktor Wallace Westwyld (Jeremy Irons). Er ist gleichzeitig Danforths Sicherheitschef und, auf Wunsch von Danforts Mutter, sein Bewacher Westwyld weiß auch, dass die Beekeeper eine geheime, also eine super-supergeheime Gruppe sind, die dann gerufen werden, wenn alle anderen Opionen versagen.

Seien wir ehrlich: „The Beekeeper“ ist ein strunzdummer 80er-Jahre-B-Actionfilm, über dessen politische Implikationen und Ansichten wir besser schweigen.

Clay ist in dieser von Kurt Wimmer geschriebenen Rachefantasie einfach nur ein Todesbote, der jeden umbringt, der sich im näheren Umfeld des Bösewichts befindet und der nicht schnell genug flüchten kann. Das tut er mit der kalten Präzision eines Schädlingsbekämpfers, der einfach seinen Job erledigt und dabei keine Rücksicht auf irgendwelche Nebenwirkungen und Kollateralschäden nimmt. Nebenwirkungen sind in diesem Fall Menschen, die er tötet, weil sie gerade im Weg sind. Er geht dabei mit der Feinfühligkeit einer Dampframme vor. Smart oder gewitzt, wie beispielsweise das „Leverage“-Team in der gleichnamigen TV-Serie, ist er dabei nie.

David Ayer inszeniert die Geschichte, die primär eine Aneinanderreihung äußerst brutaler Actionszenen ist, effizient, schnörkel- und humorlos. Unfreiwilligen Humor gibt es bei einigen absurd schlechten Dialogen. Beispielsweise wenn Adam Clay todernst banale Lebensweisheiten von sich gibt, in denen er keinen Unterschied zwischen Bienen und Menschen macht. Oder wenn er „Ich bin der Beekeeper.“ sagt. Oder wenn über ihn gesagt wird: „Er ist ein Beekeeper.“ Peinliches Schweigen gibt es dann bei den vielen beiläufig und sinnfrei eingestreuten Schimpfworten. In den USA ist das, neben Nacktszenen, der schnellste Weg zu einer hohen Freigabe. Dort erhielt er ein R-Rating. Bei uns ist er ‚frei ab 18 Jahre‘.

Also: wer einen hochenergetisch inszenierten, strunzdummen B-Actionfilm sehen will und sich schon immer fragte, wie „The Transporter“ ohne französischen Humor aussieht, wird hier gut bedient.

The Beekeeper (The Beekeeper, USA/Großbritannien 2023)

Regie: David Ayer

Drehbuch: Kurt Wimmer

mit Jason Statham, Emmy Raver-Lampman, Josh Hutcherson, Bobby Naderi, Minnie Driver, David Witts, Michael Epp, Phylicia Rashad, Jeremy Irons

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „The Beekeeper“

Metacritic über „The Beekeeper“

Rotten Tomatoes über „The Beekeeper“

Wikipedia über „The Beekeeper“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von David Ayers “End of Watch” (End of Watch, USA 2012)

Meine Besprechung von David Ayers “Sabotage” (Sabotage, USA 2014)

Meine Besprechung von David Ayers „Herz aus Stahl“ (Fury, USA 2014)

Meine Besprechung von David Ayers „Suicide Squad“ (Suicide Squad, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Adonis „Creed III – Rocky’s Legacy“, dieses Mal ohne Rocky

März 2, 2023

Im Abspann von „Creed III“ heißt es, der Film basiere auf von Sylvester Stallone erfundenen Figuren. Das sagt mehr über das US-amerikanische Urheberrecht und existierende Verträge als über den Film aus. Denn der dritte „Creed“-Film hat mit Sylvester Stallone nichts mehr zu tun. Er spielt nicht mit, schrieb nicht das Drehbuch und führte auch nicht die Regie. Die übernahm Michael B. Jordan, der auch die Hauptrolle, den Boxer Adonis Creed, spielt. Adonis ist der Sohn von Apollo Creed, einem Boxer, der vor Ewigkeiten gegen Rocky Balboa (Sylvester Stallone) kämpfte und sich mit ihm befreundete.

Im ersten Film der „Creed“-Reihe, „Creed – Rocky’s Legacy“ (USA 2015), trainiert Rocky den jungen Adonis Creed – und wir sahen einen überzeugenden, tief im afroamerikanischen Milieu verwurzelten Boxerfilm. Das war eine gelungene und sehr eigenständige Fortführung der Geschichte von Rocky, der hier nur noch der Trainer für ein neues Boxtalent war. Danach hätte die Geschichte von Adonis ohne irgendwelche Rückbezüge auf die „Rocky“-Filme weitergehen können.

Creed II – Rocky’s Legacy“ (USA 2018), nach einem Drehbuch von Sylvester Stallone, war dann eine ziemliche Enttäuschung. Viel zu krampfhaft wurde versucht, „Rocky 4 – Der Kampf des Jahrunderts“ (USA 1985) nochmal zu erzählen. Das ist der Kalter-Krieg-„Rocky“-Fim, in dem Rocky gegen den bösen Russen Ivan Drago kämpft und den bösen Ostblock im Boxring schlägt und so die Überlegenheit des freien Westens gegenüber dem bösen Kommunismus beweist. In „Creed II“ kämpft dann der Sohn von Ivan Drago gegen Adonis Creed, der hier so etwas wie der Sohn von Rocky ist. Der Kampf soll die Revanche für den inzwischen gut vierzig Jahre zurückliegenden Kampf sein. Da kann man nur sagen „Get over it. Get a life“.

In „Creed III – Rocky’s Legacy“ managt Adonis Creed das Boxstudio Delphi Academy und er fördert und promotet Boxer. Als aktiver Boxer hat er sich bereits vor Jahren unbesiegt zur Ruhe gesetzt. Er ist glücklich verheiratet mit der Musikerin Bianca (Tessa Thompson). Ihre Tochter Amara (Mila Davis-Kent) ist ein süßes, schlaues und gut erzogenes Kind. Die Creeds sind eine glückliche, erfolgreiche und somit perfekte Familie. Sie verkörpern perfekt den amerikanischen Traum.

Da trifft Adonis wieder Damian ‚Dame‘ Anderson (Jonathan Majors [Yep, Kang, der Eroberer in „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“]). Adonis hat seinen Jugendfreund seit gut zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Damian saß achtzehn Jahre im Gefängnis. Vor einigen Tagen wurde er entlassen. Adonis fühlt sich für ihn aufgrund ihrer Vergangenheit verantwortlich. Warum wird, obwohl es aufgrund des Prologs, der vieles nur andeutet, ziemlich klar ist, erst am Ende des Films vollständig erklärt.

Durch diese Entscheidung raubt sich der Fim viel von seiner emotionalen Wirkung. Denn anstatt das schnell zu erklären und anschließend tief in den Konflikt zwischen den beiden Jugendfreunden einzutauchen, dürfen wir darüber rätseln, was vor zwanzig Jahren geschah und warum Damian so lange inhaftiert war.

Bis das Rätsel vollständig gelöst ist erzählt Michael B. Jordan, zwischen einigen Boxkämpfen, viel über Freundschaften, aus Freundschaften entstehenden Verpflichtungen und Enttäuschungen, Schuld, Sühne und Erlösung. Und er zeigt einen Afroamerikaner, dem als Boxer der finanzielle Aufstieg gelang. Der erfolgreiche Geschäftsmann Adonis wird in jeder Beziehung als Vorbild gezeichnet. Und gerade dies wirkt, wenn er traurig in seinem großen, sehr sauberen und sehr aufgeräumtem Haus nachdenklich aus dem Fenster starrt oder wenn er abends auf der Couch mit seiner seiner Frau, Tochter und Mutter ein überaus glückliches Familienleben genießt, schon etwas penetrant.

Dieses Glück wird von Damian, dem einzigen Flecken auf Adonis‘ blütenweißer Weste, bedroht. „Creed III“ tendiert in diesen Momenten in Richtung Psychothriller. Denn natürlich verfolgt Damian einen finsteren Racheplan und selbstverständlich wird in einem Boxfilm der Kampf letztendlich, egal wie glaubwürdig das dann ist, im Boxring ausgetragen.

Creed III“ ist eine durchaus gelungene, aber unter seinen Möglichkeiten bleibende Mischung aus Psychothriller, Boxdrama und Familienfilm über einen Ex-Boxer, der nochmal in den Ring steigen muss, um seine Familie und sein Leben zu verteidigen.

Creed III – Rocky’s Legacy (Creed III, USA 2023)

Regie: Michael B. Jordan

Drehbuch: Keenan Coogler, Zach Baylin (basierend auf einer Geschichte von Ryan Coogler, Keenan Coogler und Zach Baylin)

mit Michael B. Jordan, Tessa Thompson, Jonathan Majors, Wood Harris, Florian Munteanu, Mila Davis-Kent, Phylicia Rashad

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Creed III“

Metacritic über „Creed III“

Rotten Tomatoes über „Creed III“

Wikipedia über „Credd III“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Creed“ (Creed, USA 2015)

Meine Besprechung von Steven Caple Jr.’s „Creed II“ (Creed II, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: Kreative Titelwahl, neueste Ausgabe: „Creed II“

Januar 24, 2019

Bei einem Blick auf die Credits, die erst am Filmende eingeblendet werden, wird deutlich, warum „Creed II“ so ist, wie er ist.

Wir erinnern uns: „Creed“ erzählte die Geschichte von Adonis Creed, dem Sohn von Apollo Creed. Er will Boxer werden und der Weg an die Spitze kann nur mit Apollos altem Freund Rocky Balboa gelingen. Adonis Creed überzeugt ihn, ihn zu trainieren und fortan gewinnt er Boxkämpfe.

Der kreative Kopf hinter „Creed“ war Ryan Coogler. Er schrieb das Drehbuch und überzeugte Sylvester Stallone seinen Charakter in einem Film zu spielen, für den er weder das Drehbuch geschrieben hatte, noch die Regie führen würde. Und er nur eine Nebenrolle haben würde. Stallone stimmte zu. Der Film war gleichzeitig ein gelungenes Ende der Rocky-Saga, eine Staffelübergabe von einer zu einer anderen Generation, eine Neuinterpretation der „Rocky“-Aufsteigergeschichte und einfach ein guter Film.

Anschließend inszenierte Ryan Coogler „Black Panther“, ein Welterfolg, der jetzt auch für den Oscar als bester Film des Jahres nominiert ist. In „Creed II“ ist er nur noch einer der zahlreichen Produzenten. D. h.: sein kreativer Input dürfte sich auf das Übermitteln seiner Bankverbindung beschränkt haben.

Stattdessen übernahm Sylvester Stallone wieder das Ruder und behielt es in der Hand. Er schrieb mit einem Neuling das Drehbuch. Die Regie übernahm Steven Caple Jr.. Bislang inszenierte er einige TV-Filme und einen niedrig budgetierten Spielfilm. Das muss jetzt nicht unbedingt schlecht sein. Schließlich können junge Autoren und Regisseure alten Serien einen neuen Dreh verleihen. In diesem Fall führt es dazu, dass Sylvester Stallone ungehindert seine Ego-Show abziehen kann.

Das beginnt schon mit der Story: Viktor Drago, der Sohn von Ivan Drago, fordert den Boxweltmeister Adonis Creed zum Kampf heraus. Nach kurzem Zögern nimmt Creed die Herausforderung an. Immerhin tötete Ivan Drago seinen Vater Apollo im Ring.

Das war in „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“ (Rocky IV, USA 1985). Sylvester Stallone war damals Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur.

Creed II“ ist jetzt ein Remake von diesem Machwerk. Nur ohne dessen Ideologie. Dabei verlieh gerade diese strunzdumme Ideologie, in der der Kampf zwischen Ost und West im Boxring ausgetragen und beendet wird, dem Polit-Trash eine bestimmte tagespolitische Relevanz und auch Kraft.

In „Creed II“ bleibt dagegen nur die altbekannte Dramaturgie eines Boxerfilms und Söhne, die, wie programmierte Roboter, noch einmal den Kampf ihrer Väter nachstellen.

Damit beraubt sich der Film jeder Möglichkeit, irgendetwas neu zu interpretieren oder der Geschichte irgendeinen interessanten oder überraschenden Aspekt abzugewinnen oder irgendein neueres Thema anzusprechen. Es gibt einfach nichts, was zum Nachdenken anregt.

Creed II“ ist einfach eine ziemlich farblose Wiederholung von „Rocky IV“.

Creed II (Creed II, USA 2018)

Regie: Steven Caple Jr.

Drehbuch: Juel Taylor, Sylvester Stallone (nach einer Geschichte von Sascha Penn und Cheo Hodari Coker)

mit Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Wood Harris, Russell Hornsby, Phylicia Rashad, Dolph Lundgren, Florian ‚Big Nasty‘ Munteanu, Brigitte Nielsen

Länge: 130 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Creed II“

Metacritic über „Creed II“

Rotten Tomatoes über „Creed II“

Wikipedia über „Creed II“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Creed“ (Creed, USA 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „Creed“ will boxen – und er hat einen prominenten Trainer

Januar 14, 2016

Gut zehn Jahre nach „Rocky Balboa“ spielt Sylvester Stallone wieder die Rolle, mit der er vor vierzig Jahren bekannt wurde und die ihm damals Oscar-Nominierungen als bester Drehbuchautor und bester Hauptdarsteller einbrachte. „Rocky“ erhielt den Oscar als bester Film des Jahres. Seitdem spielte Stallone mehrmals den Boxer und er sammelte Razzies, die Anti-Oscars für besonders schlechte Leistungen.
Jetzt, in „Creed – Rocky’s Legacy“ (so der deutsche Titel von „Creed“), hat er eine Nebenrolle und am Wochenende erhielt er den Golden Globe als bester Nebendarsteller. Für etliche weitere Preise, wie den Oscar als bester Nebendarsteller, wurde er nominiert und auch der Film wird von der US-Kritik beängstigend euphorisch abgefeiert. Nun, so gut ist Ryan Cooglers zweiter Spielfilm nach „Nächster Halt: Fruitvale Station“ nicht, aber es ist ein würdiger und würdevoller Abschluss der Geschichte von Rocky Balboa und auch ein gelungener Stabwechsel von der älteren zur jüngeren Generation. Wie damals, als Paul Newman in „Die Farbe des Geldes“ (The Color of Money, 1986) die Rolle des professionellen Billardspielers Eddie Felson aus „Haie der Großstadt“ (The Hustler, 1961) wieder aufnahm. Sein junger Bewunderer, der in seine Fußstapfen treten wollte, war Tom Cruise.
In „Creed“ ist Rocky Balboa (wie schon in dem ziemlich lahmen „Rocky Balboa“) ein alter Mann, der seinen Erinnerungen nachhängt, ein Restaurant betreibt und von seinem alten Ruhm als Boxer zehrt. Er sieht keinen Tag jünger aus, als er ist und der Siebzigjährige lässt sich nur widerwillig und nach langem Zögern auf die Bitte des jungen Afroamerikaners Adonis Johnson (Michael B. Jordan), ihn zu trainieren, ein.
Und dann läuft das übliche Programm eines Boxerfilms von Boxkämpfen im Ring, Training, einer schwierigen Herausforderungen und einem Schlusskampf im Ring, in dem es um alles geht, ab. Und dazu gibt es noch eine Liebesgeschichte zwischen dem Boxer und seiner neuen Freundin, einer im gleichen Miethaus lebenden Musikerin.
All das findet sich in „Creed“, der sich mit über zwei Stunden viel Zeit nimmt, seine Geschichte zu erzählen, ohne dass man sich langweilt. Denn Ryan Coogler legt, wie Sylvester Stallone in seinem ersten „Rocky“-Film, der von John G. Avildsen („Karate Kid“) inszeniert wurde, Wert darauf, die Charaktere in einem realistischen Umfeld zu präsentieren und damit, inclusive etlicher aus „Rocky“ bekannter Orte, auch eine kleine Topographie der Arbeiterschicht von Philadelphia im Wandel (oder Nicht-Wandel) der Zeit zu zeichnen. Im Mittelpunkt des Films steht allerdings Adonis Johnson, der Sohn von Apollo Creed, der seinen Vater niemals kennen lernte und der jetzt immer noch nach einer Vaterfigur und, damit verbunden, seiner Identität sucht.
Das ist von Ryan Coogler feinfühlig inszeniert, ohne die große Szene zu scheuen. Die Boxkämpfe erhalten wegen der wenigen Schnitte eine besondere Dynamik und Dramatik. Bei dem Kampf zwischen Adonis und Pete Sporino (Ritchie Coster ist, wie die anderen Boxgegner von Adonis, ein echter Boxer) gibt es während des zweiminütigen Kampfes keinen einzigen Schnitt. Coogler zeigt allerdings nur die gute und problemfreie Seite des Boxgeschäftes. Illegale Machenschaften kommen hier nicht vor. Und das Boxen wird, im Gegensatz zu „Southpaw“, als schmerzfreie Angelegenheit präsentiert, was „Creed“ dann schon wieder märchenhafte Züge verleiht.

Creed - Plakat

Creed – Rocky’s Legacy (Creed, USA 2015)
Regie: Ryan Coogler
Drehbuch: Ryan Coogler, Aaron Covington
mit Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Phylicia Rashad, Andre Ward, Anthony Bellew, Ritchie Coster
Länge: 134 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
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Moviepilot über „Creed“
Metacritic über „Creed“
Rotten Tomatoes über „Creed“
Wikipedia über „Creed“ (deutsch, englisch)