Neu im Kino/Filmkritik: Adonis „Creed III – Rocky’s Legacy“, dieses Mal ohne Rocky

März 2, 2023

Im Abspann von „Creed III“ heißt es, der Film basiere auf von Sylvester Stallone erfundenen Figuren. Das sagt mehr über das US-amerikanische Urheberrecht und existierende Verträge als über den Film aus. Denn der dritte „Creed“-Film hat mit Sylvester Stallone nichts mehr zu tun. Er spielt nicht mit, schrieb nicht das Drehbuch und führte auch nicht die Regie. Die übernahm Michael B. Jordan, der auch die Hauptrolle, den Boxer Adonis Creed, spielt. Adonis ist der Sohn von Apollo Creed, einem Boxer, der vor Ewigkeiten gegen Rocky Balboa (Sylvester Stallone) kämpfte und sich mit ihm befreundete.

Im ersten Film der „Creed“-Reihe, „Creed – Rocky’s Legacy“ (USA 2015), trainiert Rocky den jungen Adonis Creed – und wir sahen einen überzeugenden, tief im afroamerikanischen Milieu verwurzelten Boxerfilm. Das war eine gelungene und sehr eigenständige Fortführung der Geschichte von Rocky, der hier nur noch der Trainer für ein neues Boxtalent war. Danach hätte die Geschichte von Adonis ohne irgendwelche Rückbezüge auf die „Rocky“-Filme weitergehen können.

Creed II – Rocky’s Legacy“ (USA 2018), nach einem Drehbuch von Sylvester Stallone, war dann eine ziemliche Enttäuschung. Viel zu krampfhaft wurde versucht, „Rocky 4 – Der Kampf des Jahrunderts“ (USA 1985) nochmal zu erzählen. Das ist der Kalter-Krieg-„Rocky“-Fim, in dem Rocky gegen den bösen Russen Ivan Drago kämpft und den bösen Ostblock im Boxring schlägt und so die Überlegenheit des freien Westens gegenüber dem bösen Kommunismus beweist. In „Creed II“ kämpft dann der Sohn von Ivan Drago gegen Adonis Creed, der hier so etwas wie der Sohn von Rocky ist. Der Kampf soll die Revanche für den inzwischen gut vierzig Jahre zurückliegenden Kampf sein. Da kann man nur sagen „Get over it. Get a life“.

In „Creed III – Rocky’s Legacy“ managt Adonis Creed das Boxstudio Delphi Academy und er fördert und promotet Boxer. Als aktiver Boxer hat er sich bereits vor Jahren unbesiegt zur Ruhe gesetzt. Er ist glücklich verheiratet mit der Musikerin Bianca (Tessa Thompson). Ihre Tochter Amara (Mila Davis-Kent) ist ein süßes, schlaues und gut erzogenes Kind. Die Creeds sind eine glückliche, erfolgreiche und somit perfekte Familie. Sie verkörpern perfekt den amerikanischen Traum.

Da trifft Adonis wieder Damian ‚Dame‘ Anderson (Jonathan Majors [Yep, Kang, der Eroberer in „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“]). Adonis hat seinen Jugendfreund seit gut zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Damian saß achtzehn Jahre im Gefängnis. Vor einigen Tagen wurde er entlassen. Adonis fühlt sich für ihn aufgrund ihrer Vergangenheit verantwortlich. Warum wird, obwohl es aufgrund des Prologs, der vieles nur andeutet, ziemlich klar ist, erst am Ende des Films vollständig erklärt.

Durch diese Entscheidung raubt sich der Fim viel von seiner emotionalen Wirkung. Denn anstatt das schnell zu erklären und anschließend tief in den Konflikt zwischen den beiden Jugendfreunden einzutauchen, dürfen wir darüber rätseln, was vor zwanzig Jahren geschah und warum Damian so lange inhaftiert war.

Bis das Rätsel vollständig gelöst ist erzählt Michael B. Jordan, zwischen einigen Boxkämpfen, viel über Freundschaften, aus Freundschaften entstehenden Verpflichtungen und Enttäuschungen, Schuld, Sühne und Erlösung. Und er zeigt einen Afroamerikaner, dem als Boxer der finanzielle Aufstieg gelang. Der erfolgreiche Geschäftsmann Adonis wird in jeder Beziehung als Vorbild gezeichnet. Und gerade dies wirkt, wenn er traurig in seinem großen, sehr sauberen und sehr aufgeräumtem Haus nachdenklich aus dem Fenster starrt oder wenn er abends auf der Couch mit seiner seiner Frau, Tochter und Mutter ein überaus glückliches Familienleben genießt, schon etwas penetrant.

Dieses Glück wird von Damian, dem einzigen Flecken auf Adonis‘ blütenweißer Weste, bedroht. „Creed III“ tendiert in diesen Momenten in Richtung Psychothriller. Denn natürlich verfolgt Damian einen finsteren Racheplan und selbstverständlich wird in einem Boxfilm der Kampf letztendlich, egal wie glaubwürdig das dann ist, im Boxring ausgetragen.

Creed III“ ist eine durchaus gelungene, aber unter seinen Möglichkeiten bleibende Mischung aus Psychothriller, Boxdrama und Familienfilm über einen Ex-Boxer, der nochmal in den Ring steigen muss, um seine Familie und sein Leben zu verteidigen.

Creed III – Rocky’s Legacy (Creed III, USA 2023)

Regie: Michael B. Jordan

Drehbuch: Keenan Coogler, Zach Baylin (basierend auf einer Geschichte von Ryan Coogler, Keenan Coogler und Zach Baylin)

mit Michael B. Jordan, Tessa Thompson, Jonathan Majors, Wood Harris, Florian Munteanu, Mila Davis-Kent, Phylicia Rashad

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Creed III“

Metacritic über „Creed III“

Rotten Tomatoes über „Creed III“

Wikipedia über „Credd III“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Creed“ (Creed, USA 2015)

Meine Besprechung von Steven Caple Jr.’s „Creed II“ (Creed II, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Just Mercy“ – eine Anklage gegen die Todesstrafe und das US-Justizsystem

Februar 27, 2020

Nachdem Bryan Stevenson (Michael B. Jordan) während seines Studiums im Georgia State Prison auf einen zum Tod verurteilten gleichaltrigen Schwarzen trifft, der sein Bruder oder ein Schulkamerad sein könnte, beschließt Stevenson sein Harvard-Jurastudium einzusetzen, um für die Menschen zu kämpfen, die Hilfe am meisten benötigen.

Deshalb nimmt er keine gut bezahlte Stelle in einer Kanzlei an, sondern fährt 1988 nach dem erfolgreich abgeschlossenem Studium nach Alabama, wo man den seligen Zeiten der Rassentrennung nachtrauert. Zusammen mit Eva Ansley (Brie Larson) bietet er zum Tode Verurteilten, bei denen er eine Wiederaufnahme ihres Verfahrens für sinnvoll hält und die bis dahin keine angemessene anwaltliche Vertretung hatten, seine Dienste an. Walter McMillian (Jamie Foxx) gehört zu diesen Männern.

1987 wurde McMillian in einem Schnellverfahren verurteilt, am 1. November 1986 die achtzehnjährige weiße Community-College-Studentin Ronda Morrison ermordet zu haben. Der Fall schockte die Gemeinde von Monroeville, Alabama. Lange suchte die Polizei vergeblich den Täter. Bis der Berufskriminellen Ralph Myers (Tim Blake Nelson) aussagte, er habe McMillian am Tatort gesehen. Weitere Beweise gegen den ehrbaren Kleinunternehmer und Familienvater gab es nicht. Außer seiner Hautfarbe.

Stevenson glaubt, dass er den Fall erfolgreich neu aufrollen kann. Die erste Hürde ist, dass McMillian inzwischen desillusioniert ist und nicht mehr glaubt, dass ein Anwalt seine Unschuld beweisen kann.

Destin Daniel Cretton („Schloss aus Glas“) erzählt in dem Justizdrama „Just Mercy“ die sich über mehrere Jahre erstreckende Geschichte von Bryan Stevensons erstem Fall nach. Stevenson ist inzwischen anerkannter, mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichneter Bürgerrechtsanwalt. Zusammen mit Eva Ansley gründete er schon 1989 die noch heute bestehende Equal Justice Initative (EJI). McMillian saß, wie viele andere zum Tod Verurteilte, unschuldig in Haft.

Just Mercy“ ist ein guter, sehenswerter und auch informativer Film. Bei all seinen guten Absichten bleibt das Justizdrama allerdings immer etwas zu konventionell, um wirklich mehr zu sein als ein guter Film. Auf der formalen Ebene ist „Just Mercy“ ein Gerichtsdrama, in dem ein tapferer Anwalt darum kämpft, seinen Mandanten aus der Todeszelle zu befreien. Dabei macht die Nebenfigur McMillian die größte Veränderung durch. Wenn er zum ersten Mal Stevenson trifft, ist er als unschuldig zum Tod Verurteilter ein vom gesamten Justizsystem desillusionierter Mann. Während der Geschichte schöpft er Hoffnung und am Ende, wenn er zu seiner Familie zurückkehren kann, hat sich seine Haltung zum Justizsystem geändert. Dagegen bleibt Stevenson, beim Bestehen seiner ersten Bewährungsprobe als Anwalt, bei seiner Position.

Cretton verlässt sich bei seiner unauffälligen Inszenierung auf die Schauspieler und die wahre Geschichte, die in den USA immer noch erschreckend aktuell ist. Auch wenn die unschuldig Verurteilten andere Namen haben und in anderen Gefängnissen sitzen.

P. S.: Gelungener Trailer.

Just Mercy (Just Mercy, USA 2019)

Regie: Destin Daniel Cretton

Drehbuch: Destin Daniel Cretton, Andrew Lanham

LV: Bryan Stevenson: Just Mercy: A Story of Justice and Redemption, 2014 (Ohne Gnade: Polizeigewalt und Justizwillkür in den USA)

mit Michael B. Jordan, Jamie Foxx, Brie Larson, Rob Morgan, O’Shea Jackson Jr., Karan Kendrick, Rafe Spall, Tim Blake Nelson, Michael Harding

Länge: 137 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Just Mercy“

Metacritic über „Just Mercy“

Rotten Tomatoes über „Just Mercy“

Wikipedia über „Just Mercy“ (deutsch, englisch)

Hat History vs. Hollywood just mercy mit „Just Mercy“?

Meine Besprechung von Destin Daniel Crettons „Schloss aus Glas“ (The Glass Castle, USA 2017)

Das Q&A nach der Weltpremiere beim TIFF 2019

Die Pressekonferenz

DP/30 unterhält sich mit Destin Daniel Cretton über den Film


Neu im Kino/Filmkritik: Kreative Titelwahl, neueste Ausgabe: „Creed II“

Januar 24, 2019

Bei einem Blick auf die Credits, die erst am Filmende eingeblendet werden, wird deutlich, warum „Creed II“ so ist, wie er ist.

Wir erinnern uns: „Creed“ erzählte die Geschichte von Adonis Creed, dem Sohn von Apollo Creed. Er will Boxer werden und der Weg an die Spitze kann nur mit Apollos altem Freund Rocky Balboa gelingen. Adonis Creed überzeugt ihn, ihn zu trainieren und fortan gewinnt er Boxkämpfe.

Der kreative Kopf hinter „Creed“ war Ryan Coogler. Er schrieb das Drehbuch und überzeugte Sylvester Stallone seinen Charakter in einem Film zu spielen, für den er weder das Drehbuch geschrieben hatte, noch die Regie führen würde. Und er nur eine Nebenrolle haben würde. Stallone stimmte zu. Der Film war gleichzeitig ein gelungenes Ende der Rocky-Saga, eine Staffelübergabe von einer zu einer anderen Generation, eine Neuinterpretation der „Rocky“-Aufsteigergeschichte und einfach ein guter Film.

Anschließend inszenierte Ryan Coogler „Black Panther“, ein Welterfolg, der jetzt auch für den Oscar als bester Film des Jahres nominiert ist. In „Creed II“ ist er nur noch einer der zahlreichen Produzenten. D. h.: sein kreativer Input dürfte sich auf das Übermitteln seiner Bankverbindung beschränkt haben.

Stattdessen übernahm Sylvester Stallone wieder das Ruder und behielt es in der Hand. Er schrieb mit einem Neuling das Drehbuch. Die Regie übernahm Steven Caple Jr.. Bislang inszenierte er einige TV-Filme und einen niedrig budgetierten Spielfilm. Das muss jetzt nicht unbedingt schlecht sein. Schließlich können junge Autoren und Regisseure alten Serien einen neuen Dreh verleihen. In diesem Fall führt es dazu, dass Sylvester Stallone ungehindert seine Ego-Show abziehen kann.

Das beginnt schon mit der Story: Viktor Drago, der Sohn von Ivan Drago, fordert den Boxweltmeister Adonis Creed zum Kampf heraus. Nach kurzem Zögern nimmt Creed die Herausforderung an. Immerhin tötete Ivan Drago seinen Vater Apollo im Ring.

Das war in „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“ (Rocky IV, USA 1985). Sylvester Stallone war damals Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur.

Creed II“ ist jetzt ein Remake von diesem Machwerk. Nur ohne dessen Ideologie. Dabei verlieh gerade diese strunzdumme Ideologie, in der der Kampf zwischen Ost und West im Boxring ausgetragen und beendet wird, dem Polit-Trash eine bestimmte tagespolitische Relevanz und auch Kraft.

In „Creed II“ bleibt dagegen nur die altbekannte Dramaturgie eines Boxerfilms und Söhne, die, wie programmierte Roboter, noch einmal den Kampf ihrer Väter nachstellen.

Damit beraubt sich der Film jeder Möglichkeit, irgendetwas neu zu interpretieren oder der Geschichte irgendeinen interessanten oder überraschenden Aspekt abzugewinnen oder irgendein neueres Thema anzusprechen. Es gibt einfach nichts, was zum Nachdenken anregt.

Creed II“ ist einfach eine ziemlich farblose Wiederholung von „Rocky IV“.

Creed II (Creed II, USA 2018)

Regie: Steven Caple Jr.

Drehbuch: Juel Taylor, Sylvester Stallone (nach einer Geschichte von Sascha Penn und Cheo Hodari Coker)

mit Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Wood Harris, Russell Hornsby, Phylicia Rashad, Dolph Lundgren, Florian ‚Big Nasty‘ Munteanu, Brigitte Nielsen

Länge: 130 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Metacritic über „Creed II“

Rotten Tomatoes über „Creed II“

Wikipedia über „Creed II“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Creed“ (Creed, USA 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „Kin“ – etwas Science-Fiction-Action, viel Sozialdrama

September 14, 2018

Der vierzehnjährige Eli (Myles Truitt) entdeckt in Detroit in einer Ruine beim Schrott sammeln eine futuristische Waffe. Er nimmt sie mit, benutzt sie zufällig und bringt so die außerirdischen Waffenbesitzer auf seine Fährte. Sie wollen selbstverständlich ihr Eigentum zurück haben. Zwei Cleaner verfolgen ihn quer durch die USA.

Das ahnt Eli allerdings nicht. Denn schnell wird die Waffe und damit der Science-Fiction-Plot vollkommen nebensächlich. Im Mittelpunkt des Films steht die Geschichte zweier Brüder und ihrer mit Straftaten gepflasterten Reise durch das Hinterland der USA.

Eli ist der Adoptivsohn von Hal Solinski (Dennis Quaid). Der Witwer ist ein strenger und sehr prinzipientreuer Erzieher, der an harte, ehrliche Arbeit glaubt. Seinen leiblichen Sohn Jimmy (Jack Reynor), der gerade eine Haftstrafe abgesessen hat, hat er quasi verstoßen. Er erlaubt Jimmy für einige Tage im Haus zu übernachten. Aber Arbeit soll er sich gefälligst selbst besorgen und er denkt auch nicht daran, ihm beim Bezahlen von Schulden bei dem Gangsterboss Taylor Balik (James Franco mit spürbarer Lust am Bad-Boy-Gangster-Overacting) zu helfen. Also hat Jimmy die bescheuerte Idee, den gut gefüllten Safe in Hals Firma auszurauben. Als Hal sie stört, kommt es zu einem Schusswechsel, bei dem Hal stirbt und Taylor schwer verletzt wird. Jimmy schnappt sich das Geld und verlässt den Tatort.

Weil Jimmy weiß, dass Taylor ihn und seinen Bruder Eli umbringen will, flüchten sie aus Detroit in Richtung Hinterland. Eli hat keine Ahnung, warum sie mitten in der Nacht Detroit verlassen mussten. Aber Jimmy, der typische geistig beschränkte Kleingangster, der von einer misslichen Situation in die nächste stolpert, versucht Eli in einem Schnellkurs all die Dinge beizubringen, die zum Erwachsenwerden dazu gehören. Wie Drogenkonsum.

Zum Glück gabeln sie auf ihrer Fahrt auch Milly (Zoë Kravitz), die sprichwörtliche Nutte mit dem goldenen Herzen, auf. Sie hat auch gleich eine Idee, was man mit der Alien-Wunderwaffe tun kann; – wobei man diesen Überfall auf eine Pokerrunde auch mit handelsüblichen Schusswaffen hätte erledigen können.

Kin“ ist das Spielfilmdebüt der Zwillingsbrüder Jonathan und Josh Baker, die bis jetzt vor allem Werbung und den Kurzfilm „Bag Man“, der auch die Inspiration für „Kin“ war, drehten. Ihr Spielfilm ist vor allem eine Sozialstudie, ein Coming-of-Age-Drama und ein Raod-Movie, bei dem die Beziehung zwischen den beiden Brüdern nie besonders interessant ist. Dafür ist die Geschichte zu eindimensional und es gibt zu viele Klischees. Der Science-Fiction-Plot ist nur am Anfang und Ende wichtig und auch da könnte er mühelos gestrichen werden. Obwohl dann eine Polizeistation nicht „Terminator“-mäßig zerlegt würde und es nicht ein hemmungslos auf weitere Filme spekulierendes Ende gäbe.

So hat „Kin“ für die Science-Fiction-Fans zu wenig Science-Fiction, für die Actionfans zu wenig Action (über diese beiden Punkte wird der Film verkauft) und für die Fans von Sozialdramen zu wenig Sozialdrama. Und alle haben den Eindruck, das alles schon mindestens einmal gesehen zu haben. Das ist nicht wirklich schlecht, mehr so ‚meh‘.

Kin (Kin, USA 2018)

Regie: Jonathan Baker, Josh Baker

Drehbuch: Daniel Casey

mit Myles Truitt, Jack Reynor, Zoë Kravitz, James Franco, Carrie Coon, Dennis Quaid, Michael B. Jordan (Cameo)

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Rotten Tomatoes über „Kin“

Wikipedia über „Kin“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Black Panther“ bringt eine neue Farbe in die Superheldenwelt

Februar 16, 2018

Derzeit – und viel dürfte sich nicht änderen – hat „Black Panther“ bei Rotten Tomatoes einen fast hundertprozentigen Frischegrad. Damit ist der neueste Marvel-Film der, neben Pixars „Die Unglaublichen – The Incredibles“, am besten bewertete Superheldenfilm. Weil die kumulierte Bewertung bei Rotten Tomatoes immer einen leichten Hang zu den Extremen hat, empfiehlt sich ein Blick auf die ausgewogener bewertende Metacritic-Seite. Deshalb hat „Black Panther“ dort nur einen Metascore von aktuell 87 Prozent. Bei ausschließlich positiven Bewertungen. Und die Vorverkäufe sind astronomisch hoch. Damit ist „Black Panther“ für Marvel schon vor dem Kinostart ein weiterer Gewinner, der in den ersten Tagen sein Budget einspielen wird.

Die hohen Bewertungen verraten natürlich auch etwas über Erwartungshaltungen bei den Kritikern und das gesellschaftliche und politische Umfeld, in dem Filme präsentiert werden. Denn in „Black Panther“ steht erstmals, wenn wir Marvels „Blade“-Trilogie (mit Wesley Snipes) ignorieren, in einem Superheldenblockbusterfilm ein schwarzer Superheld im Zentrum der Geschichte. Weiße haben nur Statistenrollen haben und die Geschichte spielt fast vollständig im Herzen Afrikas.

Der titelgebende Superheld ist Prinz T’Challa. Er ist, nach dem Tod seines Vaters T’Chaka in „The First Avenger: Civil War“ (Captain America: Civil War, 2016) sein designierter Nachfolger und damit der titelgebende Black Panther. Aber so einfach ist das mit der Nachfolge im Königreich Wakanda nicht.

Wakana ist ein im Herzen Afrikas liegender Staat, der eine konsequent isolationistische Politik betreibt. Seit Ewigkeiten hält das Land sich aus allen Konflikten und dem Weltgeschehen heraus. Seine Bewohner führen ein einfaches, aber glückliches und friedliches Leben. Allerdings hat Wakanda durch das undurchdringliche Metall Vibranium (aus dem Material besteht auch das Schild von Captain America) seit Ewigkeiten den Zugriff auf unglaubliches technologisches Wissen. Die so entstandenen futuristischen Technologien und Geräte verbergen sie vor der Welt hinter der Tarnkappe eines malerischen Postkartenafrikalandes, das sogar auf jeglichen Tourismus verzichtet.

So fortschrittlich die in Wakanda benutzte Technologie ist, so archaisch ist die Gesellschaft aufgebaut. Es gibt Stämme. Es gibt eine dem Königshaus gegenüber absolut loyale Amazonen-Palastwache, die Dora Milaje, die gerne wie anno dunnemals mit Speeren kämpft. Es gibt eine durch Geburt geregelte Nachfolge, die nur in einem ehrlichen Kampf verändert werden kann. Als T’Challa gekrönt werden soll, wird er von Jabari-Anführer M’Baku herausgefordert. T’Challa gewinnt den Kampf und bringt, entgegen den Regeln, den Unterlegenen nicht um. Dafür – und das ist keine große Überraschung – hilft er ihm später.

Denn Erik Stevens, aka Killmonger, hat zusammen mit Ulysses Klaue in London aus einem Museum ein aus Vibranium bestehendes historisches Artefakt gestohlen. Über einige Umwege kommt Stevens nach Wakanda, um T’Challa die Krone streitig zu machen. Das kann er, weil er beweisen kann, dass er bzw. seine Vorfahren aus Wakanda sind.

Der nun zwischen T’Challa und Killmonger entbrennende Kampf geht dabei nicht nur um die Macht in Wakanda, sondern vor allem um die künftige politische Ausrichtung von Wakanda. Soll Wakanda weiterhin eine isolationistische Politik betreiben? Oder soll Wakanda eine interventionistische Politik betreiben und den unterdrückten schwarzen Brüdern und Schwestern in anderen Ländern (vor allem natürlich den USA) helfen? Die nötigen Mittel dazu hätten sie in Wakanda. Und wie sollen sie in anderen Ländern eingreifen? Killmonger bevorzugt dabei eindeutig die gewalttätige Methode.

Mit diesem Setting und Konflikt begibt „Black Panther“ sich tief in den Afrofuturismus und die Diskussion, wie Afroamerikaner in den USA für ihre Rechte kämpfen sollen. Und damit ist der Film in den Trump-USA unverkennbar ein hochpolitisches Statement.

Es ist allerdings auch ein Film mit einem wenig charismatischen Protagonisten. T’Challa ist der edle, vernünftige Langweiler, den jeder gern hat. Er ist ein weichgespülter Dr. Martin Luther King, ohne dessen Sendungsbewusstsein. Er ist, jedenfalls am Filmanfang, ein weitgehend selbstgenügsamer Anführer, der in Wakanda und der Welt wenig verändern möchte.

Die Filmgeschichte spielt vor allem in Wakanda und bedient damit all die schönen Afrika-Klischees, die wir aus den alten Tarzan-Filmen kennen und die auch in den „Black Panther“-Comics seit seinem ersten Auftritt 1966 verarbeitet wurden. Es ist die in Fantasy- (mehr) und Science-Fiction-Geschichten (weniger) nicht unübliche Mischung aus Zauberkräften und utopischen technischen Errungenschaften und einer Gesellschaft, die im Mittelalter stecken blieb. Dabei hätten die Macher in ihrem „Black Panther“-Film doch endlich mal eine Gesellschaft entwerfen können, die nicht blind hoffnungslos veraltete, überkommene und nicht zukunftsfähige Stammesrituale herunterbetet, die schon vor hundert Jahren vor allem der Fantasie des weißen Mannes entsprangen.

Die Action ist, verglichen mit der Action in der vor zwei Wochen gestarteten Dystopie „Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone“, eher konfus als packend und oft einfach zu übertrieben. Auch weil vieles aus oder mit der Hilfe des Computers entstand und einige der Spezialeffekte so künstlich aussehen, dass sie wahrscheinlich bewusst so schlecht sind, um an ältere SF-Filme zu erinnern.

Mein Unbehagen an dem Film liegt sicher auch daran, dass mir Ryan Cooglers vorheriger Film „Creed“ so gut gefiel, dass Chadwick Boseman als Jackie Robinson in „42“ und als James Brown in „Get on up“, beides afroamerikanische Helden (Brown taugt ja nur bedingt zum Vorbild), so überzeugend war und dass der Trailer einen wirklichen afroamerikanischen Superhelden versprach, der den Weißen voller „Shaft“-Selbstbewusstsein so richtig in den Arsch tritt. Ich meine, was gibt es cooleres als einen Mann in Schwarz, der auf einem durch die Großstadt rasendem Auto auf dem Dach kniet und von schmissigen HipHop-Klängen begleitet wird?

Dagegen ist „Black Panther“ dann nur eine doch eher brave Origin-Geschichte einer schon durch seine Geburt auserwählte Person aus einem weit, weit entfernten Land. Ohne Sun Ra, aber mit James-Bond-Anspielungen und – und das ist das Neue – durchgehend erzählt aus afroamerikanischer Perspektive.

P. S.: Ohne Maske ist Andy Serkis kaum zu erkennen.

Black Panther (Black Panther, USA 2018)

Regie: Ryan Coogler

Drehbuch: Ryan Coogler, Joe Robert Cole

LV: Charakter von Stan Lee und Jack Kirby

Mit Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong’o, Martin Freeman, Forest Whitaker, Angela Bassett, Andy Serkis, Daniel Kaluuya, Danai Gurira, Florence Kasumba, John Kani, Stan Lee

Länge: 135 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Metacritic über „Black Panther“

Rotten Tomatoes über „Black Panther“

Wikipedia über „Black Panther“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ryan Cooglers „Creed“ (Creed, USA 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „Creed“ will boxen – und er hat einen prominenten Trainer

Januar 14, 2016

Gut zehn Jahre nach „Rocky Balboa“ spielt Sylvester Stallone wieder die Rolle, mit der er vor vierzig Jahren bekannt wurde und die ihm damals Oscar-Nominierungen als bester Drehbuchautor und bester Hauptdarsteller einbrachte. „Rocky“ erhielt den Oscar als bester Film des Jahres. Seitdem spielte Stallone mehrmals den Boxer und er sammelte Razzies, die Anti-Oscars für besonders schlechte Leistungen.
Jetzt, in „Creed – Rocky’s Legacy“ (so der deutsche Titel von „Creed“), hat er eine Nebenrolle und am Wochenende erhielt er den Golden Globe als bester Nebendarsteller. Für etliche weitere Preise, wie den Oscar als bester Nebendarsteller, wurde er nominiert und auch der Film wird von der US-Kritik beängstigend euphorisch abgefeiert. Nun, so gut ist Ryan Cooglers zweiter Spielfilm nach „Nächster Halt: Fruitvale Station“ nicht, aber es ist ein würdiger und würdevoller Abschluss der Geschichte von Rocky Balboa und auch ein gelungener Stabwechsel von der älteren zur jüngeren Generation. Wie damals, als Paul Newman in „Die Farbe des Geldes“ (The Color of Money, 1986) die Rolle des professionellen Billardspielers Eddie Felson aus „Haie der Großstadt“ (The Hustler, 1961) wieder aufnahm. Sein junger Bewunderer, der in seine Fußstapfen treten wollte, war Tom Cruise.
In „Creed“ ist Rocky Balboa (wie schon in dem ziemlich lahmen „Rocky Balboa“) ein alter Mann, der seinen Erinnerungen nachhängt, ein Restaurant betreibt und von seinem alten Ruhm als Boxer zehrt. Er sieht keinen Tag jünger aus, als er ist und der Siebzigjährige lässt sich nur widerwillig und nach langem Zögern auf die Bitte des jungen Afroamerikaners Adonis Johnson (Michael B. Jordan), ihn zu trainieren, ein.
Und dann läuft das übliche Programm eines Boxerfilms von Boxkämpfen im Ring, Training, einer schwierigen Herausforderungen und einem Schlusskampf im Ring, in dem es um alles geht, ab. Und dazu gibt es noch eine Liebesgeschichte zwischen dem Boxer und seiner neuen Freundin, einer im gleichen Miethaus lebenden Musikerin.
All das findet sich in „Creed“, der sich mit über zwei Stunden viel Zeit nimmt, seine Geschichte zu erzählen, ohne dass man sich langweilt. Denn Ryan Coogler legt, wie Sylvester Stallone in seinem ersten „Rocky“-Film, der von John G. Avildsen („Karate Kid“) inszeniert wurde, Wert darauf, die Charaktere in einem realistischen Umfeld zu präsentieren und damit, inclusive etlicher aus „Rocky“ bekannter Orte, auch eine kleine Topographie der Arbeiterschicht von Philadelphia im Wandel (oder Nicht-Wandel) der Zeit zu zeichnen. Im Mittelpunkt des Films steht allerdings Adonis Johnson, der Sohn von Apollo Creed, der seinen Vater niemals kennen lernte und der jetzt immer noch nach einer Vaterfigur und, damit verbunden, seiner Identität sucht.
Das ist von Ryan Coogler feinfühlig inszeniert, ohne die große Szene zu scheuen. Die Boxkämpfe erhalten wegen der wenigen Schnitte eine besondere Dynamik und Dramatik. Bei dem Kampf zwischen Adonis und Pete Sporino (Ritchie Coster ist, wie die anderen Boxgegner von Adonis, ein echter Boxer) gibt es während des zweiminütigen Kampfes keinen einzigen Schnitt. Coogler zeigt allerdings nur die gute und problemfreie Seite des Boxgeschäftes. Illegale Machenschaften kommen hier nicht vor. Und das Boxen wird, im Gegensatz zu „Southpaw“, als schmerzfreie Angelegenheit präsentiert, was „Creed“ dann schon wieder märchenhafte Züge verleiht.

Creed - Plakat

Creed – Rocky’s Legacy (Creed, USA 2015)
Regie: Ryan Coogler
Drehbuch: Ryan Coogler, Aaron Covington
mit Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Phylicia Rashad, Andre Ward, Anthony Bellew, Ritchie Coster
Länge: 134 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
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Rotten Tomatoes über „Creed“
Wikipedia über „Creed“ (deutsch, englisch)


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