Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: William Lindsay Gresham und Guillermo del Toro schicken uns in die „Nightmare Alley“

Januar 21, 2022

Nur ein Narr wird bei dem Titel „Nightmare Alley“ ein Disney-Märchen erwarten. William Lindsay Greshams 1946 erschienener Roman ist ein Noir, der jetzt von Guillermo del Toro verfilmt wurde. Es ist die zweite Verfilmung. Die erste, mit Tyrone Power in der Hauptrolle, ist von 1947. Regie führte Edmund Goulding, Jules Furthman („Geächtet“, „Haben und Nichthaben“. „Tote schlafen fest“ und „Rio Bravo“) schrieb das Drehbuch und der deutsche Titel ist „Der Scharlatan“.

Dabei hat Stanton Carlisle, der titelgebende Scharlatan, der in der neuesten Version von Bradley Cooper gespielt wird, durchaus Talente. Er entdeckt sie bei einem kleinen Wanderzirkus. Dort trifft er auf Zeena (Toni Collette) und Pete Krumbein (David Strathairn), die eine Wahrsage-Show haben. Sie ist eine Mischung aus Betrug und praktisch angewandter Menschenkenntnis. Denn die Wünsche und Ängste der verschiedenen Menschen unterscheiden sich kaum. Nach Petes Tod wird Stanton Zeenas Partner.

Später verlässt Stanton mit der Zirkusartistin Molly Cahill (Rooney Mara) den Zirkus. Zum Abschied legt Zeena ihm die Tarotkarten. Er ist der Gehängte – und das ist keine gute Karte.

Jahre später hat er als „Der große Stanton“ in noblen Establishments eine Wahrsage-Show als umjubelter Mentalist. Bei einem seiner Auftritte trift er auf Dr. Lilith Ritter (Cate Blanchett). Sie wird die dritte wichtige Frau in seinem Leben und sie ist die erste Frau, die ebenso zielgerichtet wie er Menschen manipuliert. Die Psychoanalytikerin schlägt ihm eine Zusammenarbeit vor. Ihre Kundschaft ist vermögend. Sie können also Informationen, die sie während ihrer Analysesitzungen aus deren Leben erfährt, gewinnbringend in Stantons Gedankenleser-Shows einbauen. Zuerst erzählt er seinen nichtsahnenden Kunden Details aus deren Leben, die er unmöglich wissen kann. Danach zieht er ihnen das Geld aus den gut gefüllten Taschen.

Ihr erstes Opfer soll Ezra Grindle (Richard Jenkins) sein. Der stinkreiche und überaus misstrauische Industriemagnat fühlt sich immer noch schuldig für den schon Jahrzehnte zurückliegenden Tod seiner großen Liebe.

Die Geschichte von Stanton Carlisle wird gemeinhin als düstere Versionen vom amerikanischen Traum beschrieben. Es geht um das Streben nach Geld und Ruhm und wie real dieses „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Versprechen ist. Damit dürfte klar sein, wo Stans Geschichte endet; auch wenn einige über das deprimierend bittere Ende erstaunt sein werden. Der Roman und die erste Verfilmung sind kleinere Noir-Klassiker, die bei uns fast unbekannt sind. „Der Scharlatan“ hatte 1954 seinen deutschen Kinostart. Die erste deutsche Überetzung des Romans erschien 2019.

In der aktuellen Heyne-Hardcore-Ausgabe hat der Roman über fünfhundert Seiten. Damit ist er deutlich umfangreicher als ein normaler Noir- oder Pulp-Roman, der oft keine zweihundert Seiten benötigt, um seine Geschichte zu erzählen. Dafür gibt Gresham vor allem im ersten Drittel des Romans einen fundierten, für die Hauptgeschichte eher nebensächlichen, aber höchst kurzweiligen Einblick in das Leben eines Wanderzirkusses und mit welchen Tricks den ahnungslosen Kunden das Geld aus der Tasche gezogen wird.

Es ist allerdings auch ein sich über viele Jahre, die zu Jahrzehnten werden, erstreckender Roman, der teilweise mit großen Zeitsprüngen erzählt wird. Das führt zu einer episodischen Struktur, die auf Erklärungen und klare Ursache-Wirkungs-Mechanismen verzichtet. Stantons Auf- und Abstieg erscheint dabei, trotz einiger Hinweise, die in den verschiedenen Versionen leicht unterschiedlich gewichtet und so auch deutlicher herausgearbeitet werden, weniger in seiner Person angelegt, als dem Willen des Autors zu gehorchen.

Schließlich steht Stantons Ende von Anfang an fest. Er ist, wie Zeena ihm aus den Tarotkarten liest, der Gehängte. Er ist am Ende wieder am Anfang. Stanton ist am Ende sogar in einer schlechteren Lage als am Anfang der Geschichte. Sein schlimmster Alptraum wird wahr. Insofern ist der letzte Satz von del Toros Version grandios. Es ist ein Satz, auf den Gresham verzichtete.

Guillermo del Toro übernimmt, bis auf einige kleine Änderungen, Greshams Geschichte. Es sind hier und da Kürzungen. So tritt Stanton im Roman auch als Geistlicher und Oberhaupt der von ihm gegründeten Kirche der Himmlischen Botschaft auf. Einige Handlungsorte wurden verändert. Dadurch wird die Geschichte filmischer und es gibt in den Momenten auch Anspielungen auf andere Filme.

Über hundertfünfzig Minuten benötigt del Toro dann, um Stantons Geschichte zu erzählen. Er erzählt sie extrem langsam und mit großem pathetischem Ernst; als habe er einen bedeutungsschweren Roman der Hochkultur verfilmt.

Dabei hätte „Nightmare Alley“ von einer kürzeren Laufzeit von unter zwei Stunden, einem eindeutigerem thematischen Fokus und einer damit verbundenen Zuspitzung profitiert, gerne mit mehr Pulp-Gestus und Schwarzem Humor.

Auch die Hauptfiguren Stanton, Lilith Ritter und Molly bleiben blass. Zu sehr müssen sie den Vorgaben der Geschichte gehorchen.

Vor allem Stanton bleibt erstaunlich blass als Scharlatan, der mit seiner Menschenkenntnis und seinen Tricks die Menschen begeistern kann. Ihm fehlt die Faszination des Bösen. Entsprechend unbeteiligt verfolgen wir seine Taten. Seinen Aufstieg vom Wanderzirkus zum Wahrsager und die Probleme, die er dabei hatte, sehen wir nicht. So fehlen – in jeder Version der Geschichte – die Jahre zwischen seinem Abschied aus dem Zirkus und seinem Auftritt im mondänen Nachtclub „Club Copacabana“. Gleichzeitig, wenn später der ihm von Zeena in den Tarotkarten prophezeite und überaus rasante Abstieg beginnt, bedauert man ihn nicht. Auch hier fehlen wieder wichtige Zwischenstationen. Stattdessen ist er in einem Moment „top of the world“ und im nächsten ein in der Gosse liegender Obdachloser. Unklar bleibt, wie es dazu kommt. Als Zuschauer können wir einige Vermutungen anstellen. Gelungen ist in dieser Beziehung Gouldings Version, die von Anfang an auf die verheerende Wirkung des Alkohols hinweist und Stantons Abstieg mit seiner Trunksucht erklärt.

Guillermo del Toro hat viel zu viel Respekt vor der Vorlage, die er nur edel bebildert. Seine „Nightmare Alley“ ist zu sehr von ihrer eigenen Wichtigkeit und Bedeutsamkeit überzeugt, um wirklich zu begeistern.

Nightmare Alley (Nightmare Alley, USA 2021)

Regie: Guillermo del Toro

Drehbuch: Guillermo del Toro, Kim Morgan

LV: William Lindsay Gresham: Nightmare Alley, 1946 (Nightmare Alley)

mit Bradley Cooper, Cate Blanchett, Toni Collette, Willem Dafoe, Richard Jenkins, Rooney Mara, Ron Perlman, Mary Steenburgen, David Strathairn, Jim Beaver, Tim Blake Nelson

Länge: 151 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage

Willliam Lindsay Gresham: Nightmare Alley

(übersetzt von Christian Veit Eschenfelder und Anja Heidböhmer)

Heyne, 2021

512 Seiten

12,99 Euro

Deutsche Erstausgabe

Festa Verlag, 2019

Originalausgabe

Nightmare Alley

Rinehart & Company, New York, 1946

Hinweise

Moviepilot über „Nightmare Alley“

Metacritic über „Nightmare Alley“

Rotten Tomatoes über „Nightmare Alley“

Wikipedia über „Nightmare Alley“ (deutsch, englisch) und die Vorlage

Meine Besprechung von Guillermo del Toros „Pacific Rim“ (Pacific Rim, USA 2013)

Meine Besprechung von Guillermo del Toros „Crimson Peak“ (Crimson Peak, USA 2015)

Meine Besprechung von Guillermo del Toros „The Shape of Water – Das Flüstern des Waters“ (The Shape of Water, USA 2017)

Meine Besprechung von Guillermo del Toro/Daniel Kraus‘ „The Shape of Water“ (The Shape of Water, 2018) (Roman zum Film)

Meine Besprechung von Guilermo del Toro/Chuck Hogans „Die Schatten – Die Blackwood-Aufzeichnungen 1“ (The Hollow Ones, 2020)


DVD-Kritik: „Jesus rolls – Niemand verarscht Jesus“, aber der Dude ist ganz weit weg

April 5, 2021

Jesus Quintana kennen wir als den durchgeknallten Bowler aus „The Big Lebowski“. Jetzt hat er, ungefähr zwanzig Jahre nach seinem ersten und bislang einzigem Auftritt, seinen eigenen Film bekommen. John Turturro, der die Rolle schon seit Ewigkeiten wieder spielen wollte und ungefähr so lange diesen Film (nicht unbedingt mit dieser Story) plante, spielt ihn wieder. Er schrieb auch das Drehbuch und übernahm die Regie.

Diese Dreierbelastung kann jetzt die Vorlage für einen äußerst gelungenen Film – siehe fast das gesamte Werk von Woody Allen – oder ein Desaster sein. In diesem Fall ist es letzteres. Das mag auch daran liegen, dass Jesus ein echter Großkotz ist und er hier ein Umfeld bekommt, um noch großkotziger zu werden. Denn wer soll ihn kontrollieren? Der Regisseur, der ein Drehbuch möglichst wortgetreu verfilmen will? Wohl kaum.

Die Komödie beginnt mit der Entlassung von Jesus Quintana aus dem Gefängnis. Der Direktor (Christopher Walken) gibt ihm einige gute Ratschläge mit auf seinen künftigen Weg.

Vor dem Gefängnis wird er von von seinem Kumpel Petey (Bobby Cannavale) erwartet und sie beginnen ungefähr da, wo sie vor Jesus‘ Knastaufenthalt aufhörten. Sie klauen jedes Auto, das sie sehen, baggern jede Frau an, die sie treffen und zeigen durchgehend einen erschreckenden Mangel an Respekt vor Recht und Gesetz und den Regeln des guten Antstands.

Das alles erzählt Turtorro als eine episodischen Reigen mit vielen kurzen Auftritten bekannter Schauspieler. Dabei sind Audrey Tautou, die zu ihrer Begleiterin wird und damit die dritte Hauptrolle hat, Jon Hamm, Susan Sarandon, Pete Davidson, Sonia Braga, J. B. Smoove, Tim Blake Nelson und Gloria Reuben.

Schnell drängt sich der Verdacht auf, dass sie beim Dreh viel Spaß hatten. Der überträgt sich allerdings nicht auf den heimischen Bildschirm. Keine Pointe zündet. Keine Entwicklung ist sichtbar, während sich eine austauschbare Episode an die nächste reiht.

Dabei sind die Dialoge recht freizügig und die Schauspieler noch freizügiger. Für einen US-Film ist eine erstaunliche Menge nackter Haut zu sehen. Das und die offenherzige Libertinage des Trios Turturro/Cannavale/Tautou erinnert an europäische Filme. Vor allem aus den siebziger Jahren, als in Betten und der freien Natur im Zuge der sexuellen Befreiung (und Provokation des konservativen Bürgertums) viel nackte Haut gezeigt wurde.

Und wirklich: die Vorlage für „Jesus rolls“ ist Bertrand Bliers Hit „Die Ausgebufften“ (Les Valseuses, Frankreich 1974) mit Gérard Depardieu, Patrick Dewaere und Miou-Miou als freizügiges Trio. Ein Klassiker des französischen Kinos und ein Film, der mir vor Jahren gut gefallen hat.

Den sollte ich mir jetzt mal wieder ansehen.

Von „Jesus rolls“ kann das nicht gesagt werden. Nach knapp achtzig Minuten (ohne Abspann) bleibt die Erkenntnis, dass Jesus weiterhin besser eine Comicfigur auf der Bowlingbahn in „The Big Lebowski“ geblieben wäre. Mehr wollten wir eigentlich nie über ihn wissen. Die Coen-Brüder wussten das. Ihre Mitwirkung an „Jesus rolls“ beschränkte sich darauf, Turturro die Benutzung der von ihnen erfundenen Figur zu erlauben.

Jesus rolls – Niemand verarscht Jesus (The Jesus Rolls, USA 2019)

Regie: John Turturro

Drehbuch: John Turturro (nach dem Film „Les Valseuses“ von Bertrand Blier)

mit John Turturro, Bobby Cannavale, Audrey Tautou, Pete Davidson, Jon Hamm, Susan Sarandon, Sonia Braga, Christopher Walken, J. B. Smoove, Tim Blake Nelson, Gloria Reuben, Michael Badalucco, Nicolas Reyes, Tonino Baliardo

DVD (erscheint am 8. April)

EuroVideo

Bild: 1,85:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte

Bonusmaterial: Trailer

Länge: 82 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Blu-ray identisch. Digital ab 25. März verfügbar.

Hinweise

Moviepilot über „Jesus rolls“

Metacritic über „Jesus rolls“

Rotten Tomatoes über „Jesus rolls“

Wikipedia über „Jesus rolls

Meine Besprechung von John Turturros „Plötzlich Gigolo“ (Fading Gigolo, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: „Just Mercy“ – eine Anklage gegen die Todesstrafe und das US-Justizsystem

Februar 27, 2020

Nachdem Bryan Stevenson (Michael B. Jordan) während seines Studiums im Georgia State Prison auf einen zum Tod verurteilten gleichaltrigen Schwarzen trifft, der sein Bruder oder ein Schulkamerad sein könnte, beschließt Stevenson sein Harvard-Jurastudium einzusetzen, um für die Menschen zu kämpfen, die Hilfe am meisten benötigen.

Deshalb nimmt er keine gut bezahlte Stelle in einer Kanzlei an, sondern fährt 1988 nach dem erfolgreich abgeschlossenem Studium nach Alabama, wo man den seligen Zeiten der Rassentrennung nachtrauert. Zusammen mit Eva Ansley (Brie Larson) bietet er zum Tode Verurteilten, bei denen er eine Wiederaufnahme ihres Verfahrens für sinnvoll hält und die bis dahin keine angemessene anwaltliche Vertretung hatten, seine Dienste an. Walter McMillian (Jamie Foxx) gehört zu diesen Männern.

1987 wurde McMillian in einem Schnellverfahren verurteilt, am 1. November 1986 die achtzehnjährige weiße Community-College-Studentin Ronda Morrison ermordet zu haben. Der Fall schockte die Gemeinde von Monroeville, Alabama. Lange suchte die Polizei vergeblich den Täter. Bis der Berufskriminellen Ralph Myers (Tim Blake Nelson) aussagte, er habe McMillian am Tatort gesehen. Weitere Beweise gegen den ehrbaren Kleinunternehmer und Familienvater gab es nicht. Außer seiner Hautfarbe.

Stevenson glaubt, dass er den Fall erfolgreich neu aufrollen kann. Die erste Hürde ist, dass McMillian inzwischen desillusioniert ist und nicht mehr glaubt, dass ein Anwalt seine Unschuld beweisen kann.

Destin Daniel Cretton („Schloss aus Glas“) erzählt in dem Justizdrama „Just Mercy“ die sich über mehrere Jahre erstreckende Geschichte von Bryan Stevensons erstem Fall nach. Stevenson ist inzwischen anerkannter, mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichneter Bürgerrechtsanwalt. Zusammen mit Eva Ansley gründete er schon 1989 die noch heute bestehende Equal Justice Initative (EJI). McMillian saß, wie viele andere zum Tod Verurteilte, unschuldig in Haft.

Just Mercy“ ist ein guter, sehenswerter und auch informativer Film. Bei all seinen guten Absichten bleibt das Justizdrama allerdings immer etwas zu konventionell, um wirklich mehr zu sein als ein guter Film. Auf der formalen Ebene ist „Just Mercy“ ein Gerichtsdrama, in dem ein tapferer Anwalt darum kämpft, seinen Mandanten aus der Todeszelle zu befreien. Dabei macht die Nebenfigur McMillian die größte Veränderung durch. Wenn er zum ersten Mal Stevenson trifft, ist er als unschuldig zum Tod Verurteilter ein vom gesamten Justizsystem desillusionierter Mann. Während der Geschichte schöpft er Hoffnung und am Ende, wenn er zu seiner Familie zurückkehren kann, hat sich seine Haltung zum Justizsystem geändert. Dagegen bleibt Stevenson, beim Bestehen seiner ersten Bewährungsprobe als Anwalt, bei seiner Position.

Cretton verlässt sich bei seiner unauffälligen Inszenierung auf die Schauspieler und die wahre Geschichte, die in den USA immer noch erschreckend aktuell ist. Auch wenn die unschuldig Verurteilten andere Namen haben und in anderen Gefängnissen sitzen.

P. S.: Gelungener Trailer.

Just Mercy (Just Mercy, USA 2019)

Regie: Destin Daniel Cretton

Drehbuch: Destin Daniel Cretton, Andrew Lanham

LV: Bryan Stevenson: Just Mercy: A Story of Justice and Redemption, 2014 (Ohne Gnade: Polizeigewalt und Justizwillkür in den USA)

mit Michael B. Jordan, Jamie Foxx, Brie Larson, Rob Morgan, O’Shea Jackson Jr., Karan Kendrick, Rafe Spall, Tim Blake Nelson, Michael Harding

Länge: 137 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Just Mercy“

Metacritic über „Just Mercy“

Rotten Tomatoes über „Just Mercy“

Wikipedia über „Just Mercy“ (deutsch, englisch)

Hat History vs. Hollywood just mercy mit „Just Mercy“?

Meine Besprechung von Destin Daniel Crettons „Schloss aus Glas“ (The Glass Castle, USA 2017)

Das Q&A nach der Weltpremiere beim TIFF 2019

Die Pressekonferenz

DP/30 unterhält sich mit Destin Daniel Cretton über den Film


Neu im Kino/Filmkritik: „Angel has fallen“ und Mike Banning muss schon wieder den US-Präsidenten vor Attentätern schützen

August 29, 2019

Mike Banning, der gefährlichste Bodyguard für den US-Präsidenten, ist zurück. Schon in „Olympus has fallen“ und „London has fallen“ wurden während seiner Arbeitszeit Anschläge auf den Präsidenten verübt. Es kam zu massiven, ganze Innenstädte verwüstenden Kollateralschäden. Aber Banning rettete den Präsidenten.

In „Angel has fallen“ ist der aus den vorherigen Filmen in anderen Positionen arbeitende Allan Trumbull (Morgan Freeman) zum Präsidenten der USA aufgestiegen. Aufgrund der Ereignisse in den vorherigen Filmen hat Trumbull ein fast schon freundschaftliches Verhältnis zu dem Secret-Service-Agenten Banning (Gerard Butler). Banning kämpft inzwischen zwar mit gesundheitlichen Problemen. Aber er kann bei einer Übung auf einem Trainingsgelände seines Freundes Wade Jennings (Danny Huston), den Chef einer privaten Militärfirma, immer noch dessen Männer im Dutzend ausschalten.

Gegen einen Drohnenangriff, der kurz darauf auf einem selbstverständlich gut geschützten Landsitz des Präsidenten auf den Präsidenten verübt wird, ist Banning machtlos. Seine Männer werden von den Drohnen, die wie ein Schwarm Steckmücken über sie herfallen, massakriert. Nur Banning und Trumbull überleben schwer verletzt den Anschlag.

Als Banning im Krankenhaus aufwacht, erfährt er, dass seine Kollegen ihn für den Anschlag verantwortlich machen. Und schon ist der Mann, der mehrmals das Leben des Präsidenten rettete, als Attentäter angeklagt. Wenige Minuten später ist er ein Mann auf der Flucht, der herausfinden will, wer ihn als Attentäter sehen will.

In dieser Situation kann Banning nur einem Mann vertrauen: seinem Vater, den er seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat. Denn der Vietnamveteran Clay Banning (Nick Nolte) lebt seit Jahrzehnten als Einsiedler am Rand der Zivilisation.

Angel has fallen“ ist eine Actionsause, die mit Auftritten bekannter Schauspieler punktet, während die einfache Geschichte sich nicht um Logik und Plausibilität bemüht.

Stattdessen scheinen die Bösewichter vor allem an möglichst spektakulären Aktionen interessiert zu sein. Warum sollte man den Präsidenten bei einem gezielten Anschlag töten, wenn man stattdessen gleichzeitig den halben Secret-Service töten und ein großes Waldgrundstück abfackeln kann? Warum soll man einen chirurgischen Anschlag verüben, wenn man stattdessen das ganze Krankenhaus in die Luft jagen kann? Und wenn man schon dabei ist, kann man das Gebiet um das Krankenhaus gleich in ein innerstädtisches Kriegsgebiet verwandeln.

Auch der Plan der Bösewichter aus dem gefeierten Bodyguard Banning den Attentäter Banning zu machen, ist Unfug. Denn bei dem Attentat überleben zwei Personen: Banning, der „Attentäter“, und Trumbull, das Opfer.

Während Banning noch von seinen ehemaligen Kollegen gejagt wird, weiß der Zuschauer schon, wer für die Attentate verantwortlich ist und auch wer der große unbekannte Drahtzieher ist.

Damit liefert „Angel has fallen“ ziemlich genau das, was man von den vorherigen beiden Banning-Filmen erwartet: gut besetzte, grob geschnitzte, bodenständige Action.

Dass dabei nach Antoine Fuqua und Babak Najafi jetzt Ric Roman Waugh die Regie übernommen hat, fällt nicht weiter auf.

In den USA belegte der Film an seinem Startwochenende mit großem Abstand den esten Platz der Kinocharts. Damit dürfte ein weiterer Film mit dem Bodyguard, der Präsidenten in Lebensgefahr bringt, um sie anschließend zu retten, beschlossen sein. Auch wenn es vor dem Filmstart hieß, das sei der letzte Film der Serie und im Film immer wieder auf Bannings körperliche Gebrechen hingewiesen wird und er einen Bürojob bekommen soll. Für Banning, der wahrscheinlich noch als rollstuhlfahrender, blinder und tauber Großvater Präsidenten beschützt, eine unvorstellbare Vorstellung.

Angel has fallen (Angel has fallen, USA 2019)

Regie: Ric Roman Waugh

Drehbuch: Ric Roman Waugh, Robert Mark Kamen, Matt Cook, Creighton Rothenberger, Katrin Benedikt

mit Gerard Butler, Morgan Freeman, Danny Huston, Nick Nolte, Lance Reddick, Jada Pinkett Smith, Piper Perabo, Tim Blake Nelson

Länge: 121 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

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Metacritic über „Angel has fallen“

Rotten Tomatoes über „Angel has fallen“

Wikipedia über „Angel has fallen“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ric Roman Waughs „Snitch – Ein riskanter Deal“ (Snitch, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: „Kill the Messenger“, vor allem wenn’s ein Journalist ist

September 10, 2015

Was geschieht, wenn ein Journalist die größte Enthüllungsgeschichte seines Lebens und seiner Tageszeitung während des größten Umbruchs der Zeitungsgeschichte schreibt? Das fragte sich Gary Webb nicht, als er zufällig, bei einer Gerichtsverhandlung gegen einen Drogenhändler, die Verbindung zwischen aus Südamerika kommendem Crack in South Central Los Angeles und der Mitwisserschaft der CIA entdeckte. Das fragte er sich auch nicht, als er seine Story auch in Washington, D. C., und Nicaragua recherchierte. Denn vor zwanzig Jahren hatten nur wenige Menschen einen Internetanschluss. Und als er im August 1996 in der San Jose Mercury News, bei der er angestellt war, seine Recherchen in einer dreiteiligen Artikelserie veröffentlichte, war die Online-Publikation ein netter Zusatznutzen, um den Lesern weiterführende Informationen und Dokumente zu präsentieren. Im Film wird das nicht erwähnt. Denn wenn sie es getan hätten, hätten sie in der zweiten Hälfte andere Schwerpunkte setzen müssen.
Damals verschaffte die Online-Publikation (was damals noch ungewöhnlich war) dem Lokalblatt und der Reportage eine weit eine über die normalen Leser der Tageszeitung hinausgehende Leserschaft und Aufmerksamkeit. Dabei war einges von Webbs Recherchen schon vorher (unter anderem durch die Iran-Contra-Affäre) bekannt, aber jetzt wurden die ihm veröffentlichten Fakten über die Finanzierung der nicaraguanischen Contra-Rebellen durch den Schmuggel von Drogen in die USA (während die USA gleichzeitig einen „war on drugs“ führte) zu einem Skandal. Die Bewohner von South Central waren empört, dass die Regierung (vor allem die CIA), mindestens Mitwisser, vielleicht sogar Mithelfer, bei der Crack-Epidemie, dem steigenden Verbrechen und der desolaten Lage ihres Viertels war. Auch in anderen Großstädten sah es oft nicht besser aus.
Damals wusste niemand, dass Webb seine Enthüllungsgeschichte am Vorabend des US-Zeitungssterbens und des Aufstiegs des Internets zu einem Massenmedium schrieb. Dieser historisch wichtige Umbruch wird im in zwei Teile zerfallenden Film „Kill the Messenger“ zwar nicht weiter angesprochen, aber er verleiht ihm einen beunruhigenden Subtext. Jedenfalls wenn man „guten Journalismus“ nur mit „Zeitungsjournalismus“ verbindet.
Michael Cuesta („Dexter“, „Homeland“) erzählt, nach einem Drehbuch von „New York Times Magazine“-Journalist Peter Landesman, in seinem Film Gary Webbs Geschichte. In der ersten Hälfte, wenn wir Webbs Recherchen verfolgen, steht der Film fest in der Tradition der Thriller, die investigative Journalisten und ihre Arbeit feiern und die sogar Präsidenten, siehe „Die Unbestechlichen“, zu Fall bringen können. Das ist spannend und, auch wenn die Tatsachen heute allgemein anerkannt sind, schockierend.
In der zweiten Hälfte erzählt er, was nach der Enthüllung geschah: wie Webb seine Recherchen verteidigt, er von seinen Vorgesetzten nicht gegen Angriffe verteidigt wird und er sich, auch aufgrund seiner Persönlichkeit, zunehmend isoliert. Dieser Teil ist dann weniger spannend, teilweise schrecklich misslungen, aber thematisch interessanter. Denn er zeigt, wie sehr das Bild des edlen, wahrheitssuchenden, von seiner ebenso edlen, nur der Wahrheit verpflichtenden Redaktion, die ihn bis zum Tod und darüber hinaus beschützt und gegen alle Angriffe verteidigt, eine gut gepflegte Chimäre ist. Jedenfalls für viele Redaktionen. Und, weil die Geschichte gerade an der Schwelle zum Internetzeitalter spielt, zeigt der Film unterschwellig auch, wie sich, ohne dass die Beteiligten es wissen, ein seit Jahrzehnten gepflegtes Modell von Zeitung, von Lokaljournalismus und von Tageszeitung in den USA gerade verabschiedet. In Deutschland ist die Situation nicht vergleichbar, weil hier Tageszeitungen vor allem Abo-Zeitungen sind und daher die Einnahmesituation vollkommen anders aussieht.
Allerdings ist die zweite Hälfte auch weniger gelungen als die erste. Er zerfasert etwas zwischen der Rufmordkampagne durch die Regierung und die Hauptstadtjournalisten, die dem Nobody von dem Provinzblatt nicht die sensationelle Story gönnen, Webbs Kämpfe in der Redaktion und seinem Privatleben. Der Film versucht uns jetzt mehr für den Journalisten und seine beruflichen und privaten Probleme zu interessieren, während davor die Story im Mittelpunkt stand. Jetzt wird der Bote zur Story – und der Film verliert seine Geschichte. Dabei spricht er viele Punkte an, ohne wenigstens einen konsequent in den Mittelpunkt zu rücken. Er geht auch nicht darauf ein, wie sehr Webbs Persönlichkeit seinen Fall vom geachteten Journalisten zum Outsider begünstigte. Webb beging, was auch nicht vom Drehbuchautor angezweifelt wird, am 10. Dezember 2004 Suizid. Aber der Film endet schon Jahre früher mit einer die Tugenden des Journalismus hochhaltenden Rede, die gleichzeitig ein Abgesang auf sie ist.
So ist „Kill the Messenger“ nicht so gut, wie er hätte sein können. Aber er spricht interessante und wichtige Fragen über die Rolle des Journalismus in einer freien Gesellschaft, das Verhalten von Journalisten untereinander, dem Verhalten von Vorgesetzten gegenüber ihren Angestellten und zum Wandel der Medien durch das Internet an. Er drückt sich allerdings um Antworten herum.

Kill the Messenger - Plakat

Kill the Messenger (Kill the Messenger, USA 2014)
Regie: Michael Cuesta
Drehbuch: Peter Landesman
LV: Gary Webb: Dark Alliance – The CIA, the Contras and the Crack Cocaine Explosion, 1998; Nick Schou: Kill the Messenger – How the CIA’s Crack-Cocaine Controversy destroyed Journalist Gary Webb, 2006
mit Jeremy Renner, Rosemarie DeWitt, Tim Blake Nelson, Barry Pepper, Oliver Platt, Andy Garcia, Michael Sheen, Paz Vega, Michael Kenneth Williams, Mary Elizabeth Winstead, Ray Liotta, Robert Patrick
Länge: 112 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Facebook-Seite zum Film
Film-Zeit über „Kill the Messenger“
Moviepilot über „Kill the Messenger“
Metacritic über „Kill the Messenger“
Rotten Tomatoes über „Kill the Messenger“
Wikipedia über „Kill the Messenger“ (deutsch, englisch)
History vs. Hollywood über „Kill the Messenger“


TV-Tipp für den 9. Juli: Lincoln

Juli 9, 2015

ARD, 22.45
Lincoln (Lincoln, USA 2012)
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Tony Kushner
LV: Doris Kearns Goodwin: Team of Rivals: The political Genius of Abraham Lincoln, 2005
Ohne historisches Vorwissen bestenfalls durchwachsenes Biopic über Abraham Lincolns Kampf um den 13. Verfassungszusatz (das ist der, der die Sklaverei abschaffte). Kurz nachdem der Zusatz im Kongress verabschiedet wurde, wurde Lincoln ermordet. Weil der Film mit seinem nicht gezeigten Tod endet, ist „Lincoln“ auch ein Film über die letzten Tage Lincolns.
Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.
mit Daniel Day-Lewis, Sally Field, David Strathairn, Tommy Lee Jones, Joseph Gordon-Levitt, James Spader, Hal Holbrook, John Hawkes, Jackie Earle Haley, Bruce McGill, Tim Blake Nelson , Jared Harris, Gloria Reuben, Walton Goggins , David Oyelowo, Lukas Haas, Gregory Itzin, S. Epatha Merkerson

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Lincoln“

Metacritic über „Lincoln“

Rotten Tomatoes über „Lincoln“

Wikipedia über „Lincoln“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels” (Indiana Jones and the kingdom of the skull, USA 2008)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Gefährten” (War Horse, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Spielbergs “Lincoln” (Lincoln, USA 2012)

Steven Spielberg in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 6. November: O Brother, where art thou?

November 6, 2013

Arte, 20.15

O Brother, where art thou? – Eine Mississippi-Odyssee (USA 2000, R.: Joel Coen, Ethan Coen)

Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen (basierend auf „Die Odyssee“ von Homer)

USA, während der Depression: drei Häftlinge flüchten durch die Südstaaten und während sie einige Abenteuer erleben, hören wir gute Musik. T-Bone Burnett war für den Soundtrack verantwortlich.

Spaßige Nummernrevue

mit George Clooney, John Turturro, Tim Blake Nelson, Charles Durning, John Goodman, Holly Hunter

Wiederholung: Donnerstag, 7. November, 14.10 Uhr

Hinweise

Wikipedia über die Coen-Brüder (deutsch, englisch)

„You know, for kids!“  – The Movies of the Coen Brothers (eine sehr umfangreiche Seite über die Coen-Brüder)

Meine Besprechung von Bill Green/Ben Peskoe/Will Russell/Scott Shuffitts „Ich bin ein Lebowski, du bist ein Lebowski – Die ganze Welt des Big Lebowski“ (I’m a Lebowski, you’re a Lebowski, 2007)

Meine Besprechung von Michael Hoffmans “Gambit – Der Masterplan” (Gambit, USA 2012 – nach einem Drehbuch von Joel und Ethan Coen)

Die Coen-Brüder in der Kriminalakte


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