Neu im Kino/Filmkritik: Über Yorgos Lanthimos‘ Venedig-Gewinner „Poor Things“

Januar 19, 2024

Ich habe Tränen gelacht, als ich das Drehbuch las – es war teuflisch und voller schrägem und absurdem Humor.“

Mark Rufallo

Ich las es als Krimi, prall gefüllt mit Elementen von Horror und Märchen.“

Hanna Schygulla

Yorgos Lanthimos hat wieder zugeschlagen. Mit „Dogtooth“, „The Lobster“ und „The Killing of a Sacred Deer“ wurde der Grieche zum Kritiker- und Arthausliebling. Mit „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ wurde er auch beim breiteren Publikum bekannt. Mit seinem neuen Film setzt er seinen Weg konsequent fort. „Poor Things“ ist dabei sein freundlichster Film geworden.

In der wunderschön durchgeknallten, warmherzigen Steampunk-Frankenstein-Variante „Poor Things“ erzählt er die Geschichte von Bella Baxter (Emma Stone).

Sie ist das Ergebnis eines Experiments von Dr. Godwin ‚God‘ Baxter (Willem Dafoe), einem genialen Wissenschaftler, der von seinem Vater bei einem Experiment verunstaltet wurde. Er ist ein Geistesverwandter von Dr. Frankenstein und Bella ist sein ‚Monster‘. An ihr will er über den menschlichen Geist forschen. Dafür tauscht er, wie wir erst später erfahren, nach ihrem Suizid ihr totes Gehirn gegen das noch lebende Gehirn ihres noch nicht geborenen Babys. Nach der geglückten Operation beobachtet er, wie Bella laufen und sprechen lernt und die Welt innerhalb ihres Hauses erkundet. Dabei geht einiges zu Bruch und sie uriniert auf den Boden. Baxters Haushälterin Mrs. Prim (Vicky Pepperdine) räumt stoisch hinter ihr auf. Dr. Baxter versucht Bella mit väterlicher Geduld zu erziehen und er bringt ihr sprechen bei. Denn Bella ist ein Kind im Körper einer erwachsenen Frau. Diese Diskrepanz zwischen Körper und Geist, gepaart mit einem bestimmendem Temperament und einer kindlichen Sicht auf die Welt, sorgt für einige Lacher.

Zur kontinuierlichen Beobachtung von Bellas Entwicklung engagiert Baxter den Studenten Max McCandless (Ramy Youssef). Beide Männer beobachten Bella. Sie experimentieren mit ihr. Bringen ihr neue Dinge bei und sind ebenso begeistert wie erstaunt über ihre schnellen Lernfortschritte. Dabei entwickeln sie tiefere Gefühle für ihr Forschungsobjekt.

Als Bella älter wird, will sie nicht mehr im Haus bleiben. Sie will die Welt erkunden. Baxter erlaubt es.

Zusammen mit dem von sich überzeugten, besitzergreifenden Hallodri und Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) begibt Bella sich auf eine große Reise, auf der sie vom impulsiven, keine Grenzen kennendem Kind (im Kopf) zur Grenzen kennenden, aber nicht notwendigerweise respektierenden Frau (im Kopf) wird.

Auf dieser, den größten Teil des Films einnehmenden Reise, die sie zuerst nach Lissabon, dann auf einen Ozeandampfer, nach Alexandria und Paris (wo sie in einem Bordell Reisegeld verdient) und wieder zurück nach London führt, begegnet sie der unabhängigen, sehr belesenen und klugen Martha von Kurtzroc (Hanna Schygulla), Marthas Begleiter Harry Astley (Jerrod Carmichael), der Bordellchefin Swiney (Kathryn Hunter) und ihrer revolutionär-sozialistisch gesinnten Arbeitskollegin Toinette (Suzy Bemba). Auf jeder Station dieser Reise lernt Bella eine neue Lektion über ihre von ihr schon in Baxters Haushalt entdeckten Sexualität, die Wirtschaft und die Strukturen der Gesellschaft.

Zurück in London begegnet sie dem Grund für ihren Suizid am Filmanfang. Diese Begegnung führt zu einem köstlich schrägen Finale, das die Verhältnisse auf märchenhafte Weise auf den Kopf stellt. So wie der Film bis dahin schon, höchst unterhaltsam, die Verhältnisse auf den Kopf stellte. Schlließlich spielt er in einer Welt, in der es Wesen gibt, die es nicht geben dürfte.

Lanthimos erzählt die vollständig im Studio gedrehte Geschichte in betont künstlichen Kulissen mit grandiosen Schauspielern, einer konstant mild desorientierenden Kamera und unzähligen visuellen Gags, die die erfundene Steampunk-Welt zu einer glaubwürdigen Welt werden lassen. Am Ende ist „Poor Things“ sein längster, zugänglichster und auch optimistischter und freundlichster Film. Die Schwarze Komödie ist ein großer, wenn auch etwas ausufernder, teils plakativer Spaß.

Nach dem Gewinn des Goldenen Löwen in Venedig gewann „Poor Things“ weitere Preise, wie den Golden Globe als beste Komödie und für die beste Hauptdarstellerin. In den kommenden Wochen dürfte die Komödie zahlreiche weitere Nominierungen und Preise erhalten. Gestern wurde „Poor Things“ für elf BAFTAs nominiert, unter anderem als bester Film, bestes adaptiertes Drehbuch, beste Hauptdarstellerin, beste Kamera, beste Musik und beste Spezialeffekte.

Und wenn am 23. Januar 2024 die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben werden, dürfte Lanthimos neuer Film in mehreren Kategorien nominiert sein.

Poor Things (Poor Things, USA 2023)

Regie: Yorgos Lanthimos

Drehbuch: Tony McNamara

LV: Alasdair Gray: Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D., Scottish Public Health Officer, 1992 (Arme Dinger: Episoden aus den frühen Jahren des schottischen Gesundheitsbeamten Dr. med Archibald McBandless)

mit Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe, Ramy Youssef, Jerrod Carmichael, Hanna Schygulla, Christopher Abbott, Suzy Bemba, Kathryn Hunter, Vicki Pepperdine, Margaret Qualley

Länge: 141 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

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Wikipedia über „Poor Things“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Yorgos Lanthimos‘ „The Killing of a sacred Deer (The Killing of a sacred Deer, Großbritannien/Irland 2017)

Meine Besprechung von Yorgos Lanthimos‘ „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ (The Favourite, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritiken für den große Neustart: „Godzilla vs. Kong“, „Nomadland“, „Percy“, „Der Spion“, „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“, „Ich bin dein Mensch“, „Possessor“, „Nobody“, „Monster Hunter“

Juli 1, 2021

Einmal schnell – mit der selbstgewählten Option über einige Filme, je nach Zeit, mehr zu schreiben: die Filme, die heute starten. Auf der einen Seite der Skala ein Blockbuster für die große Leinwand („Godzilla vs. Kong“). Auf der anderen Seite der diesjährige Oscar-Gewinner („Nomadland“). Dazwischen ein deutscher Science-Fiction-Film („Ich bin dein Mensch“), Dramen und Action. Denn „Nobody“ verlässt den Raum.

Godzilla vs. Kong“ ist ein Spektakel, das für die große Leinwand gemacht ist. Die Story wurde schon vor dem Schreiben des Drehbuchs weggeworfen zugunsten einiger, teils vollkommen abstruser Szenen, die Schauspieler sind noch nicht einmal unterfordert von den anderthalb verlangten Gesichtsausdrücken, aber wenn dann King Kong und Godzilla sich kloppen und dabei Hongkong zerstören, die Boxen im Kino mit großem Wumms dröhnen, dann, ja, dann bleibt nur die Erkenntnis: KINO IST ZURÜCK! ENDLICH.

Ich gebe zu, dass ich den Film im Zoopalast in Berlins größtem Kinosaal sah, Monster auf einer Monsterleinwand überwältigend sind und es einer der ersten Filme war, die ich nach der monatelangen Pause im Kino sehen konnte. Das alles förderte meine Begeisterung.

Davon abgesehen ist „Godzilla vs. Kong“ ein dummer Sommer-Blockbuster, der genau das sein will und dessen Existenzberechtigung im Titel steht. Godzilla, King Kong und, – ähem, das wäre jetzt ein Spoiler.

Godzilla vs. Kong (Godzilla vs. Kong, USA 2021)

Regie: Adam Wingard

Drehbuch: Eric Pearson, Max Borenstein (nach einer Geschichte von Terry Rossio, Michael Dougherty und Zach Shields)

mit Alexander Skarsgård, Millie Bobby Brown, Rebecca Hall, Brian Tyree Henry, Kyle Chandler, Shun Oguri, Eiza González, Julian Dennison, Demián Bichir

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Wikipedia über „Godzilla vs. Kong“ (deutsch, englisch)

Nomadland“ ist das Gegenteil. Ein kleines Indie-Drama mit einer gewohnt fantastischen Frances McDormand, die hier die Nomadin Fern spielt.

Nach dem Verlust von Mann, Job und Haus entschloss Fern sich 2011 (also während der Nachwirkungen der Finanzkrise), ihre Sachen zu packen. Seitdem lebt sie in ihrem Wohnwagen, fährt von schlechtbezahltem Job zu schlechbezahltem Job und genießt, wie viele andere Menschen, die Freiheiten des Nomadenlebens.

Chloé Zhao („The Rider“) zeigt quasi-dokumentarisch das Leben dieser Nomaden und ihrer Gemeinschaft. Wieder drehte sie mit Laien, die sich selbst spielen. Und wieder ist da kein falscher Ton zu spüren.

Bei den diesjährigen Oscars wurde ihre Charakterstudie „Nomadland“ als bester Film, für die beste Regie und die beste Hauptrolle ausgezeichnet. Golden Globes gab es als bester Film und für die beste Regie. Um nur die bekanntesten Preise zu nennen. Insgesamt erhielt der Film, laut IMDB, über 230 Preise.

Zhaos karge Charakterstudie ist großes großartiges Kino mit Bildern, die für die große Leinwand komponiert sind. In diesem Fall (und, Ich verspreche!, in den folgenden Zeilen werde ich nicht mehr erwähnen, wo ich die Filme gesehen habe) musste ich den Film am Computer sehen und ich dachte die ganze Zeit nur „ich will den Film im Kino sehen“.

Nomadland (Nomadland, USA 2020)

Regie: Chloé Zhao

Drehbuch: Chloé Zhao

LV: Jessica Bruder: Nomadland: Surviving America in the Twenty-First Century, 2017 (Nomaden der Arbeit, Sachbuch)

mit Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Swankie, Bob Wells

Länge: 108 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

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Percy“ erzählt nah an den Fakten und angenehm altmodisch die Geschichte von Percy Schmeiser. Der Kanadier ist ein Farmer der alten Schule, der die besten Samen der vorherigen Ernte aufbewahrt und nächstes Jahr wieder aussät. Genau so haben Bauern seit Jahrhunderten gearbeitet. Bis Konzerne Firmen wie Monsanto genmanipulierte Saatgut anboten. Diese sind resistent gegen bestimmte Unkrautvernichtungsmittel, was für die Bauern natürlich eine Arbeitserleichterung ist. Für Monsanto sind sie ein großes Geschäft. Denn sie haben Patente dafür erworben und die Bauern müssen jedes Jahr bei ihnen neue Samen kaufen. Ein Monokulturen förderndes Riesengeschäft, das von Umwelt- und Dritte-Welt-Bewegungen seit Jahrzehnten kritisiert wird.

Percy hatte damit nichts zu tun, bis Monsanto 1997 auf seinen Feldern Spuren von ihren Samen nachwies und ihn verklagte. Im Gegensatz zu anderen Farmern zog Percy Schmeiser vor Gericht.

Clark Johnson erzählt in seinem Justizdrama „Percy“ jetzt die Geschichte von Percy Schmeiser und seinem Kampf gegen Monsanto nach. Das tut er, indem er sich auf das Drehbuch und die Schauspieler – Christopher Walken als Percy Schmeiser, Zach Braff als sein Anwalt, Christina Ricci als Aktivistin – verlässt. Eine kluge Entscheidung.

Percy (Percy, Kanada 2020)

Regie: Clark Johnson

Drehbuch: Garfield Lindsay Miller, Hilary Pryor

mit Christopher Walken, Christina Ricci, Zach Braff, Luke Kirby, Roberta Maxwell, Adam Beach, Martin Donovan

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

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Auch „Der Spion“ beeindruckt nicht durch Spektakel (das hatten wir schon in „Godzilla vs. Kong“), sondern mit seinen Schauspielern. Die Geschichte basiert ebenfalls auf Tatsachen. Jedenfalls soweit man das weiß, wenn es um Geheimagenten und ihre Arbeit geht.

Der britische Geheimdienst MI6 und der amerikanische Geheimdienst CIA engagieren im November 1960 den harmlosen, leicht schmierigen Geschäftsmann Greville Wynne (Benedict Cumberbatch), der immer wieder mit Ostblockstaaten Geschäfte macht. Er soll den Kontakt zu dem hochrangigen Sowjetoffizier Oleg Penkowski (Merab Ninidze) herstellen. Penkowski möchte nämlich den Westmächten geheime Informationen zuspielen.

MI6 und CIA sind sich sicher, dass der KGB keinen Verdacht schöpfen wird, wenn Wynne sich mit Penkowski trifft. Womit sie nicht rechneten, ist, dass die beiden gegensätzlichen Männer sich befreunden. Als Penkowski aufzufliegen droht und der MI6 nichts für ihn unternehmen will, will Wynne seinen Freund retten.

Der Spion“ ist unauffälliges Schauspielerkino mit viel frühsechzigerjahre Patina. Fans des Genres denken bei der Geschichte von Wynne, der über seine Erlebnisse als Spion zwei Bücher mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt schrieb, natürlich sofort an John le Carrés „Das Russland-Haus“ und die grandiose Verfilmung von Fred Schepisi mit Sean Connery.

Das ist nicht schlecht, aber auch nicht unbedingt ein Film, den man sich im Kino ansehen muss.

Der Spion (The Courier, Großbritannien 2020)

Regie: Dominic Cooke

Drehbuch: Tom O’Connor

mit Benedict Cumberbatch, Merab Ninidze, Rachel Brosnahan, Jessie Buckley, Angus Wright, James Schofield, Anton Lesser

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Der neueste Film aus dem „Conjuring“-Universum ist, nach Spin-offs und Vorgeschichten, „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ und damit ein Film aus der Hauptreihe. Wieder wird ein wahrer Fall der Geisterjäger Ed und Lorraine Warren erzählt. Dieses Mal ist es der Brookfield Demon Murder Case.

Am 16. Februar 1981 ermordet der junge Arne Cheyenne Johnson seinen Freund bestialisch. Sein Verteidiger würde auf irgendeine Form von verminderter Zurechnungsfähigkeit plädieren. Aber die Warrens sind schon vor Ort und sie wissen, dass Johnson von einem besonders fiesem Dämonen besessen ist und genau darauf soll die Verteidigung aufbauen. Die nötigen Beweise wollen sie beschaffen.

Der neueste „Conjuring“-Film läuft für meinen Geschmack zu sehr in den Bahnen eines gewöhnlichen Justizkrimis ab, in dem die tapferen Ermittler während der Verhandlung die Beweise für die Unschuld des Angeklagten suchen und in letzter Sekunde finden. Da ist es wirklich einerlei, ob der Angeklagte unschuldig ist, nicht zurechnungsfähig (beispielsweise wegen Opioid-Gebrauch) oder gerade von einem Dämonen besessen war. Das ist eine Frage der Fakten und der Verteidigungsstrategie.

Weil „Conjuring 3“ ein Horrorfilm ist, interessiert sich Regisseur Michael Chaves weniger für rechtstechnische Details und Verteidigungsstrategien, sondern für Geister, Dämonen und Teufelsaustreibungen mit Hilfe der katholischen Kirche.

James Wan, der Regisseur der vorherigen „Conjuring“-Filme ist dieses Mal nur als Autor und Produzent involviert.

Conjuring 3: Im Bann des Teufels (The Conjuring: The Devil made me do it, USA 2021)

Regie: Michael Chaves

Drehbuch: David Leslie Johnson-McGoldrick (nach einer Geschichte von James Wan und David Leslie Johnson-McGoldrick)

mit Patrick Wilson, Vera Farmiga, Ruairi O’Connor, Sarah Catherine Hook, Julian Hilliard

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

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Wikipedia über „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ (deutsch, englisch)

Das „Conjuring“-Universum in der Kriminalakte

Meine Besprechung von James Wans „The Conjuring“ (The Conjuring, USA 2013)

Meine Besprechung von James Wans „The Conjuring 2″ (The Conjuring 2, USA 2016)

Meine Besprechung von John R. Leonettis „Annabelle“ (Annabelle, USA 2014)

Meine Besprechung von David F. Sandbergs „Annabelle 2″ (Annabelle: Creation, USA 2017)

Meine Besprechung von Corin Hardys „The Nun“ (The Nun, USA 2018)

Meine Besprechung von Michael Chaves‘ „Lloronas Fluch“ (The Curse of La Llorona, USA 2019)

Meine Besprechung von Gary Daubermans „Annabelle comes home“ (Annabelle comes home, USA 2019)

Mit einer anderen Sorte von Nicht-Mensch muss Alma sich in „Ich bin dein Mensch“ auseinandersetzen.

Alma soll für drei Wochen einen menschenähnlichen Roboter testen und danach ein Gutachten schreiben. Es geht um die Frage, ob Ehen zwischen Mensch und Maschine erlaubt werden sollen. Dafür wird ihr Tom zugeteilt. Er wurde extra für sie konfiguriert, nachdem in umfangreichen Test Almas Wünsche und Sehnsüchte erforscht wurden. Der Android ist dann auch das Inbild eines Traummanns: gutaussehend, höflich, umsorgend, perfekt im Haushalt und allwissend. Nur seine Bewegungen, Mimik und, selten, Sprachrhythmus verraten, dass Tom kein Mensch ist.

In ihrem neuen Film „Ich bin dein Mensch“ beschäftigt Maria Schrader („Vor der Morgenröte“) sich mit der Frage, was Androiden von Menschen unterscheidet, was Gefühle sind und damit auch und vor allem, was das Menschsein und die menschliche Gesellschaft ausmacht. Das erzählt sie mit Hilfe eines immer wieder überraschend humorvollen Drehbuchs, guten Schauspielern und einer eleganten Kamera und Bildgestaltung (Benedict Neuenfels).

Ich bin dein Mensch“ ist ein feiner, auf der Berlinale abgefeierter, zum Nachdenken anregender Film und einer der besten deutschen Filme des Jahres.

Maren Eggert erhielt einen Silbernen Bären für ihre schauspielerische Leistung.

Ich bin dein Mensch (Deutschland 2021)

Regie: Maria Schrader

Drehbuch: Jan Schomburg, Maria Schrader

LV: Emma Braslavsky: Ich bin dein Mensch, 2019 (Kurzgeschichte, in „2029 – Geschichten von Morgen“)

mit Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Hans Löw, Wolfgang Hübsch, Annika Meier, Falilou Seck, Jürgen Tarrach, Henriette Richter-Röhl, Monika Oschek

Länge: 108 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Filmportal über „Ich bin dein Mensch“

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Wikipedia über „Ich bin dein Mensch“ (deutsch, englisch)

‚Wie der Vater, so der Sohn‘ ist ein dummer Spruch, der in diesem Fall zutrifft. Denn Brandon Cronenbergs „Possessor“ sieht wie ein Horrorfilm seines Vaters David Cronenberg aus den Siebzigern aus. Auch die Geschichte könnte von David Cronenberg stammen.

Eine geheimnisumwitterte Firma hat eine Technik entwickelt, mit der man in fremde Gehirne eindringen und diese Menschen dann zu bestimmten Handlungen bewegen kann. Die Firma bietet dabei vor allem eine Dienstleistung an: Mord. Und zwar Morde, die sonst nicht durchführbar wären. Jedenfalls nicht so.

Eine ihrer Agentinnen ist Vos. Sie hadert zunehmend mit den Folgen der Aufträge für ihre Psyche. Immer weniger kann sie zwischen ihrer Arbeit in fremden Köpfen und ihrem Privatleben mit ihrer Familie unterscheiden.

Brandon Cronenberg inszenierte seinen Horrorfilm „Possessor“ als Hommage an die frühen Bodyhorrorfilme von David Cronenberg. Die Farbgebung, die Erzählgeschwindigkeit, die Kamerabewegungen, der Ton, die Tricks (bei den Morden wird nach der Methode „zuviel rotes Blut kann es nicht geben“ vorgegangen), die minimalistischen, futuristisch aussehenden Sets und die von der Firma verwandten Technik erinnern alle an David Cronenbergs Frühwerk.

Allerdings fehlt in „Possessor“ die damalige Gesellschaftskritik und das Ende, das sich um eine Antwort auf die wichtigen im Film gestellten Fragen drückt, ist äußerst unbefriedigend.

Possessor“ ist primär L’Art pour l’art, die einen, wegen dem was zu sehen ist und dem was nicht zu sehen ist, mit einem gewaltigen Gefühl des Unwohlseins über das Eindringen in fremde Körper zurücklässt.

Und gerade das macht diesen Horrorfilm sehenswert.

Posessor (Possessor, Kanada/Großbritannien 2020)

Regie: Brandon Cronenberg

Drehbuch: Brandon Cronenberg

mit Andrea Riseborough, Christopher Abbott, Rossif Sutherland, Sean Bean, Jennifer Jason Leigh

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

alternativer Titel: „Possessor: Uncut“

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Hutch Mansell (Bob Odenkirk) ist auf den ersten Blick ein ganz gewöhnlicher Mann, der ein ganz gewöhnliches Leben lebt mit einem langweiligen Job, Frau und Kindern. Er ist ein richtiger Nobody. Als zwei Einbrecher bei ihnen einbrechen, überwältigt er sie, als er die Chance hat, nicht. Stattdessen legt er den Golfschläger zur Seite und lässt sie mit der Beute ziehen. Seine Kinder halten ihn für ein Weichei. Dass der Revolver, den die Einbrecherin in der Hand hielt, nicht geladen war und er deshalb nicht zuschlug, sagt er ihnen nicht.

Als seine Tochter kurz darauf ihr heißgeliebtes Kitty-Cat-Armband vermisst, beginnt Hutch die Einbrecher zu suchen. Das ist der Auftakt für eine ungeahnte Gewaltorgie. Denn Hutch war nicht immer der harmlose Vorstadtdaddy.

Nobody“ ist ein B-Picture-Actionkracher mit viel Gewalt, trockenem Humor und gut(gelaunt)en Schauspielern. Erfunden wurde die Geschichte von Derek Kolstadt (Drehbuch, Produktion) und David Leitch (Produktion), die auch in die „John Wick“-Filme involviert sind und die Geschichte von Hutch Mansell ähnelt der von John Wick. Denn der Unterschied zwischen einem Kinderarmband und einem Hund als Anlass für eine besinnunglose Gewaltorgie ist letztendlich minimal. Auch die Ausbildung von Hutch Mansell und John Wick ähnelt sich. Wobei Hutch Mansell früher für eine andere Institution als John Wick arbeitete und er am Ende mit der Hilfe von seinem Vater und einigen alten Freunden gegen die Bösewichter kämpft.

Das ist ein großer Spaß für kleine Jungs. Eine Fortsetzung ist nicht nötig. Obwohl Derek Kolstadt anscheinend schon an einer arbeitet und sie angesichts des bisherigen Einspiels unvermeindlich erscheint. Ein Crossover mit John Wick ist, weil die Filme von verschiedenen Studios produziert wurden, unwahrscheinlich und für mein Empfinden auch vollkommen unnötig.

Nobody (Nobody, USA 2021)

Regie: Ilya Naishuller

Drehbuch: Derek Kolstad

mit Bob Odenkirk, Connie Nielsen, RZA, Aleksey Serebryakov, Christopher Lloyd, Michael Ironside, Billy MacLellan, Gage Munroe

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

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Meine Besprechung von Ilya Naishullers „Hardcore“ (Hardcore Henry, Russland/USA 2016)

Unnötig beschreibt „Monster Hunter“ treffend. Dieses Mal schickt Paul W. S. Anderson seine Frau Milla Jovovich in die Wüste.

Jovovich spielt Captain Artemis. Zusammen mit ihrem Team geraten sie während eines gefährlichen Militäreinsatzes in der Wüste in einen Sandsturm, der sie in ein Paralleluniversum schleudert, in dem es noch mehr Sand und viele, riesige und sehr gefährliche Monster gibt.

Monster Hunter“ ist, wie die ebenfalls von Anderson mit Jovovich inszenierten „Resident Evil“-Filme, eine Computerspielverfilmung. Und es ist keine gute Verfilmung; wobei ich, weil ich das Spiel nicht kenne, genaugenommen sagen müsste: kein guter Film. Die Dialoge wirken wie Restbestände aus einem Trailer eines militaristischen 80er-Jahre-B-Pictures. Die Story folgt der alten Computerspieldramaturgie von Herausforderung, Lösung suchen, Feind vernichten. Und weil Jovovich als Heldin all die Angriffe überlebt, ist auch klar, dass sie immer die richtige Lösung findet.

Ein Langweiler. Ach wie spaßig waren da die „Resident Evil“-Filme.

Monster Hunter (Monster Hunter, Deutschland/Kanada/China/Japan 2020)

Regie: Paul W. S . Anderson

Drehbuch: Paul W. S. Anderson

mit Milla Jovovich, Tony Jaa, Tip ‘T.I.’ Harris, Meagan Good, Diego Boneta, Josh Helman, Jin Au-Yeung, Ron Perlman, Jannik Schümann

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

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Meine Besprechung von Paul W. S. Andersons „Resident Evil: The Final Chapter“ (Resident Evil: The Final Chapter, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: „Vox Lux“ – irgendwie die Geschichte einer Pop-Sängerin

Juli 25, 2019

2000 wird Celeste (Raffey Cassidy) mit einem kitschigen Lied bekannt, in dem die Dreizehnjährige ihre Gefühle nach einem Amoklauf an ihrer Schule, den sie schwer verletzt überlebte, verarbeitet. Weil das Lied zu einer überall gesungenen Hymne wird, erhält Celeste einen Plattenvertrag. Sie wird zu einem Star aufgebaut. Ihre Schwester, die Songwriterin Eleanor (Stacy Martin), ist immer bei ihr. Ihr Manager (Jude Law) und die Pressesprecherin Josie (Jennifer Ehle) kümmern sich um alles. Vor allem um die perfekte, massentaugliche Pop-Produktion.

Dieser Aufstieg nimmt die erste Hälfte von Brady Corbets zweitem Spielfilm ein. Und es ist die bessere Hälfte von „Vox Lux“.

Nach einem mehrjährigem Zeitsprung spielt die zweite Hälfte des Films 2017. Es werden die Stunden vor einem Konzert von Celeste geschildert. Sie ist ein großer Popstar und das Konzert in ihrem Heimatort ist der Abschluss ihrer Tour. Auf der Bühne ist sie ein in Science-Fiction-Outfits auftretender Star. Hinter der Bühne kämpft sie mit ihrer Drogensucht, ihren Stimmungsschwankungen und ihren Selbstzweifeln. Sie ist, wie man es aus der Regenbogenpresse kennt, ein Bündel von Allüren, das davon ausgeht, dass sich der gesamte Kosmos um sie dreht. Die Beziehung zu ihrer Tochter ist verkorkst.

Diese Hälfte ist eine zerfaserte Abfolge elend lang und ohne großen Erkenntnisgewinn vor sich hin mäandernder Dialoge, garniert mit einigen bedeutungsschwangeren Bildern.

In dieser Hälfte wird Celeste von Natalie Portman gespielt. Raffey Cassidy, die zuerst Celeste spielte, spielt jetzt ihre Tochter Albertine. Stacy Martin, Jennifer Ehle und Jude Law (der immerhin seinen Bart abrasierte) spielen, optisch unverändert, die Rollen, die sie in der ersten Filmhälfte spielten, weiter. Ein Grund für diese idiotische Entscheidung, eine Schauspielerin durch eine andere zu ersetzen und die ersetzte Schauspielerin eine andere Rolle spielen zu lassen, ohne ihr Aussehen zu verändern (was dann ja als Hinweis auf den Rollenwechsel verstanden werden könnte), ist nicht ersichtlich. Außer dass es einen irritiert.

Nach einer guten Stunde langweiligem Seelenstriptease gibt es dann den aus der Werbung bekannten Auftritt von Natalie Portman als Celeste in einer Spektakel-Pop-Show, die auch Madonna gefiele. Und Celestes Überleben während des Amoklaufs wird mit einer Geschichte erklärt, die Musikfans schon bei Robert Johnson besser gehört haben.

Vox Lux“ zerfällt in eine interessante erste und eine hoffnungslos zerfaserte zweite Hälfte. In der ersten Stunde, wenn Corbet den Weg eines Mädchens zu einem internationalen Popstar nachzeichnet, findet er immer wieder ungewohnte Wege, um seine Geschichte zu erzählen. Und diese Geschichte hat auch einen eindeutigen Fokus. Der fehlt in der zweiten Hälfte. Den Abschluss bildet dann das Popkonzert, das einem nur gefällt, wenn man diese Disco-Stampfmusik mag, zu der futuristisch gekleidete Männer und Frauen synchronisierte Tanzbewegungen abliefern.

Im Original ist Willem Dafoe der Erzähler, der immer wieder bedeutungsschwanger Celestes Leben mit weltpolitischen Ereignissen verknüpft. Dafoes Stimme ist ein eindeutiger Pluspunkt in einem Film, bei dem unklar ist, was er erzählen möchte.

Die Filmmusik ist von Scott Walker. Die Songs sind von Sia.

Vox Lux (Vox Lux, USA 2018)

Regie: Brady Corbet

Drehbuch: Brady Corbet

mit Natalie Portman, Jude Law, Stacy Martin, Jennifer Ehle, Raffey Cassidy, Christopher Abbott, Willem Dafoe (Erzähler im Original)

Länge: 115 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Neu im Kino/Filmkritik: Die wahre Geschichte vom „Aufbruch zum Mond“

November 13, 2018

Als die Amerikaner und die Sowjets mit dem Wettlauf um die Vorherrschaft im Weltraum beginnen, liegen in Europa immer noch die Trümmer des Zweiten Weltkrieg herum, Der erste Satellit im All, das erste Tier im All, der erste Astronaut im All – immer hat die Sowjetunion die Nase vorne. Das muss sich ändern.

Am 25. Mai 1961 erklärt US-Präsident John F. Kennedy daher, dass die USA bis zum Ende des Jahrzehnts einen Mann zum Mond schicken werde. Die NASA ist mit dem Gemini-Programm und dem darauf folgendem Apollo-Programm für das Gelingen dieser Vision verantwortlich. Die Fortschritte in den Programmen werden von einem großen Presserummel begleitet. Die Vision einer Eroberung des Weltraums löst eine gigantische Weltraum-Euphorie aus und es gibt einen neuen Traumberuf.

1962 werden die ersten Astronauten der Öffentlichkeit vorgestellt. Neil Armstrong, ein introvertierter Grübler, gehört zu ihnen. Sieben Jahre später, am 21. Juli 1969 (in den USA war es noch der 20. Juli) betritt er als erster Mensch den Mond.

In seinem Biopic „Aufbruch zum Mond“ verfolgt Regisseur Damien Chazelle („Whiplash“, „La La Land“) den Weg von Neil Armstrong von 1961 als Testpilot bis zu seinen legendären Schritten auf dem Mond. Diese Schritte auf dem Mond wurden im großen IMAX-Format gefilmt und sie fallen in dem nostalgischen Biopic durch den abrupten Formatwechsel auf. Jedenfalls im IMAX-Kino.

Der restliche Film ist ein im Dokumentarfilm-Stil inszeniertes, sich in engen Wohn- und Büroräumen abspielendes Drama, das ohne große Erklärungen wichtige Szenen in Armstrongs Leben aneinanderreiht. Damit ähnelt das Biopic am ehesten einem beobachtenden Dokumentarfilm, der konsequent auf einen Sprecherkommentar und Dramatisierungen verzichtet. D. h. alles das, was wir nicht aus den Szenen erfahren, erfahren wir nicht.

Das gilt auch für die Namen von Armstrongs Mit-Astronauten. Sie werden nicht oder erst spät im Film genannt. Und ohne den Namen hat man auch keine Ahnung, ob diese Person wichtig oder unwichtig ist. Dazu kommt der dokumentarisch-beobachtende Blick, der es unmöglich macht, zu ahnen, wer von den Männern des Gemini-Projekts – Neil Armstrong (Ryan Gosling), Ed White (Jason Clarke), Jim Lovell (Pablo Schreiber), Gus Grissom (Shea Whigham), Pete Conrad (Ethan Embry), Elliot See (Patrick Fugit), David Scott (Christopher Abbott), Buzz Aldrin (Corey Stoll) und Richard F. Gordon (Skyler Bible) – später zum Apollo-Projekt gehören wird und wer dann mit Neil Armstrong in der Apollo 11 erfolgreich zum Mond und zurück fliegen wird. Buzz Aldrin und Michael Collins (Lukas Haas) waren es. Entsprechend distanziert beobachtet man Armstrongs Mitastronauten, die alle vor allem ruhige Tüftler sind, bei ihrem Training und der Suche nach lebensbedrohlichen Fehlern.

Fast genauso wichtig wie Armstrongs Beruf ist in dem Film seine Beziehung zu seiner Frau Janet Armstrong (Claire Foy) und seine Trauer über den Tod seiner zweijährigen Tochter am Filmanfang. Diese findet erst am Filmende eine dramaturgisch nicht vorbereitete und eher misslungene Auflösung, die auch erklären soll, warum Armstrong unbedingt zum Mond fliegen wollte.

Chazelle konzentriert sich in „Aufbruch zum Mond“ so sehr auf Armstrong, dass schon seine Arbeitskollegen zu austauschbaren Nebenfiguren werden. Die restliche Welt mit all ihren revolutionären Umbrüchen und Studentenunruhen kommt bei ihnen nicht vor.

Aufbruch zum Mond (First Man, USA 2018)

Regie: Damien Chazelle

Regie: Josh Singer

L. V. James R. Hansen: First Man: The Life of Neil A. Armstrong, 2005 (Aufbruch zum Mond: Neil Armstrong – Die autorisierte Biographie; Aufbruch zum Mond)

mit Ryan Gosling, Claire Foy, Jason Clarke, Christopher Abbott, Kyle Chandler, Corey Stoll, Connor Blodgett, Brian D’Arcy James, Pablo Schreiber, Luke Winters, Ciarán Hinds, Patrick Fugit, Olivia Hamilton, Lukas Haas, Shea Whigham, Willie Repoley, Ethan Embry, Ben Owen

Länge: 142 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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History vs. Hollywood überprüft den Faktengehalt

Meine Besprechung von Damien Chazelles „Whiplash“ (Whiplash, USA 2014)

Meine Besprechung von Damien Chazelles „La La Land“ (La La Land, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: „It comes at Night“ und tagsüber ist man auch nicht in Sicherheit

Januar 22, 2018

Paul (Joel Edgerton), seine Frau Sarah (Carmen Ejogo) und ihr siebzehnjähriger Sohn Travis (Kelvin Harrison, Jr.) leben in einem großen Farmhaus im Wald. Die nächsten Häuser sind, in den USA nicht ungewöhnlich, meilenweit weg. Es ist einsam, aber – auf den ersten Blick – ein guter Ort zum Leben. Wenn es nicht einige seltsame Dinge gäbe. Im Freien tragen sie oft Gasmasken. Die Fenster und Türen sind verbarrikadiert. Sie haben eine panische Angst vor dem Einbruch der Dunkelheit. Als ob dann Monster kämen.

Und so ist es auch. Anscheinend – das wird im Film nie geklärt – vernichtete eine tödliche Infektionskrankheit, gegen die es kein Gegenmittel gibt, die Menschheit. Es muss noch weitere ‚Dinge‘ geben, die Paul, Sarah und Travis bedrohen und die nur nach Einbruch der Dunkelheit auftauchen. Um sich und seine Familie vor der Bedrohung zu schützen, hat Paul ein entsprechend rigides Regelwerk etabliert.

Eines Nachts hören sie Geräusche. Sie finden heraus, dass ein Mensch bei ihnen eingebrochen ist. Es ist Will (Christopher Abbott), der für sich und seine Familie etwas zu Essen sucht.

Nachdem Paul sich überzeugt hat, dass Will gesund ist, nehmen sie ihn, seine Frau Kim (Riley Keough) und ihr kleines Kind bei sich auf. Es könnte der Beginn einer neuen Gemeinschaft sein.

Aber können sie ihnen wirklich vertrauen? Und können sie sich vor dem Virus schützen?

Troy Edward Shults‘ Horrorfilm „It comes at Night“ ist ein extrem düsteres Kammerspiel voller Suspense, das mit zunehmender Laufzeit auch zunehmend frustrierender wird. Denn Shults liefert keine Erklärung für die Katastrophe. Er liefert keine wirklich handfesten Informationen über sie und den durch sie verursachten Zusammenbruch der Zivilisation. Die Bedrohung für die sechs freiwillig in dem Haus lebenden Menschen bleibt anonym. Sie ist zugleich unsichtbar für das menschliche Auge und kann durch eine Holztür abgehalten werden. Deshalb ist auch unklar, wie sehr die Bedrohung real und wie sehr sie ein paranoides Wahngebilde von Paul ist. Es gibt, das wird mit zunehmender Laufzeit immer deutlicher, keine Hoffnung für die Bewohner des Hauses, die trotzdem nicht daran denken, es zu verlassen.

So überzeugt „It comes at Night“ vor allem als kompromisslos auf ein düsteres Ende hin erzählte fatalistische Noir-Geschichte. Shults‘ zweiter Spielfilm ist die perfekte Feelbad-Unterhaltung für notorische Schwarzseher.

It comes at Night (It comes at Night, USA 2017)

Regie: Trey Edward Shults

Drehbuch: Trey Edward Shults

mit Joel Edgerton, Riley Keough, Christopher Abbott, Carmen Ejogo, Kelvin Harrison Jr., Griffin Robert Faulkner

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „It comes at Night“

Metacritic über „It comes at Night“

Rotten Tomatoes über „It comes at Night“

Wikipedia über „It comes at Night“ (deutsch, englisch)

Ein Gespräch mit Trey Edward Shults, Joel Edgerton, Kelvin Harrison Jr. und Carmen Ejogo


Neu im Kino/Filmkritik: „Criminal Activities“ von redseligen Verbrechern und Möchtegernverbrechern

März 31, 2016

Jackie Earle Haley, der in Hollywood als Schauspieler auf eine jahrzehntelange Karriere von „Die Bären sind los“ über „Watchmen“ bis, jüngst, „London has fallen“ (gut, das war nur eine nebensächliche Nebenrolle) zurückblicken kann, hat sich mit „Criminal Activities“ erstmals als Regisseur versucht und diesen Teil erledigte er souverän und ohne überflüssige Effekthaschereien. Allerdings ist das Drehbuch von Robert Lowell, in der Quentin-Tarantino-Gangsterfilmschule stehend, nicht so gelungen. Über ihn ist nichts zu erfahren. Laut IMDB ist er 1977 gestorben. Weil wohl kaum ein mindestens vierzig Jahre altes Drehbuch verfilmt wurde (obwohl der Film auch 1974 spielen könnte), dürfte es sich hier um ein Pseudonym handeln.

In „Criminal Activities“ geht es um vier High-School-Freunde, die sich auf der Beerdigung eines Schulkameraden treffen. Einer von ihnen hat Insiderwissen über eine Firma, die demnächst in ihrem Wert in astronomische Höhen steigen wird. Einer von ihnen könnte das nötige Geld für die Firmenaktion besorgen. Alle wollen sie an dem illegalen Geschäft verdienen.

Dummerweise löst sich, als die Börsenaufsicht gegen die Firma ermittelt, die gute Investition in Luft auf und die vier Freunde haben plötzlich einen Haufen Schulden bei dem Gangsterboss Eddie, der sein Geld will.

Glücklicherweise hat der sich betont jovial gebende Eddie (John Travolta in einer ziemlich umfangreichen Nebenrolle) eine grandiose Idee. Wenn die vier Zocker ihm einen Gefallen erweisen, sind sie schuldenfrei.

Nach einigem Zögern nehmen Zach (Michael Pitt), Warren (Christopher Abbott), Bryce (Rob Brown) und Noah (Dan Stevens), der sich von Eddie das Geld für das Geschäft lieh, das Angebot an: sie entführen Marques (Edi Gathegi).

Als die vier Noch-nicht-einmal-Möchtegern-Kriminellen mit ihrem Opfer in ihrem Versteck sind, erfahren sie, dass Marques der Neffe eines mächtigen, mit Eddie verfeindeten Gangsterbosses ist. In dem Moment ahnen die vier Entführer, dass die ihnen von Eddie weitschweifig erzählte Geschichte über Marques frei erfunden war und dass sie jetzt zwischen allen Fronten stehen.

Wenn man sich nur die Geschichte von „Criminal Activities“ ansieht, ist der Gangsterthriller einer dieser verwickelten, noirischen Geschichten, in denen einige ganz normale Männer durch Gier und eigenes Verschulden plötzlich knietief im Schlamassel stecken und Verbrecher und Polizisten alles noch komplizierter machen. Das sorgt dann bis zum Schluss für überraschende Entwicklungen und einige Tote.

Jackie Earle Haley erzählt diese in weiten Teilen altbekannte Geschichte strikt entlang der Konventionen und ohne irgendwelche, nervigen formalen Spielereien. Das erinnert dann an einen klassischen Gangsterfilm, wie sie in den vierzigern und fünfzigern im Dutzend gedreht und oft vergessen wurden.

Allerdings ist es auch eine Geschichte, die hauptsächlich in einigen wenigen geschlossenen Räumen spielt und, auch weil jede Szene viel zu lang ausgespielt wird, alles sehr theaterhaft wirkt. Die Dialoge haben nie die bekannte Quentin-Tarantino-Qualität, denen man endlos zuhören könnte und sich gleich einige Zitate notiert. In „Criminal Activities“ langweilen sie eher. Auch weil fast alle Charaktere nicht unbedingt durch ihre Intelligenz überzeugen. Vor allem die vier Entführer stellen sich oft sehr dämlich an. So zeigen sie sich unmaskiert ihrem Opfer, verraten ihm sofort ihre Namen und, was dann die logische Konsequenz wäre, wollen ihn nicht töten.

Heute ist ein Film wie „Criminal Activities“ Direct-to-DVD-Futter oder etwas, das man sich spätabends im Fernsehen ansieht. Im Kino wirkt der Film dagegen arg deplatziert.

Criminal Activities - Plakat

Criminal Activities (Criminal Activities, USA 2015)

Regie: Jackie Earle Haley

Drehbuch: Robert Lowell

mit Michael Pitt, Dan Stevens, Christopher Abbott, Rob Brown, Edi Gathegi, Jackie Earle Haley, John Travolta

Länge: 94 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

 

Moviepilot über „Criminal Activities“

Metacritic über „Criminal Activities“

Rotten Tomatoes über „Criminal Activities“

Wikipedia über „Criminal Activities“

Ein etwas älteres Gespräch mit Jackie Earle Haley