Neu im Kino/Filmkritik: „Electric Child“ – Nachdenken über Künstliche Intelligenz

August 22, 2025

Kann eine Künstliche Intelligenz einem Vater helfen, sein Kind vor dem Tod zu retten? Diese interessante Frage versucht Simon Jaquemet in seinem dritten Spielfilm „Electric Child“ zu beantworten.

Kurz nach der Geburt ihres Sohnes erfahren Sonny und seine Frau Akiko, dass ihr Kind an einer seltenen degenerativen Nervenkrankheit leidet und mit fast hundertprozentiger Sicherheit innerhalb eines Jahres sterben wird.

Der bereits überarbeitete Sonny flüchtet sich noch mehr in seine Arbeit. Der junge Computerwissenschaftler arbeitet an einem Forschungsprojekt, in dem es darum geht, zu erfahren, wie eine Künstliche Intelligenz in einer virtuellen Welt überlebt und sich entwickelt. Dafür verpassen sie der KI das Aussehen eines Jungen und setzen ihn auf einer virtuellen Insel aus. Sie beobachten ihn. Manchmal versuchen sie ihn zu bestimmten Handlungen zu animieren. Sie versorgen ihn auch mit Waffen; – was auf eine militärische Verwendung seiner Forschung hindeutet. Bei dieser irgendwie streng geheimen Arbeit in einem hoch gesicherten Computerlabor hat er die Idee, mit der KI einen Pakt abzuschließen und so seinen Sohn zu retten.

Bis dahin vergeht allerdings einiges an Filmzeit. Simon Jaquemet etabliert nämlich mehrere Erzählstränge in der realen und virtuellen Welt. Nach dem die KI und Sonny ihre geheime Vereinbarung getroffen haben, beginnt die Sache aus dem Ruder zu laufen.

Ein Science-Fiction-Film aus der Schweiz? Warum nicht.

Ein Science-Fiction-Film zu einem aktuellen Thema? Gerne. Schließlich besteht Science-Fiction nicht nur aus dem Erkunden fremder Planeten und dem Abwehren von Alien-Invasionen, sondern auch aus dem Nachdenken darüber, in welcher Welt wir leben und in welcher Welt wir leben wollen.

Außerdem kann man über das trendige Thema Künstliche Intelligenz auch mit einem überschaubarem bis niedrigem Budget vorzügliche Filme machen. Filme wie „Ex Machina“ oder „Her“ haben das in den vergangenen Jahren gezeigt. Man muss nur eine gute Idee haben und diese dann konsequent ausformulieren. Die Idee hat Jaquemet. Bei der Ausführung hapert es dann.

Sicher, es passiert viel in dem Film. Eigentlich passiert immer irgendetwas. Aber nichts davon ist interessant. Vieles ist einfach nur rätselhaft oder unglaubwürdig. Viel zu oft bricht Jaquemet einfach mitten in der Szene ab. Später wird es zwischen Sonnys Alleingang mit der Künstlichen Intelligenz und den ominös bleibenden Finanziers seiner Forschung und deren mutmaßlichen Handlangern zu einem in jeder Beziehung konfusem Pseudo-Actionfilmende kommen.

Mit Verve setzt Jaquemet eine gute Idee in den Sand.

P. S.: Schönes Plakat!

Electric Child (Schweiz/Deutschland/Niederlande/Philippinen 2024)

Regie: Simon Jaquemet

Drehbuch: Simon Jaquemet

mit Elliott Crosset Hove, Rila Fukushima, Sandra Guldberg Kampp, João Nunes Monteiro, Helen Schneider

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Electric Child“

Moviepilot über „Electric Child“

Rotten Tomatoes über „Electric Child“

Wikipedia über „Electric Child“


Neu im Kino/Filmkritik: „Wolverine – Weg des Kriegers“ mit viel Japan-Atmosphäre und ohne X-Men-Unterstützung

Juli 25, 2013

 

Was hat man nicht alles vorher über den neuen Auftritt von Hugh Jackman als Wolverine, der unsterbliche Mutant mit dem Stahlklauen aus dem „X-Men“-Universum, gelesen. In Japan sollte er spielen (Stimmt.), sich an Frank Millers in Japan spielender „Wolverine“-Geschichte orientieren (Stimmt nicht. Er wird in den Credits noch nicht einmal als Inspiration genannt.), sich mehr um den Charakter kümmern (Hmhm.) und ein Neuanfang sein (Stimmt irgendwie schon.). Deshalb ist nach den „X-Men“-Filmen und Jackmans erstem Soloauftritt in „X-Men Origins: Wolverine“ (USA 2009) der Originaltitel „The Wolverine“. So werde deutlich, dass der Charakter im Mittelpunkt stehe und die X-Men, zu denen Wolverine gehört, in diesem Film egal seien. Im Film tauchen sie deshalb nicht auf. Und mit Regisseur James Mangold („Walk the Line“, „Todeszug nach Yuma“) und den Drehbuchautoren Mark Bomback („Stirb langsam 4.0“, „Total Recall“), Scott Frank („Out of sight“, „Minority Report“) und Christopher McQuarrie („Die üblichen Verdächtigen“, „Jack Reacher“), der eine frühere Fassung, die von Darren Aronofsky verfilmt werden sollte, schrieb, wollte man auch den Anspruch eines erwachsenen „Wolverine“-Films betonen.

Nun, der erste „Wolverine“-Film „X-Men Origins: Wolverine“ (USA/Neuseeland/Australien 2009) wurde von Gavin Hood („Tsotsi“, „Machtlos“) nach einem Drehbuch von David Benioff („25 Stunden“, „Game of Thrones“) und Skip Woods („Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben“ [Kein Kommentar]) gedreht – und schon allein bei den Credits konnte man an dem lauthals postulierten Anspruch von „Wolverine – Weg des Kriegers“ zweifeln. Obwohl „X-Men Origins: Wolverine“ eine ziemlich chaotische Geschichte erzählt, die eine Neuausrichtung durchaus rechtfertigt.

Und die Macher hatten bei „Wolverine – Weg des Kriegers“ auf den ersten Blick den Mut, in einem Superheldenfilm endlich mal etwas neues auszuprobieren. Denn sie erzählen nicht, wie der Superheld zum Superhelden wird, oder wie er in scheinbar endlosen Action-Szenen gegen einen unbesiegbaren, abgrundtief bösen Gegner, der die Welt, das Universum und den ganzen Rest vernichten will, kämpft. Nein, in „Wolverine – Weg des Kriegers“ will der unsterbliche Wolverine sterben – und der reiche, im Sterben liegende Japaner Lord Yashida (Haruhiko Yamanouchi), den er während des Atombombenabwurfs auf Hiroshima 1945 rettete, bietet ihm in der Gegenwart an, diesen Wunsch zu erfüllen.

Aber dann geht irgendetwas vollkommen schief. Drehbuchtechnisch.

Denn kaum ist Logan (so der bürgerliche Name von Wolverine) in Japan angekommen und hat Yashidas Angebot gehört, stirbt dieser und auf seiner Beerdigung wird ein Anschlag auf seine Enkeltochter Mariko (Tao Okamoto), die alles erben soll, verübt. Logan kann den Anschlag der Yakuzas verhindern. Zusammen mit ihr flüchtet er in eine einsam gelegene Hütte. Bei dem Kampf wurde Logan verletzt, aber im Gegensatz zu früheren Kämpfen, in denen seine Wunden sofort verheilten, heilen sie jetzt nicht. Er ist sterblich – und bricht nicht, weil endlich sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung geht, in Jubelgesänge aus, sondern er ist extrem stinkig, weil er jetzt Mariko retten und das Komplott gegen sie aufklären will.

Und zwischen all den Yakuzas und Samurais, die mal mit ihm, mal gegen ihn kämpfen, ist auch Viper, die halbseidene, sexy Ärztin von Lord Yashida, die Logan während eines Alptraums mit einem Kuss etwas injizierte, das sein Herz angreift. Gut. Das klingt ziemlich gaga, aber nach Elizabeth Shaws Selbstoperation in Ridley Scotts „Prometheus“ darf jetzt auch Logan sich selbst operieren und ein fremdes „Lebewesen“ aus dem eigenen Körper entfernen.

Die Story selbst ist ziemlich chaotisch, arg länglich und schlecht entwickelt. Denn es dauert gefühlte Ewigkeiten, bis der Hauptplot beginnt, weil wir zuerst erfahren, was 1945 in Japan geschah, wie Logan zurückgezogen in den Bergen lebt und sich mit einigen Hinterwäldlern anlegt, bevor er von Yukio (Rita Fukushima, auch sexy) entdeckt und nach Japan mitgenommen wird. Und dann, nachdem Logan Mariko (ebenfalls sexy; – halt wie alle Frauen in dem Film) auf der Trauerfeier vor ihren Häschern retten konnte, gibt es ein langatmiges Zwischenspiel, in dem Logan etwas über die Freuden der Sterblichkeit sinniert, bevor er, lange vor dem Filmende, doch beschließt, dass er unsterblich bleiben möchte. Das ist zwar nicht wirklich überraschend, aber damit wird die von den Machern groß propagierte Frage, welche Bedeutung Sterblichkeit hat, schnell ad acta gelegt. Es gibt dann noch etwas Gerede über Samurais, Ronins und dass Krieger für einen höheren Zweck kämpfen sollen. Oder so ähnlich.

Der Höhepunkt, der Schlusskampf, ist storytechnisch ein einziges Desaster, bei dem es letztendlich nur noch um ein jeder gegen jeden geht und das anscheinend aus einem anderen Film stammt.

Da hilft es auch nicht, dass James Mangold immer wieder schöne und auch eindrucksvolle Bilder zeigt (zum Beispiel wenn Logan in einem verschneiten Bergdorf von hunderten Pfeilen niedergestreckt wird), stilistisch an Samurai-Filme anknüpft und das ländliche mit dem urbanen Japan verknüpft. Für einen über zweistündigen Film ist das einfach zu wenig und dass Mangold bereits jetzt sagt, dass er einen längeren Director’s Cut plane, klingt da wie eine Drohung. Denn schon jetzt hätte man locker eine gute halbe Stunde kürzen können.

Wolverine – Weg des Kriegers“ (selbstverständlich in 3D) hat bis auf den Hauptdarsteller eigentlich nichts mit „X-Men Origins: Wolverine“ zu tun und ist auch erwachsener als dieser. Immerhin geht es um Sterblichkeit und den Verlust der großen Liebe; gespielt von Famke Janssen als Jean Grey, Logans one and only love, die er im Schlaf mit seinen Stahlklauen tötete und die ihm jetzt Alpträume beschert. Aber ehe die Macher sich dann zu sehr mit solch tiefsinnigen Fragen über Schuld, Sühne und Unsterblichkeit beschäftigten, gibt es immer wieder mal mehr, mal weniger übertriebene Action.

Auch dieser Wolverine ist kein guter Film.

Wolverine - Weg des Kriegers - Plakat

Wolverine – Weg des Kriegers (The Wolverine, USA 2013)

Regie: James Mangold

Drehbuch: Marc Bomback, Scott Frank, Christopher McQuarrie (ungenannt)

mit Hugh Jackman, Hiroyuki Sanada, Tao Okamoto, Rila Fukushima, Famke Janssen, Will Yun Lee, Svetlana Khodchenkova, Haruhiko Yamanouchi, Brian Tee

Länge: 129 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Wolverine – Weg des Krieges“

Metacritic über „Wolverine – Weg des Krieges“

Rotten Tomatoes über „Wolverine – Weg des Krieges“

Wikipedia über „Wolverine – Weg des Krieges“ (deutsch, englisch)