LV: Peter Weiss: Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen, 1965 (Theaterstück)
Grandiose Verfilmung des Theaterstücks von Peter Weiss über den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. Im Mittelpunkt stehen im Stück, wie in der Gerichtsverhandlung, die Aussagen der Täter und Opfer.
(als Zeugen) Christian Kaiser, Dirk Ossig, Arno Frisch. Elisabeth Duda, Nicolette Krebitz, Attila Georg Borlan, Robert Mika, Marcel Hensema, Christiane Paul, Barbara Philipp, Klaudiusz Kaufmann, Marc Fischer, Andreas Anke, Dorka Gryllus, Marek Harloff, André Szymanski, Sabine Timoteo, Eva Maria Jost, Peter Lohmeyer, Thomas Meinhardt, Marco Hofschneider, Matthias Zera, Rony Herman, Axel Moustache, André Hennicke, Karl Markovics, Filipp Avdeev, Mark Zak, Ralph Schicha, Andreas Schröders, René Ifrah, Axel Sichrovsky, Peter Schneider, Jiří Mádl, Andreas Lechner, Axel Pape, Andreas Pietschmann, Tom Wlaschiha, Robert Hunger-Bühler
(als Angeklagte) Wilfried Hochholdinger, Thomas Dehler, Michael Rotschopf, Niels Bruno Schmidt, Christian Hockenbrink, Christian Pfeil, Tristan Seith, Torsten Ranft, Ronald Kukulies, Michael Schenk, Frank Röth, Nico Ehrenteit, Adam Venhaus, Till Wonka, Arndt Schwering-Sohnrey, Timo Jacobs, Lasse Myhr, Matthias Salamon
Als Kind überlebt Rebecca als Einzige einen Flugzeugabsturz im Amazonasgebiet.
Neun Jahre später tritt die Missionarstochter (Helene Zengel) in der entlegen im Amazonas liegenden Kirche ihres Vaters Lawrence Byrne (Jeremy Xido) als Wunderheilerin auf. Ob Rebecca diese Heilungen wirklich vollbringt oder alles nur ein Schwindel ist, ist unklar. Aber die Menschen glauben an ihre Fähigkeiten. Dazu gehört auch der Besitzer des lokalen Sägewerks, dessen Frau schwer erkrankt ist. Er bittet sie um eine Wunderheilung.
In dem Moment gesellt sich in Pia Marais‘ „Transamazonia“ ein weiteres großes Thema zu den bereits vorhandenen, locker abendfüllenden Themen. Bis jetzt ging es vor allem um Missionierungen christlicher Kirchen und irgendwie christlicher Sekten in Südamerika und um Wunderheilungen. Dabei ist Byrne in dem Film der Anführer einer Sekte, die von den Spenden der Gläubigen lebt. Wunderheilungen sind normalerweise ein Betrug, der zu Spenden führt. Ob das bei Rebecca auch so ist, lässt der Film in der Schwebe. Jedenfalls fragt Rebecca sich, ob sie die Frau des Sägewerkbesitzers heilen kann.
Neben diesen christlich-religiösen Fragen, geht es fortan auch um die Zerstörung der Indigenen Kultur und der Natur. Es geht um die Ausbeutung des Amazonas für kapitalistische Interessen. Es geht um den Bau von Straßen und die damit verbundene Zerstörung der Natur. Es geht auch um den Kampf der Einheimischen gegen diesen Straßenbau. Und es geht um eine junge Frau, die beginnt, an sich und ihrem bisherigen Leben in der von ihrem Vater geleiteten religiösen Gemeinschaft zu zweifeln. Die Zweifel sind, soviel kann verraten werden, berechtigt.
Zwischen diesen Themen, die sich gegenseitig behindern und nur oberflächlich behandelt werden, verzettelt sich das langsam und sehr atmosphärisch erzählte Drama. Marais präsentiert diese Probleme und, mit mehr oder weniger deutlichen Andeutungen, das Geflecht zwischen den Personen und Ereignisse aus deren Vergangenheit. Auf Antworten, über die dann diskutiert werden könnten, verzichtet sie. Ebenso auf Dramatisierungen.
Die vielen verschenkten Möglichkeiten in ihrem Film wecken immer wieder Erinnerungen an andere Filme, die diese und ähnliche Fragen besser behandelten, wie John Boormans „Der Smaragdwald“ (1985) und Niklaus Hilbers „Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes“ (2019) über die Zerstörung des Regenwaldes oder Florian Gallenberger „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ (2015) über die titelgebende Sekte.
„Transamazonia“ ist dröges Arthauskino mit gut gemeinten Absichten, schönen Bildern, einer unbefriedigenden Ausführung und einem Ende mit fehlenden und unglaubwürdigen Antworten.
LV: Peter Weiss: Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen, 1965 (Theaterstück)
TV-Premiere. Grandiose Verfilmung des Theaterstücks von Peter Weiss über den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. Im Mittelpunkt stehen im Stück, wie in der Gerichtsverhandlung, die Aussagen der Täter und Opfer.
(als Zeugen) Christian Kaiser, Dirk Ossig, Arno Frisch. Elisabeth Duda, Nicolette Krebitz, Attila Georg Borlan, Robert Mika, Marcel Hensema, Christiane Paul, Barbara Philipp, Klaudiusz Kaufmann, Marc Fischer, Andreas Anke, Dorka Gryllus, Marek Harloff, André Szymanski, Sabine Timoteo, Eva Maria Jost, Peter Lohmeyer, Thomas Meinhardt, Marco Hofschneider, Matthias Zera, Rony Herman, Axel Moustache, André Hennicke, Karl Markovics, Filipp Avdeev, Mark Zak, Ralph Schicha, Andreas Schröders, René Ifrah, Axel Sichrovsky, Peter Schneider, Jiří Mádl, Andreas Lechner, Axel Pape, Andreas Pietschmann, Tom Wlaschiha, Robert Hunger-Bühler
(als Angeklagte) Wilfried Hochholdinger, Thomas Dehler, Michael Rotschopf, Niels Bruno Schmidt, Christian Hockenbrink, Christian Pfeil, Tristan Seith, Torsten Ranft, Ronald Kukulies, Michael Schenk, Frank Röth, Nico Ehrenteit, Adam Venhaus, Till Wonka, Arndt Schwering-Sohnrey, Timo Jacobs, Lasse Myhr, Matthias Salamon
Wie konnte das geschehen? Als Peter Weiss vor fast sechzig Jahren sein Theaterstück „Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen“ aus eigenen Aufzeichnungen, Zeitungsartikeln und Protokollen montierte, war das Stück die dichte Zusammenfassung des in Frankfurt am Main vom 20. Dezember 1963 bis zum 20. August 1965 stattgefundenen, von der Öffentlichkeit aufmerksam verfolgten ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Das Stück wurde am 19. Oktober 1965 in einer Ring-Uraufführung in fünfzehn west- und ostdeutschen Städten und in London erstmals aufgeführt. Es zeigt in seiner klaren Sprache das Terrorregime in einem KZ und die erbärmlichen Verteidigungsstrategien der Täter.
Heute ist „Die Ermittlung“ eine äußerst dichte Zusammenfassung des Prozesses und des Systems Konzentrationslager. Seit Weiss sein Oratorium geschrieben hatte, füllte die Forschung weitere Lücken aus. Es gibt Erklärungen, wie ganz normale Männer und Frauen damals diese und andere schreckliche Taten vollbringen konnten. Und vieles, was früher in der deutschen Gesellschaft geleugnet wurde und hoch umstritten war – auch weil die Täter noch lebten und teils an einflussreichen Stellen arbeiteten – ist heute nicht mehr umstritten. In neueren Dokumentarfilmen wird immer davon ausgegangen, dass die Deutschen ganz genau wussten, was geschah. Auch weil das spurlose Verschwinden von Millionen Mitbürgern und ein KZ vor der eigenen Haustür nicht zu übersehen waren.
Zuletzt zeigte Jonathan Glazer in der beeindruckenden Martin-Amis-Verfilmung „The Zone of Interest“ das ganz normale Leben von der Frau eines KZ-Lagerkommandanten neben dem KZ und wie alle ignorieren, was hinter den Mauern des Lagers geschieht.
In diesem Umfeld könnte ein Film wie „Die Ermittlung“ überflüssig sein. Die Informationen, die in dem Stück präsentiert werden, sind bekannt und sie wurden in den vergangenen Jahrzehnten in Dokumentarfilmen in einer leichter zu konsumierenden Form unzählige Male präsentiert. Auch das Theaterstück ist bekannt. Auf YouTube kann man sich mühelos die von Peter Schulze-Rohr 1966 für den NDR erstellte SW-Aufzeichnung des Stücks, die vor allem eine Abfolge sprechender Köpfe ist, ansehen.
RP Kahl fügt ihr nichts wesentlich neues hinzu. Auch er verfilmt lediglich, mit anderen Schauspielern, den Text des Stückes. Auch bei ihm ist die Kamera unauffällig. Manchmal ist seine Kamera, wenn sie die Schauspieler aufnimmt, anders positioniert, manchmal nicht. Da unterscheidet sich eine sechzig Jahre alte SW-Aufzeichnung für das Fernsehen wenig von einer neuen Inszenierung für das Kino. Das karge, stilisierte Bühnenbild ist moderner, ohne von den einzelnen Aussagen der Zeugen und Angeklagten abzulenken. Kahl verzichtet, wie zuletzt Glazer in „The Zone of Interest“ und wie Claude Lanzmann in dem Dokumentarfilmklassiker „Shoah“ auf das Zeigen des Grauens. In Kahls Film gibt es, wie in einer traditionellen Theateraufführung, nur Schauspieler, die ihren Text aufsagen.
Das macht die neue Verfilmung des Theaterstück für ein heutiges Publikum absolut sehenswert.
Über den Inhalt muss wohl nichts gesagt werden. Die Aussagen der Täter und Opfer sind heute immer noch schockierend und schwer erträglich. Auch der Film ist Dank seiner reduzierten, das Wort in den Mittelpunkt stellenden Inszenierung schwer erträglich. Das ist einmal die epische Länge von vier Stunden (die Pause hilft nur bedingt), die Menge an Informationen (auch wenn politisch und historisch informierte Bürger sie heute kennen sollten), die Menge an Details über den Tötungsapparat und die Arroganz der Täter, die sich mit einer Mischung aus Nicht-Wissen(-wollen) und Befehlsketten, die beachtet werden mussten von jeder Verantwortung freisprechen.
Die Verhandlung fand vom 20. Dezember 1963 bis zum 20. August 1965, keine zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, statt. Danach konnte kein Deutscher mehr die Existenz von Auschwitz leugnen. Heute dient die Erinnerung daran als Geschichtsstunde und als Warnung.
Im Kino läuft der Film in einer gekürzten dreistündigen und in einer vierstündigen Fassung, in der das gesamte Theaterstück mit einer Pause gezeigt wird. Diese Fassung kenne ich und diese Fassung sollte auch gesehen werden. Denn wer möchte sich schon eine gekürzte Fassung eines Theaterstücks ansehen?
P. S.: Vielleicht nehmen einige TV-Redakteure diese Aufzeichnung eines Theaterstücks zum Anlass, wieder verstärkt aktuelle Theaterstücke und Inszenierungen im Fernsehen zu präsentieren. Früher wurde das gemacht.
Die Ermittlung(Deutschland 2024)
Regie: RP Kahl
Drehbuch: Peter Weiss
LV: Peter Weiss: Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen, 1965 (Theaterstück)
mit Rainer Bock, Clemens Schick, Bernhard Schütz
(als Zeugen) Christian Kaiser, Dirk Ossig, Arno Frisch. Elisabeth Duda, Nicolette Krebitz, Attila Georg Borlan, Robert Mika, Marcel Hensema, Christiane Paul, Barbara Philipp, Klaudiusz Kaufmann, Marc Fischer, Andreas Anke, Dorka Gryllus, Marek Harloff, André Szymanski, Sabine Timoteo, Eva Maria Jost, Peter Lohmeyer, Thomas Meinhardt, Marco Hofschneider, Matthias Zera, Rony Herman, Axel Moustache, André Hennicke, Karl Markovics, Filipp Avdeev, Mark Zak, Ralph Schicha, Andreas Schröders, René Ifrah, Axel Sichrovsky, Peter Schneider, Jiří Mádl, Andreas Lechner, Axel Pape, Andreas Pietschmann, Tom Wlaschiha, Robert Hunger-Bühler
(als Angeklagte) Wilfried Hochholdinger, Thomas Dehler, Michael Rotschopf, Niels Bruno Schmidt, Christian Hockenbrink, Christian Pfeil, Tristan Seith, Torsten Ranft, Ronald Kukulies, Michael Schenk, Frank Röth, Nico Ehrenteit, Adam Venhaus, Till Wonka, Arndt Schwering-Sohnrey, Timo Jacobs, Lasse Myhr, Matthias Salamon
Länge: 241 Minuten (Originalfassung mit 11 Gesängen)
Mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester und ihrer Mutter verbringt die 13-jährige Claire den Sommerurlaub in einem Ferienressort in Andalusien.
Während ihre Mutter und ihre Schwester die Zeit mit Urlaubsliebschaften verbringen, streunt Claire, jung, naiv und gelangweilt, durch das Hotel, nimmt am Freizeitprogramm teil und trifft am Strand auf den gleichaltrigen Amram. Der aus dem Senegal kommende Flüchtling verkauft billigen Schmuck und hofft auf eine bessere Zukunft. Für Geld würde er fast alles tun. Claire verbringt viel Zeit mit ihm. Und auch Amram genießt die Zeit mit ihr. Als ihre Beziehung intensiver wird, möchte sie ihm helfen; wobei ihre Versuche, ihm zu helfen seine Situation verschlechtern. So gibt sie ihm die Kreditkarte ihrer Mutter. Er kann damit selbstverständlich kein Geld abheben, aber er wird als Dieb verdächtigt.
„Sunburned“, der im Sommer in den Kinos lief, ist der dritte Spielfilm von Carolina Hellsgård. Ihr Spielfilmdebüt „Wanja“ lief auf der Berlinale und war für den Best First Feature Award nominiert. Als nächste inszenierte sie den in Deutschland spielenden und trotz einiger Mängel sehenswerten Zombiefilm „Endzeit“. Ihr dritter Spielfilm ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die auch die Flüchtlingsthematik anspricht und das Leben in einem Ferienressort schildert, das für mich einen immerwährenden Besuch im Purgatorium angenehmer erscheinen lässt. Entsprechend sympathisch fand ich Claires ständig gelangweilt-genervten Blick. Schon als Kind hält sie nichts von dieser Form des Massentourismus, der überhaupt kein Interesse am Gastland hat. Sie ist auch die einzige Person, die sich für das Leben außerhalb der Hotelanlage interessiert und aufgeschlossen für neue Erfahrungen ist. Sie und Amram durchleben in diesem Urlaub auch einen Reifungsprozess. Amram gibt seinem Leben sogar eine neue Richtung. Auch wenn Hellsgård im Dunkeln lässt, wohin ihn das führt.
Hellsgård schildert das alles mit einem sympathisierenden Blick, der den Schauspielern, vor allem den jungen Schauspielern, viel Zeit gibt, sich vor der Kamera zu entfalten. Belohnt wird das mit einem sehr natürlichen Spiel. Auch der fehlende pädagogische Zeigefinger trägt dazu bei. Die großen Fragen werden mehr angedeutet als direkt angesprochen. Die Stimmung bleibt in einem sommerlich flirrenden Ungefähren voller Spiegelungen und Schattenspiele. „Sunburned“ ist weniger ein Drama als eine Sommerpastiche, die an der sensibel gefilmten Oberfläche bleibt und wenig über die einzelnen Figuren verrät.
Ein Problem für jüngere Zuschauer – immerhin ist die Protagonistin dreizehn Jahre alt – dürfte sein, dass fast ausschließlich Englisch gesprochen wird. Und ob ältere Jugendliche sich für den ersten Kuss einer Jüngeren interessieren, bezweifle ich aus eigener Seherfahrung. Als Vierzehnjähriger wollte ich vor allem die Filme gehen, die frei ab sechzehn oder achtzehn Jahren waren.
Das ändert nichts daran, dass „Sunburned“ ein sehenswertes, angenehm undidaktisches, sensibel beobachtetes Drama ist.
Sunburned (Deutschland/Niederlande/Polen 2019)
Regie: Carolina Hellsgård
Drehbuch: Carolina Hellsgård
mit Zita Gaier, Gedion Oduor Wekesa, Sabine Timoteo, Nicolais Borger
Länge: 93 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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