Neu im Kino/Filmkritik: Ein „Farang“ auf Verbrecherjagd

November 23, 2023

In Paris gerät Sam (Nassim Lyès) nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Haft in Schwierigkeiten. Er wird von alten Kumpels, mit denen er nichts mehr zu tun haben will, durch die Straßen gejagt. Er flüchtet auf eine Baustelle, kämpft mit einem seiner Verfolger. Dieser stürzt unglücklich über eine Holzbrüstung und stirbt. Sam, der nicht wieder ins Gefängnis will, flüchtet ans andere Ende der Welt.

Fünf Jahre später hat er sich in Thailand ein Leben aufgebaut, das jeden Bewährungshelfer begeistern würde: er ist mit Mia (Loryn Mounay) verheiratet. Sie haben eine Tochter. Er arbeitet als Hotelpage. Sie als Barkeeperin. Und sie haben einen Traum: am Strand wollen sie eine Bar eröffnen.

Als es beim Kauf des Grundstücks Probleme gibt, erhält Sam eines dieser Angebote, das er unbedingt ablehnen sollte. Der lokale Gangsterboss Narong (Olivier Gourmet) bittet ihn, einmal für ihn Drogen zu schmuggeln. Danach gehöre ihm das Grundstück.

Aber die Sache geht schief. Sam flüchtet vor der Polizei. Narong tötet Sams Frau und entführt Sams Tochter Dara.

Sam macht sich auf den Weg nach Bangkok. In der Großstadt lebt Narong. Außerdem soll er dort Dara verstecken. In Bangkok mordet Sam sich im schönsten John-Wick-Style, allerdings weniger stylisch und deutlich brutaler, durch die Gangsterhierarchie nach oben.

Am Ende meint der Bösewicht, angesichts der vielen Toten: „Es ist alles außer Kontrolle geraten.“

Das könnte auch das Motto für Xavier Gens neuen Film sein. Denn Sams Rachefeldzug gerät blutig außer Kontrolle. Zu unserem Vergnügen. „Farang“, der seine deutsche Premiere auf dem Fantasy-Filmfest hatte, ist ein altmodischer harter Action-Thriller in dem ein weißer Mann sich durch ein asiatisches Land kloppt und mordet. Das erinnert an die Actionfilme der sechziger und siebziger Jahre, als öfter Geschichten von in Asien lebenden Europäern oder US-Amerikanern erzählt wurden, und ihren B-Picture-Nachklapp in den achtziger Jahren. Gens erzählt in seinem gelungenem Thriller-Update eine einfache, sattsam bekannte Geschichte ohne nennenswerte Überraschungen zügig, mit wenigen Dialogen und viel gut inszenierter Action.

Sicher, einen Preis für filmische Innovation wird „Farang“ nicht gewinnen. Aber wer mal wieder Lust auf das Ansehen eines harten, gut inszenierten Oldschool-Actionthrillers im Kino hat, der wird hier gut bedient.

Ach ja: Xavier Gens „Farang“ hat nichts mit D. B. Blettenbergs Romanfigur Farang zu tun. Farang ist nur das in Thailand übliche, oft als Schimpfwort verwendete Wort für einen hellhäutigen, weißen Ausländer.

Farang – Schatten der Unterwelt (Farang, Frankreich 2023)

Regie: Xavier Gens

Drehbuch: Magali Rossitto, Xavier Gens, Guillaume Lemans (Zusammenarbeit), Stéphane Cabel (Zusammenarbeit) (nach einer Originalidee von Xaxier Gens)

mit Nassim Lyès, Loryn Nounay, Oliver Gourment, Chananticha ‚Tang-Kwa‘, Vithaya Pansringarm, Sahajak Boonthanakit

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

Moviepilot über „Farang“

AlloCiné über „Farang“

Metacritic über „Farang“

Rotten Tomatoes über „Farang“

Wikipedia über „Farang“ (deutsch, französisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Only God Forgives“ – – – na immerhin einer

Juli 18, 2013

Das Team der grandiosen James-Sallis-Neo-Noir-Verfilmung „Drive“ – Regisseur Nicolas Winding Refn, Hauptdarsteller Ryan Gosling und Musiker Cliff Martinez – ist wieder zusammen und dieses Mal ist auch Kristin Scott Thomas dabei. Als Blondine und kaum erkennbar.

Kaum erkennbar ist auch die Geschichte. Sie kryptisch zu nennen, ist fast schon eine unverschämte Überhöhung. In Bangkok verdienen die Brüder Julian (Ryan Gosling) und Billy (Tom Burke) mit wahrscheinlich schmutzigen Geschäften ihr Geld – und stehen dabei noch unter der Fittiche ihrer Mutter Crystal (Kristin Scott Thomas als Cartoon-Sexy-Böse-Mutter), die aber erst zur Beerdigung von ihrem über alles geliebtem Sohn Billy nach Bangkok kommt. Billy hatte eine Prostituierte ermordet. Chang (Vithaya Pansringarm), ein im Film namenloser Polizist, stiftet den Vater und (oder?) Zuhälter der Toten an, Billy zu ermorden.

Danach entspinnt sich ein langatmiger Kampf zwischen Chang, der scheinbar jeden, der ihn stört, ermordet, und Julian, der seinen Bruder auf Befehl seiner Mutter, die ihn ständig herabsetzt, rächen soll.

Die meiste Zeit starren die Charaktere in Nicolas Winding Refns Film, der zu sehr die Antithese zu „Drive“ sein will, in gekonnt ausgeleuchteten Räumen nämlich Luftlöcher. Schnell wird deutlich, dass „Only God Forgives“ ungefähr so faszinierend wie das minutenlange, bewegungslose Anstarren von sich bedeutungsschwer gebenden, schön komponierten und schön anzusehenden Standbildern, unterlegt mit meditativ-einschläfernder Musik, ist.

Der Neunzigminüter ist eine Versuchsanordnung ohne irgendeine Dynamik, aber mit vielen Posen, die besser in einem Bildband oder einer Modefotostrecke zum Ausdruck kommen und „Only God Forgives“ zu einen der großen Enttäuschungen des Kinojahres macht.

Denn so ehrenwert und auf den ersten Blick erfreulich (Das war vor dem Filmgenuss.) es auch ist, dass das Team von „Drive“ nicht einfach die Erfolgsformel, dieses Mal mit etwas fernöstlicher Philosophie und Kampfkunst, wiederholt, so sehr muss man auch konstatieren, dass „Only God Forgives“ nur prätentiöser Quark mit einem Übermaß an Gewalt (die man meistens nicht sieht) ist, der verärgert und schnell tödlich langweilt.

Only God Forgives - Plakat

Only God Forgives (Only God Forgives, Frankreich/Dänemark 2013)

Regie: Nicolas Winding Refn

Drehbuch: Nicolas Winding Refn

mit Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Vithaya Pansringarm, Tom Burke, Rhatha Phongam, Byron Gibson, Gordon Brown, Sahajak Boonthanakit, Joe Cummings

Länge: 90 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Film-Zeit über „Only God Forgives“

Metacritic über „Only God Forgives“

Rotten Tomatoes über „Only God Forgives“

Wikipedia über „Only God Forgives“

Meine Besprechung von Nicolas Winding Refns „Fear X“ (Fear X, USA 2003)

Meine Besprechung von Nicolas Winding Refns „Drive“ (Drive, USA 2011)