DVD-Kritik: Höre nicht auf „The Voices“!

Oktober 7, 2015

Zum Filmstart schrieb ich über den neuen Film der „Persepolis“-Regisseurin:
Der Trailer verrät eines: „The Voices“ ist kein „kann man sich ansehen“-Film. Er kann nur grandios sein. Unklar ist nur, ob er grandios grandios oder nur grandios gescheitert ist.
Denn Marjane Satrapis Film ist eine äußerst schwarzhumorige Komödie, die uns direkt in den Kopf von Norman Bates hineinversetzt. Wobei Norman Bates hier Jerry heißt, in einer Kleinstadt in Michigan in einer Fabrik für Sanitärbedarf als kleiner Arbeiter arbeitet, immer freundlich ist, sich, während die pinkfarbenen Gabelstapler ein Ballett auführen, sein Leben in den buntesten Bonbonfarben ausmalt, und seiner Psychotherapeutin treuherzig versichert, dass er selbstverständlich die von ihr verschriebenen Pillen nimmt, von seiner Schizophrenie geheilt ist, schon erste Freundschaften bei der Arbeit geschlossen hat, das Betriebsfest mitorganisieren darf und niemand etwas von seiner Vergangenheit weiß.
Das klingt doch sehr beruhigend und ziemlich normal; wenn er sich in seiner billigen Junggesellenwohnung nicht mit Bosco und Mr. Whiskers unterhalten würde. Bosco ist ein gutmütiger, sensibler und vernünftiger Hund. Mr. Whiskers eine sarkastische, komplett amoralische Katze, die mit ihren zynischen Sprüchen Jerry unverblümt als kleinen, feigen Wurm abkanzelt.
Diese Gespräche gingen ja noch, wenn nicht Jerrys erstes Quasi-Date mit der Firmenbuchhalterin Fiona grotesk aus dem Ruder laufen würde. Am Ende ist sie, verursacht durch einige Missverständnisse und einen dummen Zufall, tot. Jerry lagert ihren Kopf, der sich mit ihm unterhält, im Kühlschrank zwischen und das ist nicht der letzte weibliche Kopf, der in seinem Kühlschrank landet. Denn Fionas Kolleginnen sind neugierig und Jerry ist ja, in seiner Selbstwahrnehmung, so sympathisch als Junggeselle in einer blitzeblanken Wohnung, der Fiona gerne ihren Wunsch nach etwas Gesellschaft erfüllt.
Marjane Satrapi (Persepolis, Huhn mit Pflaumen) inszenierte die schwarze Komödie über einen scheinbar harmlosen Serienmörder über große Strecken im Stil einer Fünfziger-Jahre-Hollywood-Komödie oder eines Disney-Films, bis dann irgendwann die Wirklichkeit einbricht und wir Jerrys Wohnung (und die Welt) nicht mehr aus seiner subjektiven, sondern aus der objektiven Perspektive sehen.
Und Ryan Reynolds (The Nines, Buried, Safe House, Green Lantern und irgendwann demnächst Deadpool) spielt diesen Mörder mit einem veritablen Sprung in der Schüssel als höflichen Jungen von nebenan. So wie Anthony Perkins Norman Bates als höflichen, von seiner Mutter unterdrückten Jungen spielte. Jerry wird dagegen von einem Kater drangsaliert. Was ist schlimmer?
„The Voices“ ist ein grandioser Film. Jedenfalls wenn euch der Trailer und die Idee von sprechenden Tieren und Köpfen gefällt.

Das Bonusmaterial der DVD ist mit drei kurzen Featurettes, die es auch online gibt, erschreckend sparsam ausgefallen.
Immerhin gibt es, auch wenn es das inzwischen öfter gibt, eine Audiodeskription für Sehbehinderte.
Bosco würde sagen, wichtig sei schließlich der Film.
Mr. Wiskers…

The Voices - DVD-Cover

The Voices (The Voices, USA/Deutschland 2014)
Regie: Marjane Satrapi
Drehbuch: Michael R. Perry
mit Ryan Reynolds, Gemma Arterton, Anna Kendrick, Jacki Weaver, Ella Smith, Paul Chahidi, Stanley Townsend ,Adi Shankar, Sam Spruell

DVD
Ascot Elite
Bild: 2.39:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte
Bonusmaterial: 3 Featurettes, Originaltrailer, Deutscher Trailer, Teaser, Wendecover, Audiodeskription für Sehbehinderte
Länge: 101 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

Hinweise
Englische  Facebook-Seite zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „The Voices“
Moviepilot über „The Voices“
Metacritic über „The Voices“
Rotten Tomatoes über „The Voices“
Wikipedia über „The Voices“

Meine Besprechung von Marjane Satrapis „The Voices“ (The Voices, USA/Deutschland 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: Ryan Reynolds hört „The Voices“

Mai 1, 2015

Der Trailer verrät eines: „The Voices“ ist kein „kann man sich ansehen“-Film. Er kann nur grandios sein. Unklar ist nur, ob er grandios grandios oder nur grandios gescheitert ist.
Denn Marjane Satrapis Film ist eine äußerst schwarzhumorige Komödie, die uns direkt in den Kopf von Norman Bates hineinversetzt. Wobei Norman Bates hier Jerry heißt, in einer Kleinstadt in Michigan in einer Fabrik für Sanitärbedarf als kleiner Arbeiter arbeitet, immer freundlich ist, sich, während die pinkfarbenen Gabelstapler ein Ballett auführen, sein Leben in den buntesten Bonbonfarben ausmalt, und seiner Psychotherapeutin treuherzig versichert, dass er selbstverständlich die von ihr verschriebenen Pillen nimmt, von seiner Schizophrenie geheilt ist, schon erste Freundschaften bei der Arbeit geschlossen hat, das Betriebsfest mitorganisieren darf und niemand etwas von seiner Vergangenheit weiß.
Das klingt doch sehr beruhigend und ziemlich normal; wenn er sich in seiner billigen Junggesellenwohnung nicht mit Bosco und Mr. Whiskers unterhalten würde. Bosco ist ein gutmütiger, sensibler und vernünftiger Hund. Mr. Whiskers eine sarkastische, komplett amoralische Katze, die mit ihren zynischen Sprüchen Jerry unverblümt als kleinen, feigen Wurm abkanzelt.
Diese Gespräche gingen ja noch, wenn nicht Jerrys erstes Quasi-Date mit der Firmenbuchhalterin Fiona grotesk aus dem Ruder laufen würde. Am Ende ist sie, verursacht durch einige Missverständnisse und einen dummen Zufall, tot. Jerry lagert ihren Kopf, der sich mit ihm unterhält, im Kühlschrank zwischen und das ist nicht der letzte weibliche Kopf, der in seinem Kühlschrank landet. Denn Fionas Kolleginnen sind neugierig und Jerry ist ja, in seiner Selbstwahrnehmung, so sympathisch als Junggeselle in einer blitzeblanken Wohnung, der Fiona gerne ihren Wunsch nach etwas Gesellschaft erfüllt.
Marjane Satrapi (Persepolis, Huhn mit Pflaumen) inszenierte die schwarze Komödie über einen scheinbar harmlosen Serienmörder über große Strecken im Stil einer Fünfziger-Jahre-Hollywood-Komödie oder eines Disney-Films, bis dann irgendwann die Wirklichkeit einbricht und wir Jerrys Wohnung (und die Welt) nicht mehr aus seiner subjektiven, sondern aus der objektiven Perspektive sehen.
Und Ryan Reynolds (The Nines, Buried, Safe House, Green Lantern und irgendwann demnächst Deadpool) spielt diesen Mörder mit einem veritablen Sprung in der Schüssel als höflichen Jungen von nebenan. So wie Anthony Perkins Norman Bates als höflichen, von seiner Mutter unterdrückten Jungen spielte. Jerry wird dagegen von einem Kater drangsaliert. Was ist schlimmer?
„The Voices“ ist ein grandioser Film. Jedenfalls wenn euch der Trailer und die Idee von sprechenden Tieren und Köpfen gefällt.

The Voices - Plakat

The Voices (The Voices, USA/Deutschland 2014)
Regie: Marjane Satrapi
Drehbuch: Michael R. Perry
mit Ryan Reynolds, Gemma Arterton, Anna Kendrick, Jacki Weaver, Ella Smith, Paul Chahidi, Stanley Townsend ,Adi Shankar, Sam Spruell
Länge: 109 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

Hinweise
Englische  Facebook-Seite zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „The Voices“
Moviepilot über „The Voices“
Metacritic über „The Voices“
Rotten Tomatoes über „The Voices“
Wikipedia über „The Voices“

Und noch etwas Kleinkram


TV-Tipp für den 1. Juli: Aurelio Zen: Vendetta

Juli 1, 2014

ZDFneo, 21.40
Aurelio Zen: Vendetta (Großbritannien 2010, Regie: John Alexander)
Drehbuch: Simon Burke
LV: Michael Dibdin: Vendetta, 1991 (Vendetta)
Aurelio Zen soll sich noch einmal die Beweise in einem abgeschlossenen Mordfall ansehen. Der Bauunternehmer Faso wurde in seiner Villa ermordet und es gibt auch einen Täter, der die Tat allerdings hartnäckig leugnet. Als Zen sich auf Sardinien den Tatort ansieht, entdeckt er eine neue Spur. Gleichzeitig will Tito Spadola sich an den Menschen rächen, die ihn aus seiner Sicht unschuldig in den Knast brachten. Einer von ihnen ist Aurelio Zen.
Erster von nur drei „Aurelio Zen“-Krimis, die alle als elegante südländische Kriminalfilme mit tiefen Verbeugungen in Richtung Noir und Neorealismus überzeugen.
Mit Rufus Sewell, Caterina Murino, Stanley Townsend, Ben Miles, Vincent Riotta, Catherine Spaak

Hinweise

BBC über „Aurelio Zen“

BBC Germany über “Aurelio Zen”

Wikipedia über „Aurelio Zen“

Krimi-Couch über Michael Dibdin

Kriminalakte über Michael Dibdin

Meine Besprechung von „Aurelio Zen“ (Aurelio Zen, Großbritannien 2010)


Neu im Kino/Filmkritik: Not so „Lovely Louise“ und ihre Kinder

Februar 13, 2014

 

André gehört nicht zu den Losern, die nach einer gescheiterten Karriere und überstandener Midlife-Crisis, vielleicht sogar inclusive Scheidung, mit Mitte Fünfzig in die elterliche Wohnung zurück ziehen, weil entweder die Eltern gerade gestorben sind oder finanzielle Engpässe ihn dazu zwingen. Der Taxifahrer und Tüftler ist nie bei ihr, der titelgebenden „Lovely Louise“ ausgezogen. Das Muttersöhnchen steht unter ihrer Fuchtel. Immer hält sie ihm, mal mehr, mal weniger höflich, vor, dass sie wegen ihm auf eine glänzende Hollywood-Karriere verzichten und in die kleinbürgerliche Spießigkeit der Schweiz zurückkehren musste. Ihre Selbstbestätigung holt sie sich von ihren Freundinnen, die sie als Diva bewundern. André serviert derweil in dem beengten Apartment die Schnittchen. Sein einziges Hobby ist die Modellfliegerei. Heimlich ist er in die am Flughafen arbeitende Wurstverkäuferin Steffi verliebt, aber ansprechen will er sie nicht.

Eines Tages taucht Louises bislang unbekannter Sohn Bill aus den USA auf, der sich gleich mit amerikanischer Jovialität in der engen Wohnung breitmacht, André in seine Werkstatt verbannt und das fragile Mutter-Sohn-Gefüge stört. Denn Louise wendet ihre ganze Liebe dem verlorenen Sohn zu.

Lovely Louise“, der neue Film von „Die Herbstzeitlosen“- und „Tannöd“-Regisseurin Bettina Oberli ist eine harmlos daherkommende, stille Komödie über Beziehungen, Illusionen, Lügen, Träume, das kleine Glück, gescheiterte Existenzen, der Angst vor Veränderungen, den damit verbundenen Stillstand und dem eigenen Weg. Denn irgendwann sollte André sich doch von seiner dominanten, ihn schamlos ausbeutenden Mutter trennen. Das ist, in einer reduzierten Bildsprache, fein beobachtet und gefällt gerade im Vermeiden von offensichtlichen Spannungsmomenten, vor allem in der Geschichte von Bill, dessen Gehabe und seine kaputten Socken ein untrügliches Zeichen für betrügerische Absichten zu sein scheinen. Und so fällt zunächst kaum auf, wie bösartig und unversöhnlich der bieder daherkommende Film hinter seiner heimeligen Fassade aus Züricher Vorstadt und Provinzflughafen ist.

Vollkommen überflüssig ist allerdings der Spanienausflug von Bill und Louise, inclusive Schwimmbadschlägerei zwischen Bill und André und „Charlie staubt Millionen ab“/“The Italian Job“-Kliffhängerei. Das darf nur Michael Caine. Aber der hatte wahrscheinlich keine Mutter.

Lovely Louise - Plakat

Lovely Louise (Schweiz/Deutschland 2013)

Regie: Bettina Oberli

Drehbuch: Bettina Oberli, Petra Volpe, Xao Seffcheque (Mitarbeit Drehbuch)

mit Stefan Kurt, Annemarie Düringer, Stanley Townsend, Nina Proll, Michael Neuenschwander, Carla Juri

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Lovely Louise“

Moviepilot über „Lovely Louise“