Neu im Kino/Filmkritik: „Die nackte Kanone“, Ausgabe 2025

Juli 31, 2025

Richard Cane (Danny Huston) ist ein böser Tech-Mogul und der archetypische größenwahnsinnige Filmbösewicht mit weltzerstörenden Plänen. Um sie umzusetzen benötigt er eine PC-Festplatte mit dem Namen „P. L. O. T. Device“ (die Abkürzung steht, wie später im Film erklärt wird, für „Primordial Law of Toughness“). Sie ist in einem Bankschließfach. Sein Handlanger Sig Gustafson (Kevin Durand) soll sie stehlen. Zur Tarnung inszeniert er einen Banküberfall, der nach Plan ablauft bis Lieutenant Frank Drebin Jr. (Liam Neeson) von der Los Angeles Police Squad, verkleidet als Schulmädchen, auftaucht. Der Sohn von Frank Drebin entwaffnet, vermöbelt und verhaftet die meisten Bankräuber noch am Tatort. Aber Gustafson kann mit der „P. L. O. T. Device“ entkommen.

Diese lag im Schließfach eines wichtigen Cane-Angestellten, der bei einem Unfall mit seinem von Cane produzierten E-Autos tödlich verunglückte. Seine Schwester Beth Davenport (Pamela Anderson), Autorin ausgedachter Fälle, über die sie True-Crime-Bücher schreibt, ist überzeugt, dass er ermordet wurde.

Drebin, fasziniert von der mysteriösen Femme Fatale, beginnt zu ermitteln und, wie schon in den originalen drei „Die nackte Kanone“/“The naked Gun“-Filmen, in denen Slapstick, derber Humor und hemmungslose Parodien auf Polizeiserien und -filme nahtlos ineinander übergingen, werden auch in der von Akiva Schaffer („Saturday Night Live“) inszenierten Neuauflage „Die nackte Kanone“ Slapstick, Blödsinn und Parodien nahtlos miteinander verschmolzen. Garniert wird das Gericht dieses Mal mit einer satten Portion äußerst gewalttätiger Over-the-top-Kämpfe. Die sind so brutal und einfallsreich in der Anwendung von Gegenständen auf menschliche Körper, dass sie auch in „Nobody“ und „Love Hurts“ nicht negativ aufgefallen wären. In einem „Die nackte Kanone“-Film wirken sie dagegen unpassend brutal.

Die Story ist bestenfalls ein loses Korsett, das die Gags so halbwegs zusammenhält. Denn im Zweifelsfall ist in diesen Genreparodien, die vor allem in den achtziger Jahren im Kino liefen und die jetzt als Remake/Reboot (eine „Spaceballs“-Fortsetzung und das Reunion-Konzert von Spinal Tap [wer das googeln muss, hat die Achtziger nicht erlebt] kommen demnächst ins Kino) eine Neuauflage erfahren, ein schlechter Gag wichtiger als die rudimentäre Story. Etliche Filme von Mel Brooks („Frankenstein Junior“ [Young Frankenstein], „Silent Movie“, „Höhenkoller“ [High Anxiety] und „Spaceballs“), die albernen Jerry Zucker/Jim Abrahams/David Zucker-Produktionen „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ (Airplane), „Top Secret“ und, ohne die Zucker-Brüder, „Hot Shots“, und, als mehrere Fortsetzungen nach sich ziehender Nachklapp, „Scary Movie“ sind klamaukige Parodien mit viel Slapstick auf damals erfolgreiche Filme und Genres, in denen die Gags so schnell abgefeuert wurden, dass ein schlechter Gag sofort von einem besseren Gag aufgesogen oder vom Lachen über den vorherigen Gag überdeckt wurde.

Die nackte Kanone“ (2025) steht eindeutig und respektvoll in der Tradition der originalen „Die nackte Kanone“-Filme von 1988, 1991 und 1994 und der für die drei Filme als Vorlage dienenden kurzlebigen TV-Serie von 1982. Wenn die Macher auf die Gags über E-Autos verzichtet hätten, hätte ihr „Die nackte Kanone“-Film, mit Liam Neeson und Pamela Anderson in den Hauptrollen und Gastauftritten von Busta Rhymes und ‚Weird Al‘ Yankovic, die alle schon vor dreißig Jahren erfolgreich im Geschäft waren, auch damals im Kino laufen können.

Der Referenzrahmen für die Filmgeschichte, die Gags und die Atmosphäre ist daher eindeutig der Film Noir, der seinen Höhepunkt in den vierziger und fünfziger Jahren hatte, und Polizeiserien aus den Jahrzehnten vor dem ersten „Die nackte Kanone“-Film; also vor allem TV-Serien, die in den sechziger und siebziger Jahren populär waren. Die Macher parodieren dieses Mal eigentlich keine konkreten Filme oder ikonische Szenen, sondern sie zitieren allgemein bekannte Standardsituationen und Dialogfetzen. So erinnert das Gespräch von Drebin mit seiner Chefin am Filmanfang an Gespräche von ‚Dirty Harry‘ Callahan mit seinem Vorgesetzten (Uh, wenn ihr das googeln müsst…).

Das angepeilte Publikum scheinen dann weniger Kinder, die Slapstick, wie „Tom und Jerry“, „Laurel und Hardy“ und Mr. Bean, lieben, oder Jugendliche, die die anzüglichen Witze lachend goutieren, sondern ältere Semester zu sein. Die sahen die damaligen Filme mit Leslie Nielsen als Frank Drebin und der beim ersten „Die nackte Kanone“-Film Anfang Vierzigjährigen Priscilla Presley als sein ‚love interest‘ im Kino und „Baywatch“ im TV.

Heute dürfen sie feststellen, dass ihr „Baywatch“-Jugendschwarm und damaliges Sexsymbol Pamela Anderson mit knapp sechzig Jahren immer noch eine gute Figur macht. Sie verstehen auch die Anspielungen auf den Film Noir und die alten Polizeiserien.

Das Ergebnis ist mehr amüsant als witzig. Es gibt Slapstick, aber die meisten Witze sind Dialogwitze. Natürlich sind sie oft infantil und im Zweifel haben die Macher noch einen Gag in die Szene gestopft. Trotz der vielen Witze musste ich allerdings nie laut loslachen.

Schaffers Komödie ist mit viel Liebe zum Original inszeniert, aber auch durchgehend museal und mutlos. In „Die nackte Kanone“ (2025) wird nichts Neues gewagt, sondern einfach die alte Melodie nochmal für die Fans der Originale gespielt.

Die nackte Kanone (The Naked Gun, USA 2025)

Regie: Akia Schaffer

Drehbuch: Dan Gregor, Doug Mand, Akiva Schaffer (basierend auf der von Jim Abrahams, David Zucker und Jerry Zucker erfundenen TV-Serie „Police Squad“)

mit Liam Neeson, Pamela Anderson, Paul Walter Hauser, Danny Huston, CCH Pounder, Kevin Durand, Cody Rhodes, Liza Koshy, Eddie Yu, Busta Rhymes, Justin Gaethje, Kamaru Usman, Priscilla Presley, ‚Weird Al‘ Yankovic

Länge: 86 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Die nackte Kanone“

Metacritic über „Die nackte Kanone“

Rotten Tomatoes über „Die nackte Kanone“

Wikipedia über „Die nackte Kanone“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Wer sind „The Sparks Brothers“? Und warum sind sie heute so unbekannt?

Oktober 9, 2021

Bevor Edgar Wright uns am 11. November 2021 zu einer „Last Night in Soho“ einlädt, macht der Regisseur von „Baby Driver“ uns mit den Sparks Brothers bekannt. Es handelt sich dabei um die Brüder Ron und Russell Mael, die sich als Band „Sparks“ nennen, und 1974 ihren Durchbruch mit dem Hit „This Town ain’t big enough for both of us“ hatten. Später änderten sie ihren Stil; oder gingen mit der Zeit. Denn aus den Glamrock- und Powerpopsongs der siebziger Jahre wurde Disco (inclusive einer Zusammenarbeit mit Giorgio Moroder), Synthie-Pop und ein Flirt mit Techno. Sie schrieben das Musical „The Seduction of Ingmar Bergman“ und arbeiteten mit Franz Ferdinand zusammen. Ihr erster gemeinsamer Song war „Collaborations don’t work“. Ohne Humor, Selbstironie, Dekonstruktion in Wort und Bild und Vaudeville sind die Sparks halt nicht denkbar.

Sie hatten immer wieder, abwechselnd in verschiedenen Ländern und Kontinenten, Nummer-Eins-Hits und blieben dabei immer unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit. Denn wer die Sparks der einen Phase mag, mag nicht unbedingt die Sparks der anderen Phase.

Ein großer Teil ihres Charmes beruht auf dem gegensätzlichen Aussehen der beiden Brüder und ihrer ‚Britishness‘. Dabei sind sie aus Kalifornien kommende US-Amerikaner, deren verschrobene Musik in den späten sechziger Jahren dort nicht verstanden wurde. In England schon eher und zwischen David Bowie (in seiner Ziggy-Stardust-Phase), Queen und T-Rex fielen sie nicht weiter auf. Der Lohn waren Single-Hits, kreischende, die Bühne stürmende Teenager und Fans wie Edgar Wright, der sie Ende der Siebziger entdeckte. Jetzt setzte er ihnen mit seiner Doku „The Sparks Brothers“ ein Denkmal. Denn danach sind die Sparks die größte Band aller Zeiten.

Er erzählt ihre Geschichte chronologisch in einem Mix aus Konzertmitschnitten, alten und neuen Dokumentaraufnahmen und sprechenden Köpfen. Interviewt wurden die beiden Brüder, Weggefährten und Fans. Dieses gut erprobte Verfahren ist allerdings, wenn der Reihe nach die nächste und die nächste Platte vorgestellt wird, auf die Dauer etwas ermüdend. Denn die Sparks haben inzwischen 26 Studioalben veröffentlicht und jede dieser Platten, die selbstverständlich ein Meisterwerk ist, will gewürdigt werden. Neben den anderen Projekten der Brüder. In dem Moment wird das chronologische Verfahren zu einem Problem. Vor allem wenn es auf das mitteilungsbedürftige Fantum des Regisseurs trifft, er einen exklusiven Zugang zu dem Archiv der Porträtierten hat und diese stark in das Projekt involviert sind. Deshalb ist Wrights Doku auch keine schlanke neunzig Minuten, sondern voluminöse hundertvierzig Minuten.

Am Ende steht eine unkritische, aber vergnügliche Heldenverehrung. Denn die Brüder Ron und Russell Mael sind einfach zwei herrlich schrullige Typen. Im Interview, im Studio und auf der Bühne, wo der eine sich mit stoischer Mine (und inzwischen etwas gestutztem Charlie-Chaplin-Hitler-Bärtchen) hinter seinem Keyboard verschanzt, während der andere mit wechselnden Haarlängen singend über die Bühne springt.

The Sparks Brothers (The Sparks Brothers, USA 2021)

Regie: Edgar Wright

Drehbuch: Edgar Wright

mit Ron Mael, Russell Mael, Beck, Thurston Moore, Björk, Vince Clark, Flea, Giorgio Moroder, Todd Rundgren, ‚Weird Al‘ Yankovic, Mike Myers, Jason Schwartzman, Neil Gaiman

Länge: 141 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Sparks Brothers“

Metacritic über „The Sparks Brothers“

Rotten Tomatoes über „The Sparks Brothers“

Wikipedia über „The Sparks Brothers“ und die Sparks (deutsch, englisch)

Homepage der Sparks

AllMusic über die Sparks

Meine Besprechung von Edgar Wrights „The World’s End“ (The World’s End, Großbritannien 2013)

Meine Besprechung von Edgar Wrights „Baby Driver“ (Baby Driver, USA 2017)

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