„Der Tatort und die Philosphie“ im Hörsaal, nicht an der Pommesbude

Juni 18, 2014

Eilenberger HRSG - Der Tatort und die Philosophie - 2

„Schlauer werden mit der beliebtesten Fernsehserie“ ist der Untertitel und er ist erstens zutreffend und zweitens macht der Sammelband neugierig auf einige zeitgenössische Philosophen. Denn in dem von Wolfram Eilenberger herausgegebenem Sammelband „Der Tatort und die Philosophie“ werden verschiedene Philosophen und ihr Werk vorgestellt und damit man sich mit ihren abstrakten Gedanken beschäftigt, wird der „Tatort“ als Köder benutzt. Gerade weil die Reihe so langlebig ist und es inzwischen über neunhundert Folgen gibt, findet jeder Autor, meist bei einem der aktuell ermittelnden Kommissare, den ihm genehmen Anknüpfungspunkt, der auch immer etwas willkürlich bleibt.
Aber in dem Sammelband geht es auch nur peripher um den „Tatort“. Die Krimireihe und damit auch der Kriminalfilm und die Kriminalserie im allgemeinen (denn vieles, was hier gesagt wird, kann mühelos auf andere Krimis übertragen werden) sind nur der Startpunkt, um Philosophen und ihre Werke in kurzen Texten vorzustellen:
Adam Soboczynski schreibt über Theodor W. Adorno,
Wolfram Eilenberger über Emmanuel Levinas,
Florian Werner über Friedrich Nietzsche,
Ulrich Noller und Jürgen Wiebicke über Hartmut Rosa und Byung-Chul Han,
Cord Riechelmann über Gilles Deleuze,
Ariadne von Schirach über Alain Badiou,
Gert Scobel über William James,
Fritz Breithaupt über Siegfried Kracauer,
Susanne Schmetkamp über Edith Stein,
Svenja Flaßpöhler über Hannah Arendt,
Ekkehard Knörer über Odo Marquard,
Stefan Münkler über Marshall McLuhan und
Armin Nassehi über Edmund Husserl.
Viele Texte sind von promovierten Philosophen geschrieben und oft sind die kurzen Texte auch etwas zu wissenschaftlich geraten. Jedenfalls für ein Buch, das sich an die breite Masse richten und Menschen, die sonst nichts mit Philosophie am Hut haben, neugierig auf die Philosophen, ihre Gedankengebäude und das philosophische Denken machen soll. Davon abgesehen regen die Texte zum Nachdenken über die Wirklichkeit und auch darüber, was Geschichten über die Wirklichkeit aussagen, an. Warum, zum Beispiel, in neueren Krimis die Täter ihre Taten nicht mehr erklären können und was das über das Subjekt, den Menschen, aussagt. Denn früher gab es spätestens am Ende des Films eine lange Erklärung, warum der Mörder mordete. Woher das Böse kommt und warum so viele Kommissare alleinstehend sind und sich in ihre Arbeit flüchten, wird mit verschiedenen philosophischen Theorien erklärt; – wobei wir Lieutenant Columbo, der ja vor allem in den Siebzigern ermittelte, auch nur bei der Arbeit sehen und wir nichts über das Sexualleben von Hercule Poirot wissen.
Über den „Tatort“ im Speziellen bleiben die Autoren dagegen bei Allgemeinplätzen stehen, die auch auf fast jede andere Krimiserie übertragen werden kann.
Mich erinnerte das Buch jedenfalls daran, mal wieder einen philosophischen Text zu lesen.

Wolfram Eilenberger (Hrsg.): Der Tatort und die Philosphie – Schlauer werden mit der beliebtesten Fernsehserie
Tropen, 2014
224 Seiten
17,95 Euro

Hinweise

Homepage von Wolfram Eilenberger und des „Philosophie Magazins“ (er ist Chefredakteur)

Tatort-Fundus (eine „Tatort“-Fundgrube)