Das Gebaren der Verlage ist schon seltsam. Bei „Colorado Kid“ wurde das Nachwort von Stephen King nicht übersetzt. Bei seinem neuesten Roman „Qual“ wurde aus dem Vorwort ein irgendwo hinten verstecktes Nachwort. Denn nach den amüsant-selbstkritischen Erklärungen von Stephen King gibt es noch die neuere Kurzgeschichte „Erinnerung“.
Diese Umstellung ist keine Kleinigkeit. Denn in seinem ab Seite 343 abgedruckten Vorwort sagt King, dass „Qual“ ein altes Manuskript von ihm sei. Er habe es in den frühen Siebzigern als weiteres Richard Bachmann-Buch geschrieben. „Ich fand ihn toll, als ich ihn schrieb, und Schrott, als ich ihn anschließend las.“, schreibt King in seinem Vorwort. Das Manuskript verschwand, ohne dass er es einem Verleger anbot, in der Schublade. Dort blieb es viele Jahre. Auch wenn die Schublade von Kings Haus in die Fogler Library der Universität von Maine wanderte und die dortige Sammlung von Texten des Schriftstellers ergänzte. Nachdem King von Charles Ardai gefragt wurde, ob er für die „Hard Case Crime“-Serie eine Geschichte habe, erinnerte er sich an „Blaze“ (so der treffendere Originaltitel). Aber King war immer noch nicht richtig zufrieden mit „Qual“ und er schrieb „The Colorado Kid“. Später überarbeitete er „Qual“ und veröffentlichte jetzt die Leidensgeschichte von Blaze. „Dies ist (…) ein alter Roman, aber ich glaube, ich habe mich geirrt, was mein anfängliches Urteil betrifft, dass es ein schlechter Roman sei.“, sagt King über seinen Ende 1972/Anfang 1973 geschriebenen Schubladenroman. Dabei gehen die Einkünfte aus „Qual“ an die Haven Foundation, eine Organisation, die notleidende Künstler unterstützt.
Der Grund für Kings erstes Urteil ist die Hauptfigur Clayton ‚Blaze’ Blaisdell jr. Er ist ein Trottel, der das Pech gleich eimerweise gepachtet hat. Zuerst bringt ihn sein alkoholsüchtiger, alleinerziehender Vater fast um. Seitdem hat Blaze ein Loch im Kopf und ist geistig zurückgeblieben. In der Schule wird der Muskelprotz gehänselt. Im Kinderheim ist es nicht besser. Als er später George kennen lernt, beginnen sie eine Karriere als Kleingangster. Ihr größtes Projekt ist die Entführung des Babys der stinkreichen Familie Gerard. Bei dem Kidnapping gibt es nur ein Problem. Kurz bevor Blaze und George ihren Plan in die Tat umsetzen können, stirbt George. Blaze, auf sich allein gestellt, will es trotzdem tun. Immerhin hilft George ihm aus dem Reich der Toten. Blaze kann das Baby entführen. Dabei hinterlässt er mehr Spuren, als eine durch ein Einkaufszentrum rasende Büffelherde. Entsprechend einfach kann die Polizei ihn Spur verfolgen.
„Qual“ ist, trotz der Überarbeitung des Autors, unverkennbar ein vor Jahrzehnten geschriebener Roman. Damals war King ein junger Autor. Seine Sprache ist hölzerner. Der Aufbau der Geschichte einfach. Der Hauptplot, die Geschichte des Kidnappings, wird immer wieder von chronologisch angeordneten Rückblenden unterbrochen, in denen King von Blaze und dessen Kindheit und Jugend erzählt. Diese Geschichte einer unglücklichen Kindheit in einem zeitlosen, gotisch-düsteren Amerika, in dem die Klassenschranken festgemauert sind, ist wesentlich gelungener als die mit wenigen Wendungen auf ihr fatales Ende zusteuernde Entführungsgeschichte. Denn dass Blaze bei der Entführung Mist bauen wird, dass er von seiner Rolle als Pfleger für das Baby überfordert ist und dass er beschützende Gefühle für es entwickeln wird, ist alles nicht sonderlich überraschend. Auch nicht, dass die Polizei unglaublich leicht seine Fährte aufnehmen kann. Das verläuft entlang den Konventionen der düsteren Pulp-Romane, die King in seiner Jugend verschlang und weshalb er auch dachte, dass „Qual“ eine Geschichte für Hard Case Crime sein könnte.
„Qual“ ist nicht Kings bester Roman. Es ist auch kein unentdeckter Klassiker. Es ist nur der eindrückliche Beweis, wie gut King bereits in seinen frühen Jahren war und, das zeigt die ebenfalls in „Qual“ abgedruckte Kurzgeschichte „Erinnerung“, wie sehr er sich seitdem als Geschichtenerzähler entwickelte. Sie inspirierte King zu seinem neuen, in den USA für Januar angekündigten Roman „Duma Key“.
Stephen King wird am 21. September sechzig Jahre.
Stephen King (schreibt als Richard Bachmann): Qual
(übersetzt von Jürgen Bürger)
Heyne, 2007
384 Seiten
19,95 Euro
Originalausgabe:
Blaze
Scribner, New York, 2007
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