Neu im Kino/Filmkritik: Isabelle Huppert ist „Eine Frau mit berauschenden Talenten“

Auf diesen Film freue ich mich seit einigen Monaten. Als ich für meine Besprechung von Hannelore Cayres Krimi „Die Alte“ Hintergrundmaterial sammelte, erfuhr ich, dass Cayres Noir von Jean-Paul Salomé mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle verfilmt wird.

Über Isabelle Huppert muss wohl nichts mehr gesagt werden.

Jean-Paul Salomé ist deutlich unbekannter. Einige dürften immerhin seine ab und zu im Fernsehen laufenden, vor historischer Kulisse spielenden Abenteuerfilme/Thriller „Arsène Lupin“ und „Female Agents – Geheimkommando Phoenix“ kennen.

In Salomés neuem Film spielt Huppert Patience Portefeux, die titelgebende ‚Frau mit berauschenden Talenten‘. Auch wenn Madame Portefeux auf den ersten Blick wie eine taffe Mittfünfzigerin, die nichts erschüttern kann, wirkt, ist ihr Leben gar nicht so rosig. Die Pariserin lebt allein – ihr Mann starb vor zwanzig Jahren und sie hat erst jetzt seine Schulden abbezahlt -, die beiden erwachsenen Töchter leben ihr Leben und ihre Mutter liegt in einem Pflegeheim, das sie jeden Monat 3200 Euro kostet. Eine Menge Geld.

Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Übersetzerin. Freiberuflich und ohne Altersvorsorge. Für das Drogendezernat belauscht und übersetzt sie die auf arabisch geführten Gespräche der Drogenhändler und ihrer Familien.

Als ihre Mutter wegen unbezahlter Rechnungen in ein anderes Heim verlegt werden soll und sie aus einem abgehörtem Telefonat erfährt, dass der junge Drogenhändler, der verhaftet werden soll, der Sohn von Khadidja, einer Pflegerin ihrer Mutter, ist, greift sie spontan in die geplante Verhaftung ein. Sie informiert Khadidja. Die informiert ihren Sohn. Der kann vor seiner Verhaftung die Drogen verstecken.

Patience ergreift die sich ihr bietende Chance. Wenn sie die Drogen vor der Polizei und den Cherkaoui-Brüdern, die auf ihre Lieferung warten, findet, kann sie sich finanziell sanieren. Mit Geduld, detektivischem Gespür und dem pensionierten Drogenhund DNA findet sie vor allen anderen die Drogen. Sie versteckt sie im Keller des Mietshaus, in dem sie wohnt und beginnt sie an arabische Drogenhändler zu verkaufen. Immerhin kennt sie von ihrer Arbeit als Übersetzerin die potentiellen Großeinkäufer, ihre Nöte und die aktuellen Preise.

Und weil die Polizei schnell versucht, die neu in der Szene aufgetauchte geheimnisvolle Drogenhändlerin zu verhaften, muss sie weiter die Ermittlungen der Polizisten, mit denen sie seit längerem vertrauensvoll zusammenarbeitet, sabotieren. Ihr aktueller Freund Philippe ist sogar der Leiter der Drogenfahnder und er ist grundehrlich.

Jean-Paul Salomé macht aus Hannelore Cayres schwarzhumoriger Romanvorlage einen ebenso schwarzhumorigen, niemals moralisierenden, angenehm respektlosen Film, der genau deshalb Claude Chabrol in jeder Beziehung gefallen hätte. Auch dass die Frauen gegenüber den doch meist arg tumben Männern ein besseres Bild abgeben, hätte ihm gefallen. Sie wissen, wie Probleme ohne Gewalt gelöst werden können. Beispielsweise mit einem kleinen Geschäft, von dem beide Seiten profitieren. So versteht Patiences Hausverwalterin sofort Patiences Vorschlag für ein Geschäft. Denn irgendwie muss das Drogengeld gewaschen werden. Davor und danach bringt die kleine Patience den deutlich größeren und ihr körperlich überlegenen arabischstämmigen Macho-Drogenhändlern Manieren und Disziplin bei.

Salomé schrieb das Drehbuch zusammen mit Cayre. Gemeinsam machten sie die Romangeschichte filmischer und verzichteten auf einige Hintergrundinformationen zu Patiences Familiengeschichte.

Eine Frau mit berauschenden Talenten (La daronne, Frankreich 2020)

Regie: Jean-Paul Salomé

Drehbuch: Hannelore Cayre, Jean-Paul Salomé, Antoine Salomé (Zusammenarbeit)

LV: Hannelore Cayre: La daronne, 2017 (Die Alte)

mit Isabelle Huppert, Hippolyte Girardot, Farida Ouchani, Liliane Rovère, Iris Bry, Nadja Nguyen, Rebecca Marder, Rachid Guellaz, Mourad Boudaoud, Youssef Sahraoui, Kamel Guenfoud

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Die Vorlage

Hannelore Cayre: Die Alte

(übersetzt von Iris Konopik)

Argument Verlag, 2019

208 Seiten

18 Euro

Originalausgabe

La daronne

Éditions Métailié, Paris 2017

Hinweise

AlloCiné über „Eine Frau mit berauschenden Talenten“

Moviepilot über „Eine Frau mit berauschenden Talenten“

Wikipedia über „Eine Frau mit berauschenden Talenten

Meine Besprechung von Hannelore Cayres „Der Lumpenadvokat“ (Commis d’office, 2004)

Meine Besprechung von Hannelore Cayres „Das Meisterstück“ (Toiles de maitre, 2005)

Meine Besprechung von Hannelore Cayres „Die Alte“ (La daronne, 2017)

7 Responses to Neu im Kino/Filmkritik: Isabelle Huppert ist „Eine Frau mit berauschenden Talenten“

  1. […] Eine Frau mit berauschenden Talenten (nach dem Roman „Die Alte“ von Hannelore Cayre) […]

  2. […] Zum Kinostart am 8. Oktober (und damit ungefähr drei Wochen vor dem aktuellen Lockdown) schrieb ich ziemlich begeistert: […]

  3. […] Meine Besprechung von Jean-Paul Salomés Hannelore-Cayre-Verfilmung „Eine Frau mit berauschenden T…und der DVD […]

  4. […] Meine Besprechung von Jean-Paul Salomés „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ (La daronne, Fra…und der DVD […]

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