Fast zeitgleich erschienen bei uns die letzten beiden Romane von Krimiautor James Sallis. „Dunkles Verhängnis“ ist der in den USA bereits 2007 erschienene dritte Band der Turner-Trilogie, „Der Killer stirbt“ ist ein auch in den USA dieses Jahr erschienenes Einzelwerk und in beiden Werken lotet Sallis die Grenzen des Kriminalromans aus. Denn für ihn ist, wie er mir in einem Interview sagte, der Kriminalroman ein Gefäß, in das er seine Themen fülle und es dann so weit wie möglich dehne, ohne es zu zerbrechen. Deshalb hat er auch keine Probleme damit, Krimiautor genannt zu werden. Er nimmt für seine Romane eine klassische Genregeschichte und entfernt immer mehr genreübliche Versatzstücke, bis er zum emotionalem Kern der Geschichte vorgedrungen ist. Insofern lesen sich „Dunkles Verhängnis“ und „Der Killer stirbt“ wie das literarische Äquivalent zu abstrakter Malerei oder, immerhin schrieb Sallis auch Bücher über Jazzgitarristen und er ist selbst Musiker, zum dem Avantgarde-Jazz, in dem die Musiker die Melodie nur noch andeuten und den Rest den Zuhörenden überlassen.
Gleichzeitig verknappt er seine schon immer ziemlich kurzen Geschichten immer weiter. War schon der erste Turner-Roman „Dunkle Schuld“ mit 304 Seiten nicht besonders lang, sind „Dunkle Vergeltung“ mit 240 Seiten und „Dunkles Verhängnis“ mit 192 Seiten noch kürzer geraten. Er habe immer mehr weggestrichen und schon Angst gehabt, dass am Ende nichts mehr übrig bleibe, sagte Sallis mir in einem Gespräch. Oder wie er in „Dunkles Verhängnis“ schreibt: „Manchmal muss man einfach sehen, wie viel Musik man noch machen kann, mit den Mitteln, die einem bleiben.“
Am Ende blieb dann doch noch einiges übrig, obwohl der Krimiplot, in dem Kleinstadtpolizist Turner einem des Mordes verdächtigem Freund hilft, höchstens noch die halbherzig mitgeschleifte dramaturgische Klammer ist.
Auch in „Der Killer stirbt“ ist der letzte Mordauftrag des Killers, die Suche des Killers nach dem Killer, der vor ihm einen missglückten Anschlag auf das Ziel verübte und der Suche nach dem Grund für den Mordauftrag an einem Biedermann und die Jagd der Polizei nach dem Killer nur das Hintergrundrauschen für eine weitere Meditation über das Leben. Dabei ist der Killer ein quasi anonymer Mann, der sich so in seinen Tarnidentitäten verloren hat, dass er kein eigenes Leben führte. Jetzt, am Ende seines Lebens, an das er sich nur noch mühsam erinnert, fragt er sich, was von ihm übrig bleiben wird. „Sein Leben war nicht dokumentiert. Wenn er irgendwann starb, würde nichts zurückbleiben.“
Diese Frage, was übrigbleibt treibt James Sallis in „Dunkles Verhängnis“ und „Der Killer stirbt“ an. Entsprechend gelungen sind auch die deutschen Covers der Turner-Romane mit Bildern von einem Autofriedhof. In den USA trägt der Sammelband mit den drei Turner-Romanen den aussagekräftigen Titel „What you have left“.
Dass Krimifans, die nur auf der Suche nach der schnellen Ablenkung sind, mit James Sallis wenig anfangen können, ist klar. Dafür ist es dann doch zu sehr Literatur.
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James Sallis: Dunkles Verhängnis
(übersetzt von Kathrin Bielfeldt und Jürgen Bürger)
Heyne, 2011
192 Seiten
8,99 Euro
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Originalausgabe
Salt River
Walker & Company, New York, 2007
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James Sallis: Der Killer stirbt
(übersetzt von Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt)
Liebeskind, 2011
256 Seiten
18,90 Euro
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Originalausgabe
The Killer is dying
Walker & Company, New York, 2011
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Hinweise
Thrilling Detective über Turner
Eindrücke vom Berlin-Besuch von James Sallis
Meine ‘Besprechung’ von James Sallis’ „Deine Augen hat der Tod“ (Death will have your eyes, 1997)
Meine Besprechung von James Sallis’ „Driver“ (Drive, 2005)
Meine Besprechung von James Sallis’ „Dunkle Schuld“ (Cypress Groove, 2003)
Meine Besprechung von Jams Sallis‘ „Dunkle Vergangenheit“ (Cripple Creek, 2006)
James Sallis in der Kriminalakte
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