Daphne du Maurier (13. Mai 1907 – 19. April 1989) war jahrzehntelang als Erzählerin von mehr oder weniger fantastischen Suspense-Geschichten bekannt. Wahrscheinlich würden diese Schnulzen mit Thrill heute als „Romantic Thriller“ oder „Horrorromane für Frauen“ verkauft werden. Außerdem lieferte sie die Vorlagen für zahlreiche Filme, von denen einige zu Klassikern wurden. Alfred Hitchcock, der von ihren Geschichten nicht viel hielt, verfilmte „Jamaica Inn“, „Rebecca“ (zugleich ihr bekanntestes Buch) und „Die Vögel“. Nicolas Roeg „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (jüngst bei StudioCanal in der Blu Cinemathek als reichhaltig ausgestattete Blu-ray erschienen). Ihre Geschichte „The Scapegoat“ wird gerade von Charles Sturridge („Eine Detektivin für Botswana“) verfilmt.
Ihre jetzt als Taschenbuch veröffentlichte längere Erzählung „Der Apfelbaum“ ist eine gelungene Mischung aus Horror und Psychodrama. Denn es wird nie klar, ob der Apfelbaum im Garten wirklich bösartig ist oder der Witwer sich das nur einbildet. Denn er wünschte sich den Tod seiner Frau und nach ihrem Tod könnte ihr Geist auf den Baum übergangen sein, der sich jetzt an ihm rächen will.
–
Daphne du Maurier: Der Apfelbaum
(übersetzt von Brigitte Heinrich)
Unionsverlag, 2011
96 Seiten
8,90 Euro
–
Erstausgabe der Neuübersetzung
Heinrich & Hahn, 2005
–
Deutsche Erstausgabe
Fretz & Wachsmuth, 1953
–
Originalausgabe
The Appletree
Victor Gollancz, London 1952
–
Hinweise
Wikipedia über Daphne du Maurier (deutsch, englisch)
Unionsverlag über Daphne du Maurier
–
Parallel zu Peter Rüedis großer Biographie „Dürrenmatt oder Die Ahnung vom Ganzen“ veröffentlichte der Diogenes Verlag Friedrich Dürrenmatts (5. Januar 1921 – 14. Dezember 1990) Kriminalromane „Der Richter und sein Henker“, „Der Verdacht“, „Das Versprechen – Requiem auf den Kriminalroman“, „Justiz“ und das posthum erschienene Werk „Der Pensionierte – Fragment eines Kriminalromans mit einem möglichen Schluss von Urs Widmer“ erstmals gesammelt in einem Buch.
Gerade die ersten drei Krimis, „Der Richter und sein Henker“, „Der Verdacht“ (beide mit Kommissär Bärlach) und „Das Versprechen – Requiem auf den Kriminalroman“, die Romanfassung seines Drehbuchs für Ladislao Vajdas Klassiker „Es geschah am hellichten Tag“ (mit Heinz Rühmann und Gert Fröbe) mit einem anderen Ende, dürften weithin bekannt sein. Von der Schule, als Geschenk oder von den zahlreichen, oft hervorragend besetzten Verfilmungen. „Justiz“ und „Der Pensionierte“ sind dagegen wesentlich unbekannter.
Dürrenmatts Krimis stellen dabei, wie jeder gute Krimi, moralische Fragen und spielen mit der Form des Kriminalromans. Denn der schweizer Dichter interessierte sich nicht für eine 08/15-Mördersuche oder einen traditionellen Rätselkrimi, bei dem auf den letzten Buchseiten mit großem Getöse der Mörder enthüllt wird. Das tat Dürrenmatt meist schon auf den ersten Seiten. In „Justiz“ geht es dann sogar um die Frage, ob jemand für einen Mord, den er vor Zeugen begangen hat, nicht verurteilt werden kann. Dürrenmatt selbst beschrieb den Krimi als „Komödie der Justiz“.
Ergänzt werden die fünf Kriminalromane von einem 35-seitigen Anhang, in dem die Entstehungsgeschichte der Romane und Verfilmungen knapp nachgezeichnet wird und eine Chronik zum Leben und Werk des Dichters, enthalten ist.
Für Krimifans, die die Bücher noch nicht haben, ist das ein Schnäppchen. Denn schneller, einfacher und auch günstiger kriegt man diesen Teil von Dürrenmatts Werk nicht.
–
Friedrich Dürrenmatt: Die Kriminalromane
Diogenes, 2011
992 Seiten
28,90 Euro
–
enthält
Der Richter und sein Henker, 1952
Der Verdacht, 1953
Das Versprechen – Requiem auf einen Kriminalroman, 1958
Justiz, 1985
Der Pensionierte – Fragment eines Kriminalromans mit einem möglichen Schluss von Urs Widmer, 1995/1997 (Widmer schrieb den Schluss für die 1997 erschienene Taschenbuchausgabe)
–
Hinweise
Diogenes über Friedrich Dürrenmatt (Link zum Diogenes Magazin Nr. 8 mit mehreren Texten über Dürrenmatt)
Wikipedia über Friedrich Dürrenmatt
–
Es ist schon interessant, wie sich bei einem Filmroman die Gewichte verschieben können. Denn einerseits ist der Autor an das Drehbuch gebunden und er darf höchsten einige wenige zusätzliche Szenen erfinden, andererseits kann er Hintergründe liefern, die im Film nicht gezeigt werden können. Er kann zeigen, wie gut die Geschichte doch konstruiert ist. Martin Schüller tat das bei seinem Thiel/Börne-Roman „Tempelräuber“, dem dafür der Witz des Films fehlte.
Er kann aber auch gnadenlos die Schwächen des Drehbuchs offenlegen. So erschien mir der Münchner „Tatort“ „Starkbier“ beim Ansehen als vergnüglich-kurzweiliger Krimi, in dem der ewige zweite Mann, Carlo Menzinger, der für die Kommissare in den Filmen all die undankbaren Aufgaben übernehmen muss, endlich einmal selbst einen Fall lösen darf. Er soll herausfinden wer Meindl, einen Teilhaber der Benedictus-Brauerei, umbrachte. Denn dass der stocknüchterne Meindl sein Auto betrunken in die Isar fuhr, glaubt Menzinger keine Zehntelsekunde.
Weil seine Spezln wahrscheinlich in den Mord involviert sind, fragen sich Batic und Leitmayr, ob ihr Kollege noch die nötige Objektivität hat. Denn die Ermittlungsmethoden des Kollegen Menzinger sind schon sehr seltsam und folgen nicht gerade dem Lehrbuch für Kriminalbeamte.
Das war, wie gesagt, beim Ansehen toll. Beim Lesen ist die Geschichte ein zäher Brei mit einer nicht nacherzählbaren Geschichte. Außerdem hat Carlo im Buch wesentlich weniger Auftritte als im Film; – wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht.
Also: besser noch einmal diesen „Tatort“ ansehen.
–
Hannsdieter Loy: Tatort: Starkbier (mit Ivo Batic und Franz Leitmayr)
Emons, 2010
176 Seiten
8,95 Euro
–
Vorlage
Tatort: Starkbier (D 1999)
Regie: Peter Fratzscher
Drehbuch: Michael Wogh
mit Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl, Michael Fitz, Christoph Gareisen, Marie Munz, Aleksandar Jovanovic, August Schmölzer
Erstausstrahlung: 7. März 1999 (Folge 407)
–
Hinweise
Tatort-Fundus über Ivo Batic und Franz Leitmayr
Kriminalakte: Gespräch mit Hejo Emons über die Tatort-Reihe
Meine Besprechung von Martin Schüllers „Tatort“-Romanen „Moltke“ und „Tempelräuber“
Meine Besprechung von Uli Aechtners „Tatort“-Roman „Bevor es dunkel wird“
Meine Besprechung von Susanne Krafts „Tatort“-Roman „Seenot“
–
Chaotisch geht’s bei Kristof Kryszinski immer zu. Inzwischen ist der Ruhrpott-Privatdetektiv so abgebrannt, dass er in Jörg Juretzkas neuestem Krimi „Freakshow“, einen Job als Nachtwächter annimmt. Denn Kryszinski ist viel zu stolz, um zum Sozialamt zu gehen. In der Elenor-Nathmann-Stiftung für betreutes Wohnen, in der geistig und körperlich Behinderte, Senioren und trockene Alkoholiker leben, soll er als Objektschützer herausfinden, wer Baumaterial klaut. Außerdem will er herausfinden, wer den geistig behinderten Albrecht, der in der Wohnanlage lebt, folterte und fast umgebracht hätte. Albrecht ist ihm dabei keine große Hilfe
Kryszinskis Freund Scuzzi hat sich bei ihm in der Dienstwohnung eingemietet. Denn in einer solchen Wohnanlage kann Scuzzi verdammt leicht an Drogen kommen; – neben all den anderen Annehmlichkeiten, die Scuzzi schnell herausfindet und ausgiebig nutzt. Für Scuzzi ist das natürlich das Paradies. Für Kryszinski die Hölle.
Außerdem ist der pädophile Sadist Benjamin Peelaert (den wir noch aus „Rotzig & Rotzig“ kennen) spurlos verschwunden und der Bugatti 35 B von Hugo Laurentz wurde geklaut. Wenn Kryszinski ihn findet, erhält er zehn Prozent der stattlichen Versicherungssumme.
Selbstverständlich greift der komplett abgebrannte Kryszinski nach all den Jobs, die erst nach erfolgreicher Erledigung entlohnt werden, und latscht dabei, während er sich in die junge, gutaussehende Johanna verguckt, Scuzzis Warnung („Sie verarscht dich.“) ignoriert, von einem Malheur in das nächste.
Und dann ist da noch die Sache mit seinem Hund, der in einer Tierklinik gefangen gehalten wird, weil er die Rechnung nicht bezahlen kann.
Wenn das ganze nicht so knochentrocken erzählt wäre, könnte man sich über das nachlässige Plotten ärgern.
–
Jörg Juretzka: Freakshow
Rotbuch, 2011
224 Seiten
16,95 Euro
–
Hinweise
Krimi-Couch über Jörg Juretzka
Lexikon der deutschen Krimiautoren über Jörg Juretzka
Kaliber .38 interviewt Jörg Juretzka (2002)
Literaturschock interviewt Jörg Juretzka (2003)
Alligatorpapiere: Befragung von Jörg Juretzka (2004)
2010LAB interviewt Jörg Juretzka (2010)
Meine Besprechung von Jörg Juretzkas „Bis zum Hals“ (2007)
Meine Besprechung von Jörg Juretzkas „Rotzig & Rotzig“ (2010)
–
Eigentlich ist der 1920 in Paris und Umgebung spielende Privatdetektivkrimi „Tod auf Bewährung“ von Didier Daeninckx wie geschaffen für mich alten Genrejunkie. In dem Krimi soll Privatdetektiv René Griffon im Auftrag von Oberst Fantan de Larsaudière herausfinden, wer ihn erpresst.
Alles, was zu einem zünftigem Privatdetektiv-Krimi gehört, ist in „Tod auf Bewährung“ vorhanden: schöne Frauen, Ehebruch, Geheimnisse, Intrigen, Verbrecher und verschwiegene Kriegsverbrechen. Auch das Zeitkolorit wird von Daeninckx gut eingefangen, wenn Griffon sich durch die Pariser Bars schlägt – und auch ordentlich zusammengeschlagen wird.
Aber trotzdem hat mich der Krimi nicht gepackt.
–
Didier Daeninckx: Tod auf Bewährung
(übersetzt von Stefan Linster)
Liebeskind, 2011
272 Seiten
18,90 EUR
–
Originalausgabe
Le der des deers
Série Noire/Editions Gallimard, Paris 1984
–
Hinweise
Wikipedia über Didier Daeninckx (deutsch, englisch, französisch)
Krimi-Couch über Didier Daeninckx
–
Als Weihnachtsgeschenk gab es neben Buddy Giovinazzos neuestem Roman „Piss in den Wind“ (wird nach der Lektüre abgefeiert) auch die lang angekündigte Neuausgabe von Giovinazzos Erstling „Cracktown“. Die Sammlung von sechzehn miteinander zusammenhängenden Kurzgeschichten und Impression aus einem Großstadtviertel in dem Crack gesellschaftliche Strukturen zerstört und das Leben bestimmt, erschien bereits vor sechzehn Jahren und war lange nicht mehr erhältlich. Bei Amazon beläuft sich im Moment das günstigste Angebot für das Buch auf 15,79 Euro, das teuerste auf fast sechzig Euro, zuzüglich Porto.
Für die Neuausgabe wurden die „Short Cuts“ aus den „Mean Streets“ des Ghettos, mit einem ordentlichen Schuss Abel Ferrara, komplett neu übersetzt. Entsprechend groß sind die Unterschiede zwischen Daths Übersetzung von 1995 und Müllers von 2011. Welche näher am Originaltext ist, weiß ich nicht. Aber die neue Übersetzung liest sich eleganter und das Cover ist besser.
Jetzt fehlt nur noch die deutsche Premiere von Giovinazzos Verfilmung seines Buches.
Buddy Giovinazzo: Cracktown
(neu übersetzt von Angelika Müller)
pulp master, 2011
208 Seiten
12,80 Euro
–
Deutsche Erstausgabe
Maas Verlag, 1995
(übersetzt von Dietmar Dath)
–
Originalausgabe
Life is hot in Cracktown
Thunder’s Mouth Press, New York 1993
–
Verfilmung
Life is hot in Cracktown (USA 2009)
Regie: Buddy Giovinazzo
Drehbuch: Buddy Giovinazzo
mit Evan Ross, Stephanie Lugo, Maurice Blake, Omar Regan, Jeffrey Lorenzo, Victor Rasuk, Tony Plana, Lara Flynn Boyle, RZA, Carmine Giovinazzo (Cameo)
–
Hinweise
Wikipedia über Buddy Giovinazzo (deutsch, englisch)
Krimi-Couch über Buddy Giovinazzo
One Road.Endless Possibilities: Interview mit Buddy Giovinazzo (21. Februar 2011, deutsch)
[…] Meine Besprechung von Buddy Giovinazzos „Cracktown“ (Life is hot in Cracktown, 1993) […]
[…] Meine Besprechung von Jörg Juretzkas „Freakshow“ (2011) Teilen Sie dies mit:TeilenE-MailDruckenDiggTwitterFacebookStumbleUponRedditGefällt mir:Gefällt mirBe the first to like this. […]
[…] Meine Besprechung von Friedrich Dürrematts “Die Kriminalromane” (Sammelband) Teilen Sie dies mit:TeilenE-MailDruckenDiggTwitterFacebookStumbleUponRedditGefällt mir:Gefällt mirSei der Erste dem dies gefällt. […]
[…] Meine Besprechung von Buddy Giovinazzos “Cracktown” (Life is hot in Cracktown, 1993) […]
[…] Meine Besprechung von Buddy Giovinazzos “Cracktown” (Life is hot in Cracktown, 1993) […]