Neu im Kino/Filmkritik: Oliver Stones durchwachsene Don-Winslow-Verfilmung „Savages“

Savages“ ist kein wirklich schlechter Film, aber es ist ein enttäuschender Film. Immerhin hat Oliver Stone einen Kriminalroman von Don Winslow verfilmt und Don Winslow hat in den vergangenen Jahren eine faktengesättigte alternative Geschichte von Südkalifornien, Mexiko und dem blühenden, grenzüberschreitendem Drogengeschäft, dem „war on drugs“ und der Surferszene geschrieben. Auch in „Zeit des Zorns“ (Savages, 2010) geht es darum. Ben und Chon sind Erzeuger von erstklassigem Marihuana, das sie in Laguna Beach an eine entsprechend vermögende Kundschaft verkaufen. Ben investiert einen Teil seines so erwirtschafteten Vermögens in Dritte-Welt-Hilsprojekte und bei Konflikten bevorzugt er den friedlichen Weg zwischen Ghandi und Buddhismus. Chon ist das Gegenteil. Als Ex-Navy-SEAL löst er Konflikte lieber anders. Trotzdem sind sie die besten Freunde und sie teilen sich auch eine Freundin. O, eigentlich Ophelia, ist ein wahrer Sonnenschein, deren Lebenserfüllung im Einkaufen besteht und die, im Gegensatz zu ihrer Mutter, stolz auf ihren kleinen Busen ist.

Für Ben, Chon und O läuft alles bestens, bis das Baja-Kartell ihnen ein Angebot macht, das sie als Nimm-an-oder-stirb-Offerte nicht ausschlagen sollten. Trotzdem lehnen sie das Beteiligungsangebot ab. Statt zu expandieren, wollen sie sich aus dem Drogengeschäft zurückziehen. Weil so aber auch ihr erstklassiger Stoff, an dem das Kartell interessiert ist, vom Markt verschwinden würde, entführen sie O.

Und das lassen die beiden Jungs sich nicht gefallen.

Noch bevor Don Winslows „Savages“ in den USA veröffentlicht wurde, sicherte Oliver Stone sich die Rechte und machte sich, mit Don Winslow und Shane Salerno („Armageddon – Das jüngste Gericht“, „Shaft – Noch Fragen?“) an die Arbeit. Genau, der Oliver Stone, der uns in „Platoon“ den Vietnamkrieg erklärte, in „JFK – Tatort Dallas“ die Ermordung Kennedys aufklärte, die Drehbücher für „12 Uhr nachts – Midnight Express“, „Scarface“, „Im Jahr des Drachen“ und „8 Millionen Wege zu sterben“, alles Thriller in denen es um Drogenhandel ging, schrieb, mit „Salvador“ einen Ausflug nach Südamerika machte und der in den vergangenen Jahren mehrere Dokumentarfilme über die Gegend „South of the Border“ (so hieß auch eine seiner Dokus) machte, in denen er die Unwissenheit der US-Amerikaner über Südamerika anprangerte.

Auf dem Papier sah das nach einer Ehe zweier Geistesverwandter aus. Obwohl Oliver Stone eher von einem missionarischem Eifer getrieben ist, der seine Filme oft so kontrovers, teilweise ärgerlich und deshalb auch spannend macht. Er ist ein Mann mit einer Agenda, die er stolz in die Welt brüllt.

Don Winslow ist – das Gegenteil. Seine Wut ist gezähmter. Dafür durchtränkt er seine schnörkellos erzählten Genregeschichten mit einem schwarzen Humor, der gleichmäßig gegen alle austeilt, und in denen das Bild einer Gesellschaft entsteht, die sich in ihren Widersprüchen gut eingerichtet hat. Jedenfalls heute. Früher war das etwas anders, wie er in dem eben erschienen grandiosen Roman „Kings of Cool“, in dem er die Vorgeschichte von „Zeit des Zorns“ erzählt und dabei bis in die sechziger Jahre zurückgeht.

Aber anstatt ein zweites „Scarface“ zu inszenieren oder eine große Anklage gegen den „war on drugs“ zu fahren, begnügt Oliver Stone sich in seiner Don-Winslow-Verfilmung mit dem braven heruntererzählen einer kleinen Gangstergeschichte, der die individuelle Oliver-Stone-Handschrift fehlt und die früher in neunzig Minuten erzählt worden wäre. Stone braucht, auch weil die Geschichte am Anfang und in der Mitte mit ihren vielen Subplots unglaublich lange vor sich hin mäandert, über zwei Stunden und er trifft dabei niemals den lakonischen Don-Winslow-Tonfall. Dafür lässt er die Geschichte von O erzählen, verändert etliche Details (so gibt es mehrere helfende Navy-Seals-Freunde von Chon und auch der Kampf von Ben und Chon gegen das Baja-Kartell verläuft anders) und er bietet am Filmende zwei Enden an. Eines davon hat er aus dem Buch übernommen – und, auch wenn Stones Ende nicht schlecht ist, zeigt gerade dieser Kunstgriff mit einem erfundenem und einem wahren Ende, dass er sich nie sicher war, wie er mit der Geschichte umgehen sollte. Außerdem bedient er in „Savages“ die gängigen Südamerika-Klischees von Armut und Drogenhandel, wonach alle Mexikaner Drogenschmuggler oder bestialische Mörder sind. Dieses arg plakatives Bild erstaunt gerade bei Oliver Stone, der es aufgrund seiner früheren Arbeiten besser wissen müsste.

Savages“ ist kein wirklich schlechter Film. Es ist ein absolut okayer, gut besetzter Noir-Thriller, vor sonniger Kulisse, mit Gangstern, die sich gegenseitig verraten und umbringen.

Es ist aber auch ein Film, der weit hinter den Erwartungen zurückbleibt und selbstverständlich ist Don Winslows Roman „Zeit des Zorns“, wegen seiner Baditude, viel besser.

Savages (Savages, USA 2012)

Regie: Oliver Stone

Drehbuch: Shane Salerno, Don Winslow, Oliver Stone

LV: Don Winslow: Savages, 2010 (Zeit des Zorns)

mit Aaron Taylor-Johnson, Blake Lively, Taylor Kitsch, Benicio Del Toro, Salma Hayek, John Travolta, Demián Bichir, Shea Whigham, Sandra Echeverria, Emile irsch

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage

Don Winslow: Zeit des Zorns

(übersetzt von Conny Lösch)

Suhrkamp, 2011

352 Seiten

9,99 Euro

Originalausgabe

Savages

Simon & Schuster, 2010

Hinweise

„Savages“-Bonus: Die „Interrogation Series“ mit den Hauptcharakteren (kein Kommentar)

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Savages“

Metacritic über „Savages“

Rotten Tomatoes über „Savages“

Wikipedia über „Savages“

Hollywood & Fine: Interview mit Don Winslow (11. Juli 2012)

Homepage von Don Winslow

Deutsche Homepage von Don Winslow

Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Private“ (The Dawn Patrol, 2008)

Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Paradises“ (The Gentlemen’s Hour, 2009) und „Tage der Toten“ (The Power of the Dog, 2005)

Meine Besprechung von Don Winslows „Bobby Z“ (The Death and Life of Bobby Z, 1997)

Meine Besprechung von Don Winslows „Satori“ (Satori, 2011)

Mein Interview mit Don Winslow zu „Satori“ (Satori, 2011)

Don Winslow in der Kriminalakte

3 Responses to Neu im Kino/Filmkritik: Oliver Stones durchwachsene Don-Winslow-Verfilmung „Savages“

  1. […] Donnerstag läuft Oliver Stones durchwachsene Don-Winslow-Verfilmung „Savages“ im Kino und wir können mit Don Winslows grandiosen Krimis „Zeit des Zorns“ und „Kings of […]

  2. […] Bala“ ist auch das Gegenstück zu Oliver Stones „Savages“. Denn Regisseur Gerardo Naranjo erzählt die mexikanische Sicht des Drogenkrieges und wie eine […]

  3. […] Roman, der die Vorgeschichte zu „Zeit des Zorn“ (solala verfilmt von Oliver Stone als „Savages“) erzählt, erfahren wir mehr über Ben, Chon und O, ihre Eltern und wie sich die Gegen- und […]

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