Seit Donnerstag läuft Oliver Stones durchwachsene Don-Winslow-Verfilmung „Savages“ im Kino und wir können mit Don Winslows grandiosen Krimis „Zeit des Zorns“ und „Kings of Cool“ weiter in das Leben von Ben, Chon und O einsteigen.
„Zeit des Zorns“ ist die Vorlage für „Savages“ und der Roman erzählt im großen und ganzen auch die gleiche Geschichte: Ben und Chon sind Freunde und sie verkaufen in Laguna Beach, Kalifornien, im großen Stil selbst angebautes, supergutes Gras. Ben ist Buddhist, der einen Teil des Gewinns in Dritte-Welt-Hilfsprojekte investiert. Chon ist Ex-Navy-SEALS und er hat Baditude. O ist ihre gemeinsame Geliebte – und für die drei Freunde ist das kein Problem.
Ein Problem ist dagegen der Vorschlag des mexikanischen Baja-Kartells, das sich bei ihnen einkaufen möchte. Ben und Chon lehnen das Kooperationsangebot ab, das Kartell entführt O und, weil Ben und Chon O unbedingt zurück haben wollen und ein Probleme mit Befehlen haben, geraten die Dinge außer Kontrolle.
„Kings of Cool“ wird, durchaus zutreffend als Prequel zu „Zeit des Zorns“ angekündigt. Denn Don Winslow erzählt eine ältere Geschichte aus dem Leben von Ben, Chon und O, die sich bereits 2005 in Laguna Beach abspielte. Gleichzeitig geht er noch weiter in die Vergangenheit zurück und erzählt von den Eltern von Ben, Chon und O – und wie sich die Drogenszene und die Gegenkultur in Südkalifornien von den sechziger Jahren bis zur Gegenwart entwickelte. Dabei begegnen wir auch einigen Charakteren, wie Bobby Z und Frankie Machianno (aka Frankie Machine), denen Don Winslow bereits eigene Romane widmete. Hier haben sie nur das Fanherz erfreuenden Cameo-Auftritte. Gleichzeitig müssen sich die Charaktere, und das ist das Thema des Buches, immer zwischen ihrer biologischen und ihrer gewählten Familie, ihren Freunden, entscheiden.
Sprachlich hat Don Winslow zuletzt anscheinend eine gehörige Portion Ken Bruen gelesen. Denn seine Sätze sind noch knapper, sein Stil noch assoziativer und auch das Schriftbild erinnert manchmal, wenn er nur ein, zwei Worte in einer Zeile hat, eher an Lyrik als an einen Roman. Einige Szenen schreibt er auch im Stil eines Drehbuchs und die Geschichten entwickeln so einen richtigen Drive (die vielen kurzen, teils sogar sehr kurzen Kapitel helfen auch), der einen in die Geschichte hineinzieht und die mit ihrem schwarzen Humor und ihrem lakonischen Erzählgestus immer wieder sehr komisch ist.
Dabei skizziert Don Winslow, wie Elmore Leonard, die Charaktere in seinen knappen Beschreibungen und Dialogen so kurzweilig, dass wir ihnen stundenlang zuhören könnten, ohne groß auf die Handlung zu achten. Die ist nämlich gerade in „Zeit des Zorns“ eine Nebensache gegenüber der Sprache.
Beispiel gefällig?
Zufällig ausgewählt:
Tatsächlich trug er eins von diesen „Old Guys Rule“-T-Shirts, die völlig daneben sind, denn wenn alte Säcke wirklich das Sagen hätten, würden sie’s nicht auf billigen T-Shirts behaupten.
Sie würden’s einfach, na ja, sagen.
Das sind Typen, die soziale Medien nicht kapieren, weshalb Ben vermutet, dass die Zeiten, in denen sie was zu sagen hatten, genauso vergessen sind wie Compact Discs.
Obwohl beide Bücher unabhängig voneinander gelesen werden können, sollte man zuerst „Kings of Cool“ und dann „Zeit des Zorns“ lesen. Denn dann haben Ben, Chon, O, DEA-Agent Dennis Cain, Kartell-Killer Miguael Arroyo, genannt Lado, und Kartell-Chefin Elena Sanchez Lauter mehr Tiefe – und wir wissen, warum Chons Vater John senior, der Gründungsmitglied der Association war, einer Gruppe von Laguna Beach Boys, die mit dem Schmuggel von Marihuana reich wurden, und Chon sich, wenn sie sich zufällig auf der Straße begegnen, nur höflich begrüßen.
–
Don Winslow: Zeit des Zorns
(übersetzt von Conny Lösch)
Suhrkamp 2011
352 Seiten
9,99 Euro
–
Originalausgabe
Savages
Simon & Schuster, New York, 2010
–
Don Winslow: Kings of Cool
(übersetzt von Conny Lösch)
Suhrkamp, 2012
368 Seiten
19,95 Euro
–
Originalausgabe
The Kings of Cool
Simon & Schuster, New York, 2012
–
Anfang November besucht Don Winslow für eine Tage Deutschland und stellt die „Kings of Cool“ in folgenden Städten vor
Berlin, Donnerstag, 1. November 2012, 19:30 Uhr
Hamburg, Freitag, 2. November 2012, 18:30 Uhr
München, Samstag, 3. November 2012, 20:00 Uhr
Hamm, Sonntag, 4. November 2012, 18:00 Uhr
Braunschweig, Montag, 5. November 2012, 20:15 Uhr
Hannover, Dienstag, 6. November 2012, 20:00 Uhr
Details zu allen Lesungen hier.
–
Hinweise
Hollywood & Fine: Interview mit Don Winslow (11. Juli 2012)
Deutsche Homepage von Don Winslow
Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Private“ (The Dawn Patrol, 2008)
Meine Besprechung von Don Winslows „Bobby Z“ (The Death and Life of Bobby Z, 1997)
Meine Besprechung von Don Winslows „Satori“ (Satori, 2011)
Mein Interview mit Don Winslow zu “Satori” (Satori, 2011)
Meine Besprechung von Oliver Stones Don-Winslow-Verfilmung „Savages“ (Savages, USA 2012)
Don Winslow in der Kriminalakte
–
Bonusmaterial
Ein Audiointerview mit Don Winslow über die Romane „Zeit des Zorns“ und „Kings of Cool“ und den Film „Savages“
Und eines über „Kings of Cool“ und „Savages“
[…] meiner Buchbesprechung habe ich ja schon auf die Lesereise […]
[…] 8 (-) Don Winslow: Kings of Cool […]
[…] 4 (8) Don Winslow: Kings of Cool […]
[…] 3 (4) Don Winslow: Kings of Cool […]