TV-Tipp für den 10. Dezember: 8 Blickwinkel

Dezember 10, 2012

Vor „Dredd“ war

Kabel 1, 20.15 (Wiederholung 23.50)

8 Blickwinkel (USA 2008, R.: Pete Travis)

Drehbuch: Barry L. Levy

Salamanca, Spanien, großer Antiterrorgipfel: der amerikanische Präsident will auf dem Marktplatz eine Rede halten. Da wird er erschossen und eine Bombe explodiert. Sein Leibwächter Thomas Barnes hat aber etwas gesehen und er nimmt die Spur auf.

„8 Fremde, 8 Sichtweisen, 1 Wahrheit“ lautet der Werbespruch, der ziemlich genau die erzählerische Pointe des Films verrät. Denn das Ereignisse vor, während und nach dem Attentat werden aus acht verschiedenen Sichtweisen erzählt und am Ende gibt es eine atemberaubende Autoverfolgungsjagd. Das unterhält prächtig über die knapp neunzig Minuten und ist filmisch und darstellerisch auch sehr gut gelöst. Denn mit den verschiedenen Blickwinkeln ändert sich auch immer der Blick auf die Ereignisse und die beteiligten Personen.

Dass der ganze Attentatsplan, wenn man genauer darüber nachdenkt, ziemlich konstruiert ist, fällt einem erst nach dem Abspann auf.

mit Dennis Quaid, Matthew Fox, Forest Whitaker, Sigourney Weaver, William Hurt, Edgar Ramirez, Ayelet Zurer, Bruce McGill, Zoe Saldana

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über „8 Blickwinkel“

Los Angeles Times über Barry Levy

Meine Besprechung von Pete Travis‘ „Dredd“ (Dredd, GB 2012)


TV-Tipp für den 9. Dezember: No Country for Old Men

Dezember 9, 2012

Pro 7, 22.35

No Country for Old Men (USA 2007, R.: Ethan Coen, Joel Coen)

Drehbuch: Ethan Coen, Joel Coen

LV: Cormac McCarthy: No Country for Old Men, 2005

Lewellyn Moss findet in der texanischen Wüste die Überreste eines gescheiterten Drogendeals: Leichen, Heroin und zwei Millionen Dollar. Er schnappt sich die Kohle und steht auf der Abschussliste eines gnadenlosen Killers.

Feine McCarthy-Verfilmung der Coen-Brüder, die, neben vielen anderen Preisen, auch den Oscar als bester Film des Jahres gewann und für den Edgar nominiert war (aber das war auch mit dem Gewinner “Michael Clayton”, “Tödliche Versprechen”, “Zodiac – Die Spur des Verbrechers” und “Die Regeln der Gewalt” ein starkes Jahr für Krimifreunde).

Mit Tommy Lee Jones, Javier Bardem, Josh Brolin, Woody Harrelson, Kelly Macdonald

Wiederholung: Montag, 10. Dezember, 03.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Amerikanische Homepage zum Film

Metacritic über „No Country for Old Men“

Rotten Tomatoes über „No Country for Old Men“

Wikipedia über „No Contry for Old Men“ (deutsch, englisch)

„You know, for kids!“  – The Movies of the Coen Brothers (eine sehr umfangreiche Seite über die Coen-Brüder)

Drehbuch „No Country for Old Men“ von Joel & Ethan Coen (28. November 2005)

Drehbuch „No Country for Old Men“ von Joel & Ethan Coen (Shooting Draft)

Film-Zeit über “No Country for Old Men”

Offizielle Webseite der Cormac-McCarthy-Gesellschaft

Time: Cormac McCarthy und die Coen-Brüdern reden über „No Country for Old Men“

Meine Besprechung der Cormac-McCarthy-Verfilmung “The Road”

Meine Besprechung von Bill Green/Ben Peskoe/Will Russell/Scott Shuffitts „Ich bin ein Lebowski, du bist ein Lebowski – Die ganze Welt des Big Lebowski“ (I’m a Lebowski, you’re a Lebowski, 2007)

Die Coen-Brüder in der Kriminalakte


DVD-Kritik: Erleben Sie mit den „Mad Dogs“ die dunkle Seite von Mallorca

Dezember 8, 2012

Rick, Baxter, Woody und Quinn freuen sich auf ein Wochenende bei ihrem alten Freund Alvo in dessen Finca auf Mallorca. Im Gegensatz zu ihnen konnte Alvo sich schon zur Ruhe setzen. Gemeinsam wollen sie in Erinnerungen schwelgen, sich in der Sonne bräunen, viel Alkohol trinken und den Strand- und Discoschönheiten in ihren knappen Bikinis hinterherblicken. Immerhin sind sie schon über Vierzig und teilweise noch verheiratet. Ein richtiger Männerurlaub eben.

Doch schon kurz nach ihrer Begrüßung stochert Alvo genussvoll in ihren alten Wunden und ätzt über die verpfuschten Leben und kleinen Geheimnisse von Rick, Baxter, Woody und Quinn. Denn wirklich gut geht es keinem der vier Freunde. Aber anscheinend ist sein Luxusleben auch nicht so toll. Denn er scheint Probleme zu haben, die er unbedingt vor ihnen verheimlichen will. Als er sie auf ein geklautes Boot von einem Gangster schleppt, sie in einen Drogendeal verwickelt und er, nach 45 Minuten, von einem Zwerg mit Tony-Blair-Maske erschossen wird, wissen Rick, Baxter, Woody und Quinn, dass sie jetzt mitten in der Scheiße stecken. Dabei glauben sie, dass die Polizei mit den Gangstern zusammenarbeitet. Sie verdächtigen dabei vor allem die schöne Polizistin, die behauptet, sie würde ihnen helfen und die verdächtig viel über Alvos Geschäfte weiß.

Aber eigentlich steht dieser eher banale Krimiplot nicht im Mittelpunkt der tiefschwarzen Komödie „Mad Dogs“. Denn dafür bleibt die Bedrohung durch die Gangster viel zu abstrakt und immer wieder ist fraglich, ob die vier Engländer überhaupt bedroht werden, oder sie einfach nur paranoid sind.

Im Zentrum des gut besetzten TV-Vierteilers steht über drei Stunden das konsequente Offenlegen von Lebenslügen. Denn die vier Protagonisten müssen, angesichts der kunstvoll auf dem Esszimmertisch verteilten Leiche von Alvo und der überbordenden Probleme, die ihnen Alvo hinterlassen hat, erkennen, dass sie alle nicht das erreichten, was sie als junge Männer erreichen wollten und dass die von ihnen jetzt wieder vielbeschworene Freundschaft so schon lange nicht mehr existiert. Falls überhaupt jemals.

Autor Chris Cole nimmt sich in den vier Episoden der ersten Staffel der BBC-Serie „Mad Dogs“ diese Lügen gnadenlos vor und Regisseur Adrian Shergold inszenierte es im Stil eines mit einem billigen Camcorder aufgenommenen, oft verwackelten, oft falsch belichteten Urlaubsdokumentation.

Als zutiefst pessimistische, surreal-schwarze Komödie über vier ziemlich unsympathisch-gewöhnliche Männer, die noch nicht einmal versuchen, sich halbwegs anständig aus der Affäre zu ziehen, bereitet „Mad Dogs“ ein durchaus quälendes Vergnügen, das an Roman Polanski erinnert (so sollte man „Mad Dogs“ mal mit „Wenn Katelbach kommt…“ [Cul-De-Sac, GB 1966] vergleichen). Denn auch in „Mad Dogs“ versuchen unsere vier Helden alles, um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien und am Ende ihrer Bemühungen landen sie doch wieder am Ausgangspunkt.

In England wurde bereits eine zweite „Mad Dogs“-Staffel ausgestrahlt und eine US-Version von „Mad Dogs“ ist geplant.

Mad Dogs - Staffel 1 - DVD-Cover

Mad Dogs – Staffel 1 (Mad Dogs, GB 2011)

Regie: Adrian Shergold

Drehbuch: Cris Cole

mit Max Beesley (Woody), John Simm (Baxter), Marc Warren (Rick), Philip Glenister (Quinn), Ben Chaplin (Alvo), María Botto (Maria), Tim Woodward (Dominic), Tomás Pozzi (Tony), Eloise Joseph (Lottie)

DVD

Polyband

Bild: 16:9 (1,78:1)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Englisch

Bonusmaterial: Making of (25 Minuten), Wendecover

Länge: 180 Minuten (4 Folgen à 45 Minuten, 2 DVDs)

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

BBC über „Mad Dogs“

Sky 1 über „Mad Dogs“

Wikipedia über „Mad Dogs“ (deutsch, englisch)

 


TV-Tipp für den 8. Dezember: Goldenes Gift

Dezember 7, 2012

RBB, 23.15

Goldenes Gift (USA 1947, R.: Jacques Tourneur)

Drehbuch: Geoffrey Homes (Pseudonym von Daniel Mainwaring), James M. Cain (ungenannt), Frank Fenton (ungenannt)

LV: Geoffrey Homes: Build my gallows high, 1946 (Goldenes Gift)

Privatdetektiv Jeff Bailey soll für den Gangster Whit Sterling dessen mit einer Tasche Geld durchgebrannte Freundin suchen. Dummerweise verliebt Jeff sich in das titelgebende „Goldene Gift“.

Jacques Tourneur, dessen bekannteste Werke die Horrorfilmklassiker „Katzenmenschen“ und „Ich folgte einem Zombie“ sind, inszenierte diesen Noir, der inzwischen zu den Klassikern des Genres gehört, nach einem Roman von Geoffrey Homes, der auch das Drehbuch schrieb und geschickt mit der Noir-typischen Rückblendenstruktur und den Noir-Archetypen (die heute sattsam bekannte Klischees sind) spielt. Tourneur zeigte sich wieder einmal als Meister der Licht- und Schattenspiele und Robert Mitchum demonstriert, wieviel Schauspiel in einem Nicht-Schauspiel sein kann.

Mit Robert Mitchum, Jane Greer, Kirk Douglas, Rhonda Fleming, Richard Webb, Steve Brodie, Virginia Huston, Paul Valentine, Dickie Moore

Auch bekannt als „Out of the past“

Hinweise

Wikipedia über “Goldenes Gift” (deutsch, englisch)

Turner Classic Movies über “Out of the past”

Roger Ebert über “Out of the past”

Meine Besprechung von „Goldenes Gift“ (Out of the past, USA 1947)


DVD-Kritik: Francis Ford Coppola meldet sich mit „Twixt – Virginias Geheimnis“ zurück

Dezember 7, 2012

Während Steven Spielberg immer noch einen Kassenknüller nach dem nächsten in die Kinos bringt und auch Martin Scorsese fast im Jahrestakt ein neues Meisterwerk nach dem nächsten heraushaut, hat Francis Ford Coppola sich in den vergangenen zwanzig Jahren als Regisseur fast vollkommen vom Filmgeschäft zurückgezogen. Die siebziger Jahre waren seine große Zeit: „Der Pate“, „Der Dialog“, „Der Pate II“ und „Apocalypse Now“. 1982 landete er mit „One from the heart“ einen so großen Flop, dass er die nächsten Jahre mit „Rumble Fish“, „The Outsider“, „Cotton Club“, „Peggy Sue hat geheiratet“, „Der steinerne Garten“, Tucker“ und „Der Pate III“ Schadensbegrenzung betrieb und versuchte, Geld für sein American-Zoetrope-Studio reinzuholen. Künstlerisch war das Jahrzehnt ziemlich durchwachsen, aber im Rückblick sind die Filme nicht so schlecht, wie sie damals von der Kritik gemacht wurden. In den Neunzigern kamen dann nur noch „Bram Stokers Dracula“, „Jack“ (Hat den jemand gesehen?), die biedere John-Grisham-Verfilmung „Der Regenmacher“ und der Science-Fiction-Film „Supernova“ (auch bekannt als der SF-Film, der eine so vermurkste Produktionsgeschichte hatte, dass das Ergebnis zwar Mist, aber erstaunlich ansehbarer Mist ist; vor allem wenn man darüber rätselt, welcher Regisseur für welchen Teil verantwortlich ist). Seitdem drehte er, weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, „Jugend ohne Jugend“, „Tetro“ (bislang keine deutsche Veröffentlichung) und jetzt „Twixt“; – und auch „Twixt – Virginias Geheimnis“ würde ohne Coppolas Namen niemand interessieren. Denn der Film ist, optisch durchaus ansprechend inszeniert, kruder, kaum unterhaltsamer Unfug mit einigen bekannten Schauspielern. Es ist wie das verkochte Restemenü in einem Restaurant: da kann der Kellner sich noch so viel Mühe geben, es schmeckt nicht und es macht auch nicht satt. Und dass der Koch früher Mal in einem Sterne-Restaurant der Küchenchef war, mag man gar nicht glauben.

Denn die von Francis Ford Coppola geschriebene Geschichte taugt höchstens für eine ganz schlechte, halbstündige „Twilight Zone“-Episode: der Horrorromanautor Hall Baltimore (Val Kilmer im Straight-to-DVD-Modus) trifft in einer Kleinstadt auf Ortssheriff Bobby LaGrange (Bruce Dern), der ihm von einer geheimnisvollen Mordserie erzählt. Baltimore will zwar zunächst möglichst schnell weg, aber nachdem er einen Blick auf sein Bankkonto geworfen hat, sieht er die Möglichkeit, die Morde, garniert mit einigen Vampiren, als Inspiration für seinen nächsten Roman zu benutzen. Während er enorme Mengen Alkohol konsumiert, fantasiert er sich in seinen Träumen Begegnungen mit dem Geistermädchen V (Elle Fanning), vergangenen Morden und Edgar Allen Poe (Ben Chaplin), der auch mal eine Nacht in dem Kaff verbrachte, zusammen. Nur Vampire erscheinen ihm nicht im Traum.

Und während man während des Ansehens von „Twixt“ noch verzweifelt versucht, einen Sinn und interessante Verbindungen zwischen den verschiedenen Teilen zu finden, muss man am Ende feststellen, dass „Twixt“ hundertprozentig an die Roger-Corman-Schule, abzüglich Sex und Gewalt, anknüpft und damit wäre Francis Ford Coppola wieder bei seinen Anfängen gelandet, als er für Roger Corman für wenig Geld, aber dafür mit Resten aus anderen Filmen, seine ersten Gehversuche im Filmgeschäft machte.

Twixt - DVD-Cover

Twixt – Virginias Geheimnis (Twixt, USA 2011)

Regie: Francis Ford Coppola

Drehbuch: Francis Ford Coppola

mit Val Kilmer, Bruce Dern, Elle Fanning, Ben Chaplin, Joanne Whalley, David Paymer, Tom Waits (Erzähler im Original)

DVD

Pandastorm/Studiocanal

Bild: 1,85:1 (16:9)

Ton: Deutsch (DTS 5.1, DD 5.1), Englisch (DD 5.1)

Untertitel: Deutsch, Englisch

Bonusmaterial: Trailer, Wendecover

Länge: 86 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Rotten Tomatoes über „Twixt“

Wikipedia über „Twixt“

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ (Apocalypse Now, USA 1979 – die „Full Disclosure“-Blu-ray)

Francis Ford Coppola in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 7. Dezember: Casino

Dezember 7, 2012

Tele 5, 02.30

Casino (USA 1995, R.: Martin Scorsese)

Drehbuch: Martin Scorsese, Nicholas Pileggi

LV: Nicholas Pileggi: Casino: Love and Honor in Las Vegas, 1995 (Casino)

Biopic über die Mafia in Las Vegas in den Siebzigern

Kurz gesagt: ein Meisterwerk und Pflichttermin für Krimifans.

„Die einander ergänzenden Elemente von ‚Casino’, die genaue, materialistische Dokumentation, das Shakespeare-Drama von Macht und Fall, der Genrefilm und die Strindbergsche Seelenpein von Mann und Frau, zwischen denen eine unsichtbare Mauer steht, laufen alle auf die Feststellung hinaus, die Robert De Niro schon am Anfang getroffen hat: dass niemand gegen die Bank gewinnen kann. Das ist nicht nur konkrete Beschreibung einer ökonomisch-kriminellen Situation und soziale Metapher auf das Wesen des Kapitalismus, sondern auch ein philosophisches Gleichnis.“ (Georg Seeßlen: Martin Scorsese)

Mit Robert De Niro, Sharon Stone, Joe Pesci, James Woods, Kevin Pollak, L. Q. Jones

Hinweise

Metacritic über „Casino“

Rotten Tomatoes über „Casino“

Wikipedia über “Casino” (deutsch, englisch)

Drehbuch “Casino” von Nicholas Pileggi

Charlie Rose interviewt Nicholas Pileggi (2. November 1995 zu “Casino”)

Wikipedia über Martin Scorsese (deutsch, englisch)

Martin-Scorsese-Fanseite

Meine Besprechung von Martin Scorseses „Hugo Cabret“ (Hugo, USA 2011)

Martin Scorsese in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: „7 Psychos“ sind eine ganz spezielle Abendgesellschaft

Dezember 6, 2012

Auch wenn Colin Farrell an erster Stelle genannt wird, gehört der Film „7 Psychos“ Sam Rockwell. Und dann Woody Harrelson und Christopher Walken, der fast alles, außer Tanzen, tut. Tom Waits, mit einem süßen Tier im Arm, und Harry Dean Stanton haben mehr als erinnerungswürdige Auftritte. Und die Frauen bleiben, wie schon in Martin McDonaghs vorherigem Film „Brügge sehen…und sterben?“ (In Bruges, GB 2008) Staffage. Die Story, dieses Mal, auch.

7 Psychos“ funktioniert vor allem als schwarzhumorige Nummernrevue über Gangster und Hollywood, mit einer lässig eingezogenen Metaebene. Denn Marty Flanaran (Colin Farrell) ist ein erfolgloser, aber irisch-trinkfester, begnadeter Drehbuchautor auf der Suche nach Inspiration. Den Titel für sein neues Werk hat er schon: „7 Psychos“. Und er weiß auch, worum es gehen soll: um sieben Psychopathen. Aber ungewöhnlich. So soll ein Psychopath friedfertig sein. Vielleicht ein Buddhist. Oder ein Quäker. Oder ein Amish. Jedenfalls friedfertig. Und sein Drehbuch soll keine blutrünstige 08/15-Hollywood-Geschichte sein. Sein Freund Billy (Sam Rockwell), ein erfolgloser Schauspieler mit psychopathischen Tendenzen, hilft ihm mit Plotideen und kidnappt nebenbei mit Hans (Christopher Walken) Hunde, die er gegen Belohnung den Besitzern zurückgibt.

Zuletzt kidnappte er Bonny, das Schoßhündchen des an guten Tagen nur cholerischen Gangsters Charlie Castello (Woody Harrelson, mal wieder als fieser Fiesling. Aber er ist in Wirklichkeit sicher ein ganz netter Mensch, der kein Shih-Tzu-Haar krümmen kann.). Denn für seinen Bonny geht Charlie über Leichen.

Das ist der lockere Rahmen für einen an allen Ecken und Enden zerfasernden und zerfransenden Film, der auch in Richtung Nouvelle Vague geht, die halbe Filmgeschichte plündert und einfach alles mitnimmt, was Autor und Regisseur Martin McDonagh gefällt.

Am besten genießt man „7 Psychos“ daher als zeitgemäßes, brutal-blutrünstiges, amoralisch-moralisches, schwarzhumoriges Update von Jean-Luc-Godard-Filmen wie „Die Außenseiterbande“ und „Pierrot le fou – Elf Uhr nachts“. Da fragte auch niemand nach der Geschichte und ob sie logisch war, aber jeder genoss die einzelnen Szenen, die Stimmung, die Sprüche, die Weisheiten und die herrlich absurd-abgedrehten Situationen.

Denn davon gibt es in „7 Psychos“ noch mehr als in „Brügge sehen…und sterben?“. Aber auch, jedenfalls wenn man sich die Originalfassung ansieht, deutlich weniger „Fucks“.

7 Psychos - Plakat4

7 Psychos (Seven Psychopaths, UK/USA 2012)

Regie: Martin McDonagh

Drehbuch: Martin McDonagh

mit Colin Farrell, Sam Rockwell, Christopher Walken, Woody Harrelson, Tom Waits, Abbie Cornish, Olga Kurylenko, Harry Dean Stanton, Zeljko Ivanek, Gabourey Sidibe, Linda Bright Clay

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „7 Psychos“

Metacritic über „7 Psychos“

Rotten Tomatoes über „7 Psychos“

Wikipedia über „7 Psychos“ (deutsch, englisch)

7 Psychos - Teaser4


Neu im Kino/Filmkritik: Fatih Akins Doku „Müll im Garten Eden“

Dezember 6, 2012

Als die Kamera zum ersten Mal die Lage der Mülldeponie in Camburnu zeigte, fragte ich mich: „Wer kommt auf die bescheuerte Idee, eine Mülldeponie mitten in einem Wohngebiet zu planen?“

Das hatten sich 1997 die Bewohner des Bergdorfs im Nordosten der Türkei, am Schwarzen Meer, auch gefragt und sie protestierten gegen die Nutzung der stillgelegten Kupfermine als Mülldeponie für die gesamte Region. Erfolglos durch alle Instanzen. Auch der jetzige Bürgermeister kämpfte dagegen, stellte sich sogar gegen seine Partei, die Regierungspartei AKP und wurde wegen Verhinderung von Staatsinteressen angeklagt.

Währenddessen wurde die Brache ab 2006 planiert und Müll reingekippt. Die Planer und Bauherren versicherten immer wieder, dass diese Deponie nicht stinken werde, dass sie das Wasser nicht belaste, dass es keine Probleme geben wird. Nichts davon stimmte und Fatih Akin, dessen Großeltern aus Camburnu kommen und der dort 2006 das Finale seines Spielfilms „Auf der anderen Seite“ drehte, legt jetzt eine Dokumentation, die den Kampf der Bewohner gegen die Mülldeponie von 2006 bis heute chronologisch nachzeichnet, vor. Es ist ein Manifest des Widerstandes und der Zivilcourage.

Denn die Anwohner warnten vor vielen der Probleme, die während des Baus und des Betriebs, der kürzlich um zwei weitere Jahre verlängert wurde, entstanden. So rieß die Isolationsschicht; eine Plastikplane, die verhindern sollte, dass das Müllwasser in das Grundwasser dringt. Sie wurde notdürftig geflickt. Die Abwasserrohre waren zu klein dimensioniert und das Müllwasser lief über. Es stank. Zur Abhilfe spritzten die Betreiber der Deponie Parfüm in die Luft. Starke Regenfälle, die dort absolut üblich sind, führten immer wieder dazu, dass die Deponie überlief. Tiere gelangen auf die nicht abgesperrte Deponie und können Krankheiten und giftige Stoffe auf die Erntefelder tragen. Denn in Camburnu wird seit Ewigkeiten Tee geerntet. Und, als Höhepunkt der Fehlplanungen, bricht am 6. Dezember 2011 die Mauer des Abwasserbeckens und das hochgiftige Abwasser verseucht die Felder.

Mit diesem Ereignis hört Akins Film, der bereits in Cannes in „Official Selection“ lief, auf.

Er hat sich für den Dokumentarfilm mit Unternehmern, Beamten, auch von der Umweltschutzbehörde, Arbeitern und höheren Angestellten der Deponie, die unisono die Gefahren und Katastrophen verharmlosten unterhalten. Er hat auch den Bürgermeister von Camburnu und vielen Einwohnern von Camburnu interviewet, die teils gegen die Deponie kämpfen, teils, vor allem die Jüngeren, resigniert ihre Heimat verlassen. So sank die Zahl der Einwohner seit der Eröffnung der Deponie von 3500 auf 1200.

Ein guter Teil des Filmmaterials kommt von Bünyamin Seyrekbasan, einem örtlichen Fotografen. Stilistisch ist „Müll im Garten Eden“ ein Dokumentarfilm mit teils verwackelten Bildern, Interviews und einigen impressionistischen Bildern. Auf der formalen Ebene ist das nicht besonders bemerkenswert. Aber als Dokument einer menschenverachtenden Politik, einer Politik, die keine Rücksicht auf die Betroffenen nimmt, und zeigt, dass der bürokratische und politische Wahnsinn überall zuschlagen kann, überzeugt „Müll im Garten Eden“.

Denn Camburnu liegt auch in Deutschland. Ich erinnerte mich während des Films, an Pläne, Müllverbrennungsanlagen für Rheinland-Pfalz vor meiner Haustür zu bauen (wir konnten es verhindern), oder an den neuen Berliner Flughafen BER, der direkt vor den Toren der Stadt gebaut wird (der andere, einige Kilometer weiter südlich liegende Standort war für die Berliner Politiker Sibirien) oder an „Stuttgart 21“.

Müll im Garten Eden - Plakat

Müll im Garten Eden (Deutschland 2012)

Regie: Fatih Akin

Drehbuch: Fatih Akin

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Müll im Garten Eden“

Wikipedia über Fatih Akin


Die KrimiZeit-Bestenliste Dezember 2012

Dezember 6, 2012

In der letzten Liste des Kalenderjahres empfehlen die Damen und Herren Bestenliste-Kritiker diese Werke:

1 (4) James Sallis: Driver 2

2 (2) Robert Littell: Philby. Porträt des Spions als junger Mann

3 (-) Friedrich Ani: Süden und das heimliche Leben

4 (8) Don Winslow: Kings of Cool

5 (3) Carl Nixon: Rocking Horse Road

6 (1) Merle Kröger: Grenzfall

7 (10) Anila Wilms: Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens

8 (-) Lee Child: Underground

9 (6) Petros Markaris: Zahltag

10 (-) Roger Smith: Stiller Tod

In ( ) ist die Platzierung vom Vormonat.

James Sallis, Robert Littell (endlich gelesen; grandioser Spionageroman), Don Winslow: gut. Friedrich Ani (ein 200-seitiger Süden) und Lee Child sind sicher auch gut. Nur von Roger Smith war ich etwas enttäuscht.

Aber im Moment lese ich die Neuübersetzung von Robert Blochs „Psycho“ und bin begeistert. Es hat mir zwar auch, vor vielen, vielen Jahren, bei der ersten Lektüre (die alte Übersetzung) gefallen, aber ich hatte es anders in Erinnerung.

 


TV-Tipp für den 6. Dezember: Yella

Dezember 6, 2012

ZDF Kultur, 20.15

Yella (D 2007, R.: Christian Petzold)

Drehbuch: Christian Petzold

Die Ostdeutsche Yella will aus ihrem tristen Leben fliehen. In Hannover lernt sie einen Finanzmanager kennen und wird seine Geliebte und Partnerin.

Wie gewohnt bei Christian Petzold: toller, angenehm undeutscher Film.

Mit viel Gespür für Rhythmus und innere Beziehungen, präzisen Darstellern und einer suggestiven Raumdramaturgie inszeniert Christian Petzold den dritten Teil seiner ‚Gespenster‘-Trilogie als Mischung aus kühl-moralischem Blick auf Mechanismen des Geldmarktes und surrealem Märchen.“ (Lexikon des internationalen Films)

mit Nina Hoss, Devid Striesow, Hinnerk Schönemann, Burghart Klaußner, Barbara Auer, Christian Redl

Wiederholung: Freitag, 7. Dezember, 00.10 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Yella“

Rotten Tomatoes über „Yella“

Wikipedia über „Yella“


Etwas Kleinkram

Dezember 5, 2012

Nicht sortiert, teilweise schon etwas älter, aber einen Blick wert:

Die Dezemberausgabe von „The Big Thrill„, die Zeitung der International Thriller Writers (ITW), ist online.

Bill Massey über George V. Higgins (dessen Roman „Cogans Trade“ jetzt als Killing them softly“ verfilmt wurde):

In a typical Higgins novel, mobsters, hitmen, shylocks, thieves, and other assorted sleazeballs – along with the cops and lawyers who are pursuing them – sit together in bars and diners and dingy offices in the less salubrious parts of Boston and talk. Talk in a way that only a lawyer who had himself spent many hours in these same bars and dingy offices listening, could recreate. And out of that talk, almost without you being aware of it, emerge his stories – acutely observed, by turns shocking and hilarious stories of Boston lowlife at its lowest. And that, in the end, is what makes Higgins such a great writer.

Wie man einen großartigen Kriminalroman schreibt wird hier (Teil 1, Teil 2) verraten.

Der Noir of the Week ist „The Las Vegas Story“ (USA 1952); wohl kein Meisterwerk, aber mit Jane Russell.

Alle Gewinner des Europäischen Filmpreises. Der große Abräumer war Michael Haneke mit „Liebe“.

Wer noch ein Weihnachtsgeschenk sucht, sollte mal im Katalog für die Hollywood Auction blättern. Da gibt es gefühlt tausend Dinge, die etwas mit Film zu tun haben und jetzt versteigert werden. Wer also eine alte Fotografie, ein Storyboard, Filmkleider, Filmmodelle undundund will,…

Zum Glück kann der Katalog kostenlos runtergeladen werden.

Neu bei Mulholland Books:

Duane Swierczynski (aka Duane Louis) über Judge Dredd

Ein Gespräch mit Denise Mina über ihren Stieg-Larsson-Comic „The Girl with the Dragoon Tatoo“ (bei uns erschien der Roman als „Verblendung“); deutsche Veröffentlichung unklar

– Anthony Horowitz verrät „10 Rules to write a Sherlock Holmes Novel“ (und wir können prüfen, welche er in seinem grandiosen Sherlock-Holmes-Roman „Das Geheimnis des weißen Bandes“ wirklich beherzigte)

Jo Nesbo verrät, warum man Jim Thompsons „Pop. 1280“ (1280 schwarze Seelen) lesen muss.

Peter Bogdanovich veröffentlicht weitere Kurzkritiken zu Filmen von Howard Hawks. Im fünften Teil auch seine beiden Bewertungen des John-Wayne-Westerns „Rio Lobo“.

Martin Compart feiert die zweite Staffel von „Strike Back“ ab.

„The Losers“ gefällt ihm auch.

Er schreibt etwas über den Spionageroman (Teil 1, Teil 2) und spricht mit Frank Festa über die im Fest Verlag gestartete neue Krimireihe (für die Freunde der härteren Kost).

Brian Greene schreibt über Ted Lewis (Ähem; GET CARTER)

Zum Abschluss noch etwas für’s Auge:

Das Plakat für die Lee-Child-Verfilmung

Jack Reacher - Plakat4

Und für den nächsten „Star Trek“-Film

Star Trek - Into Darkness - Teaser

Einerseits gefällt mir das Teaser-Plakat, andererseits hat es so überhaupt nichts mit Raumschiff Enterprise zu tun.


TV-Tipp für den 5. Dezember: Die Deutsche Lady Jazz

Dezember 5, 2012

Arte, 21.55

Die Deutsche Lady Jazz (D 2012, R.: Marc Boettcher)

Drehbuch: Marc Boettcher

Einstündige TV-Fassung der zweistündigen Kinodoku „Sing! Inge, sing! – Der zerbrochene Traum der Inge Brandenburg“ über Inge Brandenburg (1929 – 1999), die 1960 in Frankreich zur „besten Jazzsängerin Europas“ ernannt wurde und das Time Magazine hielt sie für „die neue Billie Holiday“, aber ihre Produzenten verschleuderten ihr Talent in banalen Schlagern und ließen sie anschließend in Vergessenheit geraten.

Wiederholungen

Dienstag, 11. Dezember, 06.00 Uhr

Montag, 17. Dezember, 06.00 Uhr

Hinweise

Arte über die Doku

Homepage zum Film

Film-Zeit über die Doku

Homepage von Marc Boettcher


Patrick Gensing schreibt über den „Terror von Rechts“

Dezember 4, 2012

Gensing - Terror von Rechts

Wenn ein Sachbuchautor im Moment ein Buch über den NSU schreibt, muss er sich schon vor der ersten Zeile überlegen, wie er damit zurechtkommt, dass es fast täglich neue Erkenntnisse gibt, die vor allem die Ermittlungsbehörden in einem sehr schlechten Licht da stehen lassen. Denn der NSU ist für die deutschen Sicherheitsbehörden das, was 9/11 für die US-Sicherheitsbehörden war: der Super-Gau. Sie haben über Jahre nichts von dem sich quer durch Deutschland mordendem Trio, das dabei Unterstützer gehabt haben muss, gewusst. Sie haben immer wieder betont, dass es keinen Rechtsterrorismus, keine rechte RAF, gebe.

In seinem Buch „Terror von Rechts – Die Nazi-Morde und das Versagen der Politik“ versucht Patrick Gensing diese Klippe zu umschiffen, indem er in der ersten Hälfte des Buches das Milieu, aus dem die NSU-Terroristen gekommen sind, beschreibt. Dabei zeigt er, dass es in den vergangenen Jahren schon immer einen Terror von Rechts gab, der von den Sicherheitsbehörde, vor allem dem Verfassungsschutz als selbsternanntes Frühwarnsystem, weitgehend übersehen wurde. So gab es 1980 einen Anschlag auf das Münchner Oktoberfest bei dem 13 Menschen starben und 211 Menschen verletzt wurden. Die Hintergründe des Attentates sind immer noch ungeklärt. Die Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) wurde damals als Wanderverein verniedlicht. Seit 1990 gab es bei über 180 Morden einen rechtsextremen Hintergrund. Die Bundesregierung ging dagegen vor vier Jahren nur bei vierzig Morden von einem rechtsextremen Hintergrund aus und veränderte auf Druck der Öffentlichkeit seitdem die statistische Erfassung.

In der zweiten Hälfte seines Buches beschreibt Gensing das Versagen der Politik in den vergangenen Jahren. Vor allem in den Parlamenten und mit einem genauen Blick auf die Besonderheiten in der ehemaligen DDR, vor allem in Sachsen, wo die NPD im Landtag sitzt. Denn anstatt den Rechtsextremismus zu bekämpfen, forderte die aktuelle Bundesregierung von Gruppen, die sich gegen Rechts engagieren, das Unterzeichnen einer Extremismusklausel verlangt. Und durch die ständige Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus wird, vor allem von konservativen Politikern, eine gleich gefährlich Bedrohung der Demokratie suggeriert.

Das ist alles kundig geschrieben. Immerhin beschäftigt Gensing sich schon länger mit dem Rechtsextremismus und ist einer der Köpfe von „Publikative“, einer Internetseite zum Rechtsextremismus.

Aber es ist auch immer etwas verquast. Da wo ich mir eine Zuspitzung gewünscht hätte, liefert er ein Zitat – und der Gang der Argumentation erschließt sich mehr aus den Kapitelüberschriften und weniger aus dem Text. Es wird oft zu ausführlich aus anderen Texten zitiert und, immerhin arbeitet Gensing als Journalist für tagesschau.de und das Polit-Magazin „Panorama“, die aktuelle Vor-Ort-Recherche fehlt. So liest sich „Terror von Rechts“ über weite Strecken wie ein „Kommentar“ und, weil Gensing das gesellschaftliche Klima, inclusive dem Extremismus der Mitte, das zum Entstehen des NSU führte, beschreiben will, zeichnet er ein großes, historisch gesättigtes, grenzüberschreitendes Bild, das aber auch immer wieder zerfasert und das die Verbindungen zwischen dem gesellschaftlichem Klima, Rechtsextremisten und dem NSU-Trio nur noch rudimentär nachzeichnet.

So hatte ich am Ende das Gefühl, nichts wirklich neues über den NSU und das Versagen der Sicherheitsdienste erfahren zu haben. Stattdessen wurde nur mein Wissen über den Rechtsextremismus aufgefrischt.

Patrick Gensing: Terror von Rechts – Die Nazi-Morde und das Versagen der Politik

Rotbuch, 2012

240 Seiten

14,95 Euro


Cover der Woche

Dezember 4, 2012

Queen - Leichen sind schweres Gepäck


TV-Tipp für den 4. Dezember: Hellboy

Dezember 4, 2012

Kabel 1, 20.15

Hellboy (USA 2004, Guillermo del Toro)

Drehbuch: Guillermo del Toro (nach einer Geschichte von Guillermo del Toro und Peter Briggs

LV: Mike Mignola: Hellboy

Hellboy, ein zum Guten erzogener Dämon, verkloppt im Auftrag einer geheimen FBI-Einheit Dämonen. Jetzt kämpft er gegen den untoten Mönch Rasputin und den SS-Mann Kroenen, die ihr vor sechzig Jahren unterbrochenes Werk vollenden wollen.

Guillermo del Toro könnte ein Bruder von Robert Rodriguez sein. Auch seine Filme sehen teurer aus als sie sind und auch er liebt die Popkultur.

„Hellboy“ ist eine der wenigen gelungenen Comicverfilmungen. Kein Wunder. Schließlich hat hier ein Fan einen Film für andere Fans (alle mit einem kindischen Gemüt) gemacht.

Mit Ron Perlman, John Hurt, Selma Blair, Rupert Evans

Wiederholung: Mittwoch, 5. Dezember, 21.50 Uhr

Hinweise:

Hellboy-Comic-Seite (oder Mike Mignolas Hellboy-Seite)

Amerikanische Hellboy-Film-Seite

Deutsche Hellboy-Film-Seite

Rotten Tomatoes über „Hellboy“

Wikipedia über „Hellboy“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Mike Mignola (Autor)/John Arcudi (Autor)/Guy Davis (Zeichner) „B. U. A. P.: Tödliches Terrain (Band 7)“ (BPRD: Killing Ground, 2008)

Meine Besprechung von Mike Mignola (Autor)/John Arcudi (Autor)/Guy Davis (Zeichner) „B. U. A. P.: Die Warnung (Band 8)“ (BPRD: The Warning, 2009/2010)

Und jetzt zum Bonusmaterial

„Hellboy“-Erfinder Mike Mignola 2011 auf der Comic Con

Mike Mignola und Christopher Golden im Gespräch

Das erinnert mich daran

Mignola - Hellboy - Medusas Rache2Mignola - Hellboy - Der Sturm2

Ich sollte endlich den von Christopher Golden herausgegebenen und von Mike Mignola illustrierten Kurzgeschichtensammelband „Medusas Rache“ (Golkonda Verlag, 300 Seiten, 16,90) und Mike Mignolas „Hellboy“-Comic „Der Sturm“ (Cross Cult, 176 Seiten, 22 Euro), das Finale der Mignola-&-Fegredo-Trilogie, lesen.

In „Medusas Rache“ sind vierzehn neue „Hellboy“-Geschichten (naja, so ganz neu sind sie nicht mehr, denn der Sammelband ist von 1999, aber erst jetzt auf Deutsch erschienen) von Nancy Holder, Brian Hodge, Poppy Z. Brite, Greg Rucka, Max Allan Collins und Christopher Golden & Mike Mignola.

 


Leistungsschutzrecht oder Wie der Qualitätsjournalismus sich selbst demontiert

Dezember 3, 2012

Was mich bei der Debatte um das Leistungsschutzrecht (Bundestag-Drucksache 17/11470) am meisten ankotzt, ist nicht, dass Journalisten in den „Qualitätszeitungen“ (also Blätter wie FAZ, FR und SZ) in ihren Artikeln und Kommentaren Teile der Wirklichkeit nicht berücksichtigen. Das kommt öfter vor. Vor allem in Kommentaren. In Artikeln sollten dagegen die Fakten möglichst objektiv dargestellt werden. Alle Fakten. Alle wichtigen Nachrichten und Meldungen dazu.

Da hätten sie über die vernichtende Stellungnahme des Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, die von GRUR-Fachausschuss Urheber- und Medienrecht und zahlreichen namhaften Professoren unterstützt wird, berichten müssen. Deren auf mehreren Seiten sehr lesbar und sehr überzeugend begründetes Fazit ist:

Der Bedarf für ein solches Schutzrecht wurde bislang in keiner Weise nachgewiesen. Es besteht die Gefahr unabsehbarer negativer Folgen. (…)

Gesamthaft betrachtet scheint der Regierungsentwurf nicht durchdacht. Er lässt sich auch durch kein sachliches Argument rechtfertigen. Dass er überhaupt vorgelegt wurde, erstaunt schon aufgrund der Tatsache, dass bereits in einer Anhörung des Bundesministeriums der Justiz vom 28. Juni 2010 ein solches Schutzrecht praktisch einhellig abgelehnt wurde. Dahinter stehen selbst die Presseverleger nicht geschlossen.

Es fehlt damit jede Grundlage dafür, die vorgeschlagene Regelung zu verabschieden.“

Mit dieser fundierten Totalklatsche hätten sie sich in ihren Texten auseinandersetzen müssen. Wenigstens einmal. Aber ich habe nichts dazu gefunden.

Sie hätten etwas über die gemeinsame Stellungnahme der Jugendverbände der Parteien sagen müssen:

Junge Union, Jusos, Grüne Jugend, Junge Liberale und Junge Piraten sind sich darin einig, dass dieser Eingriff in die freiheitliche Architektur des Internets nicht hinnehmbar ist. Es gibt keine Notwendigkeit für diese Innovationsbremse. Die Verlage müssen sich — wie andere Branchen auch — dem Strukturwandel stellen: Statt an analogen und nicht umsetzbaren Regelungen festzuhalten, sollten sie neue, an das Internet angepasste Geschäftsmodelle entwickeln.

Das dürfte das erste Mal gewesen sein, dass sie eine gemeinsame Erklärung veröffentlichten.

Stattdessen steht, das dürfte das aktuellste Beispiel sein (weitere Beispiele bei Stefan Niggemeier), im „Tagesspiegel“, unter der poetischen Überschrift „Das Leistungsschutzrecht nutzt langfristig allen“ (weil Poesie sich nicht um Rationalität kümmern muss) Google als der Bösewicht, der eigene Geschäftsinteressen als Gemeinwohl tarne, am Pranger und

dass diese Einsicht einem unabhängigen Journalismus zu danken ist, und drittens, dass es deshalb weder verwerflich noch unzeitgemäß sein kann, für die Nutzung sogenannter „Snippets“, also Anreißertexte, honoriert werden zu wollen.“

Ich ignorier mal, dass diese kurzen Texte eigentlich durch das Zitatrecht gedeckt sein müssten und dass ein Snippet zum Lesen des gesamten Textes auf der Ursprungsseite (wohin die Suchmaschinen ja brav verlinken) verführen soll.

Diese einseitige Berichterstattung erinnert mich an die Berichte über die Tagesschau-App. Und ratet mal, wer in der Zielgerade noch getroffen wird? Genau: der „ gebührenfinanzierten Rundfunk“, der „rücksichtslos ins Netz expandieren“ gelassen wurde.

Es ist auch nicht, dass Journalisten, Lobbyisten und Politiker sich für ein Gesetz aussprechen, das Unfug ist. Das gab es ja auch bei dem Zugangserschwerungsgesetz gegen Kinderpornographie. Obwohl damals, so meine Erinnerung, in den Qualitätsmedien auch einiges gegen das Gesetz stand.

Das Gesetz wurde, wie bekannt, vor der Bundestagswahl schnell durch die Gremien gewunken, danach nie in Kraft gesetzt und inzwischen, auch mit Unterstützung der CDU, die es vor der Wahl unbedingt haben wollte, wieder abgeschafft.

Das Internet überlebte diesen Unfug. Es wird auch das Leistungsschutzrecht überleben. Dann werden Google und die anderen Suchmaschinen, wie Bing oder Yahoo, halt nicht mehr auf deutsche Presseerzeugnisse verweisen. Einige gute Projekte, wie Rivva, werden vielleicht eingestellt. Bildblog wird wohl die tägliche Presseschau stark verändern. Andere, wie die Alligatorpapiere oder die Krimi-Depeschen, werden halt nur noch auf Blogs, gewerbliche Seiten (wie die der Buchhandlung „Hammett“) und auf nicht-deutsche Seiten verlinken. Ist zwar schade, weil ich dann keinen Überblick über deutsche Krimikritiker, die in Zeitungen publizieren, habe, aber: So ist das Leben.

Es wird auch nicht mehr, in einer kleinen Presseschau, auf deutsche Zeitungsartikel, garniert mit kleinen Zitaten verwiesen werden (Uh, kleiner Einschub aus eigener Erfahrung: keine Verlinkung – kein Klick auf die Seite der Tageszeitung; nur der Link – keine bzw. sehr wenige Klicks; Link mit einem aussagekräftigem Zitat: viele Klicks). Das könnte zwar durch das Zitatrecht gedeckt sein, aber der Gesetzestext ist da etwas unklar. Vor allem weil „gewerblich“ hier sehr weit ausgelegt wird.

Es kann sogar sein, dass mehr gebloggt wird und dass es, nach dem Ende der „Netzeitung“, eine deutsche „Huffington Post“ gibt.

Nein, am Schockierendsten bei den Texten über das Leistungsschutzrecht in den „Qualitätszeitungen“ ist die blinde Energie mit der diese „Qualitätszeitungen“ gerade das „Qualität“ und, damit verbunden, alle journalistischen Grundsätze, über Bord kippen. Es wird Lobbyismus in eigener Sache (oder der des Verlegers) unter der Flagge des Journalismus betrieben. Fakten werden ignoriert oder verbogen. Gegner diffamiert. Als sei man die Werbeabteilung eines Konzerns.

Oh, halt. Zeitungen gehören zu Konzernen, die Geld machen wollen.

Und wir wissen jetzt, nachdem sich die Qualitätsjournalisten beim Leistungsschutzrecht hemmungslos entblödeten, dass alle ihre Texte unter Lobbyismusverdacht stehen. Wenn sie demnächst wieder über die Tagesschau-App und GEZ-Haushaltsabgabe schreiben, dann spricht vieles für die Annahme, dass sie auch hier, unter der Tarnung des unabhängigen Journalismus, der Lautsprecher des Konzernherrn sind.

So liefern die Qualitätsmedien im Moment selbst die besten Argumente gegen sich selbst.

Und noch ein Lesetipp: Ein langes Interview mit Jeff Jarvis zum Leistungsschutzrecht:

I think the Leistungsschutzrecht is dangerous to the web, to the link itself. It’s an indication of an industry that doesn’t have any ideas of how to fix itself. (…)

As if the publishers have not been using their market power to push this idea of the LSR through and through.

 


TV-Tipp für den 3. Dezember: Stille Nacht – Mörderische Nacht

Dezember 3, 2012

ZDF, 22.15

Stille Nacht – Mörderische Nacht (USA 2008, R.: Susan Montford)

Drehbuch: Susan Montford

LV: Edward Bryant: While she was out, 1988 (Kurzgeschichte)

Nachdem Hausfrau Della in der Shopping Mal einige Weihnachtseinkäufe erledigt hat, beobachtet sie, wie einige Jugendliche einen Wachmann erschießen. Panisch flüchtet sie in eine abgelegene Baustelle. Die Mörder verfolgen die Zeugin.

Montfords Debüt „While she was out“ (DVD-Titel) ist ein geradliniger, angenehm kurzer Thriller, der mit einigen überraschenden Twists aufwartet und nicht mit überflüssigen, psychologisierenden Subplots nervt. Denn in neunzig Minuten darf sich auf die Hauptsache konzentriert werden: den gnadenlosen Kampf einer Frau ums Überleben in einer feindlichen Umgebung.

Mehr in meiner Besprechung.

mit Kim Basinger, Lukas Haas, Craig Sheffer, Jamie Starr, Leonard Wu, Luis Chávez

Hinweise

Rotten Tomatoes über „While she was out“

Wikipedia über „While she was out“ (deutsch, englisch)

Bloody Disgusting: Interview mit Susan Montfort zu „While she was out“

Den of Geek: Interview mit Susan Montfort zu „While she was out“

Icons: Ausführliches Interview mit Susan Montfort über „While she was out“ (unter anderem zu den Unterschieden zwischen Vorlage und Film)

Russell Trunk: Interview mit Susan Montfort

Shock Till You Drop: Interview mit Susan Montfort und Don Murphy zu „While she was out“

Fantastic Fiction über Edward Bryant (Wow, hat der viele Preise gewonnen.)

Meine Besprechung von Susan Montfords „While she was out“ (While she was out, D/Can/USA 2008)


TV-Tipp für den 2. Dezember: Vorname Carmen

Dezember 1, 2012

ZDFkultur, 23.15

Vorname Carmen (Frankreich/Schweiz 1983, R.: Jean-Luc Godard)

Drehbuch: Anne-Marie Miéville

Jean-Luc Godards sehr zugängliche (verglichen mit seinen anderen Spätwerken) Interpretation der Geschichte von „Carmen“. Er verlegte die Geschichte in die Gegenwart und er spielte in dem Film auch die Rolle des Regisseurs und Onkels von Carmen, der nie um einen bissigen Kommentar verlegen ist.

mit Maruschka Detmers, Jacques Bonnaffé, Myriem Roussel, Hippolite Girardot, Jean-Luc Godard

Wiederholung: Montag, 3. Dezember, 04.14 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Wikipedia über Jean-Luc Godard (deutsch, englisch, französisch)

IMDB über Jean-Luc Godard

Kriminalakte gratuliert Jean-Luc Godard zum Geburtstag

Meine Besprechung von Jean-Luc Godards „Außer Atem“ (A Bout de Souffle, Frankreich 1959)

Jean-Luc Godard in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: Nach „Little Miss Sunshine“ ist „Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin“

Dezember 1, 2012

Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin“ ist der neue Film der „Little Miss Sunshine“-Regisseure Jonathan Dayton und Valerie Faris.

Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin“ ist eine Komödie über einen Schriftsteller, der in einer Schreibkrise einen seiner Charaktere, seine Traumfrau, zum Leben erweckt und fortan mit ihr zusammen leben muss.

Aber im Gegensatz zu „Harvey“ kann jeder Ruby Sparks sehen. Sie ist ein echter Mensch aus Fleisch und Blut. Bis auf ihren Geist. Der kommt immer von ihrem Erfinder Calvin Weir-Fields, einem schlackerhaftem Endzwanziger, der als 19-jähriger den „Fänger im Roggen“ für seine Generation schrieb, reich wurde, seitdem nichts mehr geschrieben hat und jetzt von seinem Psychiater aufgefordert wurde, einfach etwas zu schreiben. Je schlechter, desto besser.

Das klingt doch gut. Ein philosophisch angereicherte Feelgood-Film. Oder weil Drehbuchautorin Zoe Kazan auch die Rolle der Ruby Sparks übernommen hat, ihr Freund Paul Dano die von Calvin Weir-Fields und die Regisseure miteinander verheiratet sind, ein zeitgemäßes Update von Woody Allen für die Zwanzig-/Dreißigjährigen.

Aber dann zünden die Witze nicht, die Geschichte plätschert vor sich hin und die immer wieder angedeutete philosophische Dimension wirkt nur vorgetäuscht. Denn anstatt sich wirklich mit den Fragen von schriftstellerischer Kreativität, dem Verhältnis von Autoren zu ihren Charakteren, Schein und Sein, dem Wunsch nach der Traumfrau und der ernüchternden Wirklichkeit, zu beschäftigen, werden sie höchstens gestreift und manchmal mit einem halbgaren Witz, der früher sein Ende im Papierkorb des Autors gefunden hätte, garniert.

Das ist dann, auch wenn ich kein zweites „Little Miss Sunshine“ erwartete, eindeutig zu wenig um zu begeistern.

Ruby Sparks - Plakat

Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin (Ruby Sparks, USA 2012)

Regie: Jonathan Dayton, Valerie Faris

Drehbuch: Zoe Kazan

mit Paul Dano, Zoe Kazan, Antonio Banderas, Annette Bening, Steve Coogan, Elliott Gould, Chris Messina, Alia Shawkat

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Ruby Sparks“

Metacritic über „Ruby Sparks“

Rotten Tomatoes über „Ruby Sparks“

Wikipedia über „Ruby Sparks“