Don Winslow übt im Blockbuster-Modus „Vergeltung“

 

Dass ein Autor ab und an etwas Neues ausprobiert, ist okay. Auch wenn er dabei scheitert. Dabei ist „Vergeltung“, der neue Roman von Don Winslow, nicht vollkommen gescheitert. Er ist nur ein von der ersten bis zur letzten Seite vorhersehbarer Söldner-Thriller, der dem Genre absolut keine neue Facetten abgewinnt. Er liest sich wie die Vorlage für einen weiteren Film im „The Expendables“-Fahrwasser und weil – so mein Gedächtnis; einen Beleg habe ich jetzt nicht gefunden – Don Winslow in den vergangenen Jahren, vor allem im Zusammenhang mit der enttäuschenden „Savages“-Verfilmung, viel Kontakt mit Hollywood hatte, liest sich „Vergeltung“ wie eine Geschichte, die Winslow für ein Studio entwickelte und jetzt, vor der Verfilmung, zu ein Buch umarbeitete. Denn hier sitzen, im Gegensatz zu den anderen Romanen von Don Winslow, die Plot-Points vorbildlich nach der eingeübten und bei Filmen sinnvollen Drei-Akt-Struktur von dem Ende des ersten Akts (auf Seite 103 mit „David Collins zieht wieder in den Krieg.“) bis zum auf Seite 402 beginnendem Finale („Tag der Abrechnung.“), das mit gut neunzig Seiten auch ungefähr die entsprechende Filmlänge hat.

Davor erleben wir, wie Dave Collins, Ex-Delta-Force-Soldat und jetzt Sicherheitschef am John-F.-Kennedy-Airport, kurz vor Weihnachten bei einem Anschlag auf ein Flugzeug seine Frau und seinen Sohn verliert. Die Regierung sagt, dass es sich nicht um einen Anschlag, sondern um einen Unfall handelte.

Als Collins die Beweise für den Anschlag auf einem Silbertablett präsentiert bekommt, entschließt er sich, die Mörder seiner Familie zu finden und zu töten. Er engagiert eine Gruppe Söldner und auf geht die Hatz nach dem bösen Terroristen Abdullah Aziz um die halbe Welt, garniert mit zwei großen Action-Set-Pieces (das erste in der Mitte des Buches), in denen Collins und seine Jungs zeigen können, was sie drauf haben.

Spannungssteigernd plant Aziz einen noch viel größeren Anschlag.

Vergeltung“ ist ein 08/15-Söldner-Actioner mit entsprechend eindimensionalen Charakteren in einer entsprechend vorhersehbaren Geschichte, bei der es vor allem auf den großen Wumms ankommt. Diffizile Charakterzeichnungen gehören nicht dazu. Der Bösewicht Aziz ist einfach nur ein durchgeknallter Islamist; was natürlich zur Botschaft des Werkes passt. Die Söldner sind noch echte Kerle, die Schweiß für ein Deo halten. Beamte warmduschende Weicheier und Frauen Nebensache.

Der Roman lässt sich, vor allem wenn man auf diese Sorte von Geschichten steht und den ideologischen Ballast ignoriert, durchaus flott weglesen, aber das typische Don-Winslow-Lesegefühl stellt sich nie ein.

P. S.: Das Cover vermittelt, wenn wir die Werbezeile „Einer der besten Krimiautoren der Welt mit seinem bislang härtesten Thriller“ weglassen, einen präzisen Eindruck vom Inhalt.

Winslow - Vergeltung

Don Winslow: Vergeltung

(übersetzt von Conny Lösch)

Suhrkamp, 2014

496 Seiten

14,99 Euro

Originalausgabe

Vengeance

2013

(noch nicht erschienen)

Hinweise

Hollywood & Fine: Interview mit Don Winslow (11. Juli 2012)

Homepage von Don Winslow

Deutsche Homepage von Don Winslow

Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Private“ (The Dawn Patrol, 2008)

Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Paradises“ (The Gentlemen’s Hour, 2009) und „Tage der Toten“ (The Power of the Dog, 2005)

Meine Besprechung von Don Winslows „Bobby Z“ (The Death and Life of Bobby Z, 1997)

Meine Besprechung von Don Winslows „Satori“ (Satori, 2011)

Mein Interview mit Don Winslow zu “Satori” (Satori, 2011)

Meine Besprechung von Don Winslows „Savages – Zeit des Zorns“ (Savages, 2010)

Meine Besprechung von Don Winslows „Kings of Cool“ (The Kings of Cool, 2012)

Meine Besprechung von Oliver Stones Don-Winslow-Verfilmung „Savages“ (Savages, USA 2012)

Don Winslow in der Kriminalakte

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