In seiner neuesten Inkarnation sieht Jack Ryan nach Alec Baldwin, Harrison Ford und Ben Affleck wie Chris Pine aus und er ist auch wieder etwas verjüngt worden. Denn als Tom Clancy Jack Ryan erstmals 1984 in seinem Bestseller „Jagd auf Roter Oktober“ auftreten ließ, war er bereits ein gestandener Mittdreißiger. Danach ließ er ihn altern – und als Hollywood jetzt wieder einen Jack-Ryan-Film machen wollte, war klar, dass sich die Filmemacher einige Freiheiten von den Vorlagen nehmen. Was ja nicht unbedingt schlecht ist. Siehe James Bond, dessen Filmabenteuer schon seit Jahrzehnten nichts mehr mit den Geschichten von Ian Fleming zu tun haben.
Mit diesem etwas aus der Zeit gefallenem Helden hat Jack Ryan, ein Kind des Kalten Krieges, durchaus einige Gemeinsamkeiten. Jack Ryan ist zwar kein das Leben auf die leichte Schulter nehmender, sexuell höchst aktiver Jet-Setter. Er ist ein in einer festen Beziehung lebender Analyst, ein Zahlenfresser, ein biederer Beamter, der dann doch immer wieder in Trouble gerät. Auch weil er die Daten anders – was im Rahmen der Filmgeschichte „richtig“ heißt – als seine Vorgesetzten interpretiert und er dann doch auch mal einen Alleingang für sein Vaterland machen muss. Aber genau wie James Bond ist Jack Ryan ein braver Staatsdiener, der Geheimdienst funktioniert prächtig, die Technik funktioniert ebenso fehlerfrei und die Welt ist klar in Gut und Böse getrennt. Das hat dann, nachdem Jack Bauer und Jason Bourne, nicht mehr wussten, auf welcher Seite ihre Vorgesetzten stehen, doch etwas altmodisches. Denn in einem Jack-Bauer-Abenteuer wäre der Vorgesetzte ein Verräter. In einem Jack-Ryan-Film ist der Vorgesetzte kein Verräter, sondern die dem Helden helfende Hand, die dieser auch nötig hat.
In „Jack Ryan: Shadow Recruit“, das auf keinem Tom-Clancy-Roman, sondern auf dem Charakter basiert und als Beginn einer neuen Jack-Ryan-Serie geplant ist, erlebt Jack Ryan (Chris Pine) als Student in London die Anschläge auf das World Trade Center. Er geht zum Militär, wird scher verletzt, von CIA-Mann William Harper (Kevin Costner) rekrutiert und er beginnt, im Auftrag des CIA, undercover als Analyst an der Wall Street zu arbeiten. In der Gegenwart entdeckt er Unregelmäßigkeiten bei einem russischen Großkunden.
Harper schickt „Ich bin nur ein Analyst“-Jack-Ryan nach Moskau. Dort soll er die Konten überprüfen – und er gerät schnell in einen James-Bond-würdigen Schlamassel, der in seinem Hotelzimmer mit einem Mordanschlag auf ihn beginnt. Am Ende des Kampfes ist das Nobelhotelzimmer demoliert und eine Leiche liegt in der Badewanne. Innerhalb weniger Minuten werden von der sehr effektiven CIA-Renovierungstruppe die Schäden beseitigt und Jack Ryan darf Viktor Cherevin (Kenneth Branagh), dem Bösewicht, die Hand schütteln. Dieser will mit mehreren Anschlägen die Finanzmärkte so manipulieren, dass der US-Dollar wertlos wird.
„Jack Ryan: Shadow Recruit“ erfindet das Genre nicht neu. Aber Kenneth Branagh erzählt die Geschichte flott, konzentriert sich auf die Schauspieler, die Dialoge und altmodische Agentenspielereien, die als klassisches Spannungskino immer noch funktionieren. Die Action, wie die Schlägerei im Hotelzimmer und der Schlusskampf in New York, ist dagegen eher rar gesät und nicht so spannend wie Jack Ryans Einbruch in Cherevins Büro, während seine Freundin (Keira Knightley) Cherevin im Restaurant über mehrere Minuten ablenken soll.
Während Branagh stilistisch an die Gegenwart des Agententhrillers anschließt und auf eine angenehm altmodische Art ordentlich thrillt, sind gerade die Momente und die Ideologie, die aus dem Werk von Tom Clancy übernommen wurden, die Schwachpunkte des Films. Denn es wird die Mär von der guten und effizienten CIA verbreitet, einem funktionierendem, die Demokratie schützendem Apparat mit tapferen und ehrlichen Männer (und einigen gut aussehenden Frauen) und einer perfekt funktionierenden Technik. Nur die Politiker stören dabei ab und an. Und, wie im Kalten Krieg, sind die Amerikaner die Guten und die Russen die Bösen, in deren Reich sich seit Glasnost die Fassaden der Gebäude, aber nicht die inneren Strukturen des Landes änderten.
Aber schon der erste Jack-Ryan-Film „Jagd auf Roter Oktober“ war damals als ein mühsam auf Glasnost getrimmter Kalter-Kriegs-Thriller seltsam deplatziert in Kino.
Jack Ryan: Shadow Recruit (Jack Ryan: Shadow Recruit, USA/Russland 2013)
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: Adam Cozad, David Koepp
LV: Charakter von Tom Clancy
mit Chris Pine, Kevin Costner, Kenneth Branagh, Keira Knightley, Peter Andersson, David Paymer, Colm Feore, Lenn Kudrjawizki, Alec Utgoff
Länge: 106 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Film-Zeit über „Jack Ryan: Shadow Recruit“
Moviepilot über „Jack Ryan: Shadow Recruit“
Metacritic über „Jack Ryan: Shadow Recruit“
Rotten Tomatoes über „Jack Ryan: Shadow Recruit“
Wikipedia über „Jack Ryan: Shadow Recruit“ (deutsch, englisch)