Neu im Kino/Filmkritik: „Exodus – Götter und Könige“ und ein biblischer Text

Ich gestehe: Mit Bibelfilmen kann ich wenig anfangen. Meistens sind sie mir zu pathetisch und zu lang. Cecil B. DeMilles „Die zehn Gebote“ mit Charlton Heston als Moses bringt es auf 220 Minuten. Die müssen im Kino (oder vor dem Fernseher) erst einmal in einem Stück überlebt werden.
Dagegen ist Ridley Scotts „Exodus“ mit 151 Minuten fast ein Kurzfilm und „Batman“ Christian Bale als Moses geht auch in Ordnung. Er versprüht zwar eher das Charisma eines Beamten, aber da hat das Drehbuch und die Regie auch ein Wort mitgesprochen, als sie die allseits bekannte neu interpretierten.
Die Geschichte dürfte ja aus dem Religionsunterricht bekannt sein, die im Film so geht: Moses ist ein tapferer Soldat bei den Ägyptern. Er erfährt seine wahre Herkunft, wird in die Wüste geschickt, gründet eine Familie und hat eine Vision, die ihm eine Mission bescherrt. Er kehr zurück in seine alte Heimat und befreit, mit der Hilfe der legendären, von Gott geschickten zehn Plagen, sein unterdrücktes Volk aus dem Joch von Ramses, der ein unfähiger, machtgieriger Herrscher mit Ego-Problemen ist. Moses und sein Volk ziehen in die Wüste. Ramses verfolgt sie mit seinem Heer. Moses teilt das Wasser, dabei werden die letzten Reste von der äyptischen Streitmacht getötet. Auf einem Berg empfängt Moses die zehn Gebote und sie kommen in das gelobte Land.
Dass die Geschichte bekannt ist, spricht natürlich nicht gegen eine Neuinterpretation. Immerhin sind seit „Gladiator“ Sandalenfilme wieder in; in den USA sind tiefgläubige Christen, wenn der Film ihren Vorstellungen entspricht, eine nicht zu unterschätzende Zahl von Ticketkäufern und es ist nichts gegen eine gute Geschichte zu sagen. Die Geschichte von Moses quillt förmlich über vor guten Geschichte und potentiellen Konflikten, die für ein halbes Dutzend Filme ausreichen.
Aber „Exodus“ sieht auch in jeder Sekunde wie ein von einem Komitee gemachter Film aus. Ein Komitee, bei dem jedes Mitglied seine Ideen einbrachte und sich alle Mitglieder in einem Punkt einig waren: möglichst keine Konflikte. So werden die legendären Plagen in der Filmmitte, wie eine ungeliebte Pflichtaufgabe, in wenigen Minuten im Schnelldurchlauf abgehandelt. Dabei erzählen sie doch, wie der Kampf Moses und Ramses immer weiter eskalierte. Hier hätte ein Kampf um Herrschaft und Befreiung, auch mit aktuellen Bezügen, abgehandelt werden können. Stattdessen gibt es einige beeindruckende Bilder mit viel CGI und sonst nichts. Vor den Plagen darf Moses ein wenig Terrorist spielen und sich immer wieder mit einem Kind, das nur er sieht (jaja, Gott) unterhalten.
Davor, wenn Moses von seiner Herkunft erfährt und Jahre später seine Mission annimmt, hätte viel über echte und falsche Familien, über Beziehungen, Glaube und Zugehörigkeit gesprochen werden können. Immerhin sagt Moses sich von seiner Familie los, die ihn als Findelkind aufgenommen, erzogen und in ihre Pharaonenfamilie als Quasi-Sohn aufgenommen hat. Er zieht gegen sie in den Krieg. Er erklärt seinem Bruder, dem er am Filmanfang in einer ziemlich konfusen Schlacht das Leben rettete, die ewige Feindschaft, wenn er ihn nicht mit den hebräischen Sklaven von dannen ziehen lässt.
Auch später stellt sich die Frage, warum Ridley Scott und die vier genannten Drehbuchautoren aus dem Konflikt der beiden Brüder nichts gemacht haben. Denn deren Beziehung stehe, so die Macher, im Mittelpunkt des Films. Es ist ein dramaturgisch vollkommen leerer Mittelpunkt, der nur vom Willen der Drehbuchautoren vorangetrieben wird. Wenn Ramses Moses und das jüdische Volk, nachdem er ihnen die Freiheit schenkte, verfolgt, dann tut er das, weil es so im Drehbuch steht. Aber nicht, weil es psychologisch begründet ist.
In dem Moment läuft vor dem geistigen Auge schon lange ein zweiter Film ab: die Parodie auf diesen konsequent humorlosen Film, der mit eindimensionalen Klischeecharakteren bevölkert ist, die wir sofort vergessen und dem es gelingt, jeden, aber auch jeden aktuellen Bezug besser zu Vermeiden als der Teufel das Weihwasser.
Die Schauspieler können da nur noch hilflos in der Kulisse herumstehen oder chargieren. Besonders bedrückend ist der Auftritt von Sigourney Weaver, die in ungefähr drei Szenen kurz herumsteht und vielleich sogar ein Wort sagt. In einem anderen Film wäre das ein Cameo, das in der Werbung nicht erwähnt wird. Hier ist es eine groß beworbene Rolle, die sich darin erschöpft, dass Weaver ein Stück austauschbare Dekoration ist. Jedenfalls in der Kinoversion. Vielleicht war ihre Rolle in dem vierstündigen Rohschnitt größer, vielleicht gibt es im Bonusmateral der DVD, für die Ridley Scott dreißig Minuten ‚geschnittene Szenen‘ ankündigte, mehr von ihr zu sehen. Vielleicht sehen wir dann auch mehr von Ben Kingsley, der etwas mehr Filmzeit hat, aber aus seiner Rolle auch nichts herausholen kann.
Angesichts dieser konfliktfrei erzählten Geschichte, die jeden eigenen künstlerischen Zugriff vermissen lässt, mit überflüssigen neuen Szenen ist es absolut unwahrscheinlich, dass eine längere Version aus diesem Langweiler einen besseren Film macht. Dafür ist nicht zu viel falsch, sondern auf der erzählerischen Ebene nichts richtig gemacht worden.
Immerhin ist die Optik halbwegs beindruckend. Die Bilder erinnern an die Fotografien von Sebastião Salgado. Aber während in seinen SW-Bildern immer auch eine Anteilnahme und Sympathie für die Porträtierten vorhanden ist, bleibt bei Ridley Scott nur noch das Ornament der Masse übrig, das selbstverständlich in 3D präsentiert wird und damit auch jeder mitbekommt, dass es 3D ist (als ob nicht schon die dämliche Brille ausreichen würde) werden ständig Gegenstände in den Vordergrund geschoben, die in einem normalen Film nicht dort stehen würden.
Auch „Noah“ von Darren Aronofsky war ein schlechter Film. Aber im Gegensatz zu dem langweiligen Komitee-Film „Exodus“ hatte er immerhin so viele unglaubliche Szenen, dass ich mich fragte, ob die Macher beim Dreh irgendwelche Drogen genommen haben, um zum Beispiel auf ihre Stein-Transformers zu kommen.

Exodus - Plakat

Exodus – Götter und Könige (Exodus – Gods and Kings, USA 2014)
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Adam Cooper, Bill Collage, Jeffrey Caine, Steven Zaillian
mit Christian Bale, Joel Edgerton, John Turturro, Aaron Paul, Ben Mendelsohn, Maria Valverde, Ben Kingsley, Sigourney Weaver, Dar Salim, Golshifteh Farahani, Indira Varma
Länge: 151 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Deutsche Facebook-Seite zum Film
Film-Zeit über „Exodus“
Moviepilot über „Exodus“
Metacritic über „Exodus“
Rotten Tomatoes über „Exodus“
Wikipedia über „Exodus“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ridley Scotts “Prometheus” (Prometheus, USA 2012)

Ridley Scott in der Kriminalakte

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