„Heil“, der neue Film von Dietrich Brüggemann („Kreuzweg“, „3 Zimmer/Küche/Bad“) hätte der Film der Stunde werden können. Eine Satire über das heutige Deutschland. Eine Bestandsaufnahme über die Lage der Nation. Aber es wurde nur ein sich politisch gebender Klamauk, der nicht tiefer geht als ein Kneipenabend, bei dem man kräftig über alles ablästert und, nach dem dritten Bier, alles witzig findet. Vor allem die eigenen Witze. Auch und gerade wenn sie zum x-ten Mal erzählt werden.
Dabei setzt eine Satire, eine Komödie, eine „schrille Farce“ (Presseheft), eine Klarheit des Denkens und eine Analyse des Gegenstandes voraus, die „Heil“ nie leisten möchte. Es ist nur ein blinder Rundumschlag, bei dem wenigstens in jeder Sekunde die persönliche Betroffenheit von Dietrich Brüggemann spürbar ist. Es ist eine gigantische Entleerung, die ihm sicher guttut. Aber im Kino möchte man mehr sehen als diese halbgare Parade von Nazis, Autonomen, Verfassungsschützern, Polizisten, Richtern, Kulturschickeria, Politikern, Journalisten, Ausländern und einer Schwangeren, die alle mehr oder weniger einfältig dumm sind.
Die Schwangere ist Nina, die Freundin von Sebastian Klein, einem afrodeutschem Sachbuchautor und Liebling der liberalen Öffentlichkeit, der in Prittwitz, gelegen im Dreiländereck Thüringen, Brandenburg und Sachsen, lesen soll. Noch bevor das Empfangskomitee des Bürgermeisters ihn begrüßen kann, wird Sebastian von den örtlichen, strunzdummen Nazis zusammengeschlagen. Sebastian hat eine Totalamnesie, die dazu führt, dass er, wie ein Papagei, alles nachspricht. Für Sven Stanislawski, den geistig nicht besonders hellen Anführer der örtlichen Nazis, ist das die Gelegenheit. Mit einem Afrodeutschen als seiner Bauchrednerpuppe lässt er Sebastian, vor einem begeisterten Publikum landauf, landab in allen Talkshows ausländerfeindliche Sprüche aufsagen und alle freuen sich, dass endlich einmal jemand die Wahrheit sagt.
Nur Nina will die Verwandlung ihres Freundes nicht akzeptieren.
Und während sie versucht, ihren Freund wieder zurückzugewinnen, fährt Brüggemann eine Parade von Charakteren auf, die wohl alle, nah an der Wirklichkeit, diese demaskieren sollen. Aber es funktioniert nicht. Jedenfalls nicht, wenn man mehr als eine harmlose Sketch-Show erwartet. So sind die Nazis ohne irgendeine Grandezza einfach zu doof, um wirklich gefährlich zu sein. Dafür wird der Gag mit ihrer Rechtschreibschwäche so lange wiederholt, bis er nicht mehr witzig ist. Die Autonomen sind anscheinend in den Achtzigern stecken geblieben. Die Politiker, Verfassungsschützer und Polizisten nehmen Probleme überhaupt nicht wahr. Ein freier TV-Journalist verschärft wegen der Quote gesellschaftliche Probleme und Vorurteile. In Talkshows (es gibt mehrere Talkshow-Szenen, deren Erkenntnisgewinn schnell gegen Null geht) wird nur geredet. Sowieso wird jeder Gag mehrmals wiederholt, bis man sich, wie Sebastian Klein, einen Schlag auf den Kopf wünscht. Dann würde man „Heil“ vergessen. Beim nächsten Schlag sich, wie Sebastian, wieder an den Film erinnern. Beim nächsten Schlag wieder alles vergessen. Beim nächsten Schlag wieder daran erinnern; – nun, ich glaube, Sie haben das Prinzip verstanden. Sebastian erhält aber noch einige weitere Schläge.
Subtil geht anders.
Satire auch, wie, um nur zwei deutsche Beispiele, zu nennen, Rainer Werner Fassbinder in „Die Dritte Genration“ und Helmut Dietl in „Schtonk“ zeigten.
„Heil“ bestätigt dagegen nur das Urteil, dass die Deutschen keine Komödien machen können. Jedenfalls seitdem etliche deutsche Regisseure und Autoren nach Hollywood emigrieren mussten.
Heil (Deutschland 2015)
Regie: Dietrich Brüggemann
Drehbuch: Dietrich Brüggemann
mit Benno Fürmann, Liv Lisa Fries, Jerry Hoffmann, Jacob Matschenz, Daniel Zilmann, Oliver Bröcker, Anna Brüggemann, Thelma Buabeng, Richard Kropf, Jörg Bundschuh, Michael Gwisdek, Hanns Zischler, Heinz-Rudolf Kunze, Dietrich Kulbrodt, Thees Uhlmann, Bernd Begemann, Alfred Holighaus, Andreas Dresen, Heike-Melba Fendel, Robert Gwisdek, Leslie Malton, Marie-Lou Sellem, Lavinia Wilson (viel Spaß beim Entdecken dieser und weiterer Cameos)
Länge: 104 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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„Heil“ on Tour
Montag, 13. Juli, 20.00 Uhr
Berlin / Premiere – Kino International
In Anwesenheit der Produzenten, des Regisseurs und der Darsteller sowie weiterer Beteiligter.
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Dienstag, 14. Juli, 19.00 Uhr
Potsdam – Thalia
mit Dietrich Brüggemann, Liv Lisa Fries, Jacob Matschenz, Jerry Hoffmann
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Mittwoch, 15. Juli, 20.00 Uhr
Hamburg – Abaton
mit Dietrich Brüggemann, Liv Lisa Fries, Jacob Matschenz, Jerry Hoffmann
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Donnerstag, 16. Juli, 20.15 Uhr
Münster – Cinema
mit Dietrich Brüggemann und Jacob Matschenz
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Freitag, 17. Juli, 21.00 Uhr
Bremen – Cinema Ostertor
mit Dietrich Brüggemann, Jacob Matschenz, Jerry Hoffmann
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Samstag, 18. Juli, 20.00 Uhr
Karlsruhe – Schauburg
mit Dietrich Brüggemann, Benno Fürmann, Jacob Matschenz, Jerry Hoffmann
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Sonntag, 19. Juli, 21.30 Uhr
Freiburg – Open Air im Mensagarten
mit Dietrich Brüggemann, Benno Fürmann, Jacob Matschenz, Jerry Hoffmann
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Hinweise
Homepage zum Film
Facebook-Seite zum Film
Filmportal über „Heil“
Film-Zeit über „Heil“
Moviepilot über „Heil“
Rotten Tomatoes über „Heil“