Die Frau auf dem Buchcover ist nicht die titelgebende „Falsche Ursula“. Denn diese Ursula ist nach eigener Einschätzung „fett“ und ihre periodischen Fressattacken sind erschreckend umfangreich. Ihr Selbsthass und ihr Hass auf die Welt ebenso. Sie ist ungefähr so nett und sozialverträglich wie die von Melissa McCarthy in „Can you ever forgive me?“ gespielte Fälscherin.
Aber Ursula López ist keine Fälscherin, sondern eine in Montevideo in einem Mietshaus lebende Übersetzerin, die sich über die über ihr feiernde und mit Stöckelschuhen durch die Wohnung laufende Person aufregt und, erfolglos, Weight-Watchers-Treffen besucht . Eines Tages erhält Ursula einen Anruf. Ihr Mann wurde entführt und sie soll eine Million Lösegeld zahlen. In welcher Währung sagen die Entführer nicht, aber es würde in jedem Fall ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Außerdem hat sie keinen Mann.
Bevor sie das dem Anrufer sagen kann, hat der das Gespräch schon beendet.
Ursula entschließt sich mitzuspielen. Sie trifft den Entführer, der gar nicht so unsympathisch ist.
Wer Mercedes Rosendes neuen Roman „Falsche Ursula“ in der Erwartung auf einen spannenden Krimi über eine schief gehende Entführung liest, dürfte enttäuscht sein. Ursula erhält den Anruf erst in der Buchmitte und auch in der zweiten Hälfte steht der Kriminalfall nicht unbedingt im Mittelpunkt der Geschichte.
Im Mittelpunkt steht Ursula und ihr Leben. Rosende schildert das aus Ursulas Perspektive, ergänzt um einige Gespräche der Entführer mit ihrer Geisel und schriftliche Dokumente. Damit ist das Charakterporträt vor allem eine schön schwarzhumorige Geschichte mit einer nicht essentiellen Krimibeigabe.
Beim Lesen erinnert Rosendes „Falsche Ursula“ mich an Hannelore Cayres im Original zeitgleich veröffentlichten Roman „Die Alte“. In beiden rotzfrechen Büchern steht eine etwas ältere, sich selbst als unattraktiv einschätzende, die Welt hassende Frau im Mittelpunkt. Beide Male stolpert sie zufällig in eine Kriminalgeschichte. Einmal geht es um Drogenhandel, einmal um eine Entführung. Beide Male offenbart die Protagonistin im Umgang mit den Verbrechen und dem Verbrechen auch für sie ungeahnte kriminelle Fähigkeiten. Beide Romane sind mit jeweils um die zweihundert Seiten angenehm kurz. Und beide, uhm, Kriminalromane sind eine sehr vergnügliche Lektüre für Krimifans, die nicht nur Ermittler*innenkrimis lesen wollen.
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Mercedes Rosende: Falsche Ursula
(übersetzt von Peter Kultzen)
Unionsverlag, 2020
208 Seiten
18 Euro
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Originalausgabe
Mujer equivocada
Estuario Editora, Montevideo, 2017
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Hinweise
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