Aus aktuellem Anlass wird „Maidan“ jetzt wieder in einigen Kinos gezeigt und er erschien jetzt auch auf DVD. Das ist also eine gute Gelegenheit, sich Sergei Loznitsas acht Jahre alten Dokumentarfilm anzusehen. Bei Rotten Tomatoes hat er einen Frischegrad von hundert Prozent (was bei 26 Besprechung jetzt nicht so aussagekräftig ist) und auch bei uns wurde er zum Kinostart von der Kritik abgefeiert.
Der in Berlin lebende Sergei Loznitsa ist der international bekannteste ukrainische Regisseur. Er begann in den Neunzigern als Dokumentarfilmer und dreht seit 2010 auch Spielfilme. Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Austerlitz“ und „Donbass“.
In „Maidan“ beobachtet er die Ereignisse auf dem Maidan. Auf dem zentralen Platz in Kiew versammeln sich ab dem 21. November 2013 Demonstrierende. Sie protestieren anfangs gegen die Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union durch den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch. Die friedlichen Proteste werden schnell größer. Sie eskalieren als die Polizei den Platz räumen will.
Am 21. Februar 2014 flüchtet Janukowytsch nach Russland. Kurz darauf enden die Prostete und der Film.
„Maidan“ ist eine sich über diese Wochen erstreckende unkommentierte Chronik. Aufgenommen wurde sie mit einer statischen Kamera, die von den Anwesenden nicht bemerkt wurde. Sie drehen ihr oft den Rücken zu. Wenn sie auf sie zugehen, blicken sie nicht in die Kamera. Manchmal stellen sie sich auch einfach vor die Kamera. Reden auf der Bühne sind fast immer aus einer so großen Entfernung aufgenommen, dass die namenlosen Redner nicht zu erkennen sind. Normalerweise befindet die Kamera sich auf Augehhöhe mit den Protestierern. Bei einem anderen Blickwinkel könnten es Bilder aus einer Überwachungskamera sein. Es gibt keinen Off-Kommentar oder Interviews.
Es ist daher auch vollkommen unklar – jedenfalls ohne die begleitende Lektüre von Hintergrundberichten oder anderen Filmen und Nachrichtensendungen – wer hier wofür kämpft, welche Ansichten sie haben und ob ich mich mit deren Anliegen identifizieren kann und will. Es sind nur Menschen auf einem Platz.
Insofern ist „Maidan“ dann nur eine Abfolge von Bildern ohne irgendeinen Kontext. Gerade wenn es um politische Prozesse geht, sind der Kontext und Hintergrundinformationen wichtig. Erst sie ermöglichen eine Einordnung der Bilder.
Auch weil ich mit diesem rein beobachtendem Dokumentarfilmstil normalerweise wenig anfangen kann, war der Film für mich überwiegend langweilig und eine ärgerliche Zeitverschwendung. Denn in den über zwei Stunden, die „Maidan“ dauert, hätte ich einige Artikel über die Ukraine und den Maidan und den Wikipedia-Artikel und eine konventionelle TV-Doku sehen können. Dann hätte ich später beim Gespräch in woauchimmer etwas über den Maidan erzählen können.
Maidan (Майдан, Ukraine/Niederlande 2014)
Regie: Sergei Loznitsa
Drehbuch: Sergei Loznitsa
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DVD
Bild: 1:1,85 (PAL)
Ton: Ukrainisch (Dolby Digital 5.1 & 2.0)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bonusmaterial: –
Länge: 128 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Wikipedia über „Maidan“ und Sergei Loznitsa (deutsch, englisch)
[…] Meine Besprechung von Sergei Loznitsas „Maidan“ (Майдан, Ukraine/Niederlande 2014) […]