Neu im Kino/Filmkritik: Definiere „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“

Das erste Mal begegnen Louis (Bernard Campan) und Igor (Alexandre Jollien) sich auf einer Landstraße, als Louis kurz abgelenkt ist und den Radfahrer anfährt. Beide kommen mit dem Schrecken davon.

Das zweite Mal begegnet Louis ihm, als er ihn in seiner Bestattungsfirma besucht und sich die Särge und alles andere zeigen lässt. Der kindlich-naive, körperlich behinderte Hobbyphilosoph interessiert sich nämlich für Louis‘ Arbeit und den damit verbundenen philosophischen Fragen. Louis, dem das Unternehmen gehört, sind solche Fragen egal. Trotzdem zeigt er Igor mit genervter Höflichkeit alles. Und hofft, Igor danach nie wieder zu sehen.

Bei ihrer dritten Begegnung ist der immer gutgelaunte Igor ein blinder Passagier in Louis‘ Leichenwagen. Louis muss eine Leiche pünktlich von Lausanne nach Frankreich bringen. Deshalb kann er nicht umkehren und er möchte den behinderten Igor (der gut auf sich alleine aufpassen kann) auch nicht allein in einem Zug zurückschicken.

Also fahren die, wie es sich für ein Buddy-Movie gehört, unterschiedlichen Männer gemeinsam zum Ziel und werden dabei ziemlich beste Freunde.

So weit, so vorhersehbar und auch gelungen. Schließlich will „Glück auf eine Skala von 1 bis 10“ nur ein nettes Feelgood-Road-Movie sein.

Das besondere an dieser Komödie ist der Hauptdarsteller Alexandre Jollien. Er wurde mit zerebraler Kinderlähmung geboren. Diese Lähmung führt zu Haltungs- und Bewegungsstörungen. Seine Kindheit verbrachte er in einem Heim. Er studierte und promovierte. Er veröffentlichte mehrere Bücher, von denen „Lob der Schwachheit“, „Die Kunst, Mensch zu sein“ und „Liebe Philosophie, kannst du mir helfen?“ ins Deutsche übersetzt wurden. In der Philosophie hat er sich auf spirituelle Übungen und die Therapie der Seele spezialisiert.

Die Filmgeschichte entwickelte er über mehrere Jahre mit Bernard Campan. Sie kennen sich bereits seit fast zwanzig Jahren. Sie führten auch gemeinsam die Regie und übernahmen die Hauptrollen. In die Filmgeschichte floß vor allem Jolliens Sicht auf das Leben ein. Ohne große geistige Verrenkungen kann „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“ als die Spielfilmfortsetzung seiner Philosophie gesehen werden.

Das führt dazu, dass Igor ungefähr jede Szene mit einem Philosophenzitat oder einer philosophischen Bemerkung garniert. Es sind in dem Rahmen allerdings nur beliebig eingesetzte Kalendersprüche und Allgemeinplätze. Nie klingen sie, als habe Igor sich intensiver mit den Philosophen auseinandergesetzt. Stattdessen zitiert er sie wie ein altkluges Kind, das seine Belesenheit demonstrieren will.

Glück auf einer Skala von 1 bis 10“ ist eine sympathische, aber auch arg banale französische Wohlfühlkomödie, die mehr sein möchte, aber weniger ist. Das passiert halt, wenn Philosophie auf Kalenderweisheiten reduziert wird.

Glück auf einer Skala von 1 bis 10 (Presque, Schweiz/Frankreich 2021)

Regie: Alexandre Jollien, Bernard Campan

Drehbuch: Helene Gremillon, Alexandre Jollien, Bernard Campan

mit Bernard Campan, Alexandre Jollien, Tiphaine Daviot, Julie-Anne Roth, La Castou, Marilyne Canto, Anne-Valérie Payet

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

AlloCiné über „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“

Moviepilot über „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“

Wikipedia über „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“

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