Zwischen Gefängnis und Arbeit als schlecht bezahlte Friseuse empfiehlt sich die impulsive Inez De La Paz nicht als Mutter des Jahres. Deshalb ist es schon auf den ersten Blick verständlich, dass das Sozialamt ihren inzwischen sechsjährigem Sohn Terry in eine Pflegefamilie gab und die Zweiundzwanzigjährige ihn nicht sehen darf. Trotzdem spricht sie ihn auf der der belebten New Yorker Straße an und als er im Krankenhaus ist, entführt sie ihn kurzerhand. Mit seinem Einverständnis, aber es bleibt immer noch eine Entführung.
Danach erzählt A. V. Rockwell in ihrem Spielfilmdebüt die Geschichte von Inez und Terry über zwölf Jahre. Sie ziehen einige Häuserblocks weiter nach Harlem, haben eine gute Beziehung. Er akzeptiert ihren neuen Freund Lucky. Lucky akzeptiert Terry als Quasi-Sohn. Sie werden eine Familien. Terry ist ein guter Schüler und kommt auf bessere Schulen. Wirklich problematisch wird es für sie, als Terry kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag eine Empfehlung für das College erhält und einige Dokumente vorlegen muss, die er nicht hat.
„A Thousand and One“ ist ein frustrierender Film. Einerseits zeichnet Rockwell ein gelungenes, ihren Figuren zugeneigtes Porträt vom harten Leben in den USA am Rand der Gesellschaft. Die Schauspieler, R&B-Sängerin Teyana Taylor als Inez und Aaron Kingsley Adetola, Aven Courtney und Josiah Cross, die ihren Sohn Terry als sechs-, dreizehn- und siebzehnjährigen Jungen spielen, überzeugen.
Andererseits mäandert die chronologisch erzählte Geschichte vor sich hin. Nachdem Inez Terry entführt hat, scheint sich niemand für das spurlos verschwundene Kind zu interessieren. Entsprechend spannungsfrei plätschert die Geschichte als Sozialdrama (ohne Drama) bis kurz vor dem Schluss, nämlich dem Moment, als Terry für die Anmeldung zum College seine Geburtsurkunde vorzeigen muss, vor sich hin. Auch andere, die Beziehung zwischen Inez und Terry bedrohende Konflikte gibt es nicht.
Die Geschichte von Inez und Terry spielt sich vor der immer wieder plakativ eingeflochteten Stadtpolitik ab. 1994, als Inez aus der Rikers Island Correctional Facility entlassen wird, wird Rudy Giuliani Bürgermeister. Er erklärte dem Verbrechen den Krieg und forcierte die „Broken Windows“-Theorie. 2001 wurde die in ihrer Anwendung rassistische Stop-and-Frisk-Politik eingeführt. Sie ermögliches es der Polizei, jeden ohne einen besonderen Grund anzuhalten und zu durchsuchen. 2005 wurde Michael Bloomberg Bürgermeister von New York. Er forcierte die Gentrifizierung. Diese politischen Entscheidungen werden in O-Tönen angesprochen. Für die Geschichte bleiben diese Soundbites unwichtig.
„A Thousand and One“ wird im Kino in der Originalfassung und einer untertitelten Fassung gezeigt.
A Thousand and One (A Thousand and One, USA 2023)
Regie: A. V. Rockwell
Drehbuch: A. V. Rockwell
mit Teyana Taylor, Josiah Cross, Will Catlett, Aaron Kingsley Adetola, Aven Courtney
Länge: 117 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „A Thousand and One“
Metacritic über „A Thousand and One“