TV-Tipp für den 11. Oktober: November – Paris im Fadenkreuz

Oktober 10, 2025

ZDF, 23.35

November – Paris im Fadenkreuz (Novembre, Frankreich 2022)

Regie: Cédric Jimenez

Drehbuch: Cédric Jimenez, Olivier Demangel

Filmisches Gegenstück zu „Meinen Hass bekommt ihr nicht“, in dem es um die Gefühle eines Hinterbliebenen geht.

Cédric Jimenez liefert in „November“ eine packende Rekonstruktion der mehrtägigen Jagd der Anti-Terror-Einheit SDAT auf die Terroristen, die für die Anschläge auf das Bataclan und weitere Orte in Paris am 13. November 2015 verantwortlich waren.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jean Dujardin, Anaïs Demoustier, Sandrine Kiberlain, Jérémie Renier, Lyna Khoudr, Cedric Khan

Hinweise

Moviepilot über „November“

AlloCiné über „November“

Rotten Tomatoes über „November“

Wikipedia über „November“ (deutsch,französisch)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“ (La French, Frankreich/Belgien 2014)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „November“ (Novembre, Frankreich 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: Zur Neuverfilmung von Alexandre Dumas‘ „Der Graf von Monte Christo“

Januar 22, 2025

Unzählige Male wurde Alexandre Dumas‘ „Der Graf von Monte Christo“ verfilmt. Die erste bekannte Verfilmung ist eine vierzehnminütige US-amerikanische Verfilmung von Francis Boggs und Thomas Persons. Hobart Bosworth spielte Edmond Dantés, den späteren Grafen von Monte Christo in diesem Film von 1908 und vier Jahre später wieder. Seitdem spielten Walter Rilla, Robert Donat (der erste Tonfilmgraf), Jean Marais, Louis Jourdan, Richard Chamberlain, Gérard Depardieu und James Caviezel den Grafen. Inszeniert wurden die Abenteuer des rachsüchtigen Grafen für das Kino und das Fernsehen von Henry Levin, André Hunebelle (u. a. die immer noch beliebten Fantomas-Filme mit Louis de Funès), David Greene, Denys de La Patellière und Kevin Reynolds. Das sind größtenteils keine wirklich bekannten Regisseure, aber mindestens gute Handwerker, die eine Geschichte flüssig für ein großes Publikum erzählen können. Und das ist bei der von Alexandre Dumas erfundenen Geschichte nötig. Ursprünglich erschien die Geschichte von 1844 bis 1846 als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift „Le Journal des débats“. In Deutschland gibt es mehrere, teils mehr oder weniger, auch für ein jugendliches Publikum gekürzte Ausgaben. Die längste mir bekannte und aktuell regulär im Buchhandel erhältliche Fassung ist die bei dtv erschienene vollständige Übersetzung mit über 1500 Seiten.

Die Verfilmungen hatten oft, wie die Vorlage, eine epische Länge oder waren gleich eine mehrteilige TV-Serie.

Und jetzt gibt es eine neue Verfilmung der altbekannten Geschichte. Sie dauert fast drei Stunden und wurde von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière inszeniert. Sie inszenierten davor gemeinsam „Der Vorname“ und „Das Beste kommt noch“. Und sie schrieben zuletzt das Drehbuch für die 2023er „Die drei Musketiere“-Verfilmung. Pierre Niney („Yves Saint Laurent“, „Frantz“, „Jacques – Entdecker der Ozeane“, „OSS 117 – Liebesgrüße aus Afrika“) übernahm die Hauptrolle. Im benachbarten Frankreich ist der im Sommer gestartete Film mit inzwischen deutlich über neun Millionen Zuschauern ein Publikumserfolg.

Die Geschichte dürfte nach all den Verfilmungen und den oft mehr oder weniger gekürzten und bearbeiteten Buchausgaben bekannt sein.

Edmond Dantès ist 1815 ein junger, tapferer Seefahrer, der auch gegen Befehle seines Kapitäns verstößt, um während eines Sturms eine Frau vor dem Ertrinken zu retten. Als er seine große Liebe Mercédès heiraten will, wendet sich sein Schicksal. Denn sein bester Freund Fernand de Morcerf will ebenfalls Mercédès ehelichen. Im Gegensatz zu Dantès verfügt er über gute Beziehungen. Zusammen mit dem stellvertretendem Staatsanwalt Gérard de Villefort, der bei dem Verfahren gegen Dantès eine gute Karriereoption wittert, und Danglars, der das Kommando über sein Schiff an Dantès verlor, konspiriert er gegen Dantès. Danach soll Dantès Mitglied einer bonapartischen Verschwörung gegen den Staat sein. Ohne Gerichtsverfahren wird er zur Haft in einem Inselgefängnis verurteilt.

Nach vierzehn Jahren gelingt Dantès die Flucht. Ein Mithäftling, Abbé Faria, hat ihm vorher verraten, dass auf der Insel Monte Christo ein riesiger Goldschatz versteckt ist. Dantès findet den Schatz.

Als vermögender Graf von Monte Christo begibt er sich nach Paris. Er will sich an den Männern rächen, die ihn mit falschen Beweisen anklagten und zur Kerkerhaft verurteilten.

Delaporte und de La Patellière nehmen sich bei ihrer Version der bekannten Geschichte einige Freiheiten, die allein schon aufgrund der Länge des Romans notwendig sind. Davon abgesehen erzählen sie in ihrem sich erzählerisch am klassischen Abenteuerfilm orientierendem Dreistundenfilm die Geschichte des Grafen von Monte Christo strickt chronologisch und in drei deutlich unterscheidbaren Teilen

Der erste Teil ist der beste Teil des Rachedramas. Hier verdichten sie vorzüglich die Handlung und erzählen vieles ohne Worte. Ein Blick, Gesten, Reaktionen oder Tätigkeiten verraten alles notwendige über die Beziehungen der verschiedenen Akteure zueinander. In diesen Minuten wird gezeigt, wer warum gegen Dantès intrigiert und wie sich die Verschwörer aus verschiedenen Gründen gegen Dantès verbünden.

Die anschließende Gefangenschaft im Kerker, die gefährliche Flucht und die Entdeckung des Schatzes verbinden vor allem den ersten Teil mit der anschließenden Rachegeschichte. In ihr wird wenig gezeigt, aber viel geredet. Und das ist nicht so wahnsinnig spannend. Wir wissen bereits alles über das Komplott gegen Dantès. Trotzdem wird dies, teils quälend langwierig, in Tischgesprächen erklärt. Dantès überlegt sich komplizierte Komplotte gegen seine Feinde, die, nun, auf dem Papier möglicherweise gut aussehen. Im Kino nicht mehr. Außerdem bleibt beim Lesen immer die Zeit, die Namen nachzuschlagen und gegebenenfalls zurückzublättern.

Der Graf von Monte Christo (Le Comte de Monte-Cristo, Frankreich 2024)

Regie: Matthieu Delaporte, Alexandre de La Patellière

Drehbuch: Matthieu Delaporte, Alexandre de La Patellière

LV: Alexandre Dumas: Le Comte de Monte-Cristo, 1844/1846 (Der Graf von Monte Christo)

mit Pierre Niney, Bastien Bouillon, Anaïs Demoustier, Anamaria Vartolomei, Laurent Lafitte, Pierfrancesco Favino, Patrick Mille, Vassili Schneider, Julien de Saint Jean

Länge: 178 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

AlloCiné über „Der Graf von Monte Christo“

Moviepilot über „Der Graf von Monte Christo“

Metacritic über „Der Graf von Monte Christo“

Rotten Tomatoes über „Der Graf von Monte Christo“

Wikipedia über „Der Graf von Monte Christo“ (Roman: deutsch, englisch, französisch, aktuelle Verfilmung: deutsch, englisch, französisch)


TV-Tipp für den 11. November: November – Paris im Fadenkreuz

November 10, 2024

ZDF, 22.15

November – Paris im Fadenkreuz (Novembre, Frankreich 2022)

Regie: Cédric Jimenez

Drehbuch: Cédric Jimenez, Olivier Demangel

TV-Premiere des filmischen Gegenstücks zu „Meinen Hass bekommt ihr nicht“, in dem es um die Gefühle eines Hinterbliebenen geht.

Cédric Jimenez liefert in „November“ eine packende Rekonstruktion der mehrtägigen Jagd der Anti-Terror-Einheit SDAT auf die Terroristen, die für die Anschläge auf das Bataclan und weitere Orte in Paris am 13. November 2015 verantwortlich waren.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jean Dujardin, Anaïs Demoustier, Sandrine Kiberlain, Jérémie Renier, Lyna Khoudr, Cedric Khan

Wiederholung: Mittwoch, 13. November, 00.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Moviepilot über „November“

AlloCiné über „November“

Rotten Tomatoes über „November“

Wikipedia über „November“ (deutsch,französisch)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“ (La French, Frankreich/Belgien 2014)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „November“ (Novembre, Frankreich 2022)


TV-Tipp für den 14. August: Unglaublich, aber wahr

August 13, 2024

Arte, 20.15

Unglaublich, aber wahr (Incroyable mais vrai, Frankreich/Belgien 2022)

Regie: Quentin Dupieux

Drehbuch: Quentin Dupieux

Als Alain und Marie in ihr neues Vorstadthaus einziehen, zeigt ihnen ihr Makler im Keller eine in den Boden gehende Luke, hinter der sich etwas sehr Ungewöhnliches verbirgt, das ihr gesamtes Leben verändern könnte.

TV-Premiere. Ein weiterer Ausflug in die wundervoll schräge Welt von Quentin Dupieux („Rubber“, „Wrong“. „Reality“, „Die Wache“. „Monsieur Killerstyle“).

mit Alain Chabat, Léa Drucker, Benoît Magimel, Anaïs Demoustier, Stéphane Pezerat

Hinweise

AlloCiné über „Unglaublich, aber wahr“

Rotten Tomatoes über „Unglaublich, aber wahr“

Wikipedia über „Unglaublich, aber wahr“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Quentin Dupieux‘ „Wrong“ (Wrong, Frankreich/USA 2012)

Meine Besprechung von Quentin Dupieux‘ „Wrong Cops – Von Bullen und Biestern“ (Wrong Cops, Frankreich/USA/Russland 2013)

Meine Besprechung von Quentin Dupieux‘ „Die Wache“ (Au poste!, Frankreich 2018)

 


TV-Tipp für den 29. Mai: Gloria Mundi

Mai 28, 2024

Arte, 20.15

Gloria Mundi – Rückkehr nach Marseille (Gloria Mundi, Frankreich/Italien 2019)

Regie: Robert Guédiguian

Drehbuch: Serge Valletti, Robert Guédiguian

Glorias Geburt ist ein freudiges, die Familie zusammenführendes Ereignis. Aber es ist nur eine kurze Unterbrechung von den Alltagssorgen, die die in Marseille lebende Arbeiterfamilie hat. Und dann taucht auch noch, nach zwanzig Jahren im Gefängnis, Daniel wieder auf. Er möchte seiner Familie helfen.

TV-Premiere. Gekonnt und etwas spröde zwischen Analyse, Sozialdrama und, am Ende, Feelgood-Movie schwankendes Drama.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Gérard Meylan, Anaïs Demoustier, Robinson Stévenin, Lola Naymark, Grégoire Leprince-Ringuet

Hinweise

Homepage zum Film

AlloCiné über „Gloria Mundi“

Moviepilot über „Gloria Mundi“

Rotten Tomatoes über „Gloria Mundi“

Wikipedia über „Gloria Mundi“ (englisch, französisch)

Arte über „Gloria Mundi“ (in der Mediathek sind weitere Filme von Robert Guédiguian)

Meine Besprechung von Robert Guédiguians „Gloria Mundi – Rückkehr nach Marseille“ (Gloria Mundi, Frankreich/Italien 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: „Das Tier im Dschungel“ lauert auf…

Oktober 6, 2023

Patric Chiha verlegt in seinem neuen Film „Das Tier im Dschungel“ Henry James‘ 1903 erstmals publizierte Kurzgeschichte „The Beast in the Jungle“ so halbwegs in die Gegenwart und vollständig in die Discothek.

1979 treffen sich John Marcer (Tom Mericer) und May Bartram (Anaïs Demoustier) in einer Discothek. Sie ist fasziniert von ihm. Denn er steht abwartend am Rand. Er will nicht tanzen. Er wartet auf ein großes Ereignis. Alles, was davor passiert bedeutet nichts und ist nicht erinnerungswürdig. Deshalb erinnert er sich auch nicht an eine frühere, länger zurückliegende Begegnung mit ihr.

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten – die Geschichte umfasst über zwei Jahrzehnte – treffen sie sich jeden Samstag in der Discothek. Die Musik, die Mode und das wechselnde, aber immer junge Publikum zeigen, wie die Zeit vergeht, während John ungerührt das Treiben beobachtet. Während er wartet, verändert sich auch die Welt vor dem Nachtclub. Der Fall der Mauer und 9/11 finden im Fernsehen statt. Diese großen, die Welt erschütternde Ereignisse sind allerdings nicht das Ereignis sind, auf das John wartet.

Er wartet weiter, beobachtet dabei das Leben der anderen Menschen und lässt sein Leben ungelebt verstreichen.

May bleibt bei ihm. Gemeinsam beobachten sie zunehmend passiv das Treiben in dem Nachtclub.

Patric Chihas Idee die Kurzgeschichte in die Discothek und damit in das Nacht- und Clubleben zu verlegen ist so einfach wie genial. Einerseits ist ein Nachtclub ein Symbol für das Leben im Jetzt. Jeden Abend wird gefeiert als gäbe es keine weiteren Abend. Es ist ein Ort, in dem junge Menschen das Leben genießen; – bis sie heiraten und Kinder kriegen. Und es ist ein Ort, an dem sich nichts verändert, weil es ein Ort der ständigen Wiederholung ist. Daran ändern die wechselnde Musik, die wechselnde Inneneinrichtung, die wechselnden Moden, die wechselnden Tänze und die wechselnden Tänzer nichts. Es ist ein Ort, der mit der Realität nichts zu tun hat. Und damit ist es auch der Ort, der sich am wenigsten für das Warten auf ein das eigene Leben veränderndes Ereignis eignet. Vor allem wenn man, wie John, einfach nur wartet und dabei sein Leben ungenutzt verstreichen lässt.

Chiha gelingt es mit einem Minimum an Handlung dieses Warten, das von der von ‚Betty Blue‘ Béatrice Dalle gespielten Türsteherin kommentiert wird, interessant zu gestalten. Am Ende des Films stellt sich die Frage nach dem eigenen Leben.

Das Tier im Dschungel (La bête dans la jungle, Frankreich/Belgien/Österreich 2023)

Regie: Patric Chiha

Drehbuch: Patric Chiha, Axelle Ropert, Jihane Chouaib

LV: Henry James: The Beast in the Jungle, 1903 (Kurzgeschichte, Erstveröffentlichung in dem Sammelband „The Better Sort“)

mit Anaïs Demoustier, Tom Mercier, Béatrice Dalle, Martin Vischer, Sophie Demeyer, Pedro Cabanas, Mara Taquin, Bachir Tlili

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Das Tier im Dschungel“

AlloCiné über „Das Tier im Dschungel“

Rotten Tomatoes über „Das Tier im Dschungel“

Wikipedia über „Das Tier im Dschungel“ (deutsch, englisch, französisch)

Berlinale über „Das Tier im Dschungel“


Neu im Kino/Filmkritik: „November“, ein spannender semidokumentarischer Thriller über eine Terroristenjagd

Oktober 20, 2022

Der Film kann als das Gegenstück zu „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ betrachtet werden. In dem Drama schildert Kilian Riedhof die Gefühle von Antoine Leiris, dessen Frau im bekannten Pariser Club Bataclan während eines Konzerts der Eagles of Death Metal erschossen wird und ihn als Witwer mit einem zweijährigem Sohn zurücklässt. Der eindrucksvolle Film, der sich ausschließlich auf Leiris und sein näheres Umfeld konzentriert, läuft am 10. November an.

Auch „November“ beginnt mit dem Anschlag auf das Bataclan und den Anschlägen, die schon kurz vorher in Paris geschahen. Sie versetzen die Polizei in die höchste Alarmstufe. Die islamistischen Terroristen, Anhänger des Islamischen Staat (IS), ermorden 130 Menschen. Außerdem verletzten sie 683 Menschen, davon fast hundert schwer.

November“ schildert quasi-dokumentarisch die Jagd der Anti-Terror-Einheit SDAT nach den Tätern. Dabei konzentrieren sich im Film ihre Ermittlungen auf zwei Männer. Cédric Jimenez („Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“) und Co-Drehbuchautor Oliver Demangel („Baron Noir“) halten sich dabei, auf den ersten Blick, an die Fakten. Denn alle SDAT-Ermittler sind fiktive Figuren, die in einem unbekanntem Umfang auf realen SDAT-Ermittlern basieren. Der Name der für die Ermittlungen wichtigen Zeugin wurde geändert. Die Namen der Täter wurden nicht geändert.

Drehbuchautor Demangel und später Regisseur Jimenez unterhielten sich mit den Ermittlern und die Geschichte dürfte ziemlich genau den Fakten bzw. der von den Ermittlern abgesegneten Version entsprechen. Die Perspektive der Täter und der Opfer spielt in „November“ keine Rolle. Die Reaktion des Staates und der französischen Gesellschaft spielt ebenfalls keine Rolle. Es wird auch nie nach Gründen für die Anschläge gefragt. Die Anschläge sind in dem Thriller einfach das Ereignis, das für die Ermittler den Beginn der Arbeit bedeutet. Und die besteht darin, die Täter zu schnappen.

Der so entstandene, mit fiebriger Energie erzählte Film bleibt immer bei den Ermittlern und wie sie innerhalb von fünf Tagen den Drahtzieher der Anschläge finden. Am 18. November 2015 wollen sie Abdelhamid Abaaoud und weitere Personen in Saint-Denis, einer Banlieue-Stadt nordlich von Paris, während einer Anti-Terror-Razzia verhaften. Daraus entwickelt sich – und das ist der Höhepunkt des Films – ein siebenstündiges Feuergefecht, bei dem Chakib Akrouh durch die Zündung seiner Sprengstoffweste sich und alle im Haus befindenden Menschen tötet.

Das ist enorm spannend erzählt. Und in einigen Momenten fast schon seltsam pädagogisch. Denn so gesetztestreu erleben wir französische Polizisten sonst kaum in Filmen.

November (Novembre, Frankreich 2022)

Regie: Cédric Jimenez

Drehbuch: Cédric Jimenez, Olivier Demangel

mit Jean Dujardin, Anaïs Demoustier, Sandrine Kiberlain, Jérémie Renier, Lyna Khoudr, Cedric Khan

Länge: 107 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „November“

AlloCiné über „November“

Rotten Tomatoes über „November“

Wikipedia über „November“ (deutsch,französisch)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“ (La French, Frankreich/Belgien 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: „Gloria Mundi – Rückkehr nach Marseille“ und zur Familie

Januar 15, 2022

Eigentlich ist die Geburt eines Kindes ein glückliches Ereignis. Entsprechend erfreut versammelt sich die Familie im Krankenhaus und freut sich über Glorias Geburt. Kurz darauf schlagen die Alltagsprobleme wieder unerbittlich zu. Denn obwohl alle Familienmitglieder arbeiten – als Putzfrau, als Busfahrer, als Verkäuferin, als Chauffeur mit eigenem Auto – reicht das Geld gerade so. Wenn kein unvorhergesehenes Unglück passiert. Wie, zum Beispiel, von Taxifahrern als unliebsame Konkurrenz zusammengeschlagen zu werden und dann als Selbstständiger keinen Anspruch auf Geld zu haben. Oder die Kollegen sich entschließen für höhrere Löhne zu streiken, während für einen selbst der klägliche Lohn überlebenswichtig ist.

Und dann muss auch noch der seit zwanzig Jahren im Gefängnis sitzende Daniel, zu dem jeder Kontakt vermieden wird, informiert werden, dass er inzwischen Großvater ist.

Als Daniel kurz darauf aus dem Gefängnis entlassen wird, kehrt er zurück nach Marseille. Er will seine Enkelin sehen. Und, als hätte Regisseur Robert Guédiguian geahnt, dass die von ihm porträtierte, drei Generationen umspannende große Familie schon genug Probleme hat, kommt es jetzt nicht zum großen Streit. Daniel ist im Gefängnis zu einem anderen Menschen geworden. Er versucht, für Gloria ein Großvater zu sein. Also übernimmt er die typischen Großvater-Aufgaben. Und er will seiner Familie helfen. Aber wie kann ein Ex-Häftling mit schlechter Vergangenheit und ebenso schlechter Zukunft ihnen helfen?

In seinem neuen Film „Gloria Mundi – Rückkehr nach Marseille“ erzählt Robert Guédiguian mit etlichen seiner Stammschauspielern wie der Kapitalismus bürgerliche Existenzen bedroht. Dabei schwankt er gekonnt und etwas spröde zwischen Analyse, Sozialdrama und, am Ende, Feelgood-Movie.

Seine Premiere hatte „Gloria Mundi“ 2019 beim Filmfestival von Venedig. Dort wurde Ariane Ascaride als beste Darstellerin ausgezeichnet.

Gloria Mundi – Rückkehr nach Marseille (Gloria Mundi, Frankreich/Italien 2019)

Regie: Robert Guédiguian

Drehbuch: Serge Valletti, Robert Guédiguian

mit Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Gérard Meylan, Anaïs Demoustier, Robinson Stévenin, Lola Naymark, Grégoire Leprince-Ringuet

Länge: 107 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

AlloCiné über „Gloria Mundi“

Moviepilot über „Gloria Mundi“

Rotten Tomatoes über „Gloria Mundi“

Wikipedia über „Gloria Mundi“ (englisch, französisch)


TV-Tipp für den 18. August: Die Wache

August 17, 2021

Arte, 21.55

Die Wache (Au poste!, Frankreich 2018)

Regie: Quentin Dupieux

Drehbuch: Quentin Dupieux

Eine TV-Premiere, eine Polizeistation, ein Verhör, ein seltsamer Polizist, ein sich in Widersprüche verwickelnder Verdächtiger, ein Film von Quentin Dupieux. Ein Vergnügen für die Freunde des abseitigen Humors.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Benoît Poelvoorde, Grégoire Ludig, Marc Fraize, Anais Demoustier, Orelsan, Philippe Duquesne, Jacky Lambert, Jeanne Rosa, Vicnent Grass, July Messéan

Hinweise

Moviepilot über „Die Wache“

AlloCiné über „Die Wache“

Rotten Tomatoes über „Die Wache“

Wikipedia über „Die Wache“ (englisch, französisch)

Meine Besprechung von Quentin Dupieux‘ „Wrong“ (Wrong, Frankreich/USA 2012)

Meine Besprechung von Quentin Dupieux‘ „Wrong Cops – Von Bullen und Biestern“ (Wrong Cops, Frankreich/USA/Russland 2013)

Meine Besprechung von Quentin Dupieux‘ „Die Wache“ (Au poste!, Frankreich 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die Wache“, ein absurdes Verhör und viele Überraschungen

Dezember 13, 2019

Es beginnt mit einem bis auf eine Badehose nacktem Mann, der stolz seinen gewöhnlichen Körper präsentiert. Langsam bewegt die Kamera sich von ihm weg und wir sehen, dass er, auf einem Heuballen stehend, auf einem Feld ein Orchester dirigiert. Als die Polizei kommt, läuft er weg. Die Beamten verfolgen ihn in den Wald.

Wer diese absurde Szene für witzig hält, wird sich über den neuen Film von Quentin Dupieux freuen. Denn „Die Wache“ ist wieder ein sehr absurdes und höchst vergnügliches Stück abseitiges Kino. Damit schließt er nahtlos an seine vorherigen Filme „Reality“, „Wrong Cops“, „Wrong“ und, sein Durchbruch, „Rubber“ an. In der Komödie erzählt er die Geschichte eines Serienkillerreifens auf seinem Weg durch die USA.

In seinem neuen Film konzentriert Dupieux sich auf ein abgeranztes Büro in einer abgeranzten Polizeistation, die den Charme der siebziger Jahre verströmt. Dort will Kommissar Buron (Benoît Poelvoorde) in seinem fensterlosen Büro nur noch einige Punkte in Fugains Aussage klären. Louis Fugain (Grégoire Ludig) hatte in der Nacht vor dem anonymen Mietshaus, in dem er mit seiner Frau lebt, eine Leiche gefunden und die Polizei darüber informiert.

Buron führt diese Zeugenbefragung so penetrant durch, dass Fugain mit jeder Erklärung für sein auf den ersten Blick vorbildlich staatsbürgerliches Verhalten immer schuldiger wirkt. Abgelenkt wird Buron bei seiner Befragung durch ständige Telefonate, abschweifende Überlegungen und eine überbordende Lustlosigkeit. Buron verkörpert den unhöflich-nervigen Beamten, der seine Stellung für schlechtes Benehmen ausnutzt. Deshalb versucht der hungrige Fugain alle Fragen sehr höflich zu beantworten. Das scheint die beste Möglichkeit zu sein, möglichst schnell das Revier verlassen zu können und irgendwo etwas zu essen.

Als Buron mal kurz sein Büro verlassen muss, lernen wir Burons einäugigen Kollegen Philippe (Marc Fraize) kennen. Er ist so dumm, dass Buron ihm gegenüber wie eine wahre Geistesgröße wirkt. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände bringt Philippe sich um. Ein Geodreieck spielte eine wichtige Rolle bei seinem Tod. Verzweifelt versteckt Fugain die Leiche in einem der Büroschränke.

Als Buron zurückkehrt, geht das Verhör weiter. Immer noch will Buron jedes Detail mindestens fünfmal erklärt bekommen. Und Buron erklärt ihm alles mit einer Engelsgeduld, die ihn noch verdächtiger macht. Vor allem weil Buron immer wieder einen kleinen Widerspruch findet. Oder zu finden glaubt.

Die Wache“ ist ein herrlicher Witz, glänzend gespielt von gut aufgelegten Darstellern. Dabei ist die Befragung von der ersten Minute an so absurd, dass immer die triste Realität von missgünstigen, immer hart an der Grenze von Dummheit zu Debilität entlangschrammenden Beamten durchscheint. Sie hassen alle Menschen und sie lassen sie das spüren.

Das wundervoll absurde Theater strapaziert seinen Witz nicht über Gebühr. Nach etwas über einer Stunde ist der Spaß vorbei mit einer überraschend aus dem Hut gezauberten und nicht besonders überzeugenden Schlusspointe.

Ach ja: der Dirigent taucht, vollkommen unerwartet, kurz nach seiner Flucht noch einmal auf: als Gefangener in der Polizeistation. Danach verschwindet er aus dem Film und Kommissar Buron stellt Fugain seine erste Frage.

Die Wache (Au poste!, Frankreich 2018)

Regie: Quentin Dupieux

Drehbuch: Quentin Dupieux

mit Benoît Poelvoorde, Grégoire Ludig, Marc Fraize, Anais Demoustier, Orelsan, Philippe Duquesne, Jacky Lambert, Jeanne Rosa, Vicnent Grass, July Messéan

Länge: 71 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Die Wache“

AlloCiné über „Die Wache“

Rotten Tomatoes über „Die Wache“

Wikipedia über „Die Wache“ (englisch, französisch)

Meine Besprechung von Quentin Dupieux‘ „Wrong“ (Wrong, Frankreich/USA 2012)

Meine Besprechung von Quentin Dupieux‘ „Wrong Cops – Von Bullen und Biestern“ (Wrong Cops, Frankreich/USA/Russland 2013)


TV-Tipp für den 9. September: Eine neue Freundin

September 8, 2019

Arte, 20.15

Eine neue Freundin (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Regie: Francois Ozon

Drehbuch: Francois Ozon

LV: Ruth Rendell: The new girlfriend (in „The new girlfriend and other Stories“, 1985) (Die neue Freundin, Kurzgeschichte)

Nach dem Tod ihrer besten Freundin verspricht Claire sich um den Witwer David zu kümmern. Diese Freundschaft entwickelt sich anders als erwartet.

Lange überfällige TV-Premiere eines weiteren sehr gelungenen Films von Francois Ozon.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

Anschließend, um 22.00 Uhr, zeigt Arte mit „Die Zeit die bleibt“ (Le temps qui reste, Frankreich 2005) einen weiteren Ozon-Film.

Und am 26. September läuft in unseren Kinos sein neuester Film „Gelobt sei Gott“ an. Ein sehr sehenswerter, auf Tatsachen basierender Film über den Umgang der katholischen Kirche mit Geistlichen, die Kinder missbrauchen.

mit Romain Duris, Anaïs Demoustier, Raphaël Personnaz, Isild Le Besco, Aurore Clément, Jean-Claude Bolle-Reddat, Bruno Pérard, Claudine Chatel

Hinweise
Moviepilot über „Eine neue Freundin“
AlloCiné über „Eine neue Freundin“
Rotten Tomatoes über „Eine neue Freundin“
Wikipedia über „Eine neue Freundin“ (deutsch, englisch, französisch)

Homepage von Francois Ozon

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons ”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Francois Ozons „Eine neue Freundin“ (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von François Ozons „Frantz“ (Frantz, Deutschland/Frankreich 2016)

Meine Besprechung von François Ozons „Der andere Liebhaber“ (L’Amant Double, Frankreich/Belgien 2017)

 


Neu im Kino/Filmkritik: Francois Ozon hat eine „Eine neue Freundin“

März 26, 2015

Weil es eine wunderschöne Überraschung gibt, die in anderen Besprechungen oft sofort verraten wird und deshalb wahrscheinlich keine Überraschung mehr ist. Aber dennoch:
Achtung. Der Trailer verrät sie nicht, verspricht aber einen vollkommen anderen Film. Meine Kritik enthält Spoiler und verrät diese Überraschung, weil ich mehr als „gefällt mir“ sagen will.

Wenn wir Claude Chabrol, diesen kühlen Analysten der französischen Bourgeoisie, nicht vermissen, dann liegt das auch an Francois Ozon, der mit seinem neuen Film „Eine neue Freundin“ wieder, allerdings mit anderen Schwerpunkten, tief in das Chabrol-Territorium vorstößt.
Auf einer Trauerfeier hält Claire vor der versammelten, gutbürgerlichen Trauergemeinde eine ergreifende Trauerrede über die lebenslange, innige, von jedem Neid und Konkurrenzdruck freie Beziehung zwischen ihr und ihrer besten Freundin, der verstorbenen Laura. Ozon illustriert Claires Rede mit Rückblenden, die eine etwas andere Geschichte erzählen. Am Ende ihrer Rede versichert sie pathetisch dem trauerndem Ehemann, dass sie sich um ihn und Lauras Baby kümmern werde. In dem Moment hört sich das wie eine Drohung an.
Kurz darauf, wenn Claire David und sein Baby zum ersten Mal besucht, nimmt die Geschichte ihre erste überraschende Wendung. Denn die Frau im Haus, die Lauras Kleider an hat, ist David. Er zieht gerne Frauenkleider an. Seine Frau wusste es und er tut es auch nur, unbeobachtet von den Nachbarn, in ihrer Wohnung. Niemand weiß davon und niemand soll davon erfahren. Claire versichert ihm, dass sein Geheimnis bei ihr gut aufgehoben ist – und wir erinnern uns noch gut an ihr während der Trauerrede gegebenes Versprechen.
Fortan geht sie, und das ist die zweit überraschende Wendung, als ob es das natürlichste auf der Welt sei, öfters zu ihrer neuen Freundin Virginia und tauscht sich mit ihr über die richtige Kleidung, das Schminken und die Körperpflege aus. Sie werden zu richtigen Freundinnen.
Eines Tages möchte David als Virginia das Haus verlassen und alles das tun, was Frauen tun.
Francois Ozons Film „Eine neue Freundin“ basiert sehr lose auf der Kurzgeschichte „The new Girlfiriend“ von Ruth Rendell und obwohl er sich viele Freiheiten nimmt, erscheint die Geschichte, die sich auf zwei, drei Personen konzentriert, etwas dünn für einen Spielfilm. Das liegt auch daran, dass Ozon den satirischen Furor der ersten Minuten später nicht mehr erreicht und auch überhaupt nicht erreichen will. Denn die gefühlvoll erzählte Freundschaft zwischen Claire und David, in der es keine Konkurrenz gibt, wird immer wichtiger. Mit den damit verbundenem Problem, dass die verheiratete Claire jetzt immer öfter bei ihrer neuen Freundin ist, die dummerweise auch ein Mann mit einem Baby ist. Da könnte Claires Mann, wenn er in David einen Nebenbuhler vermuten würde, schon eifersüchtig werden.
Es gibt – und deshalb trägt der Vergleich zwischen Chabrol und Ozon auch nur bedingt – einen großen Unterschied zwischen ihnen. Bei Claude Chabrol schaffte das Bürgertum seine Probleme gerne mit einem Mord aus der Welt und Chabrol beobachtete sie mit einem scheinbar unbestechlichem, oft sardonischem und mitleidlosem Blick. Ozon hat einen freundlicheren, empathischeren und auch vorurteilsfreieren Blick auf seine Charaktere. Deshalb entfaltet das Verwirrspiel zwischen echten und falschen Identitäten auch immer wieder ein komödiantisches Potentizial und die Lösung des Problems wird nicht mit der Methode Chabrol versucht. Aber für das französische Bürgertum ist im Moment ein Crossdresser, der nicht verurteilt wird, wahrscheinlich genauso unangenehm wie damals ein Mörder, der nicht verurteilt wird. Und Ozon hat es geschafft, mit einer kleinen, scheinbar privaten Geschichte eine Gesellschaftsanalyse vorzulegen, die zielsicher die Tabuzonen vermisst, die die „Front National“–Wähler und die Demonstranten gegen die Homoehe haben.

Eine neue Freundin - Plakat

Eine neue Freundin (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)
Regie: Francois Ozon
Drehbuch: Francois Ozon
LV: Ruth Rendell: The new girlfriend (in „The new girlfriend and other Stories“, 1985) (Die neue Freundin, Kurzgeschichte)
mit Romain Duris, Anaïs Demoustier, Raphaël Personnaz, Isild Le Besco, Aurore Clément, Jean-Claude Bolle-Reddat, Bruno Pérard, Claudine Chatel
Länge: 108 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Eine neue Freundin“
Moviepilot über „Eine neue Freundin“
AlloCiné über „Eine neue Freundin“
Rotten Tomatoes über „Eine neue Freundin“
Wikipedia über „Eine neue Freundin“ (englisch, französisch)

Homepage von Francois Ozon

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)