DVD-Kritik: „Adam Dalgliesh – Scotland Yard“ ermittelt wieder im TV

Juli 12, 2022

Zwischen 1962 und 2008 schrieb P. D. James vierzehn Rätselkrimis mit dem Scotland-Yard-Ermittler Adam Dalgliesh. In den meisten Romanen hat er den Rang eines Commanders. Die bei Krimifans beliebten Romane erhielten mehrere Daggers und zahlreiche weitere Preise. 1987 erhielt P. D. James den CWA Cartier Diamond Dagger für ihr Lebenswerk. 1999 wurde sie von den Mystery Writers of America zum Grandmaster ernannt.

Im Fernsehen wurde Dalgliesh bereits von Roy Marsden und Martin Shaw (yep, „George Gently“) gespielt. Und jetzt in der TV-Serie „Adam Dalgliesh – Scotland Yard“ von Bertie Carvel. Der Theaterschauspieler spielte in der Miniserie „Jonathan Strange & Mr Norrell“ Jonathan Strange.

Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, wurde die TV-Serie um eine zweite und dritte Staffel verlängert. Die Dreharbeiten für die zweite Staffel sollen im Sommer beginnen.

Bei uns erschien jetzt auf DVD die aus drei spielfilmlangen Fällen bestehende erste Staffel. Die Filme spielen Mitte der siebziger Jahren. Als Grundlage für die Filme dienten drei Romane, von denen zwei in den Siebzigern und einer in den Achtzigern veröffentlciht wurde.

Im ersten Fall „Tod im weißen Häubchen“ stirbt in einer Krankenpflegeschule während einer Übung eine der Schülerinnen. Adam Dalgliesh soll herausfinden ob es ein Unfall (war es nicht) oder ein Mord war. Und den Täter finden.

Im zweiten Fall „Der schwarze Turm“ geht es an die Küste. Dalgliesh will einen alten Freund und Mentor, der inzwischen in einem Sanatorium lebt, besuchen. Als er dort ankommt, erfährt er, dass sein Freund verstorben ist. Dalgliesh will trotzdem einige Tage bleiben. Als er sich in dem einsam gelegenem Sanatorium umsieht, stößt er auf einige seltsame Todesfälle und einen spirituellen Berater, der für die im Sanatorium lebenden, in ihrer Mobilität oder anderweitig eingeschräkten Menschen ein Guru ist.

Im dritten Fall „Der Beigeschmack des Todes“ ermittelt Dalgliesh erstmals in London. In der Kirche St. Matthew werden zwei Männer mit durchgeschnittener Kehle gefunden. Einer der Toten ist ein obdachloser Alkoholiker, der andere ein kürzlich zurückgetretener Minister Ihrer Majestät.

Obwohl dieser Fall in London spielt und die Straßen fotogen mit Obdachlosen gesäumt sind, ist er ähnlich zeitlos wie die beiden vorherigen Fälle. Das liegt auch daran, dass die Ermittlungen vor allem im historischen Kirchengebäude und einem herrschaftlichem Anwesen stattfinden.

Adam Dalgliesh ist ein angenehm altmodischer Ermittler, der an erster, zweiter und dritter Stelle ein Ermittler ist. Der Tod seiner Frau und seine Karriere als Dichter werden zwar in jeder Folge angesprochen, aber sie haben keine Auswirkung auf die Krimihandlung. Er ist einfach ein Ermittler, der den Täter sucht. Dafür befragt er Zeugen und Verdächtige, sammelt Beweise und überführt ihn am Ende. Genauso, wie es vor ihm schon zahlreiche andere Ermittler taten.

Helfen tut ihm im ersten Fall der ruppige Kriminalpolizist Charles Masterson (Jeremy Irvine), der etwas zu penetrant seine Vorurteile gegen Minderheiten und Frauen pflegt. Im zweiten Fall ist die junge Polizistin Kate Miskin (Carlyss Peer) seine Mitarbeiterin. Die Schwarze arbeitet auf der dortigen Polizeistation und hilft Dalgliesh etwas abseits von den Dienstvorschriften. Im dritten Fall helfen beide Dalgliesh bei den Ermittlungen und zoffen sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Ansichten etwas.

Die Filme sind altmodische Rätselkrimis, die in den Siebzigern spielen, aber vollkommen zeitlos sind. Es gibt kein nennenswertes Zeitkolorit. Es gibt keine Neubetrachtungen der Vergangenheit aus der heutigen Perspektive (wie in den schon erwähnten George-Gently-Krimis). Das liegt auch daran, dass Adam Dalglieshs Fälle an Orten spielen, die von der restlichen Welt abgeschottet sind und die sich in den vergangenen hundert Jahren (oder mehr) kaum veränderten.

Wer also einen Rätselkrimi sehen möchte, der direkt aus den Siebzigern (oder Jahrzehnte früher) stammen könnte, sollte sich die Adam-Dalgliesh-Krmis ansehen.

Und, wie immer bei Romanverfilmungen, kann man die Filme als einen Anlass nehmen, die ausgezeichneten Romane wieder (?) zu lesen.

Adam Dalgliesh, Scotland Yard – Staffel 1 (Dalgliesh, Großbritannien 2021)

mit Bertie Carvel (Adam Dalgliesh), Jeremy Irvine (DS Charles Masterson), Carlyss Peer (DS Kate Miskin)

Die Fälle der ersten Staffel

Tod im weißen Häubchen (Shroud for a Nightingale)

Regie: Jill Robertson

Drehbuch: Helen Edmundson

LV: P. D. James: Shroud for a Nightingale, 1971 (Tod im weißen Häubchen)

Der schwarze Turm (The black Tower)

Regie: Andy Tohill, Ryan Tohill

Drehbuch: Stephen Greenhorn

LV: P. D. James: The Black Tower, 1975 (Der Schwarze Turm)

Der Beigeschmack des Todes (A Tast for Death)

Regie: Lisa Clarke

Drehbuch: Helen Edmundson

LV: P. D. James: A taste for death, 1986 (Der Beigeschmack des Todes)

DVD

Edel Motion

Bild: PAL 16:9 (1,78:1)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: –

Bonusmaterial: –

Länge: 272 Minuten (6 x 45 Minuten, 2DVDs)

FSK: ab 16 Jahre (wegen des dritten Falls; obwohl da auch eine FSK-12 möglich gewesen wäre)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Adam Dalgliesh, Scotland Yard“

Wikipedia über „Adam Dalgliesh, Scotland Yard“, Adam Dalgliesh (deutsch, englisch) und P. D. James (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Joel Coens „Macbeth“

Dezember 27, 2021

Die Geschichte von Macbeth, diesem Feldherren, dem drei Hexen die Königswürde prophezeien, und der sich danach, zusammen mit seiner Frau, zum König von Schottland morden will, dürfte bekannt sein. Auch ihr tödliches Ende. William Shakespeare erzählte sie in einem Theaterstück. Die autoritative Textfassung erschien, sieben Jahren nach seinem Tod, 1623. Setidem gehört das Drama zum festen Theaterrepertoire und wurde auch unzählige Male verfilmt. Die bislang letzte, äußerst bildgewaltig Kinoverfilmung ist von Justin Kurzel mit Michael Fassbender als Macbeth. Frühere, heute noch bekannte Verfilmungen sind von Roman Polanski, Akira Kurosawa (als „Das Schloss im Spinnwebwald“) und Orson Welles. Seine Verfilmung stand eindeutig Pate für Joel Coens neue „Macbeth“-Verfilmung, die auch gleichzeitig sein Solo-Regiedebüt ist. Alle seine anderen Filme inszenierte er mit seinem Bruder Ethan.

Joel Coen inszenierte seine extrem expressionistisch stilisierte „Macbeth“-Version, wie Orson Welles, in einem Studio in Schwarzweiß im 4:3-Bildformat. Die Dialoge kürzte er nur leicht. Seine Frau Frances McDormand übernahm die Rolle der Lady Macbeth. Sie spielte diese Rolle bereits 2016 in einer Produktion des Berkeley Repertory Theatre und sie schlug ihm das Projekt vor. Denzel Washington spielt Macbeth. Die Bildgestaltung übernahm Bruno Delbonnel („Inside Llewyn Davis“), das Szenenbild Stefan Dechant, die Kostüme sind von Mary Zophres und die Musik ist von Carter Burwell. Sie alle haben schon mit den Coen-Brüdern zusammen gearbeitet und sie trugen jetzt auch einen Teil zum Gelingen von „Macbeth“ bei.

Entstanden ist eine visuell brillante, sehr düstere, zum depressiven Wahnsinn neigende „Macbeth“-Version. Für Shakespeare-Fans ist das unbedingt sehenswert.

Andere Zuschauer sollten sich überlegen, wie groß ihre Toleranz für prächtig aussehende Theaterkulissen und Shakespeare-Dialoge ist. Das gilt auch für Fans der Coen-Brüder. Denn die typischen Stilelemente und der Humor der Coens fehlen hier fast vollständig. Obwohl „Macbeth“ eine ziemlich schwarzhumorige und bitterböse Geschichte ist, die für ihre Figuren immer wieder die schlimmstmögliche Wendung nimmt. Trotzdem wollte Joel Coen hier keinen typischen Coen-Film inszenieren. Er wollte das Shakespeare-Stück möglichst originalgetreu verfilmen und dabei die Beschränkungen eines von der Bühne abgefilmten Theaterstücks überwinden. Das ist ihm gelungen.

Macbeth (The Tragedy of Macbeth, USA 2021)

Regie: Joel Coen

Drehbuch: Joel Coen

LV: William Shakespeare: Macbeth, 1611/1623 (ursprünglich „The Tragedy of Macbeth“) (Macbeth)

mit Denzel Washington, Frances McDormand, Bertie Carvel, Alex Hassell, Corey Hawkins, Harry Melling, Brendan Gleeson, Kathryn Hunter, Moses Ingram

Länge: 105 Minuten

FSK: ? (dürfte aber mit Kulturbonus in Richtung FSK-12 gehen)

Jetzt in einigen Kinos und ab 14. Januar 2022 weltweit auf Apple TV+

Hinweise

Moviepilot über „Macbeth“

Metacritic über „Macbeth“

Rotten Tomatoes über „Macbeth“

Wikipedia über „Macbeth“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Bill Green/Ben Peskoe/Will Russell/Scott Shuffitts „Ich bin ein Lebowski, du bist ein Lebowski – Die ganze Welt des Big Lebowski“ (I’m a Lebowski, you’re a Lebowski, 2007)

Meine Besprechung von Michael Hoffmans “Gambit – Der Masterplan” (Gambit, USA 2012 – nach einem Drehbuch von Joel und Ethan Coen)

Meine Besprechung des Coen-Films „Blood Simple – Director’s Cut“ (Blood Simple, USA 1984/2000)

Meine Besprechung des Coen-Films “Inside Llewyn Davis” (Inside Llewyn Davis, USA/Frankreich  2013)

Meine Besprechung des Coen-Films „Hail, Caesar!“ (Hail, Caesar!, USA/Großbritannien 2016)

Die Coen-Brüder in der Kriminalakte