Neu im Kino/Filmkritik: „Kinder des Zorns“ – Über Kurt Wimmers Versuch, eine Kurzgeschichte von Stephen King zu verfilmen

Dezember 14, 2023

Manchmal braucht es nicht viel für ein langlebiges Franchise. In diesem Fall ist es eine Kurzgeschichte von Stephen King, die die Inspiration gab für zwei einprägsame Bilder: die sich im US-amerikanischen Hinterland bis hinter den Horizont erstreckenden Maisfelder und besessene Kinder, die Erwachsene töten. Beispielswiese das Gebiet durchquerende Touristen.

1984 verfilmte Fritz Kiersch Kings Geschichte. Seine Verfilmung „Kinder des Zorns“ (Children of the Corn) spielte an der Kinokasse sein Geld ein. Die Begeisterung von Kritik und Publikum war überschaubar – und das hat sich seitdem nicht geändert. Niemand hält „Kinder des Zorns“ (1984) ernsthaft für einen irgendwie guten, herausragenden Film, den man sich angesehen haben muss.

Trotzdem gab es seitdem zehn weitere Filme, von denen acht als Fortsetzungen, die wenig bis nichts miteinander verbindet (außer der Sache mit dem Getreide), gelabelt werden, ein Remake und jetzt Kurt Wimmers Reboot, das auch mal als Prequel bezeichnet wird.

Sein Prequel/Reboot spielt in der Gegenwart und erzählt die Vorgeschichte zu Kierschs Film und auch zu Stephen Kings erstmals 1977 publizierter Kurzgeschichte „Kinder des Mais“ (Children of the Corn). Wimmer erzählt also, wie die titelgebenden „Kinder des Zorns“ (aka Children of the Corn aka Kinder des Mais) zu den Kindern des Zorns wurden.

Kurt Wimmer ist für Genrefans ein bekannter Name. Er inszenierte den tollen SF-Thriller „Equilibrium“, aber auch die SF-Gurke „Ultraviolet“. Als Autor war er in „Die Thomas Crown Affäre“, „Street Kings“, „Salt“ und „Total Recall“ (das überflüssige Remake) involviert.

Das hätte also etwas werden können.

Hätte.

Entstanden ist ein erstaunlich misslungener, langweiliger, nichtssagender, das Potential von Stephen Kings Kurzgeschichte hoffnungslos verschenkender Horrorfilm, Nie gelingt es Wimmer, die überschaubaren und einfachen Regeln und Strukturen seiner Welt, nachvollziehbar zu etablieren. Er spricht viele Themen an, ohne sie sinnvoll zu vertiefen oder in die Geschichte zu integrieren. Seine Figuren verhalten sich durchgehend widersprüchlich und oft unlogisch.

Im Zentrum der bestenfalls erahnbaren Filmgeschichte steht die siebzehnjährige Boleyn (Elena Kampouris). Sie will demnächst die Gegend verlassen und in Boston an der Universität Mikrobiologie studieren. Jetzt kümmert sie sich noch um ihren jüngeren Bruder Cecil (Jayden McGinlay), streift durch das Korn und begegnet Gleichaltrigen, die sich die Zeit mit teils gefährlichen Spielen vertreiben.

Die zwölfjährige Eden (Kate Moyer) ist die Anführerin der Jugendlichen. Sie stachelt sie später zu einer Mordserie an den Erwachsenen auf.

Das alles hat etwas mit dem im Mais lebendem, Menschenopfer verlangendem Kornmonster, das Eden „Der hinter den Reihen geht“ nennt, zu tun.

Letztendlich schließt sich der neueste „Kinder des Zorns“-Film nahtlos an die vorherigen Filme der Serie an. Es ist ein vergessenswerter Horrorfilm, der ein vergessenswertes, allseits unbeliebtes und dennoch erstaunlich langlebiges Franchise fortsetzt.

P. S.: Gedreht wurde der Film von April bis Juni 2020. Die Premiere war am 23. Oktober 2020 in Sarasota, Florida. Der für 2022 geplante US-Kinostart wurde letztendlich auf den 3. März 2023 verschoben. Und jetzt läuft er bei uns im Kino.

Kinder des Zorns (Children of the Corn, USA 2020)

Regie: Kurt Wimmer

Drehbuch: Kurt Wimmer

LV (Inspiration): Stephen King: Children of the Corn, 1977 (Kurzgeschichte, Penthouse) (Kinder des Mais, erschienen in „Nachtschicht“)

mit Elena Kampouris, Kate Moyer, Callan Murphy, Bruce Spence, Stephen Hunter, Jayden McGinlay, Ashlee Juergens, Sisi Stringer, Joe Klocek

Länge: 93 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Die Inspiration

Wer hätte das vor über vierzig Jahren gedacht? Nämlich dass ein Buch, und dazu noch eine Kurzgeschichtensammlung (die als notorisch unverkäuflich eingeschätzt werden), seit seiner Erstaufflage im Original und in der Übersetzung nie ‚out of print‘ war? Im Fall von „Nachtschicht“ ist Stephen King genau das gelungen. Außerdem inspiriert diese Sammlung von zwanzig spannenden Kurzgeschichten immer noch Filmemacher. 2020 gab es eine neue Verfilmung von „Children of the Corn“, dieses Jahr eine von „The Boogeyman“ und dazwischen verschiedene Ein-Dollar-Verfilmungen. Das ist eine von Stephen King jungen Filmemachern gewährte Option: sie dürfen für einen eher symbolischen Dollar eine seiner Kurzgeschichten verfilmen. Es gibt nur eine Bedingung: sie dürfen ihren Film danach nur in einem sehr begrenzten, nicht-kommerziellem Rahmen aufführen. Und Stephen King sieht sich das Werk an.

Stephen Kings erste Sammlung von Kurzgeschichten enthält:

Briefe aus Jerusalem (Jerusalem’s Lot, 1978)

Spätschicht (Graveyard Shift, 1970)

Nächtliche Brandung (Night Surf, 1974)

Ich bin das Tor (I Am the Doorway, 1971)

Der Wäschemangler (The Mangler, 1972)

Das Schreckgespenst (The Boogeyman, 1973)

Graue Masse (Gray Matter, 1973)

Schlachtfeld (Battleground, 1972)

Lastwagen (Trucks, 1973)

Manchmal kommen sie wieder (Sometimes They Come Back, 1974)

Erdbeerfrühling (Strawberry Spring, 1975)

Der Mauervorsprung (The Ledge, 1976)

Der Rasenmähermann (The Lawnmower Man, 1975)

Quitters, Inc. (Quitters, Inc. 1978)

Ich weiß, was du brauchst (I Know What You Need, 1976)

Kinder des Mais (Children of the Corn, 1977)

Die letzte Sprosse (The Last Rung on the Ladder, 1978)

Der Mann, der Blumen liebte (The Man Who Loved Flowers, 1977)

Einen auf den Weg (One for the road, 1978)

Die Frau im Zimmer (The Woman in the Room 1978)

Stephen King: Nachtschicht

(übersetzt von Barbara Heidkamp, Harro Christensen, Michael Kubiak, Karin Balfer, Ulrike A. Pollay, Sabine Kuhn, Ingrid Herrmann, Wolfgang Hohlbein, Bernd Seligmann und Stefan Sturm)

Lübbe, 1988

448 Seiten

13 Euro

Deutsche Erstausgabe

Lübbe, 1984

Originalausgabe

Nightshift

Doubleday, 1978

Hinweise

Moviepilot über „Kinder des Zorns“ (2020)

Metacritic über „Kinder des Zorns“ (2020)

Rotten Tomatoes über „Kinder des Zorns“ (2020)

Wikipedia über „Kinder des Zorns“ (2020) (deutsch, englisch)

Homepage von Stephen King

Mein Porträt zu Stephen Kings Geburtstag

Meine Besprechung von Stephen Kings/Richard Bachmans „Qual“ (Blaze, 2007)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Nachgelassene Dinge“ (The things they left behind) in Ed McBains „Die hohe Kunst des Mordens“ (Transgressions, 2005)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Colorado Kid“ (The Colorado Kid, 2005)

Meine Besprechung von Joe Hill/Stephen King/Richard Mathesons „Road Rage“ (Road Rage, 2012)

Meine Besprechung der auf Stephen Kings Novelle “The Colorado Kid” basierenden TV-Serie “Haven”

Meine Besprechung von Kimberly Peirces Stephen-King-Verfilmung “Carrie” (Carrie, USA 2013)

Meine Besprechung von Tod Williams‘ Stephen-King-Verfilmung „Puls“ (Cell, USA 2016)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Der dunkle Turm: Schwarz“ (The Dark Tower: The Gunslinger, 1982) und von Nikolaj Arcels Romanverfilmung „Der dunkle Turm“ (The dark Tower, USA 2017)

Meine Besprechung von Andy Muschiettis „Es“ (It, USA 2017)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere“ (Pet Sematary, 1983) und Kevin Kölsch/Dennis Widmyers Romanverfilmung „Friedhof der Kuscheltiere“ (Pet Sematary, USA 2019)

Meine Besprechung von Andy Muschietti Stephen-King-Verfilmung „Es Kapitel 2″ (It Chapter 2, USA 2019)

Meine Besprechung von Mike Flanagans „Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen“ (Doctor Sleep, USA 2019) (wahrscheinlich einer der Filmtitel, die kein Mensch an der Kinokasse vollständig ausgesprochen hat)

Meine Besprechung von Rob Savages Stephen-King-Verfilmung „The Boogeyman“ (The Boogeyman, USA 2023)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Doctor Sleep“ (Doctor Sleep, 2013)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Später“ (Later, 2021)

Stephen King in der Kriminalakte, in seinem Trailer-Park und auf Europa-Tour


TV-Tipp für den 11. April: Wo die grünen Ameisen träumen

April 10, 2022

Arte, 22.15

Wo die grünen Ameisen träumen (Deutschland 1984)

Regie: Werner Herzog

Drehbuch: Werner Herzog

Nach seinem Übererfolg „Fitzcarraldo“ und vor „Cobra Verde“, seinem letztem Film mit Klaus Kinski, brach Werner Herzog nach Australien auf. Dort drehte er einen Spielfilm über den Kampf eines Aborigines-Stamms gegen den Uran-Abbau der Mining Company. Dabei, immerhin ist es ein Spielfilm, vermengt er Fakten mit Fiktion.

Zwei zeitgenössische Bewertungen: „Herzog scheint unentschlossen gewesen zu sein, ob er eher dem von ihm erwarteten Mythizismus neuen Ausdruck geben oder einem akuten Thema, dem Konflikt von Ökologie contra Ökonomie, folgen sollte. Als halbherziger Kompromiss aus beiden enttäuscht der Film. Er erreicht nicht die Kraft von Herzogs großen Kinovisionen, hat aber auch nicht die engagierte Themennähe seiner Dokmentarfilme.“ (Fischer Film Almanach 1985)

zivilisationskritische Parabel (…) kein ökologischer Thesenfilm, sondern eine in faszinierenden Bildern, kontemplativem Rhythmus und nahezu heiterem Tonfall dargebotene Studie über das weltweite Vergehen von Hören und Sehen, das Verschwinden der Träume und die Verhärtung westlicher Denk- und Bewusstseinsformen.“ (Lexikon des internationalen Films)

Wo die grünen Ameisen träumen“ gehört immer noch zu Herzogs unbekannteren Filmen zwischen seinen Klassikern aus den Siebzigern (endend mit „Fitzcarraldo“) und seinem aus wenigen Spielfilmen und einer unüberschaubaren Menge von Dokumentarfilmen bestehendem Spätwerk.

Mit Bruce Spence, Wandjuk Marika, Roy Marika, Ray Barrett, Norman Kaye

Wiederholung: Mittwoch, 20. April, 00.15 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Filmportal über „Wo die grünen Ameisen träumen“

Rotten Tomatoes über „Wo die grünen Ameisen träumen“

Wikipedia über „Wo die grünen Ameisen träumen“

Meine Besprechung von Werner Herzogs „Königin der Wüste“ (Queen of the Desert, USA/Marokko 2015)

Meine Besprechung von Werner Herzogs „Salt and Fire“ (Salt and Fire, Deutschland/USA/Frankreich/Mexiko 2016)

Werner Herzog in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 21. Juli: Die Autos, die Paris auffraßen

Juli 21, 2016

Arte, 23.50

Die Autos, die Paris auffraßen (The Cars, that ate Paris, Australien 1974)

Regie: Peter Weir

Drehbuch: Peter Weir (nach einer Geschichte von Peter Weir, Keith Gow und Piers Davies)

Arthur Waldo wird nach einem Autounfall mit sanfter Gewalt in dem Städtchen Paris festgehalten. Dabei entdeckt er, dass in der Nähe von Paris schon vor ihm viele Autofahrer in einer Kurve verunglückten. Gleichzeitig hält eine Gruppe autobegeisterter Jugendlicher die Bewohner im Schach und auch die Autos scheinen ein Eigenleben zu führen.

Am Einfachsten kann man Peter Weirs Kinodebüt als ziellose Satire mit einigen Splatter-Einlagen beschreiben. Denn es wird nie deutlich wogegen sich der Film richtet, die Bedrohung beziehungsweise das Geheimnis von Paris bleibt diffus und die wenigen, blutigen Bilder von Organentnahmen wirken wie aus einem anderen Film geklaut. Wahrscheinlich wollte Peter Weir so das Mitternachtspublikum ansprechen und seinem Film ein weltweites Publikum verschaffen.

Extrem selten gezeigtes Frühwerk von Peter Weir mit extrem kultigen Autos.

mit John Meillon, Terry Camilleri, Kevin Miles, Rick Scully, Max Gillies, Danny Adcock, Bruce Spence

auch bekannt als „Die Killer-Autos von Paris“ (TV-Titel)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Die Autos, die Paris auffraßen“

Wikipedia über „Die Autos, die Paris auffraßen“ (englisch) und über Peter Weir (deutsch, englisch)

Senses of Cinema über Peter Weir

The Peter Weir Cave (eine Fanseite)

Meine Besprechung der “Peter Weir Collection” (mit “Die Autos, die Paris auffrassen”, “Picknick am Valentinstag”, “Die letzte Flut” und “Wenn der Klempner kommt”)

Peter Weir in der Kriminalakte


DVD-Kritik: Wenn der Horror in die Normalität einbricht: die „Peter Weir Collection“ mit den frühen Filme von Peter Weir

April 12, 2013

 

Während die Hollywood-Filme von Peter Weir, wie „Der einzige Zeuge“, „Mosquito Coast“, „Der Club der toten Dichter“, „Green Card – Schein-Ehe mit Hindernissen“, „Die Truman-Show“ und „Master and Commander“ regelmäßig im Fernsehen gezeigt werden und entsprechend bekannt sind, sind die Frühwerke von Peter Weir, mit denen er sich den Weg nach Hollywood ebnete, unbekannte Klassiker. Filme, von denen man schon einmal gehört hat und die unter Cineasten und Genrefreaks Kultstatus genießen, aber bei uns teils überhaupt nicht im Kino liefen und auch im TV kaum gezeigt werden. Man kennt zwar, die Bilder der „Killerautos von Paris“, man hat von der dräunenden Apokalypse der „letzten Flut“ gehört, man fürchtet sich vor „Wenn der Klempner kommt“ und das „Picknick am Valentinstag“ dürfte der bekannteste Film aus dem Frühwerk von Peter Weir sein, aber man hat sie, mangels Gelegenheit nicht oder vor Ewigkeiten gesehen – und daher ist es gut, dass Koch Media diese vier Filme in einer schicken Box (mit überschaubarem Bonusmaterial) versammelte. Denn so kann man auch die Verbindungen zwischen seinem Kinodebüt „Die Autos, die Paris auffrassen“, seinem internationalen Durchbruch „Picknick am Valentinstag“, dem apokalyptischen Science-Fiction-Film „Die letzte Flut“ und der kleinen, für das TV gedrehten Satire „Wenn der Klempner kommt“ sehen.

Auf den ersten Blick haben diese vier Filme kaum etwas gemeinsam. In „Die Autos, die Paris auffrassen“ wird Arthur Waldo nach einem Autounfall mit sanfter Gewalt in dem Städtchen Paris festgehalten. Dabei entdeckt er, dass in der Nähe von Paris schon vor ihm viele Autofahrer in einer Kurve verunglückten. Gleichzeitig hält eine Gruppe autobegeisterter Jugendlicher die Bewohner im Schach und auch die Autos scheinen ein Eigenleben zu führen. Am Einfachsten kann man den Film als ziellose Satire mit einigen Splatter-Einlagen beschreiben. Denn es wird nie deutlich wogegen sich der Film richtet, die Bedrohung beziehungsweise das Geheimnis von Paris bleibt diffus und die wenigen, blutigen Bilder von Organentnahmen wirken wie aus einem anderen Film geklaut. Wahrscheinlich wollte Peter Weir so das Mitternachtspublikum ansprechen und seinem Film ein weltweites Publikum verschaffen.

Das gelang ihm mit seinem zweiten Film „Picknick am Valentinstag“, der Australien als Filmnation auf die internationale Landkarte hob. Später kamen Filme wie „Mad Max“ und „Razorback“ und „Crocodile Dundee“, um nur die wirklich bekanntesten Filme zu nennen und die Spannbreite des australischen Filmwunders aufzuzeigen, dazu.

Weirs zweiter Spielfilm erzählt von einer Internatsschülerinnengruppe die am Valentinstag 1900 einen Ausflug zum Hanging Rock macht. Drei Schülerinnen verschwinden spurlos. Nach einer langen Suche wird eine Schülerin gefunden. Aber sie schweigt. Das Verschwinden der Mädchen bleibt rätselhaft. Ebenso die zweite Hälfte des Films, die zunehmend zwischen verschiedenen Plots zerfasert.

Aber die erste Hälfte, in der Weir eine geheimnisvolle Spannung aufbaut, der Hanging Rock mystisch überhöht wird zu einer Erkundung in das unerforschte Land der Sexualität – immerhin sind die Schülerinnen alle im Teenager-Alter, die strengen Regeln an der Schule, die sie zu gesellschaftlich wertvollen Menschen erziehen sollen, verbieten jede Gefühlsäußerung und immer wieder gibt es Andeutungen in diese Richtung, auch in Richtung gleichgeschlechtlichem Sex – ist grandios.

In „Die letzte Flut“ gelingt es Peter Weir durchgängig die Stimmung einer geheimnisvollen Bedrohung zu schaffen, auch wenn der Plot dem sattsam bekannten Muster von Geschichten über nahende Apokalypsen folgt in dem zuerst geheimnisvolle Dinge geschehen, der Protagonist erkennt, dass diese Ereignisse mit seinen Visionen etwas zu tun haben und es am Ende – wahlweise – die Apokalypse gibt oder der Protagonist als Auserwählter sie doch irgendwie aufhalten kann.

Aber wie Peter Weir diese Geschichte erzählt, verrät dann eine erzählerische Souveränität, die er so in „Picknick am Valentinstag“ noch nicht hatte. David Burton (Richard Chamberlain) ist ein Anwalt in Sydney, der teils von Visionen einer nahenden Flut gequält wird, teils fassungslos die Wetterkapriolen mit Sturmfluten beobachtet. Als er pro bono die Verteidigung von einigen jungen Aborigines übernimmt, die einen anderen Aborigine im Suff ermordeten, und er glaubt, dass der Hintergrund für die Tat ein Stammesgesetz ist (obwohl es in der Stadt keine Aborigine-Stämme geben soll), werden seine Visionen deutlicher.

Bei dem langsam erzählten Film beeindruckt vor allem die mit geringen Mitteln hergestellte unheimliche Atmosphäre, die zu einem großen Teil durch Manipulation der Bildgeschwindigkeit und des Sounds entsteht. So bewegen sich Menschen oft in Zeitlupe. Bestimmte Geräusche werden hervorgehoben, andere sind nicht zu hören und manchmal gibt es auch überhaupt keine Geräusche. Ebenso unterscheidet Weir nicht zwischen den Träumen und Visionen von Burton und der Realität.

Nach „Die letzte Flut“ kehrte Peter Weir, bevor er mit „Gallipoli“ und „Ein Jahr in der Hölle“, beide mit Mel Gibson, seine letzten australischen Spielfilme vor seinem Sprung nach Hollywood drehte, mit „Wenn der Klempner kommt“ noch einmal zurück zum Fernsehen zurück.

Wenn der Klempner kommt“ ist eine kleine schwarzhumorige Satire über Ängste. Denn Jill fürchtet sich zunehmend vor dem Klempner Max, der in ihrer Wohnung zunächst nur die Wasserleitungen überprüfen will und dann, weil die Rohre schlecht verlegt sind, das Badezimmer zielstrebig in eine Baustelle verwandelt, während er Jill – jedenfalls empfindet sie es so – zunehmend sexuell bedrängt. Aber Max könnte auch einfach nur ein etwas unsensibler, leicht großmäuliger Mann sein, der nur höflich zu der intellektuellen Hausfrau sein will, die in ihrer Wohnung an einer Studie über die Aborigines arbeitet und sich von ihrem Mann, der wegen den Verhandlungen für einen großen Forschungsauftrag gerade mit anderen Dingen beschäftigt ist, vernachlässigt fühlt.

Diese Spannung zwischen Jills Sicht, die den Film dominiert, und den Bildern, die eben immer wieder Jills Perspektive unterlaufen, hält Peter Weir bis zum Schluss seines kurzen Films aufrecht.

So unterschiedlich diese vier Filme, wie auch Peter Weirs späteren Filme, auf den ersten Blick auch sein mögen, schon auf den zweiten Blick fällt auf, dass in ihnen immer das Grauen in den Alltag einbricht und quasi unerklärliche Dinge passieren.

Außerdem thematisiert er, abgesehen von seinem Debüt, auch immer das Verhältnis zwischen den weißen Australiern und den Aborigines, den australischen Ureinwohnern, die lange ähnlich rücksichtsvoll wie die Indianer in den USA behandelt wurden, ohne in einen platten Mystizismus oder platte Verklärung der Ureinwohner abzugleiten.

Die vier Filme, wobei „Wenn der Klempner kommt“ erstmals auf DVD erschien und nur in dieser Box enthalten ist, kommen in einer schicken Box mit einer überschaubaren Menge an Bonusmaterial. Nämlich den Trailern und Bildergalerien.

Von „Picknick am Valentinstag“ ist bei Koch Media auch eine umfangreiche Special Edition auf 3 DVDs und einer Blu-ray mit der Kinofassung, der gut zweistündigen Dokumentation „A Dream within a Dream“, mehreren Featurettes und Interviews erschienen.

Peter Weir Collection

Peter Weir Collection

Koch Media

Bild: 1.85:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0; „Picknick am Valentinstag“ auch Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Originaltrailer, Bildergalerien

FSK: ab 16 Jahre

enthält

The Cars that eat people

Die Autos, die Paris auffrassen (The Cars, that ate Paris, Australien 1974)

Regie: Peter Weir

Drehbuch: Peter Weir (nach einer Geschichte von Peter Weir, Keith Gow und Piers Davies)

mit John Meillon, Terry Camilleri, Kevin Miles, Rick Scully, Max Gillies, Danny Adcock, Bruce Spence

Länge: 84 Minuten

Deutsche Premiere: 1983 (Kino) (möglich, dass bereits 1979 der Atlas-Filmverleih die Originalfassung verlieh)

auch bekannt als „Die Killer-Autos von Paris“ (TV-Titel)

Picknick am Valentstag - DVD-Cover

Picknick am Valentinstag (Picnic at Hanging Rock, Australien 1975)

Regie: Peter Weir

Drehbuch: Cliff Green

LV: Joan Lindsay: Picnic at Hanging Rock, 1967

mit Rachel Roberts, Vivean Gray, Helen Morse, Kirsty Child, Anthony Llewellyn-Jones, Jacki Weaver, Frank Gunnell, Anne Lambert, Karen Robson

Länge: 103 Minuten

Deutsche Premiere: 24. Juli 1977 (ARD)

Die letzte Flut - DVD-Cover

Die letzte Flut (The last Wave, Australien 1977)

Regie: Peter Weir

Drehbuch: Peter Weir, Tony Morphett, Petru Popescu

mit Richard Chamberlain, Olivia Hamnett, Gulpilil, Frederick Parslow, Vivean Gray, Nandjiwarra Amagula, Walter Amagula, Roy Bara

Länge: 101 Minuten

Deutsche Premiere: 15. September 1978 (Kino)

The Plumber

Wenn der Klempner kommt (The Plumber, Australien 1979)

Regie: Peter Weir

Buch: Peter Weir

mit Judy Morris, Ivar Kants, Robert Coleby, Candy Raymond

Länge: 74 Minuten

Deutsche Premiere: 5. Mai 1984 (TV)

Hinweise

Wikipedia über Peter Weir (deutsch, englisch)

Senses of Cinema über Peter Weir

The Peter Weir Cave (eine Fanseite)

Peter Weir in der Kriminalakte