Neu im Kino/Filmkritik: Über Laura Poitras‘ Nan-Goldin-Doku „All the Beauty and the Bloodshed“

Mai 26, 2023

Hier mache ich es eher kurz, weil ich keine Lust habe, Nan Goldins Leben zusammenzufassen, nicht über die Opioid-Epidemie in den USA und nicht über die Milliardärsfamilie Sackler schreiben will. Denn Laura Poitras erzählt in ihrem neuen Dokumentarfilm „All the Beauty and the Bloodshed“ das alles viel besser. Ihr Film erhielt 2022 in Vendig beim Filmfestival den Goldenen Löwen und war für den diesjährigen Dokumentarfilm-Oscar nominiert.

Poitras erzählt in ihrem neuesten Film gleichzeitig drei Filme. Einen über Nan Goldins Leben. Einen über ihr Tabus und Konventionen sprengendes Werk. Einen über ihren Kampf gegen die Famillie Sackler. Während der Dreharbeiten war unklar, wer diesen Kampf gewinnt.

Den Sacklers gehörte das Unternehmen Purdue Pharma. Purdue Pharma vertrieb mit äußerst aggressiven Verkaufsmethoden das schnell süchtig machende Schmerzmittel OxyContin, das die Opioid-Epidemie ursächlich mitverantwortete. Inzwischen verursachen Opioide, also normal erhältliche Medikamente, in den USA für mehr Tote als Heroin.

Die Sacklers verdienen damit ein Vermögen. Sie wurden die „most evil family in America“ und „the worst drug dealers in history“ genannt.

Gleichzeitig präsentieren sie sich als Kunstmäzenen.

Die 1953 geborene Nan Goldin hatte in den Achtzigern ihren Durchbruch als Künstlerin mit Fotografien, in denen sie ihr Leben in New York in der LGBT-Subkultur und der No-Wave-Bewegung dokumentiert. Die heute international geachtete Fotografin erhält nach einer Operation das starke Schmerzmittel OxyContin. Sie nimmt es wie vom Arzt verschrieben ein, wird abhängig von dem Schmerzmittel, kann ihre Sucht überwinden und kämpft seit 2017, zusammen mit anderen Betroffenen, in der Aktivisten-Grupp P. A. I. N. (Prescription Addiction Intervention Now) gegen die Milliardärsfamilie Sackler.

Poitras verfolgt Goldin und die Aktivisten bei ihren Aktionen in Museen gegen das Mäzenentum der Sacklers. Sie dokumentiert die Zweifel und Ängste der Gruppe und wie es gelingt, dass sich in der Kunstwelt der Blick auf die Sacklers radikal wandelt. Denn bis dahin war die Rolle der Sacklers bei der Opioid-Epidemie kaum bekannt. Inzwischen haben sie in der Kunstwelt ihr Ansehen verloren.

All the Beauty and the Bloodshed“ ist ein sehenswerter angenehm nüchtern und ruhig erzählter Dokumentarfilm über eine Künstlerin, ihr Werk und ihren Kampf gegen eine stinkreiche Familie, die mit dem Verkauf von süchtig machenden Medikamenten viel Geld verdiente.

All the Beauty and the Bloodshed (All the Beauty and the Bloodshed, USA 2022)

Regie: Laura Poitras

Drehbuch: Laura Poitras

mit Nan Goldin, David Velasco, Patrick Radden Keefe und viele Archivaufnahmen

Länge: 122 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „All the Beauty and the Bloodshed“

Metacritic über „All the Beauty and the Bloodshed“

Rotten Tomatoes über „All the Beauty and the Bloodshed“

Wikipedia über „All the Beauty and the Bloodshed“ (deutsch, englisch) und Nan Goldin (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Laura Poitras’ „Citzenfour“ (Citizenfour, USA/Deutschland 2014) (mit weiteren Video-Interviews) und der DVD (ebenfalls mit Bonusmaterial)