Neu im Kino/Filmkritik: Jane Fonda, Lily Tomlin, Sally Field und Rita Moreno sind „Brady’s Ladies“

April 21, 2023

Letzte Woche war der durchgedrehte „Cocaine Bear“, diese Woche sind die hysterisch aufgedrehten „Brady’s Ladies“ der Hollywood-Film, der, wie uns von den Machern großspurig sagen, von wahren Ereignissen inspiriert ist. Das war bei „Cocaine Bear“ Quatsch. Und auch bei „Brady’s Ladies“ hat der Film mit den wahren Ereignissen nicht mehr als die Schlagzeile einer Zeitungsnachricht zu tun. Die Inspiration für „Brady’s Ladies“ war ein Foto von fünf in New England lebenden älteren Frauen, die sich seit ihrer Kindheit kennen und die Fans von American-Football-Spieler Tom Brady und seiner Mannschaft sind. Sie nannten sich „Over 80 for Brady“ (was den Originaltitel des Films „80 for Brady“ inspirierte). Bei Spielen der New England Patriots trafen sie sich in einem ihrer Wohnzimmer, verfolgten die Spiele und jubelten an den richtigen Stellen.

Eine Filmstory ist das nicht. Es ist höchstens eine Meldung auf der „Vermischtes“-Seite oder, in der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit, ein längerer Text auf den Lokalseiten eines Provinzblattes.

Also haben die Drehbuchautorinnen Sarah Haskins und Emily Halpern und Regisseur Kyle Marvin munter losfantasiert. Aus den fünf Damen wurden vier Damen. Lily Tomlin, Jane Fonda, Rita Moreno und Sally Field spielen sie konstant aufgedreht, laut und gutgelaunt. Sie sind das US-amerikanische Äquivalent zu der unerträglichen Frauen-Kegelgruppe, die den gesamten Zug der Deutschen Bahn unterhält und alle nervt.

Marvins Komödie spielt 2017 vor und während des 51. Super Bowls. Damals war Tom Brady, der sich inzwischen im Ruhestand befindet, noch ein aktiver Spieler und er spielte bei den New England Patriots. Das Endspiel nahm einen dramatischen Verlauf, an den Football-Fans sich wahrscheinlich noch gut erinnern. Allen anderen sei, weil das Spiel der Höhepunkt des Films ist, gesagt, dass der Sieger erst sehr spät feststand.

Bei einem ihrer Treffen beschließen die vier alten Brady-Fans, dass sie das nächste Spiel der New England Patriots besuchen und Tom Brady im Stadion zujubeln werden. Das haben sie noch nie getan und angesichts ihres Alters haben sie nur noch wenige Gelegenheiten, ein Spiel zu besuchen. Nach kurzen Vorbereitungen machen sie sich auf den Weg nach Houston zum 51. Super Bowl. Am Eingang des NRG Stadium erfahren sie, dass ihre Karten Fälschungen sind. Ohne Karten, aber mit dem festen Willen, das Spiel im Stadion zu sehen, setzen sie Himmel und Hölle in Bewegungen – und treffen immer wieder auf deutlich jüngere Männer, die sofort dem Charme der Damen verfallen und ihnen selbstlos helfen.

Brady’s Ladies“ ist eine absolut belanglose und rundum harmlose Komödie, die vier sympathische Altstars wieder zurück ins Kino bringt. Die Story ist nicht der Rede wert. Die Witze sind mau, aber immerhin niveauvoller als in ähnlich gelagerten Komödien, in denen männliche Altstars sich auf eine Reise begeben, die von den Machern genutzt wird für vulgären Humor und den Running Gag, dass der alte Mann bei den jungen Frauen, die locker seine Urenkeltöchter sein könnten, gut ankommt und mit ihnen Sex hat. Ich sage nur „Dirty Grandpa“.

Gegen diese Fremdschäm-Komödie ist „Brady’s Ladies“ eine Komödie, in die man mit seiner Mutter gehen kann. Wenn sie über Siebzig ist und noch fit genug ist, um ins Kino zu gehen.

Bereits am 11. Mai gibt es für die Großmütter den nächsten Ausflug ins Kino. In „Book Club – Ein neues Kapitel“ begeben sich Jane Fonda, Diane Keaton, Candice Bergen und Mary Steenburgen auf eine Italienreise, die wohl auch „Brady’s Ladies besuchen Italien“ heißen könnte.

Das klingt dann nach einem Muttertags-Doppelprogramm. Der ist am 14. Mai.

Brady’s Ladies (80 for Brady, USA 2023)

Regie: Kyle Marvin

Drehbuch: Sarah Haskins, Emily Halpern

mit Lily Tomlin, Jane Fonda, Rita Moreno, Sally Field, Tom Brady, Billy Porter, Rob Corddry, Alex Moffat, Guy Fieri, Harry Hamlin, Bob Balaban, Glynn Turman, Sara Gilbert, Jimmy O. Yang, Ron Funches, Matt Lauria

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Facebook-Seite zum Film

Moviepilot über „Brady’s Ladies“

Metacritic über „Brady’s Ladies“

Rotten Tomatoes über „Brady’s Ladies“

Wikipedia über „Brady’s Ladies“

History vs. Hollywood findet wenig Fakten in dieser Komödie


Neu im Kino/Filmkritik: Käfer „Bumblebee“ ist ein guter Transformer

Dezember 20, 2018

Nach fünf „Transformers“-Spielfilmen, in denen Michael Bay seine Form subtiler Unterhaltung präsentierte, weiß man, wie ein an der Kinokasse erfolgreicher „Transformers“-Film aussieht: hirnlose Action, eine von Film zu Film zunehmend chaotischere Handlung, konsequent unterforderte Schauspieler (die dafür viel Schmerzensgeld erhalten) und junge Damen, deren für den Film notwendige Fähigkeiten sich in ihrem vollbusigen Aussehen erschöpfen.

Dass das bei dem neuen „Transformers“-Film anders wird, hat niemand wirklich erwartet. Schließlich hat Bay den Film produziert und der von ihm für diesen „Transformers“-Film engagierte Regisseur hat vorher nur den Animationsfilm „Kubo – Der tapfere Samurai“ gedreht.

Die ersten Minuten sind dann auch im bekannten Michael-Bay-Stil inszeniert: Es beginnt mit einer riesigen Schlacht. Auf dem Planeten Cybertron kloppen sich die Autobots mit den Deceptions. Als die Autobots die Schlacht verlieren, schickt Optimus Prime Bumblebee (aka B-127) auf die Erde. Er soll den Planeten bewachen und alles für die friedliche Ankunft der Autobots vorbereiten.

Auch auf der Erde geht es gleich mit viel Kampfgetöse weiter. Denn Bumblebee landet, verfolgt von den terminatormäßig auf ihr Ziel fokussierten Deceptions Shatter und Dropkick, mitten auf einem Militärübungsplatz und das Militär geht mit der bewährten Militärtaktik „erst ballern, dann weiterballern“ vor.

Bumblebee kann, schwer lädiert, entkommen und jetzt nimmt der von Travis Knight inszenierte Film eine sehr erfreuliche Wendung hin zu kindgerechter, ihre Protagonisten ernst nehmender herzerwärmender Disney-Unterhaltung.

Jetzt ist auch die Zeit, um kurz zu erklären, dass die Autobots und die Deceptions Roboter sind, die sich schwuppdiwupp in Autos verwandeln können. Bumblebee verwandelt sich in einen gelben VW Käfer und versteckt sich in dem nordkalifornischen Küstenort Brighton Falls auf einem Schrottplatz.

Dort lebt auch Charlie Watson (Hailee Steinfeld). Die Einzelgängerin gehört nicht zur angesagten Clique in der Schule. Lieber fährt sie mit ihrem Moped herum (ohne Helm), schraubt in der Garage an der 1959er Corvette ihres verstorbenen, über alles geliebten Vaters herum, trauert ihm immer noch nach und verdient sich etwas Geld hinzu. Sie ist definitiv kein Bay-Babe, sondern ein erfrischend normal aussehender Teenager mit alltäglichen Problemen und Sorgen. Wobei Jungs nicht dazu gehören.

Auf einem Schrottplatz entdeckt sie einen alten, gelben, hundertfünfzigprozentig schrottreifen VW Käfer. Sie verliebt sich in das Auto und kann den Besitzer des Schrottplatzes überzeugen, ihn ihr zum 18. Geburtstag zu schenken.

Als sich, kurz darauf, in der heimischen Garage, Bumblebee ihr gegenüber als Autobot zu erkennen gibt, reagiert sie erstaunlich gefasst. Denn der 1987 spielende Film spielt vor den anderen „Transformers“-Filmen und damals waren Transformers auf der Erde noch unbekannt. Schnell schließt sie den sehr herzigen Bumblebee in ihr Herz. Er wird, soweit man das bei einem Auto sagen kann, zu ihrem ständigen Begleiter, der auch in ihr Leben eingreift.

Die Idylle zwischen Charlie und Bumblebee ist allerdings nur von kurzer Dauer. Die Deceptions und das Militär wollen Bumblebee unbedingt finden und vernichten. Ein in Charlie verliebter Nachbarjunge entdeckt das Geheimnis des Käfers. Und dann ist da noch Charlies Familie, – ihr kleiner Bruder, ihre Mutter und ihr neuer Vater – , die sich fragt, was Charlie in der Garage treibt.

Weil Bumblebee ein VW Käfer mit besonderen Fähigkeiten ist, werden sofort Erinnerungen an vor Ewigkeiten gesehene Filme mit Herbie (Disneys Superkäfer) und Dudu (die deutsche Ausgabe in gelb) wach. Der 80er-Jahre-Soundtrack mit all den Hits, die man damals an jeder Straßenecke hörte, verbreitet ebenfalls ein angenehmes Retro-Gefühl. Die Songs sind dabei auch ein Teil des Gesprächs zwischen Bumblebee und Charlie. Weil Bumblebee nicht sprechen kann, drückt er seine Gedanken über das Autoradio mit Musik aus. Auch optisch und erzählerisch knüpft Travis Knight mit seinem Film an die achtziger Jahre an, als John Hughes, Steven Spielberg und die von ihm in seiner Firma Amblin Entertainment produzierten Filme, an der Kinokasse triumphierten. Man kann „Bumblebee“ ohne große Mühe als gelungene Neuinterpretation von „E. T. – Der Außerirdische“ sehen.

Das Zielpublikum des neuen Films aus dem „Transformers“-Universum sind dieses Mal eindeutig Kinder bis vierzehn Jahre. Für sie gibt es, im Rahmen einer in sich abgeschlossenen Geschichte sympathische Charaktere, Humor (zum Beispiel wenn Bumblebee tapsig das Haus der Watsons zerlegt) und, wenn die Transformers gegeneinander kämpfen, auch mehr als handfeste Action. Im Zentrum steht allerdings immer die glaubwürdige Beziehung zwischen Charlie und ihrem neuen Gefährten Bumblebee.

Bumblebee“ ist der sympathischste, erfreulichste und gelungenste „Transformers“-Film. Dass Travis Knight einen hundertprozentigen Anti-Michael-Bay-Film abliefert, hätte vor wenigen Wochen niemand erhofft und erwartet.

Bumblebee (Bumblebee, USA 2018)

Regie: Travis Knight

Drehbuch: Christina Hodson

mit Hailee Steinfeld, John Cena, Jorge Lendeborg Jr., Jason Drucker, Pamela Adlon, Stephen Schneider, Ricardo Hoyos, John Ortiz, Glynn Turman, – und im Original den Stimmen von Dylan O’Brien, Peter Cullen, Angela Bassett, Justin Theroux, David Sobolov

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Instagram-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Bumblebee“

Metacritic über „Bumblebee“

Rotten Tomatoes über „Bumblebee“

Wikipedia über „Bumblebee“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Michael Bays „Transformers: Ära des Untergangs (Transformers: Age of Extinction, USA 2014)

Meine Besprechung von Michael Bays „Transformers: The Last Knight“ (Transformers: The Last Knight, USA 2017)


DVD-Kritik: Don Coscarelli kehrt mit „John dies at the End“ zurück

August 27, 2013

 

Zehn Jahre nach dem grandiosen „Bubba Ho-Tep“, in denen Regisseur Don Coscarelli nur einen TV-Film inszenierte, ist er mit „John dies at the End“ zurück und die Horrorkomödie ist eine geschmacksicher geschmacklose Angelegenheit, die sich deshalb natürlich primär an ein Horrorfilmpublikum richtet, das schon Coscarellis frühere Flme, wie „Das Böse“ und die drei Fortsetzungen, goutierte.

Dieses Mal geht es, mit viel Schwarzem Humor, um zwei College-Abbrecher, John und Dave, die außer ihrem TV- und Drogenkonsum wenig auf die Reihe bekommen und auch gar nicht mehr auf die Reihe bekommen wollen, denn bedröhnt vor der Glotze abhängen ist doch okay. Aber sie sind quasi auserwählt gegen eine die Menschheit bedrohende Droge zu kämpfen, die ihren Verstand angreift, an der Realität zweifeln lässt und zu irrationalen Taten animiert. Manchmal mit tödlichen Folgen. Der Straßenname dieser gefährlichen Droge ist „Sojasauce“.

Dass „John dies at the End“ (so ein richtiger Spoiler ist der Titel nicht) nicht bierernst genommen werden sollte, dürfte allein schon der Name der Droge verraten.

Dass Don Coscarelli das drogeninduzierte Driften durch Raum und Zeit und das Verwischen der verschiedenen Welten und Wahrnehmungsebenen (so sind die Menschen nicht immer das, was sie zu sein scheinen) und die Rahmenhandlung in der Dave in einem Diner einem Journalisten seine Geschichte erzählt, als Entschuldigung nimmt, um – aus Sicht der klassischen Hollywood-Dramaturgie – ziemliches chaotisch mehr oder weniger gelungene Witze aneinanderreiht, ist nachvollziehbar. Aber gleichzeitig fehlt im so jeder erzählerische Stringenz, die den Film außerhalb des Hardcore-Fankreises von nicht jugendfreien Horrorkomödien und Trashperlen goutierbar machen würde.

Das ändert nichts daran, dass die handgemachten Tricks, wie das Monster aus gefrorenen Fleischstücken, in Zeiten von überbordenden CGI-Exzessen, Spaß machen und der Film in einem Midnight-Screening oder, mit einer ordentlichen Portion Alkohol und einigen guten Kumpels, auf der heimischen Couch ziemlich genial ist. Vor allem bei dem zweiten oder dritten Ansehen. Mit oder ohne Sojasauce.

John dies at the End - DVD-Cover

John dies at the End (John dies at the End, USA 2012)

Regie: Don Coscarelli

Drehbuch: Don Coscarelli

LV: David Wong: John dies at the End, 2001 (als Webserial; danach verschiedene Printausgaben mit mehr oder weniger vielen Ergänzungen)

mit Chase Williamson, Rob Mayes, Paul Giamatti, Clancy Brown, Glynn Turman, Doug Jones

DVD

Pandastorm

Bild: 1,78:1 (16:9)

Ton: Deutsch (DTS 5.1, DD 5.1), Englisch (DD 5.1)

Untertitel: Deutsch, Englisch

Bonusmaterial: Wendecover

Länge: 96 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Der Film ist auch als Mediabook mit Bonusmaterial erhältlich.

John dies at the End - Mediabook

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Metacritic über „John dies at the End“

Rotten Tomatoes über „John dies at the End“

Wikipedia über „John dies at the End“

Movieline unterhält sich mit Don Coscarelli und Paul Giamatti über „John dies at the End“ (25. Januar 2013)

„Fanboy Planet“-Interview mit Don Coscarelli über „John dies at the End“

„Shock till you drop“-Interview mit Don Coscarelli über „John dies at the End“ (8. April 2013)

Homepage von David Wong

Diese Anti-Piraterie-Spots werden auch immer blutiger