Im Verhörzimmer: Hannes Riffel über den Carcosa-Verlag

Oktober 17, 2023

Gestandene Science-Fiction-Fans, vor allem SF-Fans die in Büchern auch einen Blick ins Impressum werfen, müssen nur die Namen der beteiligten Personen genannt werden und sie freuen sich. Jüngeren SF-Fans muss vielleicht gesagt werden, dass Hannes Riffel und Hardy Kettlitz, die beiden Carcosa-Verleger, in den letzten Jahrzehnten ungefähr auf jeder SF-Baustelle mitmischten. Genannt seien Herausgaberschaften bei TOR/Fischer, Shayol und Golkonda.

Unser Gesprächspartner Hannes Riffel übersetzte Romane von Robert Bloch, Hal Duncan, William Gibson, Joe Hill, Joe R. Lansdale und Stephen King. Einige seiner Übersetzungen wurden auch in der Kriminalakte besprochen.

Jetzt haben sie den Carcosa-Verlag gegründet und das Herbstprogramm liest sich schon auf den ersten Blick vielversprechend. Veröffentlicht werden

„Immer nach Hause“ (Always coming Home, 1985) von Ursula K. Le Guin

„Babel-17“ (Babel-17, 1966) von Samuel R. Delany

„Das lange Morgen“ (The long Tomorrow, 1955) von Leigh Brackett

„Der fünfte Kopf des Zerberus“ (The Fifth Head of Cerberus, 1972) von Gene Wolfe

und der Almanach „Vor der Revolution“ mit Essays über die eben genannten Autoren, drei Erzählungen von Ursula K. Le Guin und einem Kurzroman von Samuel. R. Delany.

Das sind rennomierte Namen, die einige der zukunftsweisenden Science-Fiction-Romane aller Zeiten schrieben. Die jetzt im aktuellen Programm veröffentlichten Bücher sind teils seit langem anerkannte Klassiker – und als Einstiegsdroge gut geeignet. Auch um einige aktuelle Entwicklungen im SF-Genre besser zu verstehen.

Mit Hannes Riffel sprechen wir über das Wagnis, einen neuen Verlag zu gründen, das Konzept von Carcosa, die Auswahl der Autoren und Bücher und warum sie bereits ins deutsche übersetzte Science-Fiction-Romane für Carcosa neu übersetzten. Anschließend stellt Hannes jedes Buch des Herbstprogrammes vor und er gibt einen Ausblick auf das nächste und sogar das übernächste Jahr. Unter anderem veröffentlichen sie als deutsche Erstausgabe den Roman „Jerusalem“ von Alan Moore (“Watchmen”).

Das Gespräch fand am 11. Oktober 2023, wenige Stunden bevor die Bücher an die Buchhandlungen ausgeliefert wurden, statt.

Am Mittwoch, den 8. November, stellen Karen Nölle (Übersetzerin) und Hannes Riffel (Herausgeber) um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Otherland (Bergmannstraße 25, Berlin-Kreuzberg) die Erstübersetzung von Ursula K. Le Guins „Immer nach Hause“ vor.

Hinweise

Homepage des Verlages

Wikipedia über Ursula K. Le Guin (deutsch, englisch), Samuel R. Delany (deutsch, englisch), Leigh Brackett (deutsch, englisch) und Gene Wolfe (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Hannes Riffel/Sascha Mamczak (Hrsg.) „Das Science Fiction Jahr 2015“ (2015)

Meine Besprechung von Hardy Kettlitz‘ „Die Hugo-Awards 1953 – 1984“ (2015)

Meine Besprechung von Hardy Kettlitz‘ „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ (2015)


Was sie schon immer über „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

September 30, 2015

Kettlitz - Edmond Hamilton - 2

Hardy Kettlitz, der Autor von „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“, lernte den Science-Fiction-Autor, wie viele Jugendliche Anfang der achtziger Jahre durch die japanische Zeichentrickserie „Captain Future“ kennen. In ihr kämpfen Curtis Newton, genannt Captain Future und ein echter Alleskönner (für die Jüngeren: „Iron Man“ Tony Stark, aber nicht so arrogant egozentrisch), und seine Vertrauten, das lebende, alles wissende Gehirn Professor Simon Wright, befreit von allen körperlichen Beschränkungen, Android Otho, der seine Gestalt verändern kann, Roboter Grag, der gerne ein Mensch wäre, und die wunderschöne, wunderschöne Joan Randall auf verschiedenen Planeten im Sonnensystem gegen Verbrecher. Durch die Serie erlebte Edmond Hamilton, der bereits 1977 verstorben war, eine Renaissance. Bastei-Lübbe veröffentlichte die „Captain Future“-Romane. Teilweise erstmals. Es gab Comics und etliche andere Merchandise-Artikel.
Dabei schrieb Hamilton (21. Oktober 1904 – 1. Februar 1977) nicht nur die „Captain Future“-Romane, sondern zahlreiche weitere Space Operas und Kurzgeschichten, die fast alle, mit einer weitgehenden Missachtung jeglicher wissenschaftlichen Plausibilität, zum Science-Fiction-Genre gehören. Das war und ist nicht Hohe Literatur, sondern Pulp, der allerdings Spaß macht und Jungs zu Leseratten macht.
In seiner lesenswerten Monographie stellt Kettlitz vor allem die Romane und Erzählungen von Hamilton, die auf Deutsch erschienen, kurz vor. Denn insgesamt schrieb Hamilton fast dreihundert Geschichten, die fast alle zuerst in einem der damals populären Magazine erschienen. Der Schwerpunkt von „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ liegt dabei mit insgesamt gut achtzig Seiten auf Hamiltons bekanntestem Helden, dem schon genannten Captain Future. Zwischen 1940 und 1944 erschienen siebzehn „Captain Future“-Romane in den gleichnamigen Heften. Hamilton schrieb fünfzehn (zwei als Brett Sterling). 1945 und 1946 erschienen in „Startling Stories“ drei weitere „Captain Future“-Geschichten, von denen Hamilton zwei schrieb. 1950 und 1951 schrieb Hamilton, ebenfalls in „Startling Stories“, sieben kürzere „Captain Future“-Erzählungen. Kettlitz stellt sie alle kurz vor. Es gibt außerdem die ersten beiden Kapitel des ersten „Captain Future“-Romans, die Hamilton auf Wunsch seines Verlegers überarbeitete. Der ursprüngliche Text erschien erstmals 1971 in „Pulp“.
Es gibt ein im Februar 1975 mit Hamilton geführtes Interview, in dem er einige interessante Einblicke in das Geschäftsgebaren der Pulp-Magazine gibt. Es gibt eine ausführliche Bibliographie, die allerdings bei den Golkonda-Ausgaben der „Captain Future“-Geschichten schwächelt. Das liegt auch daran, dass „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ erstmals 2003 als „Edmond Hamilton – Weltenzerstörer und Autor von Captain Future“ (SF Personality 13) erschien und 2012 für eine erweiterte und ergänzte Neuausgabe im Shayol Verlag (dem Vorläufer von Golkonda) veröffentlicht wurde. Und es gibt ein erstmals im Oktober 2011 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung erschienenes Essay von Dietmar Dath über Edmond Hamilton und Captain Future.
„Edmond Hamilton“ ist ein gewohnt liebevoll gestaltetes und sehr informatives Buch, das vor allem zum Blättern einlädt und, wenigstens bei mir, den Wunsch weckte, wieder einen „Captain Future“-Roman, die ja dank Golkonda in schönen Ausgaben wieder erhältlich sind, oder eine andere naive Weltraumoper zu lesen.

Hardy Kettlitz: Edmond Hamilton – Autor von Captain Future
Memoranda/Golkonda, 2015
208 Seiten
16,90 Euro

Hinweise

Golkonda über Hardy Kettlitz

Meine Besprechung von Hardy Kettlitz‘ „Die Hugo-Awards 1953 – 1984“ (2015)

Wikipedia über Edmond Hamilton (deutsch, englisch) und Captain Future (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons “Captain Future: Die Herausforderung” (Captain Future’s Challenge, 1940)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons „Captain Future: Der Triumph“ (The Triumph of Captain Future, 1940)


Ein Buch mit Nebeneffekt: „Die Hugo Awards 1953 – 1984“ von Hardy Kettlitz

April 8, 2015

Kettlitz - Die Hugo Awards 1953 - 1984 - 2

Vor einigen Tagen habe ich über Bücher, die man nicht lesen kann, geschrieben.
Heute schreibe ich über ein Buch, in dem man nicht Blättern sollte: „Die Hugo Awards 1953 – 1984“ von Hardy Kettlitz.
Science-Fiction-Fans werden jetzt schon in ein kundiges Nicken verfallen. Mit einem leichten Lächeln. Denn der Hugo Award ist einer der wichtigen Science-Fiction-Preise. Seit 1953 wird er jährlich auf der World-SF-Convention von Science-Fiction-Fans für die besten Science-Fiction-Werke des Vorjahres und für besondere Verdienste um das Genre verliehen. Im Zentrum der Preise stehen Romane und, in verschiedenen Kategorien, kürzere Werke. Es werden auch Sachbücher, Filme, Comics, Illustratoren und Fans und ihre Produkte, also Semiprozines, Fanzines, Fancasts (Audio und Video), Fan Writer und Fan Artists (die Definitionen der verschiedenen Kategorien sind mehr oder weniger offen) ausgezeichnet. Und, bei Bedarf, gibt es noch Sonderpreise für besondere Leistungen. Das etwas komplizierte Abstimmungsprozedere und wer über was abstimmen darf, wird auf den ersten Seiten von „Die Hugo Awards 1953 – 1984“ von John Clute, Peter Nicholls und Hardy Kettlitz kurz erklärt. Im Endeffekt sind es die Besucher der Worldcon.
Der Hauptteil von „Die Hugo Awards 1953 – 1984“ (die späteren Jahre werden dann in einem zweiten Buch behandelt) gehört den einzelnen Gewinnern, die chronologisch nach den Hugo-Jahren aufgeführt werden. Hardy Kettlitz stellt sie in kurzen Beiträgen vor. Die Romane werden meist auf zwei Seiten, die Novellen und Kurzgeschichten auf einer Seite besprochen. Die anderen Preisträger kriegen entsprechend weniger Platz. Zahlreiche Illustrationen, normalerweise die Heft- und Buchcover (jeweils bis zu drei Bilder), runden den positiven Gesamteindruck ab. Das lädt erstens zum Blättern ein und zweitens weckt es Begehrlickeiten nach den ausgezeichneten Werken, von denen viele in eine gutsortierte Science-Fiction-Sammlung gehören und langjährige Science-Fiction-Leser auch schon gelesen haben, wie „Demolition“ (The Demolished Man) von Alfred Bester, dem ersten Hugo-Gewinner, „Der Gewissensfall“ (A Case of Conscience) von James Blish, „Sternenkrieger“ (Starship Troopers) von Robert A. Heinlein, „Lobgesang auf Leibowitz“ (A Canticle for Leibowitz) von Walter M. Miller jr., „Das Orakel vom Berge“ (The Man in the High Castle) von Philip K. Dick, „Der Wüstenplanet“ (Dune) von Frank Herbert, „Der ewige Krieg“ (The Forever War) von Joe Haldeman und „Gateway“ (Gateway) von Frederick Pohl. Um nur einige Romane zu nennen, die vor 1984 mit dem Hugo ausgezeichnet wurden.
Während Kettlitz die mehr oder weniger langen Geschichten – es werden Romane, Novellas, Novelettes und Kurzgeschichten ausgezeichnet – und die Filme kritisch würdigt und auch über deren damalige und heutige Bedeutung schreibt, konzentriert er sich bei den anderen Kategorien eher auf die biographischen und bibliographischen Fakten, in denen dann ein Bild vom Reichtum der Science-Fiction-Gemeinde entsteht. Denn es geht um Zeichner von Buchcovern und manchmal auch Illustratoren von Heften, Autoren von wissenchaftlichen Artikeln, Herausgeber und Fans, die mit ihrem Engagement Veranstaltungen organisierten und Fanzines herausgaben. Das sind Namen, die hier in Deutschland unbekannt sind, aber ohne die die Science-Fiction-Welt anders aussähe.
Hardy Kettlitz war viele Jahre Chefredakteur von „Alien Contact“ und ist Herausgeber von „SF Personality“, einer seit über zwanzig Jahren bestehenden Buchreihe über wichtige Science-Fiction-Autoren, und, seit einigen Monaten, bei Golkonda, von „Memoranda“.
Das von ihm geschriebene Sekundärwerk „Die Hugo Awards 1953 – 1984“ ist empfehlenswert und vorbildlich in jeder Beziehung. Mit der fatalen Nebenwirkung, dass man schon beim Durchblättern des Buches und dem Lesen der kurzen Texte eine unglaubliche Lust auf die vorgestellten Science-Fiction-Geschichten bekommt.
Daher wünsche ich nach der Lektüre viel Spaß beim Stöbern in den Antiquariaten, die ja auch eine gewisse Zeitreise beinhalten.

Hardy Kettlitz: Die Hugo Awards 1953 – 1984
Golkonda/Memoranda, 2015
320 Seiten
18,90 Euro

Hinweise
Golkonda über Hardy Kettlitz
Net-Home des Hugo Award
Wikipedia über den Hugo Award (deutsch, englisch)

Die sympathische und überhaupt nicht spacige Buchhandlung Otherland (Bergmannstraße 25, 10961 Berlin) lädt zu einer abendfüllende Signierstunde mit Hardy Kettlitz ein:
Die Veranstaltung, die uns zum überstürzten Sondernewsletter-Schreiben treibt, findet diesen Freitag, am 10. April um 19:30 unter dem schönen Motto Fan/Pro (Fan und Profi) statt. Wir haben Werner Fuchs und Hardy Kettlitz zu Gast. Sie beide verbindet die Liebe zur SF und Fantasy. Im Otherland werden sie sich darüber unterhalten, wie es ist, als Fan und Profi mit SF und Fantasy zu tun zu haben …
Werner Fuchs ist ein Urgestein der deutschen Szene, arbeitet seit den 70er-Jahren als Herausgeber, Übersetzer und Literaturagent, war für die Programme von Fischer Orbit und Knaur SF verantwortlich, ist Koautor diverser Lexika, war als einer der Gründer von Fantasy Productions maßgeblich am erfolgreichsten deutschen Rollenspiel Das Schwarze Auge beteiligt, hat unzählige Conventions besucht und sammelt SF Magazine. Hardy Kettlitz war lange Zeit Chefredakteur des Magazins Alien Contact und verfasst seit 1994 die Buchreihe “SF Personality”. Kürzlich erschien bei Golkonda sein Buch Die Hugo Awards 1953-1984. Wenn diese zwei Spezialisten zusammentreffen, kann man davon ausgehen, dass eine kritische Masse an Fachwissen, Begeisterung und Anekdoten erreicht wird!
Der Eintritt ist wie immer frei; die Veranstaltung beginnt um 19.30.