Alter Scheiß? Edmond Hamiltons „Captain Future“-Romane „Verrat auf dem Mond“ und „Die Kometenkönige“

Juni 28, 2022

Im Original erschienen das zehnte Abenteuer von Captain Future „Verrat auf dem Mond“ und der darauf folgende „Captain Future“-Roman „Die Kometenkönige“ bereits 1942. Beide Geschichten wurden später auch ins Deutsche übersetzt. Schon seit Ewigkeiten sind diese Übersetzungen, zu erstaunlich hohen Preisen, nur noch antiquarisch erhältlich.

Für die jetzt erschienenen neuen Ausgaben dieser Romane als zehnter und elfter Band der im Golkonda-Verlag erscheinenden Werkausgabe wurden sie neu übersetzt. Und, wie auch bei den anderen Büchern dieser Werkausgabe, sind neben dem Roman die Zeichnungen aus der US-Erstausgabe und dem damals im „Captain Future Magazine“ erschienenem zu Captain Future gehörigem Material enthalten. Es handelt sich um Informationen zu bestimmten Aspekten des Romans, wie Informationen über den Planeten Eros, jeweils eine Kurzgeschichte aus der Jugend von Captain Future und Leserbriefe. Dieses Material ist nicht essentiell für den Roman, aber eine nette Ergänzung und eine Erinnerung an die Zeit, als ganze Romane in Heften erschienen.

Verrat auf dem Mond“ schließt insofern unmittelbar an den vorherigen Roman „Jenseits der Sterne“ an, weil Captain Future Curt Newton und seine ständigen Begleiter, – das Gehirn Simon Wright, der Roboter Grag und der Androide Otho -, in dem Roman zur sagenumwobenen Wiege der Materie reisten. Sie waren monatelang unterwegs. Jetzt sind sie auf dem Rückflug.

Auf der Erde weiß auf den ersten Seiten von „Verrat auf dem Mond“ allerdings niemand, ob sie noch leben und wo sie sind. Für Bösewichter ist das die lang ersehnte Gelegenheit, den Mond und die auf ihm befindenden Rohstoffe in Besitz zu nehmen. Denn bis jetzt hat Curt Newton, der einzige Bewohner des Mondes, ein Vetorecht gegenüber jeder Ausbeutung der sich auf dem Mond befindenden Rohstoffe. Besonders interessant ist das für die Energieerzeugung wichtige und seltene Radium. Wer es abbaut, kann viel Geld verdienen.

Larsen King, der Chef einer Bergbaugesellschaft, will das Radium unbedingt abbauen. Dafür bringt er die Futuremen in Mißkredit. Anschließend gelingt es ihm, die Weltraumregierung zu überzeugen, ihm die Ausbeutungsrechte zu übertragen. Er findet auch, fast unerreichbar im Innern des Mondes, eine riesige Menge Radium.

In dem Moment tauchen Captain Future und seine Futuremen wieder auf.

Um weiterhin ungestört den Rohstoff abbauen (und Raubbau am Mond treiben zu können), muss er Newton endgültig diskreditieren.

Die Chance dafür ergibt sich, als Newton sich mit James Carthew, dem Präsidenten der Weltraumregierung, trifft. Er bringt Carthew mit einem Telautomaton (veraltetes Wort für „Drohne“) um und lenkt den Verdacht mit einer gefälschten Aufzeichnung des Mordes auf Newton.

Dieser entzieht sich der drohenden Verhaftung. Er will den Mord auf eigene Faust aufklären und King zur Strecke bringen. Zuerst fliehen er und seine Futuremen auf die Zeitlupenwelt Eros. Von dort fliegen sie zum Mond.

Und wir erfahren, was im Mond ist; – kleiner Spoiler: es ist nicht das, was uns Roland Emmerich vor einigen Monaten in „Moonfall“ nahe legte. Laut Hamilton leben Lunarier im Mond.

In „Die Kometenkönige“ verschwinden seit Wochen Raumschiffe spurlos im Sektor hinter dem Jupiter. In dem letzten verschwundenem Raumschiff waren Captain Futures Freunde Joan Randall und Ezra Gurney.

Als Curt Newton davon erfährt, will er das Rätsel lösen. Als er und seine Futuremen sich in ihrem Raumschiff die Flugdaten der verschwundenen Raumschiffe ansehen, vermuten sie, dass sie von irgendtwas in den Halleyschen Kometen gezogen wurden. In dem Moment werden sie auch schon von dieser Kraft ergriffen. Sie zwingt sie auf den sich in der undurchdringlichen Wolke des Kometen befindenden Planeten.

Dort leben die Kometae. Seit kurzem sind ihre Körper elektrisch aufgeladen. Dadurch sind sie unsterblich geworden. Verantwortlich für diese Verwandlung sind die Allus. Sie unterdücken die Kometae und sie haben darüberhinausgehende finstere Absichten.

Newton und seine Futuremen wollen die Kometae retten, indem sie die Verwandlung rückgängig machen und die Pläne der Allus durchkreuzen.

Verrat auf dem Mond“ und „Die Kometenkönige“ sind flotte Retro-Space-Abenteuer. Auf jeder Seite passiert etwas. Entsprechend flott bewegt die Story sich, über jede Unwahrscheinlichkeit hinweg, voran. Dabei erfindet Edmond Hamilton herrlich abstruse Welten auf den verschiedenen durch das All fliegende Planeten, Kometen und Monden. „Verrat auf dem Mond“ ist mit seiner Warnung vor der hemmungslosen Ausbeutung von Rohstoffen und dem von Newton und seinen Männern praktiziertem respektvollen Umgang mit Ureinwohnern sogar erstaunlich aktuell. Newton ist halt kein Eroberer und Ausbeuter, sondern ein Forscher und Abenteurer, der neue Welten erkunden und helfen will.

Edmond Hamilton: Captain Future: Verrat auf dem Mond

(übersetzt von Maike Hallmann)

Golkonda, 2022

192 Seiten

14 Euro

Originalausgabe

Outlaws of the Moon

Captain Future Magazine, Frühjahr 1942

Frühere deutsche Ausgabe

Das Erbe der Lunarier

Bastei-Verlag, 1983 (übersetzt von Ralph Tegtmeier)

Edmond Hamilton: Captain Future: Die Kometenkönige

(übersetzt von Markus Mäurer)

Golkonda, 2022

192 Seiten

14 Euro

Originalausgabe

The Comet Kings

Captain Future Magazine, Sommer 1942

Frühere deutsche Ausgaben

Im Schatten der Allus, Erich Pabel Verlag, 1962 (übersetzt von Horst Mayer)

Im Schatten der Allus, Bastei-Verlag, 1983 (übersetzt von Ralph Tegtmeier)

Hinweise

Wikipedia über Edmond Hamilton (deutsch, englisch) und Captain Future (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons “Captain Future: Die Herausforderung” (Captain Future’s Challenge, 1940)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons „Captain Future: Der Triumph“ (The Triumph of Captain Future, 1940)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons „Captain Future: Im Zeitstrom verschollen“ (The lost world of time, 1941)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons „Captain Future: Jenseits der Sterne“ (Quest beyond the stars, 1942)

Meine Besprechung von Hardy Kettlitz‘ „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ (2015)

 


Cover der Woche

Januar 5, 2021


Captain Future „Jenseits der Sterne“ „Im Zeitstrom verschollen“

Dezember 23, 2020

Captain Future ist ein Mann der Wissenschaft. Auf dem Mond forscht Curtis Newton, so sein bürgerlicher Name, in seinem Labor emsig mit seinem Team. Das besteht aus Professor Simon Wright, einem in einem Spezialbehälter lebendem Genie-Gehirn, Android Otho, der seine Gestalt verändern kann, und Roboter Grag, der gerne ein Mensch wäre. Sie sind auch fremde Welten erforschende und rettende Abenteurer. Newton dürfte jüngere Semester spontan an „Iron Man“ Tony Stark erinnern.

Allerdings wurde Curtis Newton bereits 1940 von Edmond Hamilton erfunden. In den nächsten Jahren schrieb Hamilton 24 „Captain Future“-Geschichten für das „Captain Future Magazine“ und, später, „Startling Stories“. Er schrieb zwischen 1940 und 1951 fast alle „Captain Future“-Geschichten. Und er ist mit diesen damals und heute immer noch sehr populären Abenteuergeschichten einer der Erfinder der Space Opera.

Seit einigen Jahren veröffentlicht der Golkonda Verlag Hamiltons „Captain Future“-Geschichten in sehr liebevollen Ausgaben. Die Romane werden neu, vollständig und gut übersetzt. Außerdem werden die Zeichnungen und das mit Captain Future zusammenhänge Bonusmaterial aus dem „Captain Future Magazine“ abgedruckt.

Jetzt sind im Rahmen dieser Neuausgabe der achte und neunte „Captain Future“-Roman „Im Zeitstrom verschollen“ und „Jenseits der Sterne“ erschienen.

Als Curtis Newton in „Im Zeitstrom verschollen“ von einem schon vor Millionen Jahre von dem sich damals zwischen Mars und Jupiter befindendem Planeten Katain an zukünftige Generationen gesendeten Hilferuf erfährt, macht er sich mit Simon Wright, Grag und Otho auf den Weg in die Vergangenheit. Denn er hat kürzlich ein Gerät erfunden, mit dem Zeitreisen möglich sind. In der Vergangenheit stolpert er in einen interplanetaren Konflikt und er hat eine Idee, wie er Katain vor der Zerstörung retten kann. Dafür muss er noch weiter in die Vergangenheit unseres Sonnensystems reisen.

in „Jenseits der Sterne“ verspricht Curtis Newton den Bewohnern des Planeten Merkur, dass er ihnen beim Überleben auf ihrem Planeten helfen wird. Die Merkurianer verbrauchen mehr Luft und Wasser als der Atmosphärenwandler produziert. Es muss also eine Möglichkeit gefunden werden, unbegrenzte Mengen an Sauerstoff und Wasser aus dem Nichts zu gewinnen. Die Lösung für das Problem könnte in der legendären Wiege der Materie liegen. Sie soll viele Lichtjahre entfernt in einer anderen Galaxie liegen. Falls es sie überhaupt gibt.

Mit dem von ihm erfundenen Vibrationsantrieb, der Flüge mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit ermöglicht, brechen er und seine drei Gefährten zur Wiege der Materie auf. Dort, ihr ahnt es, stolpert er in einen veritablen Krieg zwischen verschiedenen Fraktionen, die nicht immer edle Absichten mit den Möglichkeiten der Wiege der Materie haben. Schließlich verleiht sie ihrem Besitzer unbegrenzte Macht.

Beide Romane sind wundervoll naive Geschichten fernab jeglicher Wirklichkeit, die fröhlich die amerikanische Mentalität vom Einzelgänger, der die Welt rettet, huldigt.

Schließlich wissen wir heute, dass in unserem Sonnensystem die anderen Planeten nicht bewohnt sind. Eigentlich sind alle wissenschaftlichen Theorien, die in den Romanen mit heiligem Ernst präsentiert werden, wundervoller Unfug. Um die bei Zeitreisen auftauchenden Probleme wird sich in „Im Zeitstrom verschollen“ nicht gekümmert. Letztendlich ist diese Zeitreise in die Vergangenheit nur ein Gimmick, der es Edmond Hamilton im Rahmen einer sich strikt chronologisch fortbewegenden Geschichte ermöglicht, einige Planeten zu zerstören. Bis dahin spielten die „Captain Future“-Geschichten in unserem Sonnensystem. Das Leben im Weltraum auf den fremden Planeten erinnert dann doch eher an die Vergangenheit, als Schatzsucher in Südamerika El Dorado, die sagenumwobene irgendwo und nirgendwo liegende Stadt aus Gold, suchten oder von Dorf zu Dorf, von Herrschaftsbereich zu Herrschaftsbereich, zogen, in Probleme gerieten und kämpften. Die Verständigung zwischen den Weltraumabenteurern und den Bewohnern fremder Planeten ist kein Problem, weil auf allen Welten mehr oder weniger Englisch oder eine mit dem englischen verwandte Sprache gesprochen wird. Auf den von unseren Helden besuchten Planeten gibt es einen gut gepflegten Hang zum antiken Kitsch, den wir auch aus „Flash Gordon“ kennen und der seit Jahrzehnten liebevoll in dicken Büchern und Filmen gepflegt wird.

Das ist, wie gesagt, unterhaltsamer Unfug und gerade deshalb sind die beiden neuen „Captain Future“-Romane „Im Zeitstrom verschollen“ und „Jenseits der Sterne“ auch achtzig Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung ein immer noch gut lesbares Vergnügen.

Edmond Hamilton: Captain Future: Im Zeitstrom verschollen

(übersetzt von Frauke Lengermann)

Golkonda, 2020

208 Seiten

14 Euro

Originalausgabe

The lost world of time

Captain Future Magazine, Herbst 1941

Edmond Hamilton: Captain Future: Jenseits der Sterne

(übersetzt von Maike Hallmann)

Golkonda, 2020

192 Seiten

14 Euro

Originalausgabe

Quest beyond the stars

Captain Future Magazin, Winter 1942

Hinweise

Wikipedia über Edmond Hamilton (deutsch, englisch) und Captain Future (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons “Captain Future: Die Herausforderung” (Captain Future’s Challenge, 1940)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons „Captain Future: Der Triumph“ (The Triumph of Captain Future, 1940)

Meine Besprechung von Hardy Kettlitz‘ „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ (2015)


Was sie schon immer über „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

September 30, 2015

Kettlitz - Edmond Hamilton - 2

Hardy Kettlitz, der Autor von „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“, lernte den Science-Fiction-Autor, wie viele Jugendliche Anfang der achtziger Jahre durch die japanische Zeichentrickserie „Captain Future“ kennen. In ihr kämpfen Curtis Newton, genannt Captain Future und ein echter Alleskönner (für die Jüngeren: „Iron Man“ Tony Stark, aber nicht so arrogant egozentrisch), und seine Vertrauten, das lebende, alles wissende Gehirn Professor Simon Wright, befreit von allen körperlichen Beschränkungen, Android Otho, der seine Gestalt verändern kann, Roboter Grag, der gerne ein Mensch wäre, und die wunderschöne, wunderschöne Joan Randall auf verschiedenen Planeten im Sonnensystem gegen Verbrecher. Durch die Serie erlebte Edmond Hamilton, der bereits 1977 verstorben war, eine Renaissance. Bastei-Lübbe veröffentlichte die „Captain Future“-Romane. Teilweise erstmals. Es gab Comics und etliche andere Merchandise-Artikel.
Dabei schrieb Hamilton (21. Oktober 1904 – 1. Februar 1977) nicht nur die „Captain Future“-Romane, sondern zahlreiche weitere Space Operas und Kurzgeschichten, die fast alle, mit einer weitgehenden Missachtung jeglicher wissenschaftlichen Plausibilität, zum Science-Fiction-Genre gehören. Das war und ist nicht Hohe Literatur, sondern Pulp, der allerdings Spaß macht und Jungs zu Leseratten macht.
In seiner lesenswerten Monographie stellt Kettlitz vor allem die Romane und Erzählungen von Hamilton, die auf Deutsch erschienen, kurz vor. Denn insgesamt schrieb Hamilton fast dreihundert Geschichten, die fast alle zuerst in einem der damals populären Magazine erschienen. Der Schwerpunkt von „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ liegt dabei mit insgesamt gut achtzig Seiten auf Hamiltons bekanntestem Helden, dem schon genannten Captain Future. Zwischen 1940 und 1944 erschienen siebzehn „Captain Future“-Romane in den gleichnamigen Heften. Hamilton schrieb fünfzehn (zwei als Brett Sterling). 1945 und 1946 erschienen in „Startling Stories“ drei weitere „Captain Future“-Geschichten, von denen Hamilton zwei schrieb. 1950 und 1951 schrieb Hamilton, ebenfalls in „Startling Stories“, sieben kürzere „Captain Future“-Erzählungen. Kettlitz stellt sie alle kurz vor. Es gibt außerdem die ersten beiden Kapitel des ersten „Captain Future“-Romans, die Hamilton auf Wunsch seines Verlegers überarbeitete. Der ursprüngliche Text erschien erstmals 1971 in „Pulp“.
Es gibt ein im Februar 1975 mit Hamilton geführtes Interview, in dem er einige interessante Einblicke in das Geschäftsgebaren der Pulp-Magazine gibt. Es gibt eine ausführliche Bibliographie, die allerdings bei den Golkonda-Ausgaben der „Captain Future“-Geschichten schwächelt. Das liegt auch daran, dass „Edmond Hamilton – Autor von Captain Future“ erstmals 2003 als „Edmond Hamilton – Weltenzerstörer und Autor von Captain Future“ (SF Personality 13) erschien und 2012 für eine erweiterte und ergänzte Neuausgabe im Shayol Verlag (dem Vorläufer von Golkonda) veröffentlicht wurde. Und es gibt ein erstmals im Oktober 2011 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung erschienenes Essay von Dietmar Dath über Edmond Hamilton und Captain Future.
„Edmond Hamilton“ ist ein gewohnt liebevoll gestaltetes und sehr informatives Buch, das vor allem zum Blättern einlädt und, wenigstens bei mir, den Wunsch weckte, wieder einen „Captain Future“-Roman, die ja dank Golkonda in schönen Ausgaben wieder erhältlich sind, oder eine andere naive Weltraumoper zu lesen.

Hardy Kettlitz: Edmond Hamilton – Autor von Captain Future
Memoranda/Golkonda, 2015
208 Seiten
16,90 Euro

Hinweise

Golkonda über Hardy Kettlitz

Meine Besprechung von Hardy Kettlitz‘ „Die Hugo-Awards 1953 – 1984“ (2015)

Wikipedia über Edmond Hamilton (deutsch, englisch) und Captain Future (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons “Captain Future: Die Herausforderung” (Captain Future’s Challenge, 1940)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons „Captain Future: Der Triumph“ (The Triumph of Captain Future, 1940)


Empfehlenswerte Kriminal- und Science-Fiction-Romane – wieder aufgelegt, meist in neuen Übersetzungen

Februar 11, 2015

Jetzt, wo Don Winslows neuer Roman auf meinem Schreibtisch liegt, will ich schnell auf einige empfehlenswerte Kriminal- und Science-Fiction-Romane hinweisen, die ältere Semester vielleicht schon in ihrem Bücherregal stehen haben. Trotzdem lohnt sich auch für sie ein Blick in die Neuausgaben. Denn oft wurde vom Verlag nicht nur ein neues Cover, sondern fast immer auch eine neue Übersetzung spendiert.

Winslow - London Undercover

Zum Beispiel bei Don Winslows neuem Roman, der eine Neuausgabe von seinem ersten Roman ist. Damals erschien „A Cool Breeze on the Underground“ (1991) als „Ein kalter Hauch im Untergrund“ bei Piper, der auch die nächsten beiden Neal-Carey-Romane veröffentlichte, aber beim vierten und fünften Carey-Roman ausstieg.
Don Winslow begann, was natürlich alles Winslowianer wissen, seine Schriftstellerkarriere mit einer Privatdetektiv-Serie. Neal Carey ist ein Waise, der sich in New York als Taschendieb durchschlug, bis er von Joe Graham erwischt, adoptiert und ein Teil der „Freunde der Familie“, einer geheimen Abteilung einer kleinen Privatbank, die ihren Kunden unauffällig aus der Klemme hilft, wurde.
Zwischen 1991 und 1996 erschienen fünf Carey-Krimis, in den Carey den halben Globus bereist. Danach ließ Don Winslow Weltreisen und Neal Carey links liegen. Schriftstellerisch versteifte er sich auf Kalifornien und er wurde zuerst in den USA und, mit jahrelanger Verspätung, auch in Deutschland, nachdem Winslow bei Piper und Goldmann kein Glück hatte, bei Suhrkamp zu einem abgefeierten Krimi-Autor. Inzwischen erscheinen Winslows neue Thriller bei Knaur, aber Suhrkamp hat noch die Rechte an seiner Backlist, die jetzt mit „London Undercover“ (so der neue deutsche Titel von „A Cool Breeze on the Underground“) bei uns veröffentlicht wird. Sogar mit einer neuen Übersetzung von Conny Lösch.
In seinem ersten Fall soll der 23-jährige Student, Bücherwurm und Manchmal-Privatdetektiv Neal Carey in London die spurlos verschwundene Tochter eines US-Senators finden – und wir dürfen eine Reise in die Vergangenheit, in die Zeit, als Männer noch täglich mehrere Tageszeitungen lasen, unternehmen. Oh, und Punk noch nicht tot war, sondern gerade gegen den bombastischen Prog-Rock und alles andere rebellierte.
Die nächsten Neal-Carey-Neuübersetzungen sind schon angekündigt. Im April erscheint bei Suhrkamp „China Girl“, im Juni „Holy Nevada“ und im August „Lady Las Vegas“ (der bislang noch nicht auf Deutsch erschienene vierte Neal-Carey-Roman). Die deutsche Publikation von seinem letzten Auftritt „While Drowning in the Desert“ ist noch nicht angekündigt. Aber ich tippe auf Oktober.

Don Winslow: London Undercover – Neal Careys erster Fall
(übersetzt von Conny Lösch)
Suhrkamp, 2015
384 Seiten
9,99 Euro

Originalausgabe
A Cool Breeze on the Underground
St. Martin’s Press, 1991

Deutsche Erstausgabe (übersetzt von Ulrich Anders)
Ein kalter Hauch im Untergrund
Piper, 1997

Hinweise

Thrilling Detective über Neal Carey

Hollywood & Fine: Interview mit Don Winslow (11. Juli 2012)

Homepage von Don Winslow (etwas veraltet, weil eigentlich eine Verlagsseite)

Deutsche Homepage von Don Winslow (von Suhrkamp)

Don Winslow twittert ziemlich oft

Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Private“ (The Dawn Patrol, 2008)

Meine Besprechung von Don Winslows „Pacific Paradises“ (The Gentlemen’s Hour, 2009) und „Tage der Toten“ (The Power of the Dog, 2005)

Meine Besprechung von Don Winslows „Bobby Z“ (The Death and Life of Bobby Z, 1997)

Meine Besprechung von Don Winslows „Satori“ (Satori, 2011)

Mein Interview mit Don Winslow zu “Satori” (Satori, 2011)

Meine Besprechung von Don Winslows “Savages – Zeit des Zorns” (Savages, 2010)

Meine Besprechung von Don Winslows “Kings of Cool” (The Kings of Cool, 2012)

Meine Besprechung von Don Winslows „Vergeltung“ (Vengeance, noch nicht erschienen)

Meine Besprechung von Don Winslows „Missing. New York“ (Missing. New York, noch nicht erschienen)

Meine Besprechung von Oliver Stones Don-Winslow-Verfilmung „Savages“ (Savages, USA 2012)

Don Winslow in der Kriminalakte

Trevanian - Der Experte - 2

Bleiben wir gerade in England, in London, in den Siebzigern, als in den Pubs noch ungehemmt geraucht wurde. Jonathan Hemlock hat sich in „Der Experte“ (The Loo Sanction“, 1973) nach London zurückgezogen. Hier will er ein ruhiges Leben ohne Straftaten und Geheimdienstkomplotte leben.
Als in der Kathedrale St.-Martin’s-In-The-Fields ein wichtiges Mitglied der Oberschicht ermordet wird, bittet eine Geheimorganisation Jonathan Hemlock um Hilfe. Hemlock kann das Angebot nicht ablehnen. Seine Ermittlungen führen ihn zu Maximilian Strange, einem Clubbesitzer, der heimlich seine hochstehenden Gäste belauscht und filmt. Strange will sein Wissen versilbern.
Als Teenager hat mir der zweite Hemlock-Thriller gefallen.
Es ist schön, dass die drei Hemlock-Thriller „Im Auftrag des Drachen“, „Der Experte“ und „Shibumi“ wieder erhältlich sind. Ergänzend kann man Don Winslows Hemlock-Thriller „Satori“ lesen, der in die abenteuerliche Vergangenheit von Hemlock führt.
Nach Angaben des Heyne-Verlages handelt es sich um eine „vollständig überarbeitete Neuausgabe“ von „Der Experte“.

Trevanian: Der Experte
(übersetzt von Werner Peterich)
Heyne, 2014
448 Seiten
9,99 Euro

Originalausgabe
The Loo Sanction
Crown Publishers, 1973

Zahlreiche frühere deutschsprachige Ausgaben.

Hinweise

Homepage von Trevanian

Wikipedia über Trevanian

L. A. Times: Nachruf auf Rod Whitaker (19. Dezember 2005)

Meine Besprechung von Trevanians „Im Auftrag des Drachen“ (The Eiger Sanction, 1972)

Meine Besprechung von Trevanians “Shibumi” (Shibumi, 1979)

McIlvanney - Laidlaw
Bleiben wir weiterhin in den Siebzigern, gehen aber etwas weiter in den Norden. Nach Glasgow, wo Detective Inspector Jack Laidlaw arbeitet.
Er wurde von William McIlvanney erfunden, der nicht sonderlich produktiv, aber einflußreich ist. Er gilt als Begründer des Tartan Noir, Rebus-Erfinder Ian Rankin bekennt, dass er ohne die Laidlaw-Romane kein Krimischriftsteller geworden wäre, und Martin Compart schreibt im Nachwort zur DuMont-Ausgabe von „Laidlaw“ über William McIlvanney: „Seine stilistische Brillanz, sein Gespür für Charaktere und Atmosphäre und die moralische Dimension seiner Kriminalromane, die weit über den Standards des Genres liegen, haben ihm nicht nur Vergleich mit Chandler und Ross Macdonald eingebracht, sondern ihn auch zum Geheimtip als einem der besten lebenden Kriminalliteraten werden lassen. Allein seine geringe Produktivität im Genre hat ihn nach Ansicht der Spezialisten daran gehindert, als führender britischer Autor des Genres weltweit Anerkennung und Bestsellererfolg einzuheimsen. Es gibt wenige zeitgenössische Noir-Autoren, die ihr Material so vielschichtig anlegen und so souverän handhaben.“
Im ersten Laidlaw-Roman, der auch einfach „Laidlaw“ heißt, jagt Detective Inspector Jack Laidlaw von dr Glasgower Polizei den Zwanzigjährigen Tommy Bryson, der ein junges Mädchen ermordetete, weil er beweisen wolle, dass er nicht homosexuell ist. Jetzt ist Tommy nicht nur vor der Polizei auf der Flucht.
Als ich damals, als „Laidlaw“ in der kurzlebigen DuMont-Noir-Reihe erschien und ich den Roman begeistert verschlungen hatte, freute ich mich schon auf die nächsten Laidlaw-Romane, die dann doch nicht übersetzt wurden und irgendwie kam ich nicht dazu, mir die Originale (Waren die damals überhaupt erhältlich?) zu besorgen.
Jedenfalls, nachdem Laidlaws erster Fall bereits in zwei verschiedenen Verlagen in der Übersetzung von Ute Tanner erschien, gibt es dieses Mal eine sehr erfreuliche Meldung. Der Kunstmann-Verlag hat die Tage „Die Suche nach Tony Veitch“ veröffentlicht und will im Herbst „Falsche Treue“, den dritten und bislang letzten Laidlaw-Roman, veröffentlichen.

William McIlvanney: Laidlaw
(übersetzt von Conny Lösch)
Kunstmann, 2014
304 Seiten
19,95 Euro

Originalausgabe
Laidlaw
Hodder and Stoughton Limited, 1977

Deutsche Erstausgabe (übersetzt von Ute Tanner)
Im Grunde ein ganz armer Hund
Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1979

Neuveröffentlichung
Laidlaw
(mit einem Nachwort von Martin Compart; DuMont Noir 15)
DuMont, 1999

Hinweise

Homepage von William McIlvanney

Wikipedia über William McIlvanney (deutsch, englisch)

Katzenbach - Das Tribunal

Verlassen wir die Siebziger, bleiben aber in Europa.
Mit „Das Tribunal“ schrieb John Katzenbach seinen historischen Roman, seinen Weltkrieg-II-Roman und seinen Gerichtsthriller, der auch erfolgreich von Gregory Hoblit mit Bruce Willis und Colin Farrell verfilmt wurde. Weil die Verfilmung öfter im Fernsehen läuft, dürfte die Geschichte bekannt sein: 1943 wird in Deutschland in einem Kriegsgefangenenlager ein Häftling ermordet. Als Täter wird Lincoln Scott angeklagt und weil alles nach Recht und Gesetz vonstatten gehen soll (inclusive einer Selbstinszenierung der Lagerleitung), wird der junge, ebenfalls gefangene Jurastudent Thomas Hart als Verteidiger des angeklagten Afroamerikaners bestellt.
Natürlich ist „Das Tribunal“ ein Planspiel, das wichtige Themen anspricht, und mit siebenhundert Seiten nichts für die schnelle Lektüre in der U-Bahn. Eher schon für die lange Zugfahrt quer durch Deutschland. Oder ein Wochenende ohne Binge-Watching.
Auch hier gibt es eine vollständige Neuübersetzung.

John Katzenbach: Das Tribunal
(übersetzt von Anke und Eberhard Kreutzer)
Knaur, 2015
704 Seiten
9,99 Euro

Originalausgabe
Hart’s War
Ballantine Books, 1999

Deutsche Erstausgabe (übersetzt von Bernhard Liesen)
Das Tribunal
Heyne, 2002

Verfilmung
Das Tribunal (Hart’s War, USA 2002, Regie: Gregory Hoblit)
Drehbuch: Billy Ray, Terry George
LV: John Katzenbach: Hart´s war, 1999 (Das Tribunal)
Mit Bruce Willis, Colin Farrell, Rory Cochrane, Terrence Howard, Cole Hauser

Hinweise

Homepage von John Katzenbach

Deutsche Homepage von John Katzenbach

Wikipedia über John Katzenbach (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Katzenbachs „Der Professor“ (What comes next, 2012)

Meine Besprechung von John Katzenbachs „Der Wolf“ (Red 123, 2013)

In der Abteilung „Science-Fiction“ gibt es auch einige erwähnenswerte Neuveröffentlichungen. „Captain Future“ erobert weiter das Weltall und zwei Klassiker von Robert A. Heinlein gibt es erstmals in ungekürzten Übersetzungen, was vor allem bei „Mondspuren“ gut ist.

Heinlein - Mondspuren - 2Heinlein - Raumjäger - 2

„Mondspuren“ ist der aktuelle deutsche Titel von „The Moon is a harsh Mistress“, einem 1967 mit dem Hugo Award ausgezeichneter Roman, der auch – immerhin schrieb Heinlein „Starship Troopers“ – bei der Gegenkultur beliebt war.
In dem Roman ist der Mond besiedelt und er fungiert als Kornkammer für die Erde. Die Farmer sind Sträflinge und ihre Kinder, die noch nie den Mond verlassen haben und deren Körper sich der Schwerkraft auf dem Mond unwiderruflich angepasst haben. Da ergeben Berechnungen, dass der Mondbevölkerung eine Hungersnot droht, wenn sie weiterhin die Erde versorgen. Einige Menschen beginnen eine Revolution gegen ein Erdregime, das man mit der USA verwechseln könnte.
Kein Wunder, dass damals die Hippies und Studenten davon begeistert waren.
Acht Jahre früher schrieb Heinlein mit „Raumjäger“ seinen letzten Jugendroman. In ihm gewinnt Kip Russell bei einem Wettbewerb den zweiten Preis: einen ausrangierten Raumanzug, den er repariert, einmal zur Probe anzieht und ihn ins Weltall katapultiert, wo er fantastische Abenteuer erlebt.
Der Roman war für den Hugo nominiert.

Robert A. Heinlein: Mondspuren
(übersetzt von Wulf H. Bergner und Jürgen Langowski)
Heyne, 2014
464 Seiten
9,99 Euro

Originalausgabe
The Moon is a harsh Mistress
G. P. Putnam’s Sons, 1966

Frühere deutsche Veröffentlichungen als „Revolte auf Luna“ und „Der Mond ist eine herbe Geliebte“.

Robert A. Heinlein: Raumjäger
(übersetzt von Heinz Nagel)
Heyne, 2014
336 Seiten
8,99 Euro

Originalausgabe
Have Space Suit – Will Travel
Charles Scribner’s Sons, 1958

Frühere deutsche Veröffentlichungen als „Piraten im Weltraum“, „Kip überlebt auf Pluto“ und „Die Invasion der Wurmgesichter“. Und diese Titel, hintereinander gelesen, verraten doch einiges von der Handlung.

Hinweise

Homepage der Heinlein Society (also eigentlich die Homepage von Robert A. Heinlein)

Wikipedia über Robert A. Heinlein (deutsch, englisch)

Hamilton - Captain Future - Der Triumph - 2

Bei Golkonda darf Captain Future weitere Abenteuer erleben, die in den USA erstmals, mit einigen Nachfolgern, zwischen 1940 und 1944 erschienen. In Deutschland erschienen bei Bastei-Lübbe zwischen 1981 und 1984, im Zusammenhang mit der Ausstrahlung der inzwischen legendären TV-Zeichentrickserie (jedenfalls für uns Jungs, die sie damals im TV sahen), fünfzehn „Captain Future“-Romanen. „Der Triumph“, das vierte Abenteuer von Captain Future, war auch dabei.
Aber bei Golkonda gibt es immer eine Neuübersetzung, die dem Text des Originals folgt, ergänzt um die Zeichnungen und dem Bonusmaterial, das damals im Pulpmagazin „Captain Future – Wizard of Science“ erschien und der Leserbindung diente. Allein schon für diese liebevolle Ausstattung kann der Verlag nicht genug gelobt werden.
Ach ja; die Story. Ein selbsternannter „Lebensherr“ hat ein Mittel gegen das Altern entwickelt, für das Reiche Unsummen bezahlen. Aber sein Versprechen ewiger Jugend ist nur von kurzer Dauer. Captain Future und sein tapferes Team wollen hinter sein Geheimnis kommen.
Reisen wir also in die Vergangenheit, um die Zukunft zu erkunden.

Edmond Hamilton: Captain Future – Der Triumph
(übersetzt von Markus Mäurer)
Golkonda, 2014
208 Seiten
14,90 Euro

Originalausgabe
The Triumph of Captain Future
Captain Future Magazine, Herbst 1940

Deutsche Erstveröffentlichung
Captain Future greift ein
Utopia Großband # 142

Zweite deutsche Veröffentlichung (übersetzt von Marcel Bieger)
Captain Future: Der Lebenslord
Bastei-Lübbe, 1982

Hinweise

Tangent: Interview mit Edmond Hamilton und seiner Frau Leigh Brackett (vom April 1976)

PulpGen über Edmond Hamilton

Fiction Fantasy über Edmond Hamilton

Deutsche “Captain Future”-Fanseite

Wikipedia über Edmond Hamilton (deutsch, englisch) und Captain Future (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Edmond Hamiltons „Captain Future: Die Herausforderung“ (Captain Future’s Challenge, 1940)


75 Jahre Batman – und Bruce Wayne darf sich immer noch nicht ausruhen

Dezember 10, 2014

Batman Anthologie - 2

Nein, wie ein 75-jähriger sieht Bruce Wayne wirklich nicht aus. Auch körperlich ist der reiche Playboy und Wohltäter für einen so alten Mann erstaunlich fit. Aber Batman ist ja nur ein Comic-Charakter, der vor 75 Jahren sein erstes Abenteuer erlebte.
Seinen ersten Auftritt hatte der von Bob Kane erfundene Verbrechensbekämpfer als Bat-Man im Mai 1939 in „Detective Comics 27“ in der sechseitigen Geschichten „Der Fall des Chemiesyndikats“, einer typischen Kriminalgeschichte, in der ein maskierter Verbrechensbekämpfer handfest für Recht und Ordnung sorgt nachdem ein Chemiefabrikant ermordet wird und sein Sohn der Mörder sein soll. Die bekannte Ursprungsgeschichte von Batman, die Ermordung seiner Eltern in einer Gasse mit ihm als Zeugen, wurde dann erstmals im November 1939 in „Detective Comics 33“ als Zweiseiter erzählt.
Diese beiden Geschichten sind, neben achtzehn weiteren Batman-Geschichten, in der „Batman Anthologie“ enthalten, die für Neueinsteiger und langjährige Fans gleichermaßen lesenswert ist. Immerhin spannen die Herausgeber der Anthologie den Bogen von den ersten Auftritten des Helden bis in die Gegenwart mit wichtigen Geschichten, in denen teilweise legendäre Freunde und Gegner zum ersten Mal auftraten und es neue Entwicklungen und interessante Abwege im „Batman“-Kosmos gab. So schrieb „Captain Future“-Autor Edmond Hamilton 1955 eine Geschichte über einen Batman aus dem Jahr 3055, der zusammen mit dem Gegenwart-Batman gegen Bösewichter kämpft, und 1958 ließ er Batman, Robin und Superman gemeinsam gegen Bösewichter kämpfen. Außerdem zeigen die Geschichten, wie sehr sich der Comic in den vergangenen Jahrzehnten veränderte. So hat der Zeichenstil der ersten „Batman“-Geschichten nichts mehr mit dem heutigen Stil zu tun und die Geschichten wurden länger und komplexer, was die Auswahl bei den neuen Geschichten schwierig macht. Denn aus achtseitigen, nicht miteinander zusammenhängenden Geschichten wurden teilweise sich über mehrere Hefte erstreckende Geschichten und auch mal mehrere hundert Seiten lange Epen.
Zu den zwanzig Comics gibt es kurze Texte, die die Bedeutung der Geschichte und die Wandlungen bestimmter Charaktere im „Batman“-Kosmos erläutern. Die „Batman Anthologie“ vereint gelungen Information mit Entertainment mit dem Entdecken alter Geschichten, die sonst kaum erhältlich sind.
Mehr in die Gegenwart geht es mit David Laphams „Stadt der Sünde“ (City of Crime), ursprünglich erschienen 2005/2006 in Detective Comics # 800 – 814. In dieser langen Geschichte kämpft Bruce Wayne gegen „Die Körper“; – etwas, das aus Menschen willenlose Kreaturen aus Dreck und Erde macht.
Als eigenständige Geschichte überzeugt Laphams Werk nicht wirklich, weil der Gegner zu gesichtslos bleibt und die meisten Bösewichter (auch altbekannte Batman-Gegner) zu grotesk sind, während in anderen Teilen ein Noir-Porträt einer Großstadt gezeichnet wird. Ein großer Teil der Geschichte spielt Crown Point, einem Hafenarbeiterviertel, das direkt aus den vierziger Jahren zu stammen scheint.
Nach dem bislang letzten Neustart aller DC-Serien 2011 wurden und werden noch einmal die Ursprungsgeschichten von Batman, seiner Freunde und Gegner, erzählt. Natürlich mit anderen Schwerpunkten und Akzenten.
In dem Sammelband „Der Herrscher von Gotham“ übernahmen Autor John Layman und Zeichner Jason Fabok das Ruder bei den Detective Comics. In dem Comicbuch erzählen sie den Anfang der Geschichte von Ignatius Ogilvy, der rechten Hand des Pinguins, der als Kaiser Pinguin die Macht in Gotham übernehmen will und Oswald Chesterfield Cobblepot, der sich als Gangsterboss Pinguin nennt, vernichten will. Außerdem bereitet er Batman etliche Probleme.
Mit „Liebe und Wahn“ setzt Thriller-Autor Gregg Hurwitz in „Batman – The Dark Knight“ seine Batman-Geschichten fort. In „Liebe und Wahn“ wird die Ursprungsgeschichte von Jervis Tetch, dem Mad Hatter, neu erzählt. Gleichzeitig kämpft Batman in der Gegenwart gegen ihn. Denn als Chef einer Gangsterbande entführt der Mad Hatter wahllos Menschen und tötet sie, wenn sie sich nicht seinen Wünschen beugen. Auch Bruce Waynes neue Freundin Natalya Trusevich ist eines seiner Opfer.
„Der Herrscher von Gotham“ und „Liebe und Wahn“ sind willkommene Ergänzungen im Batman-Kosmos.
Ausgehend von Batmans Kampf gegen den Rat der Eulen (erzählt von Scott Snyder und Greg Capullo in den „Batman“-Sammelbänden „Der Rat der Eulen“ und „Die Stadt der Eulen“), eine seit Jahrhunderten in Gotham bestehenden Geheimloge, erzählt der hauptsächlich von Scott Snyder und James Tynion IV geschriebene vierhundertseitige „Talon“-Megaband „Der Geheimbund von Gotham“ die Geschichte von Calvin Ross, einem Talon. Der vom Rat der Eulen ausgebildete Killer kehrt nach dem Ende der Loge nach Gotham zurück und muss erfahren, dass der Rat der Eulen immer noch existiert. In dieser in Gotham spielenden Geschichte hat Batman nur eine Nebenrolle.

Batman Anthologie – 20 legendäre Geschichten über den Dunklen Ritter
(übersetzt von Michael Bregel, Jörg Fassbender, Monja Reichert)
Panini Comics, 2014
372 Seiten
29,99 Euro

Lapham - Batman - Stadt der Sünde - Hardcover - 2Lapham - Batman - Stadt der Sünde - Softcover - 2

David Lapham/Ramon Bachs/Nathan Massengill: Batman: Stadt der Sünde
(übersetzt von Steve Kups)
Panini Comics, 2014
292 Seiten
24,99 Euro

Originalausgabe/enthält
Detective Comics 800 – 814
DC Comics, Januar 2005 – Februar 2006

Layman -Batman Detective Comics - Der Herrscher von Gotham - 2

John Layman/Jason Fabok/Andy Clarke: Batman Detective Comics: Der Herrscher von Gotham (Band 3)
(übersetzt von Steve Kups)
Panini Comics, 2014
284 Seiten
19,99 Euro

Originalausgabe/enthält
Detective Comics 13 – 20
DC Comics, Dezember 2012 – Juli 2013

Hurwitz - Batman - Liebe und Wahn - 2Hurwitz - Batman - Liebe und Wahn - Hardcover - 2
Gregg Hurwitz/Ethan van Sciver/Szymon Kudranski: Batman – The Dark Knight: Liebe und Wahn (Band 3)
(übersetzt von Steve Kups)
Panini Comics, 2014
180 Seiten
14,99 Euro

Originalausgabe/enthält
Batman: The Dark Knight 16 – 21, Batman: The Dark Knight Annual 1
DC Comics, März 2013 – August 2013

Snyder - Talon - Der Geheimbund von Gotham - 2
Scott Snyder/James Tynion IV/Marguerite Bennett/Tim Seeley/Christy Marx: Talon: Der Geheimbund von Gotham
(übersetzt von Alexander Rösch)
Panini Comics, 2014
404 Seiten
30 Euro

Originalausgabe/enthält
Talon 0 – 17, Detective Comics 19 (III), Birds of Prey 21
DC Comics, November 2012 – Mai 2014

Hinweise

DC Comics über Batman

Wikipedia über Batman (deutsch, englisch)

Homepage von Gregg Hurwitz

Meine Besprechung von Scott Snyder/Stephen King/Rafael Albuquerques (Zeichner) „American Vampire – Band 1“ (American Vampire, Vol. 1 – 5, 2010)

Meine Besprechung von Scott Snyder/Rafael Albuquerque/Mateus Santoloucos “American Vampire – Band 2″ (American Vampire, Vol. 6 – 11, 2010/2011)

Meine Besprechung von Scott Snyder/Rafael Albuquerque/Danijel Zezeljs “American Vampire – Band 3″ (American Vampire, Vol. 12 – 18, 2011)

Meine Besprechung von Scott Snyder/Sean Murphys “American Vampire – Das Überleben des Stärkeren, Band 4″ (American Vampire: The Survival of the Fittest, 2011)
Meine Besprechung von Frank Miller/Jim Lee/Scott Williams’ “All-Star Batman” (All Star Batman & Robin: The Boy Wonder, 2005 – 2008)
Meine Besprechung von Brian Azzarello/Eduardo Rissos “Batman: Kaputte Stadt” (Batman: Broken City, 2003/2004)

Meine Besprechung von Gregg Hurwitz/David Finchs „Batman – The Dark Knight: Angst über Gotham (Band 2)“ (Batman: The Dark Knight # 10 – 15, August 2012 – Februar 2013)

Meine Besprechung von Scott Snyder/Greg Capullos „Batman: Der Rat der Eulen (Band 1)“ (Batman # 1 – 7, November 2011 – Mai 2012)

Meine Besprechung von Scott Snyder/Greg Capullos „Batman: Die Stadt der Eulen (Band 2)“ (Batman # 8 – 12, Juni 2012 – Oktober 2012)

Homepage von Chew/John Layman

Comicgate: Interview mit John Layman (5. März 2011)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss: Leichenschmaus (Band 1)“ (Chew Vol. 1: Taster’s Choice, 2009)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss: Reif für die Insel (Band 2)“ (Chew: International Flavor, 2010)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss: Eiskalt serviert (Band 3)“ (Chew Vol. 3: Just Desserts, 2010)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss!: Flambiert (Band 4)“ (Chew, Vol. 4: Flambé, 2011)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss!: Erste Liga“ (Band 5) (Chew Vol. 5: Major Legue Chew, 2012)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss!: Space Kekse (Band 6)“ (Chew Vol. 6: Space Cakes, 2013)

Meine Besprechung von David Lapham (Autor)/Kyle Bakers (Zeichner) “Deadpool MAX: Lang lebe Hydra!” (Deadpool MAX 7 – 12, 2011)


Captain Future nimmt „Die Herausforderung“ an

April 16, 2014

Hamilton - Captain Future - Die Herausforderung - 2

Als Edmond Hamilton die „Captain Future“-Geschichten schrieb, hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt, dass wir diesen Charakter heute immer noch kennen und es immer noch Pläne für eine Verfilmung gibt, wie Christian Alvart in Interviews anlässlich seines neuen Films „Banklady“ bestätigte. Denn als Hamilton die „Captain Future“-Geschichten schrieb, erschienen die meisten Romane der Serie im zwischen 1940 und 1944 vierteljährlich erschienenem „Captain Future Magazine“ und als Pulps waren sie, nun, potentielles Altpapier. Sie waren nicht für die Ewigkeit bestimmt und irgendwelche höheren literarische Ansprüche, geschweige denn Zeitungskritikerherzen, sollten auch nicht befriedigt werden. Es ging um Ablenkung von der rauhen Wirklichkeit. Unterhaltung eben.
In den Fünfzigern gab es einige deutsche Übersetzungen von „Captain Future“-Romanen als „Captain Zukunft“ im Erich Pabel Verlag. Die Romane dürften kaum noch erhältlich sein. Besser sieht es in den Antiquariaten mit den in den frühen Achtzigern erschienenn „Captain Future“-Romanen bei Bastei Lübbe aus, aber auch da muss man manchmal tief in den Geldbeutel greifen.
Am Bekanntesten dürfte bei uns natürlich die 1978/1979 entstandene japanische Zeichentrickserie sein, die ab September 1980 im ZDF ausgestrahlt wurde und sehr beliebt war; – was dann auch zur Veröffentlichung der Romane bei Bastei Lübbe führte.
Und seit einigen Jahren gibt der Golkonda-Verlag die „Captain Future“-Geschichten in originalgetreuen Ausgaben mit den Zeichnungen und ergänzenden Materialien aus dem „Captain Future Magazin“ heraus.
Jetzt ist der dritte „Captain Future“-Roman „Die Herausforderung“ erschienen. In ihm zerstören mehrere schwarze Raumkreuzer fast gleichzeitig die Gravium-Minen auf dem Merkur, dem Mars und dem Saturn. Gravium ist für die interplanetare Raumfahrt überlebenswichtig, weil mit Gravium die Schwerkraftregler hergestellt werden. Mit ihnen bewegt man sich auf jedem Planeten mit dem von seinem Heimatplaneten vertrautem Körpergewicht und ohne Schwerkraftregler würde man auf fremden Planeten krank.
Gleichzeitig wird Curtis Newton, auch bekannt als Captain Future, aus seiner Mondbasis entführt. Er ist die einzige Person, die den Plan der Angreifer vereiteln kann.
Dennoch gelingt Newton die Flucht aus dem Raumschiff seiner Entführer und er beginnt mit seinen treuen Gefährten, den Futuremen, die unbekannten Bösewichter und ihren Hintermann zu verfolgen.
Dabei führt die Spur ihn zum Neptun, wo die letzten verbliebenen Gravium-Minen sind.
Edmond Hamilton ist einer der Begründer der Space Opera, diesen Science-Fiction-Abenteuergeschichten, in denen Raumfahrer exotische Welten in der ganzen Galaxis besuchen und oft haarsträubende Abenteuer erleben.
Die Charaktere sind ziemlich eindimensional und klischeefest: der tapfere Captain Future, der keine Gefahr fürchtet und der ein Wissenschaftsgenie in allen Disziplinen ist. Seine ebenso tapferen Gefährten, die Futuremen, die mit wenigen Worten zum Leben erweckt werden: der Androide Otho und der Roboter Grag, die sich immer zanken. Und natürlich das Gehirn Simon Wright, das nur ein Gehirn in einem durchsichtigen, es am Leben erhaltenden Kasten ist.
Aber die 1940 geschriebene Geschichte bewegt sich mit Sieben-Planeten-Stiefeln vorwärts, ist voller Überraschungen und Ideen über Welten, Wesen und technische Erfindungen, die heute teilweise Alltag sind. Einiges ist aus heutiger Sicht auch herrlich falsch, weil bestimmte Probleme, mit denen Captain Future und seine Männer kämpfen, längst gelöst sind oder kein Problem sind.
Die Sprache steht der Handlung nie im Weg und die Geschichte ist ein wirklich kurzweiliger Spaß mit echten Pageturner-Qualitäten.

Edmond Hamilton: Captain Future – Die Herausforderung
(übersetzt von Frauke Lengermann)
Golkonda, 2014
220 Seiten
14,90 Euro

Originalausgabe
Captain Future’s Challenge
Captain Future Magazine, Sommer 1940

Hinweise

Tangent: Interview mit Edmond Hamilton und seiner Frau Leigh Brackett (vom April 1976)

PulpGen über Edmond Hamilton
Fiction Fantasy über Edmond Hamilton
Deutsche „Captain Future“-Fanseite
Wikipedia über Edmond Hamilton (deutsch, englisch) und Captain Future (deutsch, englisch)