TV-Tipp für den 20. Juli: Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien

Juli 19, 2022

ARD, 22.50

Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien (Deutschland 2020)

Regie: Bettina Böhler

Drehbuch: Bettina Böhler

TV-Premiere. Zweistündige Doku über Christoph Schlingensief (1960 – 2010), dem wir etliche spektakuläre Kunstaktionen, die Partei „Chance 2000“ („Scheitern als Chance“), Theateraufführungen und einige Perlen der Filmkunst, wie „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“, „Das deutsche Kettensägenmassaker“, „Terror 2000 – Intensivstation Deutschland“ und „Die 120 Tage von Bottrop“, verdanken.

Für ihre Doku montierte Bettina Böhler vorhandenes, teils bis dahin unbekanntes Archivmaterial zu einem überzeugenden und auch für Schlingensief-Kenner sehenswertem Porträt.

Die Musik ist von Helge Schneider.

Mit Christoph Schlingensief, Margit Carstensen, Udo Kier, Sophie Rois, Bernhard Schütz, Helge Schneider, Dietrich Kuhlbrodt, Susanne Bredehöft, Alfred Edel, Irm Hermann, Martin Wuttke, Tilda Swinton (natürlich alles Archivmaterial)

Hinweise

Filmportal über „Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien“

Wikipedia über Christoph Schlingensief und „Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien“


Neu im Kino/Filmkritik: „Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort“ und der perfekte wackelige Tisch

April 23, 2015

Kann man einen Film über Helge Schneider machen, der Privates und Intimes über den Künstler enthüllt? Andrea Roggon versuchte in ihrer Dokumentation über den Musiker, Autor, Schauspieler, Regisseur und Maler Helge Schneider, diese Frage zu beantworten. Mit einem ernüchterndem Ergebnis.
Denn es gelingt ihr nicht, einen Blick hinter die Maske des Künstlers Helge Schneider zu werfen. Zu untrennbar ist die Bühnenperson Helge Schneider mit dem Menschen verbunden, der seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit eben diesen Charakter spielt. Er ist ein Dilletant, ein Blödler, ein Kind im Mann, ein Chaot, der keine Witze erzählen kann und der immer dann, wenn er nichts über sich verraten will, in eben diesen Bühnencharakter ausflüchtet.
Aber gerade das macht auch den Reiz von „Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort“ aus. Es ist ein Porträt, bei dem immer unklar ist, wie viel davon von dem Porträtierten inszeniert wurde. Schließlich ist er ein dankbares Objekt für solche Inszenierungen, weil er sie von sich aus macht und nicht vom Regisseur dazu ermuntert werden muss und sein Umfeld, seine Eltern, Frauen, Kinder, Freunde und Arbeitskollegen, nicht vorkommen. Es geht immer nur um Helge in einer größenwahnsinnig bescheidenen Personality-Show. Roggons Porträt wirft einen sympathischen, gänzlich kritikfreien Blick auf einen sympathischen Menschen, der sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Oder mit Helges eindeutig doppeldeutigen Worten: „Ich spiele keine Rolle. – Deshalb spiele ich keine Rolle.“
Diese perfekt-schrullige Selbstinszenierung wird von einer Szene durchbrochen. Als Helge Schneider mit seiner Band auf der Bühne für einen Auftritt probt, gibt es kein Geblödel und keine Abschweifungen, sondern sehr präzise Anweisungen. In dem Moment wird deutlich, wie genau die scheinbar improvisierten Konzerte durchgeplant sind und was für ein guter Musiker er ist. In dem Moment muss man nicht wissen, dass er nach einer Sonderbegabtenprüfung an der Folkwang Universität der Künste aufgenommen wurde, als Studiomusiker arbeitete, in diversen Jazzbands, unter anderem mit Schlagzeuger Pete York, spielte und er da mit seinen spielerischen Fähigkeiten überzeugte.
Abgesehen von dieser Szene und einer Improvisation mit der Sängerin Butterscotch, folgt Andrea Roggon in ihrem Porträt, das sich ausschließlich auf Helge Schneider konzentriert und damit auch eindimensionaler als nötig bleibt, notgedrungen Helge Schneiders künstlerischem Programm: „Ich rebelliere gegen den Irrsinn der Normalität.“ In „Mülheim – Texas“ rebelliert er auch gegen die Konventionen des Porträtfilms. Das beginnt schon in den ersten Minuten, wenn er ihr seine Stadt zeigt und gleichzeitig ein Interview verweigert, weil er sich dafür erst noch vorbereiten müsse.
„Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort“ ist ein grundsympathischer Helge-Schneider-Film, bei dem er sich auf das Schauspielen beschränken konnte. Nach dem Film kann man darüber nachdenken, wie nah Helge Schneiders in dieser Dokumentation seinen Ziel, der Perfektion innerhalb bestimmter Grenzen, gekommen ist. Im Film sagt er dazu: „Ich suche nach Perfektion. Das kann dann auch der perfekte wackelige Tisch sein.“

Mülheim - Texas - Plakat

Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort (Deutschland 2015)
Regie: Andrea Roggon
Drehbuch: Andrea Roggon
mit Helge Schneider
Länge: 93 Minuten
FSK: ab 0 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort“
Film-Zeit über „Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort“
Moviepilot über „Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort“
Wikipedia über „Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort“ und über Helge Schneider
Homepage von Helge Schneider
Meine Besprechung von Helge Schneiders „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“ (Deutschland 2013)
Helge Schneider in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: Der neue Helge-Schneider-Spaß „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“

Oktober 10, 2013

 

Wer heute in einen Helge-Schneider-Film geht und dabei einen normalen Film erwartet, hat die letzten zwanzig Jahre wahrscheinlich in einer Höhle verbracht und hat auch niemals den 1986er Kultfilm „Johnny Flash“ von Werner Nekes mit ihm als Hauptdarsteller gesehen.

Schon mit seinem ersten Spielfilm, dem Anti-Western „Texas – Doc Snyder rettet die Welt“ (1993), pervertierte er alle Erwartungen, die man an einen Western oder eine Westernkomödie haben kann. Der Film war ein Überraschungshit im Kino, es gab ausverkaufte Kinovorstellungen vor studentischem Publikum, den Hit „Katzenklo“, Helge wurde zum Star und spielte plötzlich in großen Sälen vor einem Publikum, das seinen Anti-Humor nicht verstand und einfach von der ersten bis zur letzten Minute lachte.

Zwei Jahre später folgte „00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter“, ein gelungener Anti-Edgar-Wallace-Sechziger-Jahre-Trash-Krimi und der Rest ist Geschichte. Wobei Helge Schneider in den vergangenen Jahren, nach seinem bislang letzten Film „Jazzclub – Der frühe Vogel fängt den Wurm“ 2004, vor allem als Romanautor und Musiker mit einer verdammt guten Jazzband jazzte.

Etliche seiner Bandkollegen spielen auch in seinem neuesten Film „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“ mit und sie hatten sicher ihren Spaß bei den improvisierten Dreharbeiten zu diesem überall ausfransendem Werk, das noch nicht einmal rudimentär von einer Story zusammengehalten wird. Denn die Jagd von 00 Schneider nach dem gefährlichen Verbrecher Jean-Claude Pillemann, der wegen seiner seltsamen Bewegungen und seiner ätzenden Spucke „Die Eidechse“ genannt wird, nimmt nur einige Szenen ein neben den zahlreichen anderen Geschichten und Episoden, die mal mehr, mal weniger gelungen sind, aber zu nichts führen. Nicht nach den konventionellen dramaturgischen Regeln, aber auch nicht nach dem ständigen Verweigern dieser Regeln.

Wenn „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“ eine Free-Jazz-Improvisation wäre, wäre es eine, in der die Musiker sich irgendwann hoffnungslos auseinanderbewegen und irgendwann aufhören, weil ihnen die Luft ausgeht. Die Ideen sind ihnen schon vorher ausgegangen und vieles, was witzig gemeint ist oder witzig sein könnte, ist es dann doch nicht, weil die Szene einfach zu lange dauert (zum Beispiel beim Zahnarzt) oder nicht konsequent geplant wurde (zum Beispiel 00 Schneiders Interview zu seinen Memoiren in seiner Wohnung) oder es einfach nicht witzig ist (zum Beispiel 00 Schneiders falsche Tante aus Amerika, die von einem Mann gespielt wird) oder aus dem Set-Up nichts gemacht wird (zum Beispiel der im Polizeirevier abgestellte Koffer oder der Staubsaugervertreter oder der Verkehrspolizist).

Immer bleibt der Eindruck, dass Helge Schneider mit seinem Team mehr aus der Geschichte hätte herausholen können. So ist „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“, gemessen am Helge-Schneider-Standard, ein enttäuschendes Werk, das nie die Qualität seines ersten „00 Schneider“-Films erreicht. Dafür ist der Anti-Film, der natürlich auch keine Krimi-Parodie sein will, einfach zu unkonzentriert und zu selbstgenügsam.

Da helfen auch keine pathetischen Spaghetti-Western-Anklänge, Eddie-Constantine-Handkanten, eine Tatortbesichtigung, die die Bestohlene mehr schädigt als der vorherige Diebstahl oder ein Undercovereinsatz von Kommissar 00 Schneider als Straßenprostituierte.

00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse - Plakat

00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse (Deutschland 2013)

Regie: Helge Schneider, Andrea Schumacher (Co-Regie)

Drehbuch: Helge Schneider, Andrea Schumacher, Pete York (Mitarbeit Buch), Bodo Österling (Mitarbeit Buch)

mit Helge Schneider, Tyree Glenn Jr., Rocko Schamoni, Peter Thoms, Willy Ketzer, Rudi Olbricht, Ira Coleman, Salvatore Bonarrigo, Pete York

Länge: 96 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“

Moviepilot über „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“

Wikipedia über „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“

Homepage von Helge Schneider

Helge Schneider in der Kriminalakte

 

 


00 Schneider ist wieder im Einsatz

April 30, 2013

Helge Schneider (Komiker? Schauspieler? Regisseur? Autor? Jazzmusiker? Alleinunterhalter?) hat einen neuen Spielfilm gedreht und die ersten Bilder sind online:

„00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“ (Verleih: Senator Film) startet am 12. September 2013.

Mit dem richtigen Publikum wird das wohl ein ziemlich grandioser Abend werden.