Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien (Deutschland 2020)
Regie: Bettina Böhler
Drehbuch: Bettina Böhler
TV-Premiere. Zweistündige Doku über Christoph Schlingensief (1960 – 2010), dem wir etliche spektakuläre Kunstaktionen, die Partei „Chance 2000“ („Scheitern als Chance“), Theateraufführungen und einige Perlen der Filmkunst, wie „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“, „Das deutsche Kettensägenmassaker“, „Terror 2000 – Intensivstation Deutschland“ und „Die 120 Tage von Bottrop“, verdanken.
Für ihre Doku montierte Bettina Böhler vorhandenes, teils bis dahin unbekanntes Archivmaterial zu einem überzeugenden und auch für Schlingensief-Kenner sehenswertem Porträt.
Die Musik ist von Helge Schneider.
Mit Christoph Schlingensief, Margit Carstensen, Udo Kier, Sophie Rois, Bernhard Schütz, Helge Schneider, Dietrich Kuhlbrodt, Susanne Bredehöft, Alfred Edel, Irm Hermann, Martin Wuttke, Tilda Swinton (natürlich alles Archivmaterial)
Forscher haben das Mittel gefunden, um die Klimakatastrophe abzuwenden: sie verkleinern einfach die Menschen. Denn so ein zwölf Zentimeter großer Mensch verbraucht fast keine Idee mehr. Der von seinem Leben gefrustete Paul lässt sich verkleinern. Seine Frau macht in letzter Sekunde einen Rückzieher und Paul muss die Miniwelt allein erkunden und neue Freunde finden.
Vor dem Hintergrund der äußerst detailliert ausgemalten Welt der Winzlinge erzählt Alexander Payne eine liebevoll erzählte Liebesgeschichte voller liebenswerter Menschen. Ein herzerwärmender Film.
Während das Erste den durchwachsenen „Fall Collini“ präsentiert, zeigt Arte eine andere Art der Beschäfttigung mit der bundesdeutschen Vergangenheit
Arte, 20.15
Lola (Deutschland 1981)
Regie: Rainer Werner Fassbinder
Drehbuch: Peter Märthesheimer, Pea Fröhlich, Rainer Werner Fassbinder (Dialoge)
1957 kommt ein neuer Baudezernent in eine nordbayerische Kleinstadt und stört zunächst das korrumptive Geflecht. Doch dann stimmt er den Plänen eines Baulöwen und heimlichen Herrschers des Ortes für den Bau einer Siedlung zu und heiratet die Kleinstadthure Lola.
„eine handfeste Kinogeschichte voller Ironie, vollgespickt mit Hinweisen auf andere Fassbinderfilme (…) Eleganter als Fassbinder kann man die fünfziger Jahre, die Zeit des Wirtschaftswunders, der Wahlparole ‘Keine Experimente’, nicht abservieren. Lächerlichkeit tötet, das gilt allerdings nur für die Kunst. Im Leben tragen wir noch schwer am Erbe der fünfziger Jahre.“ (Wilhelm Roth: Lola, in Peter W. Jansen/Wolfram Schütte, Hrsg.): Rainer Werner Fassbinder – Reihe Film 2, 5. ergänzte und erweiterte Auflage, 1985)
Ein Klassiker
mit Barbara Sukowa, Armin Mueller-Stahl, Mario Adorf, Matthias Fuchs, Helga Feddersen, Karin Baal, Ivan Desny, Karl-Heinz von Hassel, Elisabeth Volkmann, Hark Bohm, Rosel Zech, Christine Kaufmann, Udo Kier, Harry Bear, Günther Kaufmann
Terror 2000 – Intensivstation Deutschland(Deutschland 1992)
Regie: Christoph Schlingensief
Drehbuch: Christoph Schlingensief, Oskar Roehler, Uli Hanisch
Gut versteckt mitten in der Nacht zeigt Arte zu Schlingensiefs zehntem Todestag den Abschluss seiner Deutschland-Trilogie. Die beiden Gangster Bössler und Jablo finden in der ostdeutschen Kleinstadt Rassau Asyl. Dort beginnen sie mit der Säuberung Deutschlands, wie das damals von einem rassistischen Mob auf der Straße gefordert wurde.
„Terror 2000 – Intensivstation Deutschland“ ist nicht das ‚deutsche Kettensägenmassaker‘ aber trotzdem, inspiriert von den Schlagzeilen und diese konsequent weiterdenkend, geschmacksicher alle Tabus und Geschmacksgrenzen übertretend.
mit Alfred Edel, Udo Kier, Peter Kern, Margit Carstensen, Susanne Bredehöft, Dietrich Kuhlbrodt, Christoph Schlingensief, Oskar Roehler
Forscher haben das Mittel gefunden, um die Klimakatastrophe abzuwenden: sie verkleinern einfach die Menschen. Denn so ein zwölf Zentimeter großer Mensch verbraucht fast keine Idee mehr. Der von seinem Leben gefrustete Paul lässt sich verkleinern. Seine Frau macht in letzter Sekunde einen Rückzieher und Paul muss die Miniwelt allein erkunden und neue Freunde finden.
TV-Premiere. Vor dem Hintergrund der äußerst detailliert ausgemalten Welt der Winzlinge erzählt Alexander Payne eine liebevoll erzählte Liebesgeschichte voller liebenswerter Menschen. Ein herzerwärmender Film.
Vor sieben Jahren war „Iron Sky“ ein Spaß für die Freunde des gepflegten Trash: die Nazis leben auf der Rückseite des Mondes und jetzt wollen sie, zwecks Welteroberung, zurück auf die Erde. Finanziert wurde das SF-Abenteuer auch per Crowdfunding. Die Tricks waren für das bescheidene Budget spektakulär gelungen und, neben all den Witzen über Nazis, abstruse Verschwörungstheorien, durchgeknallte Politiker und den ganzen Rest, funktioniert „Iron Sky“ als Film.
Der Film war ein Erfolg. Laut Presseheft hatte „Iron Sky“ weltweit über fünfzig Millionen Zuschauer. In Deutschland sahen ihn im Kino über fünfhunderttausend Besucher und es wurden über fünfzigtausend Blu-rays verkauft. Und ich frage mich jetzt, welche Verschwörungstheorie es mit ‚fünf‘ oder ‚fünfzig‘ gibt. Eine Fortsetzung war schnell angekündigt und man hörte immer wieder, dass sie in Arbeit sei. Jetzt ist sie fertig.
Regisseur Timo Vuorensola ruhte sich nicht auf seinem Erfolg aus. Er erzählt nicht, wie man es von vielen Fortsetzungen kennt, einfach die Geschichte von „Iron Sky“ noch einmal. Nur größer und mit noch mehr Toten. Diese gehirnzellenschonende Möglichkeit hatten die „Iron Sky“-Macher sich mit dem Ende von „Iron Sky“ nämlich gründlich verbaut. In einem Nuklearkrieg, der die Erde unbewohnbar machte, vernichtete sich die Menschheit. Einige Menschen entkamen dem Weltuntergang. Sie flüchteten, wie uns am Anfang von „Iron Sky: The coming Race“ gesagt wird, auf den Mond. Sie bezogen die verlassene Mondbasis der Nazis.
Zwanzig Jahre später ist die schon damals betagte Mondstation mehr als baufällig. Obianaju ‚Obi‘ Washington (Lara Rossi), die Tochter der aus „Iron Sky“ bekannten Nazi-Lehrerin Renate Richter (Julia Dietze), ist das Gegenteil ihrer Mutter. Obi ist ein im Zweifel Regeln ignorierender, hochintelligenter Heißsporn. Als sich der Mondbasis ein zusammengeflicktes russisches Raumschiff nähert, kann sie im Alleingang eine Bruchlandung verhindern. Einer der Passagiere ist Wolfgang Kortzfleisch (Udo Kier). Der ebenfalls aus „Iron Sky“ bekannte Nazi-Mondführer, denkt immer noch an die Welteroberung. Dafür braucht er allerdings die Hilfe der nichtsahnenden Obi. Er erzählt ihr von einer wundersamen Energiequelle, die sich im Innern der hohlen Erde befindet und die die Mondbasis retten könnte. Der Weg zur Energiequelle (aka Der heilige Gral) ist auf einer alten Karte, die er Obi gibt, eingezeichnet.
Zusammen mit Sasha (Vladimir Burlakov), dem grundgütig-naiven Piloten des russischen Raumschiffs, und Malcolm (Kit Dale), ihrem schlagkräftig-tumben Mondfreund, macht Obi sich auf den Weg ins Erdinnere, wo sie gegen die Vril – Echsenmenschen, die seit Jahrhunderten die Weltgeschichte lenken – und Dinosaurier kämpfen muss.
Wie schon in „Iron Sky“ werden auch in „Iron Sky: The coming Race“ etliche beliebte Verschwörungstheorien, – ich sage nur Reptiloiden und hohle Welt -, genussvoll durch den Kakao gezogen. Auf dem Mond gibt es die einflussreiche Jobsiten-Sekte, die die Visionen von Steve Jobs huldigt. Die Jobsiten und ihr Guru sind so beseelt humorlos, dass sie jederzeit gut für einen Lacher sind.
Das schöne am zweiten „Iron Sky“-Spielfilm ist, dass nicht einfach noch einmal die bekannte Geschichte erzählt wird. Nazi-Fans müssen sich mit wenigen kurzen Auftritten von Wolfgang Kortzfleisch (Udo Kier), Renate Richter (Julia Dietze) und der US-Präsidentin (Stephanie Paul als Sarah-Palin-Lookalike) begnügen. Auch der Humor ist sparsamer. Dafür gibt es, nach einer ziemlich langen Ouvertüre auf dem Mond, eine Abenteuergeschichte im tropisch blühenden Innern der Erde, reichlich Action, gute Tricks und eine unbegrenzte Liebe zum Detail.
„Iron Sky: The coming Race“ erzählt in der aus „Iron Sky“ bekannten Welt eine Abenteuergeschichte, die auch Indiana Jones, Han Solo oder die Besatzung der „Serenity“ (bekannt aus der TV-Serie „Firefly“) hätte erleben können. Das ist, auch weil die Macher mit der nötigen Portion Selbstironie ans Werk gehen, ein kurzweiliger Spaß für den geneigten Trash-Fan, der mal wieder in seinem Bahnhofskino bedient werden will. Auch wenn das Kino heute sauberer als damals ist.
Iron Sky: The coming Race (Iron Sky: The coming Race, Finnland 2019)
Regie: Timo Vuorensola
Drehbuch: Dalan Musson, Timo Viorensola
mit Lara Rossi, Vladimir Burlakov, Kit Dale, Julia Dietze, Udo Kier, Tom Green, John Flanders, Ricky Watson, Stephanie Paul
Länge: 93 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Wer nicht sehen will, muss läsen
Pünktlich zum Start der Nachgeschichte von „Iron Sky“ erscheint mit „Iron Sky: Renate und die Mondnazis“ die Vorgeschichte von „Iron Sky: The coming Race“.
Renate Richter schreibt in ihrem Tagebuch für ihre Tochter Obi ihre Geschichte und die Geschichte der Nazis auf dem Mond auf.
Ich vermute, ohne das druckfrische Werk gelesen zu haben: Eine galaktische Bildungslektüre.
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Johanna Sinisalo: Iron Sky: Renate und die Mondnazis
Die US-Amerikanerin Suzy Banyon will in Freiburg an einer renommierten Tanzschule studieren. Verhexterweise ist es keine gewöhnliche Schule.
Inzwischen ein Horrorfilmklassiker und Dario Argentos bester Film: ein (alp)traumhafter Rausch von Farben, Tönen und Kamerabewegungen. „Kino als traumgleiche Fantasie (…) Gothic Horror pur.“ (Ivo Ritzer: Suspiria, in Michael Flintrop/Marcus Stiglegger, Hrsg.: Dario Argento)
Arte zeigt den Film in der ungeschnittenen Fassung.
Im Kino läuft seit einigen Tagen Luca Guadagninos Neuinterpretation, die definitiv nicht ‚einfach noch einmal Argento‘ oder ‚Argento light‘ ist.
mit Jessica Harper, Alida Valli, Stefania Casini, Joan Bennett, Flavio Bucci, Udo Kier
John Callahan trinkt sich in den frühen Siebzigern in Long Beach, Kalifornien, durch den Tag. Als er mit einer Zufallsbekanntschaft von einer wilden Party zu einer noch wilderen Party will, verändert sich sein Leben für immer. Und das ist jetzt nicht Hollywood-Pathos, sondern bittere Realität: Auf dem Weg zur nächsten Party baut der betrunkene Fahrer einen Unfall, den dieser fast unverletzt überlebt. Callahan, der noch betrunkenere Beifahrer, überlebt schwer verletzt. Ärzte können sein Leben retten, aber er ist fast vollständig gelähmt. Er muss bis an sein Lebensende im Rollstuhl sitzen. Auch seine Arme kann er kaum bewegen.
Callahan zieht zurück in seine Geburtsstadt Portland, Oregon. Er trinkt weiter und beginnt zu Malen. Es sind primitive, sarkastisch-schwarzhumorige und immer wieder politisch inkorrekten Cartoons, die zuerst in der örtlichen Tageszeitung abgedruckt werden. Später in den gesamten USA und weltweit.
Am 24. Juli 2010 stirbt der am 5. Februar 1951 geborene John Callahan. Aber diesen Teil, seine letzten Lebensjahre als erfolgreicher Cartoonist, erzählt Gus Van Sant in seinem neuen Film „Don’t worry, weglaufen geht nicht“ nicht. Er baut seinen konventionell erzählten Feelgood-Film nach dem Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker auf. Er erzählt Callahans Weg vom Trinker zur Enthaltsamkeit und Selbsterkenntnis. Mit dem AA-Programm hat Van Sant eine sehr einfache und dramaturgisch sehr tragfähige Struktur. Er kann in der Zeit hin und her springen, ohne den Fluss der Erzählung zu unterbrechen und so auch etwas widerständiges Indie-Feeling in einen sehr konventionellen Film bringen. Das AA-Programm gibt auch eine klare dramaturgische Richtung vor: von rauschenden Drogennächte über die verschiedenen Versuche, abstinent zu Leben und anschließend sein Leben immer mehr in Ordnung zu bringen. Dazu gehören auch Callahans Umgang mit seiner Behinderung und sein beginnender Erfolg als Cartoonist. In seinen Zeichnungen setzt er sich auch ohne falsche Scheu, mit ätzendem Humor und Selbstironie mit seiner letztendlich selbst verschuldeten, beschissenen Situation auseinander. Auch ohne das Bild zu kennen, sagt der Filmtitel ‚Keine Panik, er wird zu Fuß nicht weit kommen‘ einiges über Callahans Haltung zu sich und seinem Leben aus. Callahans spiritueller Helfer auf dem Weg zur Selbsterkenntnis ist dabei Donnie. Ein vermögender AAler, der eine kleine Schar von Jüngern um sich gescharrt hat und in seiner Nobelvilla nicht arm wie Jesus lebt, aber sich so benimmt und aussieht.
Mit den Musikerinnen Kim Gordon („Sonic Youth“) und Beth Ditto („Gossip“) und Udo Kier ist Donnies AA-Gruppe prominent besetzt. Callahans Sozialarbeiterin Suzanne wird ebenfalls von einer Indie-Musikerin gespielt: „Sleater-Kinney“-Gitarristin Carrie Brownstein.
Und Donnie, gespielt von Jonah Hill, ist auch kein Unbekannter. Auch wenn er unter seinem Vollbart kaum erkennbar ist. Joaquin Phoenix spielt, gewohnt überzeugend, John Callahan.
In Gus Van Sants Filmographie, die munter zwischen Arthaus, Experimenten und Mainstream-Hollywood-Erzählkino hin und her springt, gehört „Don’t worry, weglaufen geht nicht“ eindeutig in die letzte Kategorie. Den Ursprung hatte das Projekt vor mehr als zwanzig Jahren. Robin Williams, mit dem Van Sant bei „Good Will Hunting“ zusammen gearbeitet hatte, hatte sich die Rechte an John Callahans Biographie gesichert und er wollte Callahan spielen. Seitdem traf Van Sant sich öfter mit Callahan und arbeitete mit verschiedenen Autoren an verschiedenen Drehbuchversion. Letztendlich baute er das Buchkapitel, in dem Callahan erzählt, wie er seine Alkoholsucht überwand, zum Film aus.
Don’t worry, weglaufen geht nicht (Don’t worry, he won’t get far on foot, USA 2018
Regie: Gus Van Sant
Drehbuch: Gus Van Sant (nach einer Geschichte von John Callahan und Gus Van Sant & Jack Gibson & William Andrew Eatman)
LV: John Callahan: Don’t worry, he won’t get far on foot, 1989 (Don’t worry, weglaufen geht nicht)
mit Joaquin Phoenix, Jonah Hill, Rooney Mara, Jack Black, Mark Webber, Udo Kier, Carrie Brownstein, Beth Ditto, Kim Gordon
Die Prämisse ist fantastisch und Alexander Payne, der feinfühlige Humanist des Kinos, malt die aus dieser Prämisse entstehende Welt auch äußerst detailliert aus, ohne sich dann um die wissenschaftlichen Hintergründe und Folgen zu kümmern. Eigentlich ist die Prämisse sogar vollkommen Gaga.
Denn in naher Zukunft gelingt es dem norwegischen Wissenschaftler Dr. Jorgen Asbjørnsen (Rolf Lassgård) und seinem Team Menschen auf eine Größe von zwölf Zentimetern zu schrumpfen. Mit dieser Schrumpfung verkleinert sich der Ressourcenverbrauch jedes Menschen entsprechend. Wenn, so Asbjørnsens durchaus sympathische Weltrettungsidee, genug Menschen sich schrumpfen lassen, könnten mit einem Schlag alle Probleme der Menschheit gelöst werden. Also die in puncto Umweltbelastung.
In den Jahren nachdem er seine Idee der staunenden Öffentlichkeit vorstellte, entschließen sich immer mehr Menschen, den Weg der Zellularen Miniaturisierung zu gehen. Für sie ist es ein Aufbruch in eine neue Welt. Sie lassen ihr altes Leben, die Probleme mit den Vorgesetzten und die mangelnden Aufstiegsperspektiven in ihrem Job hinter sich. Durch ihren mit einer Schrumpfung verbundenen Umzug in eine der neue geschaffenen Städte für kleine Menschen, so eine Art immersonnige Disney-Kleinstadtutopie in der Architekten ihre Utopie einer menschenwürdigen Stadt verwirklicht haben, tun sie etwas gutes für die Umwelt und ihr bisheriges Vermögen ist viel mehr wert. Während sie sich früher nur mit einer hohen Verschuldung ein kleines Reihenhaus leisten konnten, können sie jetzt in einen Palast einziehen. Weil der Palast deutlich kleiner als ihr altes Haus ist, sind auch die Baukosten deutlich niedriger. Das gleiche gilt für die Lebenshaltungskosten. Schließlich isst man weniger, trinkt weniger und auch die Heizkosten, – naja, an dem Ort, an dem „Downsizing“ größtenteils spielt, ist es die Air Conditioning – sind niedriger. Sie betragen ungefähr ein Vierzehntel des früheren Wertes.
Für Paul Safranek (Matt Damon), der schlechtbezahlte und von seiner Arbeit gelangweilte Unternehmestherapeut bei Omaha Steaks, und seine Frau Audrey (Kristen Wiig) ist daher der Umzug nach Leisureland eine Möglichkeit, aus ihrem trüben Leben auszubrechen. Vor allem, nachdem Dave Johnson (Jason Sudeikis), ein alter Freund von ihnen, der ein Downsizing hinter sich hat, ihnen in den schönsten Farben von seinem paradiesischem Leben in Leisureland erzählt.
Dummerweise entschließt sich Audrey in letzter Sekunde, als sie schon im Operationssaal ist, dagegen. Paul erfährt das erst, nachdem er geschrumpft wurde. Und die Schrumpfung kann nicht rückgängig gemacht werden.
In seinem neuen Leben lernt er neue Menschen kennen, unter anderem den immer feierwütigen serbischen Playboy-Unternehmer Dusan Mirkovic (Christoph Waltz im entspannt-menschenfreundlichen Waltz-Modus), der mit mehr oder weniger halblegalen Geschäften (Alkoholschmuggel!) prächtig verdient, sein Freund Konrad (Udo Kier) und Ngoc Lan Tran (Hong Chau), die burschikose und sehr bestimmende Anführerin der bei Dusan arbeitenden Putzkolonne, die – nun, gewisse Dinge ändern sich nie. Lan ist eine gegen ihren Willen zwangsgeschrumpfte und aus ihrem Land ausgewiesene Dissidentin, die jetzt klein und arm ist. Sie zeigt dem etwas naiven Paul ihre Welt. Er will ihr und ihren Freunden helfen.
Wer spätestens jetzt eine ätzende Sozialsatire, eine Abrechnung mit dem Kapitalismus oder eine Hinwendung zu einer Dystopie erwartet, wird enttäuscht. Nichts läge Payne und seinem Co-Drehbuchautor Jim Tayler, mit dem er, unter anderem, auch die Bücher für „About Schmidt“ und „Sideways“ schrieb, ferner. Sie malen die Welt der kleinen Menschen liebevoll und sehr detailfreudig aus. Auf die Schattenseiten oder die Gefahren gehen sie nicht ein. So musste in Jack Arnolds SF-Klassiker „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“ (The incredible shrinking man, USA 1957) der Held, der Aufgrund einer atomaren Verstrahlung immer weiter schrumpfte, gegen die Hauskatze, Mäuse und Ungeziefer kämpfen, die ihn als Mahlzeit ansahen, und Wassertropfen wurden zu einer lebensbedrohenden Gefahr.
All diese Probleme interessieren Payne nicht. Jedenfalls nicht als lang anhaltende, das Leben bestimmende Bedrohung. Er interessiert sich für die alltäglichen Probleme seiner Charakter und ihr Leben, das nicht durch ihre Größe, sondern ihre Gefühle, ihre Wünsche und Ziele bestimmt wird. Im Mittelpunkt steht mit Paul ein typischer Payne-Charakter. Er ist ein ganz normaler Mann ohne besondere Eigenschaften oder große Ambitionen, der von seiner Frau verlassen wurde. Er will nur das Richtige tun. Deshalb hilft er Lan, in die er sich auch verliebt. Mit ihr, Dusan und Konrad begibt er sich auf die Reise nach Norwegen zur ersten Kolonie der kleinen Menschen und dem Erfinder des Schrumpfungsprozesses. In dieser Hippie-Kommune muss er eine Entscheidung über sein weiteres Leben treffen.
Am Ende ist „Downsizing“ eine liebevoll erzählte Liebesgeschichte voller liebenswerter Menschen.
Downsizing (Downsizing, USA 2017)
Regie: Alexander Payne
Drehbuch: Alexander Payne, Jim Taylor
mit Matt Damon, Kristen Wiig, Christoph Waltz, Hong Chau, Udo Kier, Jason Sudeikis, Neil Patrick Harris, Rolf Lassgård, Ingjerd Egeberg, Laura Dern
Ein fürsorglicher Sohn (USA/Deutschland 2009, Regie: Werner Herzog)
Drehbuch: Herbert Golder, Werner Herzog
Zwei Polizisten wollen einen Geiselnehmer zur Aufgabe bewegen. Er soll seine Mutter ermordet haben und er scheint ein Problem mit der Realität zu haben.
„Werner Herzog durchsetzt den Thriller mit sardonisch-absurden und philosophisch-surrealen Spitzen und löst die Handlung mittels Rückblenden in eine bezugsreiche Bricolage auf.“ (Lexikon des Internationalen Films)
Ein großer Spaß halt.
Avantgarde-Jazzer Ernst Reijseger schrieb die Musik.
Mit William Dafoe, Chloë Sevigny, Michael Shannon, Brad Dourif, Loretta Devine, Udo Kier, Michael Peña
auch bekannt als „My Son, My Son, What Have Ye Done?“ (Originaltitel und der deutsche DVD-Titel)
In Köln wird ein Obdachloser mit Frostschutzmittel vergiftet. Die Kommissare Ballauf und Schenk ermitteln im Milieu.
Sehr unterhaltsamer Kölner-Tatort, der erfrischend undidaktisch (Wir reden vom Kölner Tatort) daherkommt und Udo Kier als Penner ist auch die halbe Miete.
mit Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Joe Bausch, Udo Kier, Christian M. Goebel, Michael Schenk, Catherine Flemming, Peter Millowitsch
RTL II, 20.15 Iron Sky (Finnland/Deutschland/Australien 2012, Regie: Timo Vuorensola)
Drehbuch: Michael Kalesniko, Johanna Sinisalo (nach einem Konzept von Jarmo Puskala)
Irre! Die Nazis landeten 1945 auf dem Mond und bereiten 2018, nachdem sie von einem afroamerikanischem Astronauten (den sie gleich bleichen) entdeckt werden, ihre Rückkehr auf die Erde vor. Jetzt soll gelingen, was 1945 scheiterte.
Herrlich abgedrehter, liebevoll gemachter Science-Fiction-Spaß mit Trash-Faktor und einigen Polit-Satiren, die wahrscheinlich schon heute erklärungsbedürftig sind. Mehr, auch über die Finanzierung, in meiner ausführlichen Besprechung.
mit Julia Dietze, Götz Otto, Udo Kier, Christopher Kirby, Tilo Prückner, Peta Sergeant, Stephanie Paul Wiederholung: Sonntag, 20. Juli, 00.55 Uhr (Taggenau!)
Am Ende von „Nymphomaniac – Teil 1“ hatte Joe (Stacy Martin) den Mann fürs Leben gefunden. Am Anfang des zweiten Teils ist sie glücklich mit Jerome (Shia LaBeouf) verheiratet. Sie haben ein gemeinsames Kind – und mit dem Sex läuft es bei der selbsternannten Nymphomanin nicht gut. Also probiert sie SM-Sex aus – und bringt dabei sogar ihr Kind in Gefahr. Nun, ja: sündiges Verhalten muss halt bestraft werden, aber gerade in diesen Szenen fällt auch von Triers verqueres Frauenbild auf. Denn die Frau als selbsternannte Sünderin will mit der Peitsche gezüchtigt werden.
Ungefähr in der Filmmitte beginnt sie für L (Willem Dafoe) als Geldeintreiberin zu arbeiten. Sie ist sehr talentiert, beginnt eine jüngere Frau in dem Gewerbe auszubilden. Joe verliebt sich in ihre Schülerin, aber ihr Lehrling hat es dann auch eher mit Männern, was dann auch dazu führt, dass Joe in der Gasse zusammengeschlagen wurde, in der Seligman sie am Anfang des Films fand.
Wie schon im ersten Teil wechselt Lars von Trier zwischen den tiefschürend abendländisch philosophischen Gesprächen zwischen Joe und Seligman und Joes Erzählungen aus ihrem Leben. Dabei spielt Charlotte Gainsbourg jetzt auch in den Rückblenden die inzwischen ältere Joe.
Ebenso wechselt von Trier, wie im ersten Teil, immer wieder den Stil. Er pendelt zwischen Sozialdrama, Arthouse-Kino und Blödeleien. Nur Seligmans tiefschürende Ausführungen zum Fliegenfischen, und wie Fliegenfischen und Sex miteinander zusammen hängen, fehlen. Dafür gibt es einen Auftritt von Udo Kier als Kellner und einen missglückten Sexversuch von Joe mit zwei Afroamerikanern, der als Comedy und als spektakuläres Bild, das fast überall abgedruckt wurde, grandios funktioniert.
Und so reihen sich auch im zweiten Teil die Szenen aneinander, aber während von Trier im ersten Teil noch einen erzählerischen Bogen spannte, lässt er ihn jetzt zugunsten verschiedener Episoden und einer abrupten Richtungsänderung in der Filmmitte links liegen. Sogar Joes große Lebensthese, dass sie als Nymphomanin die Strafe verdient habe, stimmt nicht mehr. Denn sie wurde eben nicht für ihre Sexsucht bestraft. Jedenfalls nicht direkt; indirekt über fünf Ecken, weil man halt irgendwann für seine Sünden bestraft wird.
Sowieso diente die gekünstelte Ausgangslage – Joe wird schwer verletzt von Seligman in einem Hinterhof entdeckt und sie erzählt ihm in einer quasi-therapeutischen Sitzung ihr Leben, weil sie ihm beweisen will, dass sie die Schläge verdient habe –, gekoppelt mit der Werbung, nur dazu, die Erwartungen des Publikums in Richtung Skandalfilm und Arthouse-Porno zu lenken. Beides ist „Nymphomaniac“ nicht. Eher schon ein liebevoll kuratierter YouTube-Abend.
Ich denke, Lars von Trier sitzt gerade in seinem Keller und lacht sich schlapp. Zuerst über die von ihm geweckten Erwartungen in Richtung „Porno“, jetzt über die Interpretationen, die aus dem eklektischen Wust von sich widersprechenden Erklärungen und Deutungsangeboten eine eindeutige künstlerische Botschaft herausdestillieren wollen und dafür versuchen, all die schönen Teile, Hinweise und Fährten zu einem kohärentem Gedankengebäude zusammen zu fügen.
Nymphomaniac – Teil 2 (Nymphomaniac – Volume 2, Dänemark/Deutschland/Frankreich/Schweden 2013)
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier
mit Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgard, Stacy Martin, Shia LaBeouf, Christian Slater, Jamie Bell, Willem Dafoe, Michael Pas, Jean-Marc Barr, Udo Kier
Länge: 124 Minuten (Kinofassung)
FSK: ab 16 Jahre
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Lili Marleen (D 1980, R.: Rainer Werner Fassbinder)
Drehbuch: Manfred Purzer, Rainer Werner Fassbinder, Joshua Sinclair (Mitarbeit)
LV: Lale Andersen: Der Himmel hat viele Farben
Fassbinders Version von Lale Andersens Leben. Gedreht im UFA-Look, aber mit genug Haken und Ösen, um jede blinde Identifikation zu verhindern.
Mit Hanna Schygulla, Giancarlo Giannini, Mel Ferrer, Karl-Heinz von Hassel, Christine Kaufmann, Hark Bohm, Karin Baal, Udo Kier, Erik Schumann, Gottfried John, Elisabeth Volkmann, Barbara Valentin, Adrian Hoven, Willy Harlander, Franz Buchrieser, Rainer Werner Fassbinder, Brigitte Mira, Irm Hermann, Harry Baer, Milan Boor, Volker Spengler
Drehbuch: Peter Märthesheimer, Pea Fröhlich, Rainer Werner Fassbinder (Dialoge)
1957 kommt ein neuer Baudezernent in eine nordbayerische Kleinstadt und stört zunächst das korrumptive Geflecht. Doch dann stimmt er den Plänen eines Baulöwen und heimlichen Herrschers des Ortes für den Bau einer Siedlung zu und heiratet die Kleinstadthure Lola.
„eine handfeste Kinogeschichte voller Ironie, vollgespickt mit Hinweisen auf andere Fassbinderfilme (…) Eleganter als Fassbinder kann man die fünfziger Jahre, die Zeit des Wirtschaftswunders, der Wahlparole ‘Keine Experimente’, nicht abservieren. Lächerlichkeit tötet, das gilt allerdings nur für die Kunst. Im Leben tragen wir noch schwer am Erbe der fünfziger Jahre.“ (Wilhelm Roth: Lola, in Peter W. Jansen/Wolfram Schütte, Hrsg.): Rainer Werner Fassbinder – Reihe Film 2, 5. ergänzte und erweiterte Auflage, 1985)
Ein Klassiker
mit Barbara Sukowa, Armin Mueller-Stahl, Mario Adorf, Matthias Fuchs, Helga Feddersen, Karin Baal, Ivan Desny, Karl-Heinz von Hassel, Elisabeth Volkmann, Hark Bohm, Rosel Zech, Christine Kaufmann, Udo Kier, Harry Bear, Günther Kaufmann