Neu im Kino/Filmkritik: „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“ – bis zum nächsten Kapitel

September 4, 2025

Beginne eine Geschichte immer möglichst nahe am Höhepunkt und erzähle die Geschichte chronologisch. Das sind zwei gängige und gute Tipps aus Schreibratgebern. An einen Ratschlag hält sich „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“. An den anderen nicht. Und das ist durchaus ein Problem.

1986 gehen – ich folge der Filmgeschichte – die Geisterjäger Ed und Lorraine Warren (wieder gespielt von Patrick Wilson und Vera Farmiga) in das Haus der Smurls in West Pittston, Pennsylvania. In dem Duplex leben drei Generationen auf engstem Raum zusammen. Seit der Konfirmation ihrer Tochter Heather werden sie von übernatürlichen Erscheinungen heimgesucht.

In dem Jahr waren die Ed und Lorraine Warren eigentlich schon im Ruhestand. Aber nach dem Tod von Pater Gordon und nachdem ihre Tochter Judy von etwas in dem Haus angezogen wurde, übernehmen die Warrens den Fall. Ihr Freund Pater Gordon wurde möglicherweise irgendwie von einem Dämon, der auch in dem Smurl-Haus lebt, getötet. Judy, die die übersinnliche Begabung ihrer Mutter geerbt hat, spürt irgendeine Verbindung zu dem Haus.

Dieser für die Warrens weitgehend normale Fall soll, wie der Filmtitel andeutet, das Ende der „Conjuring“-Filmreihe sein. Jedenfalls der Hauptreihe mit Farmiga und Wilson, aber nicht der ähnlich lukrativen anderen Filmreihen und potentiellen Filmreihen aus dem „Conjuring“-Universum. Denn Judy (Mia Tomlinson) und ihr Freund und zukünftiger Ehemann Tony Spera (Ben Hardy), die hier eindeutig Nebenfiguren sind, die dem Publikum vorgestellt werden, können weitere Fälle übernehmen. Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt und es können noch etliche weitere Fälle der real existierenden Warrens als Inspiration für Filme genommen werden.

Ed und Lorraine Warren waren in den USA bekannte Geisterjäger. Ed lebte von 1926 bis 2006, Lorraine von 1927 bis 2019. Aktiv waren sie ab 1952. Ihre Tätigkeit erstreckte sich dabei nicht nur auf das Jagen von Dämonen und Geistern, sondern auch auf die Vermarktung ihrer Erlebnisse in Büchern, Filmen und Vorträgen. Kritiker hielten ihre Erklärungen für die seltsamen Ereignisse weitgehend für Unfug.

Beginnen tut „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“ allerding nicht 1986, sondern 1964. Während die hochschwangere Lorraine Warren gerade mehr über einen Dämon und einen Spiegel herausfinden will, setzen die Wehen ein. Wenig später wird ihre Tochter Judy in einem Krankenaus geboren.

Von dieser Geburt an erzählt Michael Chaves seinen Film chronologisch und zwischen den Ereignissen in der Smurl-Familie und den Warrens wechselnd. Während es bei den Smurls zunehmend dämonische Erscheinungen gibt, halten die Warrens Vorträge über ihre Arbeit, treffen sich mit Freunden, essen gemeinsam zu Abend und begutachten Tony, den neuen Freund ihrer Tochter. Auch die aus zwei Solo-Filmen bekannte besessene Puppe Annabelle ist, ohne irgendetwas zur Filmgeschichte beizutragen, mehrmals im Bild.

Diese Ouvertüre vor dem Betreten des Hauses und der anschließenden Dämonenaustreibung dauert gut neunzig Minuten (bzw. ungefähr 2/3 des Film). Sie ist nur erträglich, weil klar ist, dass es sich um vorbereitende Szenen für die irgendwann stattfindende Dämonenaustreibung handelt.

Spannend ist das allerdings nicht. Eine stärkere Identifikation mit den einzelnen Figuren will sich nicht einstellen. Die Smurl-Familie bliebt eine austauschbare Großfamilie ohne besondere Eigenschaften. Ed und Lorraine Warren sind natürlich die Hauptfiguren, aber die meiste Zeit sind sie nicht im Film und wenn doch, dann bei alltäglichen Arbeiten wie dem Haushalt (sie) und dem Abchecken des neuen Freundes ihrer Tochter beim Tischtennis, dem Reparieren des Motorrads und dem Erzählen von Geschichten (er) beschäftigt. Mit ihrer Arbeit als Geisterjäger hat das nichts zu tun. Vera Farmiga und Patrick Wilson spielen diese Szenen aus dem Leben einer glücklichen Vorstadtfamilie als habe man sie aufgrund bestehender Verträge dazu genötigt, diese banalen Szenen zu spielen. Keine dieser Szenen ist wirklich schlecht, aber jede in diesen Szenen präsentierte Information hätte man bei der Geisterjagd im Smurl-Haus wirkungsvoller präsentieren können.

Die Entscheidung der Drehbuchautoren Ian Goldberg, Richard Naing und David Leslie Johnson-McGoldrick und von Regisseur Michael Chaves (der davor „Lloronas Fluch“, „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ und „The Nun II“ inszenierte) die Geschichte chronologisch zu erzählen macht aus „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“ einen behäbigen Film. Es dauert einfach viel zu lange, bis die Geschichte wirklich beginnt. Das ist der Moment, dem Ed und Lorraine Warren das Smurl-Haus betreten und mit ihrer Arbeit beginnen.

Der potentiell spannende Fall wird dann in einem halbstündigem Budenzauber erledigt, der fast alles hat, was das Herz des Geisterhaus-Horrorfilmfans begehrt. Auf Suspense und potentiell interessante Hintergründe über die in dem Haus, uh, lebenden Dämonen wird verzichtet. Ihr schreckliches Aussehen und die entsetzten Reaktionen der Menschen müssen genügen.

So ändert auch „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“ nichts an der Tatsache, dass die ersten beiden „Conjuring“-Filme, beide inszeniert von James Wan, die besten Filme der Serie und des gesamten Conjuring-Universum sind und dass Michael Chaves ein bestenfalls mittelmäßiger Horrorfilmregisseur ist. Wenn man keinen traditionellen Geisterhaushorrorfilm erwartet, in dem ein Haus und die Jagd nach dem unerwünschten Hausgast im Mittelpunkt stehen, ist „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“ der okaye, aber letztendlich enttäuschende Abschluss der „Conjuring“-Serie. Er ist mehr Familien- als Horrorfilm und mehr Judys Film als der Film ihrer Eltern.

Deshalb kann dieser schwache Abschluss der Serie mit den Erlebnissen von Ed und Lorraine Warren auch der Start der Erlebnisse ihrer Tochter als Dämonenjägerin sein.

Conjuring 4: Das letzte Kapitel (The Conjuring: Last Rites, USA/Großbritannien 2025)

Regie: Michael Chaves

Drehbuch: Ian Goldberg, Richard Naing, David Leslie Johnson-McGoldrick (nach einer Geschichte von David Leslie Johnson-McGoldrick und James Wan, basierend auf von Chad Hayes und Carey W. Hayes erfundenen Figuren)

mit Vera Farmiga, Patrick Wilson, Mia Tomlinson, Ben Hardy, Steve Coulter, Rebecca Calder, Elliot Cowan, Kila Lord Cassidy, Beau Gadsdon, John Brotherton, Shannon Kook, Molly Cartwright, Tilly Walker, Peter Wight, Kate Fahy

Länge: 136 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“

Metacritic über „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“

Rotten Tomatoes über „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“

Wikipedia über „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“ (deutsch, englisch)

Das „Conjuring“-Universum in der Kriminalakte

Meine Besprechung von James Wans „The Conjuring“ (The Conjuring, USA 2013)

Meine Besprechung von James Wans „The Conjuring 2″ (The Conjuring 2, USA 2016)

Meine Besprechung von John R. Leonettis „Annabelle“ (Annabelle, USA 2014)

Meine Besprechung von David F. Sandbergs „Annabelle 2″ (Annabelle: Creation, USA 2017)

Meine Besprechung von Corin Hardys „The Nun“ (The Nun, USA 2018)

Meine Besprechung von Michael Chaves‘ „Lloronas Fluch“ (The Curse of La Llorona, USA 2019)

Meine Besprechung von Gary Daubermans „Annabelle comes home“ (Annabelle comes home, USA 2019)

Meine Besprechung von Michael Chaves‘ „ Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ (The Conjuring: The Devil made me do it, USA 2021)

Meine Besprechung von Michael Chaves‘ „The Nun II“ (The Nun II, USA 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: Und weiter geht’s im „The Conjuring“-Universe: „The Nun II“

September 21, 2023

Erschreckend, aber anhand der Zahlen nachvollziehbar: „The Nun“ ist der bislang erfolgreichste Film des „The Conjuring’“-Franchise. In „The Conjuring“ und den Fortsetzungen wurden Fälle der realen Geisterjäger Ed und Lorraine Warren geschildert. Sie waren in den siebziger und achtziger Jahren in den USA sehr populär. Vor allem die ersten beiden, von James Wan inszenierten „The Conjuring“-Filme sind gelungene, traditionsbewusste Gruselfilme. Sie spielen in den Siebzigern und sehen aus wie Gruselfilme aus den Siebzigern. Daneben folgten Gruselfilme ohne das Ehepaar Warren, aber mit Bezügen zu ihren Fällen. Über die Puppe „Annabelle“ und den Dämon Valak, der bevorzugt als „The Nun“ Menschen gruselt und tötet, gibt es schon Einzelfilme.

Der erste „The Nun“-Film spielte 1952 in Rumänien in dem Nonnenkloster St. Clara. Dort versetzte eine dämonische Präsenz die im Kloster und der Umgebung lebenden Menschen in Todesangst. Am Ende des Films war Valak, die dämonische Nonne, anscheinend besiegt.

Vier Jahre später wird in der südfranzösischen Kleinstadt Tarascon ein Priester in seiner Kirche getötet. Die Kirchenoberen sehen eine Spur der, ähem, Bessessenheit, die sich vom rumänischen Kloster St. Carta immer weiter Richtung Westen bewegt. Aktuell scheint sich Valak in einem Mädcheninternat aufzuhalten.

Schwester Irene, die bereits in „The Nun“ gegen den Dämon kämpfte, wird in die französische Provinz losgeschickt. Begleitet wird sie von Schwester Debra.

In der Schule trifft sie auf den ebenfalls aus „The Nun“ bekannten Frenchie. Er arbeitet an der Schule als allgemein beliebter, immer hilfsbereiter Hausmeister. Er ist verliebt in eine Lehrerin und er versteht sich gut mit deren Tochter, die von Schulkameradinnen gehänselt wird. Er ist, wie er erschrocken von Schwester Irene erfahren muss, der primäre Wirtskörper für den Dämon. Ab und an ergreift der Dämon auch Besitz von anderen Menschen oder er taucht als „The Nun“ auf.

Taissa Farminga und Jonas Bloquet spielen wieder Schwester Irene Palmer und Maurice „Frenchie“ Theriault. Frenchie hatte ihr damals im Kampf gegen Valak geholfen.

Das Drehbuch ist von Ian B. Goldberg, Richard Naing (beide „The Autopsy of Jane Doe“ und Akela Cooper („M3GAN“).

Michael Chaves übernahm die Regie. Er inszenierte bereits die „Conjuring“-Filme „Lloronas Fluch“ und „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“. Beide Filme gehören zu den schlechteren Filme des Franchise.

The Nun II“ ist auch nicht viel besser. Denn anstatt eine richtige Geschichte mit Figuren, deren Schicksal uns interessiert, zu erzählen, folgen einfach alle paar Minuten Suspense-Szenen, in denen Menschen mit schlechten Überlebensaussichten gegen aus dunklen Ecken kommende Bedrohungen kämpfen. Über die meisten dieser Dämonenopfer erfahren wir nichts. Ihre Erlebnisse haben auch keinen relevanten Einfluss auf die Geschichte. Bis zum Finale, in dem dann mit erwartbar viel Budenzauber der Dämon ausgetrieben wird, plätschert die Geschichte arg spannungs- und überraschungsfrei vor sich hin. Nur der Handlungsort und die -zeit, Frankreich in den Fünfzigern, sorgen für etwas Abwechslung. Gedreht wurde im Studio in Martigues (in der Nähe von Marseille) und an verschiedenen Orten in Aix-en-Provence und in Tarascon.

Weil „The Nun II“ sein Budget inzwischen schon mehrfach eingespielt hat, werden Valak, Schwester Irene und der nette Frenchie selbstverständlich zurückkehren. Bis dann irgendwann das Geisterjäger-Ehepaar Warren den Dämon schnappt und in ihrem Keller einsperrt. Dort befinden sich schon etliche weitere Dämonen und Andenken an ihre Fälle.

The Nun II (The Nun II, USA 2023)

Regie: Michael Chaves

Drehbuch: Ian Goldberg, Richard Naing, Akela Cooper (nach einer Geschichte von Akela Cooper)

mit Taissa Farmiga, Jonas Bloquet, Storm Reid, Anna Popplewell, Bonnie Aarons, Katelyn Rose Downey, Suzanne Bertish, Léontine D’Oncieu, Anouk Darwin

Länge: 110 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Engllische Homepage zum Film

Moviepilot über „The Nun II“

Metacritic über „The Nun II“

Rotten Tomatoes über „The Nun II“

Wikipedia über „The Nun II“ (deutsch, englisch)

Das „Conjuring“-Universum in der Kriminalakte

Meine Besprechung von James Wans „The Conjuring“ (The Conjuring, USA 2013)

Meine Besprechung von James Wans „The Conjuring 2″ (The Conjuring 2, USA 2016)

Meine Besprechung von John R. Leonettis „Annabelle“ (Annabelle, USA 2014)

Meine Besprechung von David F. Sandbergs „Annabelle 2″ (Annabelle: Creation, USA 2017)

Meine Besprechung von Corin Hardys „The Nun“ (The Nun, USA 2018)

Meine Besprechung von Michael Chaves‘ „Lloronas Fluch“ (The Curse of La Llorona, USA 2019)

Meine Besprechung von Gary Daubermans „Annabelle comes home“ (Annabelle comes home, USA 2019)

Meine Besprechung von Michael Chaves‘ „ Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ (The Conjuring: The Devil made me do it, USA 2021)