Manche Filme schreien nach einer Fortsetzung. Bei anderen ist nichts dagegen einzuwenden, wie bei dem neuen James-Bond-, Jack-Reacher- oder Equalizer-Film. Es ist halt eine weiteres Abenteuer mit einem bekannten Charakter. Bei anderen fragt man sich, warum eine Fortsetzung gedreht wird. Andrew Davis‘ „Auf der Flucht“ ist so ein Fall. Oder Denis Villeneuves‘ „Sicario“. Am Ende des grandiosen Drogenthrillers war die Geschichte auserzählt. Dass der Drogenkrieg zwischen den USA und Südamerika weitergeht, geschenkt. Dass die Protagonisten des Films weiter an der amerikanisch-mexikanischen Grenze gegen Drogenschmuggler und andere Verbrecher kämpfen, ist auch klar. Einen weiteren Film mit ihnen muss man deshalb nicht machen.
Aber „Sicario“ war so unglaublich erfolgreich, dass Hollywood schnell an eine Fortsetzung dachte. Denn man kann mühelos weitere Kriminalgeschichten aus dem Grenzgebiet erzählen. Taylor Sheridan, der Autor von „Sicario“, „Hell or High Water“ und „Wind River“ (gleichzeitig sein Regiedebüt), setzte sich wieder an den Schreibtisch. Die beiden Hauptdarsteller Benicio del Toro und Josh Brolin kehrten zurück. Ebenso Jeffrey Donovan, der wieder den für die Geschichte doch eher nebensächlichen CIA-Auftragnehmer Steve Forsing spielt. Emily Blunt, das moralische Zentrum des Films, verzichtete. Und die Story ist ein, zwei Nummern größer angelegt.
Dieses Mal beginnt die Geschichte mit einem von mehreren Islamisten durchgeführten Selbstmordanschlag in einem US-Ladengeschäft. Weil die Täter anscheinend über die mexikanisch-amerikanische Grenze gekommen sind, wird CIA-Mann Matt Graver (Josh Brolin) beauftragt, einen Krieg zwischen den Drogenkartellen, die sich auch als Menschenschmuggler betätigen, zu initiieren. So soll eine weitere Infiltration der USA durch Selbstmordattentäter verhindert werden. Alejandro (Benicio del Toro), der Anwalt, der nachdem seine Familie ermordet wurde, zum Killer wurde, soll ihm bei der Mission helfen. Zusammen entführen sie in Mexico City am helllichten Tag die zwölfjährige Tochter des Kartellbosses Reyes. Sie wollen die Tat einem anderen Kartellboss in die Schuhe schieben und so einen Krieg zwischen den Kartellen lostreten. Schnell läuft die Mission hoffnungslos aus dem Ruder.
Für „Sicario 2“ übernahm der Italiener Stefano Sollima die Regie. Der Italiener erarbeitete sich in den vergangenen Jahren mit den Gangsterserien „Romanzo Criminale“ und „Gomorrah“ und den Spielfilmen „ACAB: All Cops are Bastards“ und „Suburra“ einen glänzenden Ruf bei Thrillerfans. Und an ihm liegt es nicht, dass sein US-Debüt so enttäuscht. Er inszenierte effizient das zerfaserte Drehbuch von Taylor Sheridan. Denn wo „Sicario“ eine kluge Analyse des „war on drugs“ lieferte, verheddert sich „Sicario 2“ hoffnungslos zwischen Organisierter Kriminalität, Internationalem Terrorismus und dem US-Kampf dagegen. Da fehlt die analytische Schärfe von Sheridans früheren Arbeiten. Und die Story wirkt mit all ihren Wendungen niemals besonders glaubwürdig. Das beginnt schon mit der bescheuerten und unglaubwürdigen Idee, durch eine Entführung eines Kindes einen Krieg zwischen den Kartellen zu initiieren (als ob es nicht auch einfacher ginge) und so auch den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen (als ob das so funktionieren würde). Und findet seine Fortsetzung in den verschiedenen Plotwendungen, die sich nicht aus der Geschichte ergeben (oder ich habe etwas verpasst), sondern vom Autor so gewollt sind. Um davon abzulenken, gibt es effizient inszenierte Action und Gewalt. Im Universum von „Sicario 2“ ist ein Mord ein probates Mittel, um ein Problem zu beseitigen oder eine Mutprobe zu überstehen.
Das klingt jetzt unglaublich negativ. Dabei ist „Sicario 2“ kein wirklich schlechter Film, aber angesichts des Inputs von Taylor Sheridan und Stefano Sollima ein enttäuschender Film, der mit einem überragenden Vorgänger zu kämpfen hat und der niemals zum Nachdenken anregt.
Sicario 2 (Sicario: Day of the Soldado, USA/Italien 2018)
Regie: Stefano Sollima
Drehbuch: Taylor Sheridan
mit Benicio del Toro, Josh Brolin, Isabela Moner, Jeffrey Donovan, Catherine Keener, Manuel Garcia-Rulfo, Matthew Modine, Elijah Rodriguez
Länge: 123 Minuten
FSK: ab 18 Jahre
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Hinweise
Rotten Tomatoes über „Sicario 2“
Wikipedia über „Sicario 2“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Denis Villeneuves „Sicario“ (Sicario, USA 2015) und der DVD und des Soundtracks
Meine Besprechung von Taylor Sheridans „Wind River (Wind River, USA 2017)
Meine Besprechung von Stefano Sollimas „Romanzo Criminale – Staffel 1“
Meine Besprechung von Stefano Sollimas „Romanzo Criminale – Staffel 2“
Meine Besprechung von Stefano Sollimas „Suburra“ (Suburra, Frankreich/Italien 2015) (und der DVD)