Neu im Kino/Filmkritik: Paul Haggis sucht die „Dritte Person“

Dezember 4, 2014

Die spoilerfreie Kurzkritik: In seinem neuen Film „Dritte Person“ erzählt „L. A. Crash“-Regisseur Paul Haggis mit einem tollen Cast parallel drei Hauptgeschichten mit einem guten Dutzend Charaktere, die in Paris, Rom und New York spielen und am Ende auf überraschende Weise zusammengefügt werden. Leider ist der Weg dahin mit seinen unglaubwürdigen Charakteren nicht sonderlich interessant.
Wir raten ab.

So. Und jetzt erkläre ich euch, warum ich von „Dritte Person“ enttäuscht war, obwohl am Ende alles einen Sinn ergibt und auch die Idee hinter dem Film interessant ist, aber die Ausführung dann doch nicht. Obwohl sogar diese schlechte Ausführung, als ein weiteres Spiel mit dem der Plotkonstruktion, gewollt sein kann; was aber dann schon mindestens in die Meta-Meta-Ebene geht.
In den ersten Minuten führt Paul Haggis in kurzen Szenen und flüssig geschnitten die Charaktere und die Handlungsorte ein. Im Zentrum steht dabei der in Paris in einer Hotelsuite residierende Michael (Liam Neeson), ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Schriftsteller, der an einem neuen Roman arbeitet und sich mit seiner deutlich jüngeren, in einer festen Beziehung lebenden Freundin Anna (Olivia Wilde), die ihn als Autor bewundert, trifft.
In Italien erhält Scott (Adrien Brody) die noch geheimen Entwürfe für eine neue Bekleidungslinie, die er an einen Konkurrenten verkaufen will.
In New York kämpft der ehemalige Soap-Opera-Star Julia (Mila Kunis) mit ihrer Anwältin Theresa (Maria Bello) um das Sorgerecht für ihr Kind.
Ebenfalls in New York (wie wir später erfahren) versucht der bekannte Maler Rick (James Franco) seinen Sohn für seinen primitiven Malstil zu begeistern. Erfolglos.
Und in einer Küche steht Elaine (Kim Basinger), die traurig in den Garten ihres Anwesens blickt.
Alle diese Charaktere und ihre Geschichten sind, wie wir es auch aus anderen Episodenfilmen kennen, miteinander verbunden. Nur wissen wir in diesem Moment noch nicht genau, wie.
So waren Julia und Rick vorher ein Paar und er möchte sie unbedingt von ihrem Kind fernhalten. Allerdings erfahren wir nicht, warum der Maler so unbedingt das Sorgerecht möchte. Denn schon in der ersten Szene erfahren wir, dass er überhaupt keine Beziehung zu seinem Kind hat und er das auch nicht ändern will. Für ihn steht seine Arbeit an erster Stelle. Dann kommt seine anscheinend nach dem Aussehen ausgewählte Freundin und sein Sohn kommt, als Haustierersatz, erst viel später.
Julia dagegen scheint eine wirklich liebevolle Mutter zu sein, die sogar einen Job als Zimmermädchen in einem Nobelhotel annimmt. Hauptsache, sie kann für ihr Kind sorgen. Dass sie ein kleines Zeitproblem hat, erscheint da vernachlässigbar.
Scott, der sich nach seiner in den USA lebenden Familie zurücksehnt und sich immer wieder eine Nachricht von seinem Sohn auf seinem Telefon anhört, geht in Rom, anstatt möglichst schnell die Unterlagen zu übergeben und den Ort seines Verbrechens zu verlassen, in eine schummerige Bar und er lässt sich mit einer, ähem, sehr italienischen Frau ein, die das Wort „Probleme“ mit Leuchtbuchstaben auf ihre Stirn tätowiert hat. Und „Probleme“ bekommt er. Auch wenn unklar bleibt, warum er sich mit dieser Bordsteinschwalbe, die ihn nur ausnutzen will, einlässt.
Währenddessen starrt Elaine weiter traurig in den Garten und wir fragen uns, wie ihre Geschichte mit den anderen Geschichten zusammenhängt.
Immerhin hat Michael in der Stadt der Liebe seinen Spaß, bis er seinem Verleger das neue Manuskript gibt und dieser überhaupt nicht begeistert von den ausgedachten Charakteren und der gekünstelten Geschichte ist. Das habe nicht mehr die Kraft und Ursprünglichkeit von Michaels früheren Werken; was durchaus auch als Kommentar von „L. A. Crash“-Regisseur Paul Haggis zu seinem neuen Film gesehen werden kann.
Denn während man sich über zwei Stunden durch einen Film voller ausgedachter, sich unvernünftig verhaltender Charaktere quält und sich fragt, wie diese Geschichten irgendwie miteinander zusammenhängen und Unstimmigkeiten, wie Blumen und Zettel, die gleichzeitig in einem Hotelzimmer in New York und Paris sind, bemerkt, bereitet Paul Haggis die Lösung vor, die genau das erklärt und auch, auf dem Papier, ein spannendes Spiel zwischen Kunst und Realität ist.
Denn alle Geschichten spielen sich im Kopf von Michael ab, der so seine Trennung von Elaine und den Unfalltod ihres Sohnes verarbeitet. Er erzählt, in fiktionalisierter Form, wie er Elaine kennenlernte, sie sich um ihr Kind stritten, es verloren und jetzt mit dem Verlust und den gegenseitigen Schuldzuweisungen leben müssen. Das ist, vom Ende betrachtet, interessant konstruiert und erklärt auch, warum sich einzelne Charaktere vollkommen irrational verhalten. So ist am ersten Ansehen unklar, warum Scott in Italien bleibt und sich in die falsche Frau verliebt oder warum Rick unbedingt das Sorgerecht will.
Allerdings interessiert, wenn man das Ende nicht kennt, kein Charakter wirklich. Keines ihrer Probleme ist glaubhaft. Alles wirkt ausgedacht und künstlich und langweilt deshalb. Letztendlich ist „Dritte Person“ nur eine deutlich zu lang geratene Versuchsanordnung.

Dritte Person - Plakat

Dritte Person (Third Person, Großbritannien/USA/Deutschland/Belgien 2013)
Regie: Paul Haggis
Drehbuch: Paul Haggis
mit Liam Neeson, Maria Bello, Mila Kunis, Kim Basinger, Adrien Brody, Olivia Wilde, James Franco, Loan Chabanol, Olivier Crouch, Moran Atias
Länge: 137 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Dritte Person“
Moviepilot über „Dritte Person“
Metacritic über „Dritte Person“
Rotten Tomatoes über „Dritte Person“
Wikipedia über „Dritte Person“
Paul Haggis in der Kriminalakte

Die Pressekonferenz beim TIFF 2013


DVD-Kritik: „Veronica Mars“ ist wieder zurück Neptune, Kalifornien

August 2, 2014

Für die „Veronica Mars“-Fans bestanden die letzten Jahren aus persönlichen Wiederholungen der DVDs auf dem heimischen Bildschirm. Aber jetzt gibt es neues Futter. Nämlich einen Spielfilm, der nach einem kurzen Gastspiel in den Kinos jetzt auf DVD erschien und den Roman „Zwei Vermisste sind zwei zu viel“, der am 11. August erscheint. Bis dahin kann man sich den Spielfilm „Veronica Mars“ ansehen. Zum Kinostart schrieb ich:

Was bisher geschah: Als TV-Serie lief „Veronica Mars“ von 2004 bis 2007 im US-TV und sie hatte eine überschaubare, aber sehr treue Fanbasis, zu der auch Stephen King und Ed Brubaker gehörten. In der Serie ist die Heldin eine Privatdetektivin, die auch Schülerin ist und das Ganze wird aus der Hardboiled-Noir-Perspektive, mit einer Prise Humor, erzählt. Eine einfache, aber ziemlich geniale Idee.

Im deutschen TV lief die Serie ab 2006 im ZDF. Zuerst am Samstag Nachmittag, dann Freitag Nacht, beide Male gut versteckt, mit wechselnden Anfangszeiten, vor einem überschaubarem Publikum, das nicht das Zielpublikum der Serie, nämlich Teenager, war. Ich gab bei dieser „Sopranos“-würdigen Programmierung schnell auf.

Nach dem Ende der Serie ließ die Beliebtheit von „Veronica Mars“ nicht nach, die Macher und Schauspieler wurden immer wieder auf die Serie angesprochen – und als Serienerfinder Rob Thomas auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter eine Seite veröffentlichte, um das echte Interesse der Fans an einer „Veronica Mars“-Neuauflage zu testen, war, wie bei „Stromberg“, das Spendenziel schnell erreicht. Genaugenommen sollten bei der Kickstarter-Kampagne zwei Millionen Dollar gesammelt werden. Das erreichten sie innerhalb eines Tages. Am Ende wurden es 5,7 Millionen, die Kampagne brach sämtliche Rekorde und einem „Veronica Mars“-Spielfilm, der neun Jahre nach dem Ende der Serie spielt, stand nichts mehr im Weg.

Die Gegenwart: Veronica arbeitet schon lange nicht mehr als Privatdetektivin. Sie hat ihr Studium abgeschlossen, einen gut dotierten Job in einer Kanzlei in Manhattan in Aussicht und sie hat einen Freund. So einen richtig braven Typen. Kurz: ihr Leben verläuft endlich in ruhigen und gesitteten Bahnen. Da erfährt sie, dass Bonnie DeVille, früher Klassenkameradin, später Sängerin, ermordet wurde und ihr Ex-Freund Logan verdächtigt wird, sie getötet zu haben. Veronica fliegt von der Ostküste zurück nach Neptune, Kalifornien. Eigentlich will sie Logan nur bei der Suche nach einem Anwalt helfen, aber dann beginnt sie doch mit der Mörderjagd.

Außerdem steht das zehnjährige Klassentreffen an, bei dem sie unter keinen Umständen dabei sein will.

Aber auch ohne das Klassentreffen (bei dem sie – das ist jetzt nicht wirklich überraschend – teilnimmt) ist der Spielfilm „Veronica Mars“ vor allem eine Begegnung mit alten Bekannten, die man mehrere Jahre nicht gesehen hat, und die man jetzt, wenn man wieder seinen Heimatort besucht, wieder trifft, sich mit ihnen über die Vergangenheit und die Gegenwart, in der die damaligen Träume an der Gegenwart gemessen werden, unterhält und bemerkt, was sich in den vergangenen Jahren veränderte. In der „Red Harvest“-Kommune Neptune veränderte sich wenig und die Seriennostalgie wird auch dadurch befördert, dass viele alte Serienbekannte wieder dabei sind.

Diese Reunion ist dann schon fast wichtiger als der vernachlässigbare Fall – und knüpft nahtlos an die „Veronica Mars“-TV-Serie an, die ja auch immer ein selbstironischer und stilbewusster Clash zwischen Teenager-Drama und Hardboiled-Privatdetektivkrimi (inclusive dem Voice-Over) ist und die Fälle (jedenfalls in den mir bekannten Episoden) eher mau sind.

Auch optisch bewegt sich „Veronica Mars“ immer auf dem gewohnten TV-Standard, der auf der Kinoleinwand doch etwas deplatziert wirkt.

So ist der Spielfilm nur eine überlange Auftaktepisode für eine neue „Veronica Mars“-TV-Serie, die auch als Einzelfilm, als Nachklapp zur Serie, eigentlich ins Fernsehen gehört, aber wegen der Vorgeschichte im Kino läuft.

Veronica Mars“ ist von der ersten bis zur letzten Minute Fanservice, der kaum geeignet ist, neue Fans zu gewinnen.

Die Zukunft: In jedem Fall erscheint am 25. März der Roman „The Thousand Dollar Tan Line“ von Rob Thomas und Jennifer Graham. Es ist er erste „Veronica Mars“-Roman einer geplanten Serie und er spielt nach dem Ende des Films. Eine deutsche Übersetzung ist noch nicht angekündigt.

 

Nun, die Zukunft zeichnet sich jetzt etwas deutlicher ab. Denn die deutsche Übersetzung von „The Thousand Dollar Tan Line“ erscheint in wenigen Tagen. Ob es weitere Film-Auftritte von Veronica Mars gibt, ist dagegen immer noch unklar. Jedenfalls wären die Macher und Veronica-Mars-Darstellerin Kristen Bell bereit.

Und der Spielfilm, der eine sehr vergnügliche Angelegenheit für die „Veronica Mars“-Fans und Fans von angenehm altmodischen Privatdetektiv-Krimis ist (wie ich, der ohne seine jährliche Dosis Continental Op, Sam Spade, Philip Marlowe, Lew Archer, Jim Rockford undsoweiter nicht leben kann), bei denen Wortwitz wichtiger als Action sind (vor allem Action von der unrealistischen Sorte), funktioniert auf dem inzwischen gar nicht mehr so kleinem kleinen Bildschirm besser als im Kino.

Als Bonusmaterial gibt es auf der DVD (die Blu-ray hat etwas mehr) die 53-minütige Doku „Von den Fans: Das Making-of Veronica Mars“, in dem die Geschichte des Films von der Kickstarter-Kampagne über die Dreharbeiten bis zur Präsentation auf der San Diego Comic-Con erzählt wird. Der Schwerpunkt liegt dabei bei den Fans, denen es wirklich gelang, den Film Realität werden zu lassen. Einige waren auch bei den Dreharbeiten als Statisten dabei und bei der Vorstellung auf der Comic-Con feierten sie die Schauspieler und Rob Thomas frenetisch, bei einem Panel in der für 5000 Leute ausgelegten, vollbesetten Halle H. In der Doku kommen einige der Fans ausführlicher zu Wort. Außerdem werden die Macher, vor allem „Veronica Mars“-Erfinder Rob Thomas und die Schauspieler, die größtenteils auch schon bei der Serie dabei waren, nicht müde, die große Bedeutung der Fans für die Serie zu betonen. Und man muss ihnen zustimmen: denn „Veronica Mars“ ist das erste Beispiel für eine im TV gecancelte Serie, die durch den Willen der Fans, die sich hier auch finanziell am Film beteiligten, wieder zum Leben erweckt wurde.

Veronica Mars - DVD-Cover - 4

 

Veronica Mars (Veronica Mars, USA 2014)

Regie: Rob Thomas

Drehbuch: Rob Thomas, Diane Ruggiero (nach einer Geschichte von Rob Thomas)

mit Kristen Bell, Jason Dohring, Krysten Ritter, Ryan Hansen, Francis Capra, Percy Daggs III, Chris Lowell, Tina Majorino, Enrico Colantoni, Sam Huntington, Jerry O’Connell, Jamie Lee Curtis, James Franco

DVD

Warner Home Video (Warner Brothers)

Bild: 2,40:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch, Spanisch (5.1)

Untertitel: Spanisch, Finnisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch

Untertitel für Hörgeschädigte: Deutsch, Englisch

Bonusmaterial: Von den Fans: Das Making of Veronica Mars

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Der erste „Veronica Mars“-Roman erschien in den USA Ende März und bei uns am 11. August. Zeitlich spielt er nach dem Spielfilm. Veronica arbeitet jetzt als Privatdetektivin in Neptune und ihr Vater ist davon nicht sonderlich begeistert. In „Zwei Vermisste sind zwei zu viel“ sucht sie, im Auftrag der Handelskammer von Neptune, zwei während des Spring-Break-Besäufnisses verschwundene Teenager.

Ich bin gerade beim Lesen und die erste Hälfte hat sich sehr angenehm weggelesen. Die – wenn kein Unglück geschieht – Jubelrezension gibt es dann in einigen Tagen.

Der zweite“Veronica Mars“-Roman „Mr. Kiss and Tell“ (wieder ein schöner Originaltitel) erscheint am 28. Oktober und wenn die Verkaufszahlen gut sind, wird es sicher weitere Romane mit der Privatdetektivin gegen.

Thomas - Veronica Mars - 4

Rob Thomas/Jennifer Graham: Veronica Mars: Zwei Vermisste sind zwei zu viel

(übersetzt von Silvia Kinkel)

script 5, 2014

336 Seiten

14,95 Euro

Originalausgabe

Veronica Mars: The Thousand Dollar Tan Line

Alloy Entertainment, 2014

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Veronica Mars“

Moviepilot über „Veronica Mars“

Metacritic über „Veronica Mars“

Rotten Tomatoes über „Veronica Mars“

Wikipedia über „Veronica Mars“

Thrilling Detective über Veronica Mars

Meine Besprechung von Rob Thomas‘ „Veronica Mars“ (Veronica Mars, USA 2014)


TV-Tipp für den 5. Mai: Im Tal von Elah

Mai 4, 2014

NDR, 23.15

Im Tal von Elah (USA 2007, R.: Paul Haggis)

Drehbuch: Paul Haggis (nach einer Geschichte von Mark Boal und Paul Haggis)

Ex-Militärpolizist und Vietnamveteran Hank Deerfield erfährt, dass sein Sohn Mike sich nach seiner Rückkehr aus dem Irak fahnenflüchtig ist. Kurz darauf wird seine verbrannte Leiche gefunden. Deerfield beginnt mit einer Polizistin Mikes Mörder zu suchen. Dabei werden sie vom Militär behindert.

Haggis benutzt in seinem feinen Thriller das Genre, um auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam zu machen. Denn der auf einem wahren Fall basierende, hochgelobte Thriller beschäftigt sich mit den seelischen Kosten von Kriegseinsätzen für den Einzelnen und die Gesellschaft.

Der Titel spielt auf die David-und-Goliath-Geschichte in der Bibel an. Deren Kampf fand im Valley of Elah, bei uns je nach Bibelübersetzung bekannt als Eichgrund, Elberfelder oder Terebinthental, statt.

Mit Tommy Lee Jones, Charlize Theron, Susan Sarandon, Jason Patric, James Franco, Josh Brolin, Jonathan Tucker

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über „Im Tal von Elah“

Metacritic über “Im Tal von Elah”

Rotten Tomatoes über “Im Tal von Elah”

Wikipedia über “Im Tal von Elah” (deutschenglisch)

Das Drehbuch „In the Valley of Elah“ von Paul Haggis

About com: Interview mit Paul Haggis und Charlize Theron über „Im Tal von Elah“ (mit weiterführenden Links)

Future Movies: Interview mit Paul Haggis über „Im Tal von Elah“

Bayerisches Fernsehen: Interview mit Paul Haggis über „Im Tal von Elah“


Neu im Kino/Filmkritik: Der Fanservice „Veronica Mars“

März 13, 2014

 

Was bisher geschah: Als TV-Serie lief „Veronica Mars“ von 2004 bis 2007 im US-TV und sie hatte eine überschaubare, aber sehr treue Fanbasis, zu der auch Stephen King und Ed Brubaker gehörten. In der Serie ist die Heldin eine Privatdetektivin, die auch Schülerin ist und das Ganze wird aus der Hardboiled-Noir-Perspektive, mit einer Prise Humor, erzählt. Eine einfache, aber ziemlich geniale Idee.

Im deutschen TV lief die Serie ab 2006 im ZDF. Zuerst am Samstag Nachmittag, dann Freitag Nacht, beide Male gut versteckt, mit wechselnden Anfangszeiten, vor einem überschaubarem Publikum, das nicht das Zielpublikum der Serie, nämlich Teenager, war. Ich gab bei dieser „Sopranos“-würdigen Programmierung schnell auf.

Nach dem Ende der Serie ließ die Beliebtheit von „Veronica Mars“ nicht nach, die Macher und Schauspieler wurden immer wieder auf die Serie angesprochen – und als Serienerfinder Rob Thomas auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter eine Seite veröffentlichte, um das echte Interesse der Fans an einer „Veronica Mars“-Neuauflage zu testen, war, wie bei „Stromberg“, das Spendenziel schnell erreicht. Genaugenommen sollten bei der Kickstarter-Kampagne zwei Millionen Dollar gesammelt werden. Das erreichten sie innerhalb eines Tages. Am Ende wurden es 5,7 Millionen, die Kampagne brach sämtliche Rekorde und einem „Veronica Mars“-Spielfilm, der neun Jahre nach dem Ende der Serie spielt, stand nichts mehr im Weg.

Die Gegenwart: Veronica arbeitet schon lange nicht mehr als Privatdetektivin. Sie hat ihr Studium abgeschlossen, einen gut dotierten Job in einer Kanzlei in Manhattan in Aussicht und sie hat einen Freund. So einen richtig braven Typen. Kurz: ihr Leben verläuft endlich in ruhigen und gesitteten Bahnen. Da erfährt sie, dass Bonnie DeVille, früher Klassenkameradin, später Sängerin, ermordet wurde und ihr Ex-Freund Logan verdächtigt wird, sie getötet zu haben. Veronica fliegt von der Ostküste zurück nach Neptune, Kalifornien. Eigentlich will sie Logan nur bei der Suche nach einem Anwalt helfen, aber dann beginnt sie doch mit der Mörderjagd.

Außerdem steht das zehnjährige Klassentreffen an, bei dem sie unter keinen Umständen dabei sein will.

Aber auch ohne das Klassentreffen (bei dem sie – das ist jetzt nicht wirklich überraschend – teilnimmt) ist der Spielfilm „Veronica Mars“ vor allem eine Begegnung mit alten Bekannten, die man mehrere Jahre nicht gesehen hat, und die man jetzt, wenn man wieder seinen Heimatort besucht, wieder trifft, sich mit ihnen über die Vergangenheit und die Gegenwart, in der die damaligen Träume an der Gegenwart gemessen werden, unterhält und bemerkt, was sich in den vergangenen Jahren veränderte. In der „Red Harvest“-Kommune Neptune veränderte sich wenig und die Seriennostalgie wird auch dadurch befördert, dass viele alte Serienbekannte wieder dabei sind.

Diese Reunion ist dann schon fast wichtiger als der vernachlässigbare Fall – und knüpft nahtlos an die „Veronica Mars“-TV-Serie an, die ja auch immer ein selbstironischer und stilbewusster Clash zwischen Teenager-Drama und Hardboiled-Privatdetektivkrimi (inclusive dem Voice-Over) ist und die Fälle (jedenfalls in den mir bekannten Episoden) eher mau sind.

Auch optisch bewegt sich „Veronica Mars“ immer auf dem gewohnten TV-Standard, der auf der Kinoleinwand doch etwas deplatziert wirkt.

So ist der Spielfilm nur eine überlange Auftaktepisode für eine neue „Veronica Mars“-TV-Serie, die auch als Einzelfilm, als Nachklapp zur Serie, eigentlich ins Fernsehen gehört, aber wegen der Vorgeschichte im Kino läuft.

Veronica Mars“ ist von der ersten bis zur letzten Minute Fanservice, der kaum geeignet ist, neue Fans zu gewinnen.

Die Zukunft: In jedem Fall erscheint am 25. März der Roman „The Thousand Dollar Tan Line“ von Rob Thomas und Jennifer Graham. Es ist er erste „Veronica Mars“-Roman einer geplanten Serie und er spielt nach dem Ende des Films. Eine deutsche Übersetzung ist noch nicht angekündigt.

Veronica Mars - Plakat 4

Veronica Mars (Veronica Mars, USA 2014)

Regie: Rob Thomas

Drehbuch: Rob Thomas, Diane Ruggiero (nach einer Geschichte von Rob Thomas)

mit Kristen Bell, Jason Dohring, Krysten Ritter, Ryan Hansen, Francis Capra, Percy Daggs III, Chris Lowell, Tina Majorino, Enrico Colantoni, Sam Huntington, Jerry O’Connell, Jamie Lee Curtis, James Franco

Länge: 107 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

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Film-Zeit über „Veronica Mars“

Moviepilot über „Veronica Mars“

Metacritic über „Veronica Mars“

Rotten Tomatoes über „Veronica Mars“

Wikipedia über „Veronica Mars“ 

Thrilling Detective über Veronica Mars


DVD-Kritik: „Lovelace“ kann sich nicht entscheiden

Februar 8, 2014

Na, das ist doch eine geschickte Strategie. Anstatt sich für eine Version der Geschichte zu entscheiden, zeigen die Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman und Drehbuchautor Andy Bellin einfach zwei sich diametral entgegenstehende Versionen, die jeweils eine Hälfte des Films „Lovelace“ beanspruchen.

In der ersten Version erzählen sie im Stil eines Kitschfilms, wie Linda Lovelace (eigentlich Linda Boreman) sich in Chuck Traynor verliebt, sie naiv in den Dreh von „Deep Throat“ hineinstolpert, den Dreh des Pornos genießt und danach zum beliebten Star aufsteigt, der fröhlich und ungehemmt ihren Beitrag zur sexuellen Befreiung leistet. Denn der Porno „Deep Throat“ war, als er 1972 in die US-Kinos kam und gleich in einigen Bundesstaaten verboten wurde, ein gigantischer kommerzieller Erfolg, über den alle redeten. Es war plötzlich chic, sich einen Porno in einem Kino anzusehen, dabei gesehen zu werden und, bei entsprechender Prominenz, anschließend ein Interview zu geben.

In Deutschland kam „Deep Throat“ 1975 in die Kinos.

Nach 43 Minuten gibt es im erstaunlich züchtigen Biopic „Lovelace“ einen Zeitsprung von sechs Jahren. Lovelace will endlich ihre Geschichte erzählen und die ist dann ganz anders als die vorher gezeigte Halli-Galli-Friede-Freude-Eierkuchenwelt. Jetzt sehen wir die gleichen Ereignisse noch einmal, aber aus einer anderen Perspektive. Lovelace wurde von ihren puritanischen Eltern unterdrückt. Ihr Mann schlug und vergewaltigte sie. Drogen, Gewalt und Unterdrückung waren ein integraler Teil ihres Lebens, das ein einziger Horrortrip war. Auch die Mafia war bei den Dreharbeiten und der späteren Auswertung des Films beteiligt. Roger Ebert sagte, dass der Profit von „Deep Throat“ mit 600 Millionen US-Dollar bei Herstellungskosten von 25.000 Dollar auch deshalb so hoch war, weil der Film in Pornokinos gezeigt wurde, die damals der Geldwäsche dientenLINK.

Kurz: Linda Lovelace wurde von allen ausgebeutet und benutzt.

Auch wenn die zweite Version wahrscheinlich viel näher an der Wirklichkeit ist, bricht eben die Entscheidung der Macher, gleichberechtigt zwei Versionen der Geschichte von Linda Lovelace und „Deep Throat“ anzubieten, dem Film als Spielfilm das Genick. Denn sie drücken sich damit vor der Frage, welche Geschichte sie erzählen und welche Version der Ereignisse sie für wahr halten. Sie erzählen in ihrem Biopic die Disney- und die Noir-Variante, wobei die Disney-Variante mit Witzen punktet.

Das Bonusmaterial ist erfreulich umfangreich und informativ in Bezug auf den Film ausgefallen. Über die echte Linda Lovelace und „Deep Throat“ erfährt man eher wenig. Aber dafür gibt es ja die Dokumentation „Inside Deep Throat“.

Lovelace - DVD-Cover

Lovelace (Lovelace, USA 2012)

Regie: Rob Epstein, Jeffrey Friedman

Drehbuch: Andy Bellin

mit Amanda Seyfried, Peter Sarsgaard, Wes Bentley, James Franco, Chris Noth, Eric Roberts, Chloe Sevigny, Sharon Stone, Robert Patrick, Adam Brody

DVD

Planet Media/Studiocanal

Bild: 1.85:1

Sprache: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Making Of, Hinter den Kulissen, Featurette, Interviews, Pressekonferenz Berlinale 2013, Trailer (Deutsch, US), Leseprobe „Linda Lovelace: Ich packe aus“, Wendecover

Länge: 89 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über „Lovelace“

Metacritic über „Lovelace“

Rotten Tomatoes über „Lovelace“

Wikipedia über „Lovelace“ (deutsch, englisch), „Deep Throat“ (deutsch, englisch) und Linda Lovelace (deutsch, englisch)

Berlinale über „Lovelace“


Neu im Kino/Filmkritik: Jason Statham sorgt an der „Homefront“ für Ordnung

Januar 23, 2014

 

Schon der Blick auf die Besetzung verrät, dass „Homefront“ nicht das übliche hirnlose Jason-Statham-Actionfeuerwerk ist. Denn neben Jason Statham spielen James Franco, Winona Ryder und Kate Bosworth mit. Gary Fleder ist der Regisseur. Er inszenierte vorher die durchaus sehenswerten Thriller „Das Leben nach dem Tod in Denver“, die James-Patterson-Verfilmung „Denn zum Küssen sind sie da“ und die John-Grisham-Verfilmung „Das Urteil“.

Auch „Homefront“ ist sicher kein künftiger Klassiker, aber ein sehenswerter, angenehm altmodischer Action-Film in dem die Charaktere, ihre oft durchaus vollkommen vernünftige Absichten, ihre Beziehungen und die daraus entstehende, letztendlich tödliche Dynamik im Mittelpunkt stehen. Die Geschichte beginnt mit einer alltäglichen Schulhofrauferei. Die neue Klassenkameradin Maddy (Izabela Vidovic) lässt sich die Sticheleien von einem Mitschüler nicht gefallen und, nachdem sie ihn mehrmals warnte, schickt sie ihn mit einem geübten Selbstverteidigungsgriff auf den Boden. Eigentlich hat sie alles richtig gemacht. Dummerweise ist der Junge der Sohn von Cassie Bodine Klum (Kate Bosworth), der drogensüchtigen Schwester von Gator Bodine (James Franco), einem lokalen Chrystal-Meth-Hersteller, der auch die Polizei bezahlt. Cassie möchte, dass Gator etwas gegen die Brokers, die sie und ihre Familie gedemütigt haben, unternimmt.

Maddys Vater Phil Broker (Jason Statham) will dagegen in der Louisiana-Kleinstadt Rayville nur seine Ruhe haben und als einfacher Schreiner Geld verdienen. Seit kurzem ist er Witwer und er war Undercover-Agent der Polizei. Zuletzt gegen die Rockerbande „The Outlaws“, deren Festnahme zu einer für etliche Rocker tödlichen Schießerei wurde.

Als Gator von Brokers Vergangenheit erfährt, informiert er die Biker, die sich an Broker rächen wollen. Gator hofft mit ihnen ins Geschäft zu kommen und vom lokalen Meth-Hersteller zu einem überregionalem Lieferanten aufzusteigen. Aber er setzt jetzt endgültig eine tödliche Dynamik in Gang.

Homefront“ ist, wie Dwayne Johnsons „Snitch – Ein riskanter Deal“, ein sich an den Actionfilmen der siebziger Jahre orientierender Thriller, der seine Geschichte langsam, aus heutiger Sicht sogar sehr langsam und auch, wie bei einem Western, vorhersehbar zum großen Showdown hin erzählt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Charaktere, ihre Motive und wie sie und die daraus erwachsenden Taten sich verhängnisvoll, konsequent und in ihrer Alltäglichkeit erschreckend nachvollziehbar zum tödlichen Showdown hin entwickeln. Hätte Maddy sich nicht gewehrt, wäre Cassie Bodine Klum nicht so hasserfüllt und obergluckenhaft, hätte Gator Bodine nicht so große Pläne, könnten sie alle noch friedliche miteinander Leben. Broker nimmt dabei, wie in einem klassischen Western, die Rolle des Außenseiters ein, der nur seine Ruhe haben will, sich aber wehrt, wenn er oder seine Tochter bedroht werden und so letztendlich auch seinen Teil zur tödlichen Dynamik beiträgt. „Homefront“ ist auch eine Studie in Dummheit und Starrköpfigkeit.

Sylvester Stallone, der das Drehbuch ursprünglich für sich schrieb und auch daran dachte, ein John-Rambo-Abenteuer daraus zu machen, knüpft gelungen an sein Frühwerk, zwischen „Rocky“ und „Rambo“, an.

Gary Fleder inszenierte seinen ruhigen Thriller solide mit einem Blick für die Landschaft und die Struktur der Dorfgemeinschaft, aber auch etwas hektisch geschnittenen Action-Sequenzen.

So ist „Homefront“ ein guter Action-Thriller, der sich an Siebziger-Jahre-Thrillern orientiert, ohne ihnen etwas wirklich neues hinzuzufügen, und traditionsbewusste Genrejunkies gut unterhält. Jason-Statham-Fans, die ihn vor allem als „Transporter“ oder „Crank“-JoJo-Männchen sehen wollen, dürften dagegen wieder einmal enttäuscht sein: zu Ernst, zu viel Set-Up, zu wenig Action und die ist dann auch noch von der realistisch handgemachten Sorte.

Homefront - Plakat

Homefront (Homefront, USA 2013)

Regie: Gary Fleder

Drehbuch: Sylvester Stallone

LV: Chuck Logan: Homefront, 2005

mit Jason Statham, James Franco, Winona Ryder, Kate Bosworth, Frank Grillo, Izabela Vidovic, Rachelle Lefevre, Clancy Brown

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Amerikanische Facebook-Seite zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Homefront“

Moviepilot über „Homefront“

Metacritic über „Homefront“

Rotten Tomatoes über „Homefront“

Wikipedia über „Homefront“ 

Homepage von Chuck Logan

Blu-ray: Interview mit Chuck Logan (24. November 2013)

 

 


Neu im Kino/Filmkritik: „Spring Breakers“ forever and ever

März 21, 2013

Ob man „Spring Breakers“ für eine geniale Beschreibung der US-amerikanischen Jugend oder für ein Stück ausgesuchter Langeweile, aufgepeppt mit homöopathischen Dosen nackter Haut und Gangster-Chic hält, ist nicht nur Ansichts-, sondern auch Stimmungssache. Immerhin war ich von „Letztes Jahr in Marienbad“ begeistert, fand „Blow Up“ toll und „Clerks“, „Kids“ und „Slacker“ grandios.

Aber „Spring Breakers“ ist für mich nur „Kids“ meets „CSI: Miami“ minus Sonnenbrille Horatio Caine. Und das meine ich nicht lobend.

Autorenfilmer Harmony Korine ignoriert die üblichen Hollywood-Erzählformen. Sein neuester Film ist eher wie ein Minimal-Music-Stück aufgebaut: einige Bilder, Szenen, Satzfetzen, Sätze und Dialoge wiederholen sich immer wieder; dazwischen gibt es so etwas wie eine Geschichte, die aber vollkommen unchronologisch erzählt wird – und vieles, was in den USA vielleicht provoziert, langweilt hier, weil sich vieles einfach immer wieder in einer monotonen Endlosschleife wiederholt und alles so furchtbar plakativ ist, dass sogar ein Michael-Bay-Film subtil wirkt.

Dabei dürfte die größte Provokation in den USA nicht die nackte Haut (fast immer züchtig im Bikini) und der ach so exzessive Drogenkonsum (gerne wird der Alkohol auch breitflächig über nackte Haut verteilt) sein, sondern die Wahl der Darsteller. Selena Gomez, Vanessa Hudgens und Ashley Benson sind in den USA bekannte Gesichter. Vor allem aus dem Disney-Channel. Sie stehen für saubere, familientaugliche Unterhaltung.

Und James Franco gehört sicher zu den interessantesten Jungstars, den die meisten aus den „Spider-Man“-Filmen und der „fantastischen Welt von Oz“ kennen. In „Spring Breakers“ spielt er einen Drogendealer, der unter seiner Maske kaum erkennbar ist und Brit (Ashley Benson), Candy (Vanessa Hudgens), Cotty (Rachel Korine) und Faith (Selena Gomez) auf Kaution und mit einigen Hintergedanken aus dem Gefängnis holt. Die drei Hübschen haben vorher, um beim Spring Break (ein tagelanges Komasaufen, das nur durch die vollkommen verquere Haltung der Amis zu Alkohol erklärt werden kann) dabei zu sein, einen Überfall auf ein Diner begangen, sind nach Florida gefahren, haben viel Alkohol getrunken, wurden verhaftet und von Alien (James Franco) aus dem Gefängnis geholt. Mit ihm haben sie ihren Spaß und aus braven Mädels werden in Aliens Gegenwart (ich gebe zu, sein Charisma verfing bei mir nicht) in Lichtgeschwindigkeit waffenschwingende Mordmaschinen.

Die Story ist, wie schon bei „Kids“, Larry Clarks verstörendes Porträt von normalen New-Yorker-Teenagern, für das Harmony Korine das Drehbuch schrieb, nebensächlich. Die Stimmung des Spring Breaks, der Wechsel zwischen Hochgefühl und Kater, das Gefühl, dass es eine Woche lang keine Regeln mehr gibt, ist dagegen essentiell und Korine drehte, wie auch in seinen vorherigen Filmen mit Laien und er ließ alle Darsteller improvisieren. Wahrscheinlich ist das auch ein Grund für die fast pausenlose asynchron laufende Tonspur.

Die Bilder spielen immer mit der Hochglanzoptik von Sonne, Wasser, durchtrainierten männlichen Oberkörpern und knapp bekleideten, schlanken Mädchen. In den USA reichte das für ein R-Rating „for strong sexual content, language, nudity, drug use and violence throughout“ (also unter siebzehn Jahren nur in Begleitung eines Elternteils). Die coolen Franzosen gaben dem Film achselzuckend ein „frei ab 12 Jahre“ – und Zwölfjährige finden „Spring Breakers“ vielleicht wirklich provozierend, verstörend und einen Blick in eine neue Welt, in der Filme nicht wie eine Folge aus einer TV-Familienserie aussehen müssen.

Spring Breakers - Plakat

Spring Breakers (Spring Breakers, USA/Frankreich 2012)

Regie: Harmony Korine

Drehbuch: Harmony Korine

mit James Franco, Selena Gomez, Vanessa Hudgens, Ashley Benson, Rachel Korine, Heather Morris, Cait Taylor, Ashley Lendzion, Emma Holzer, Gucci Maine

Länge: 93 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Spring Breakers“

Metacritic über „Spring Breakers“

Rotten Tomatoes über „Spring Breaker“

Wikipedia über „Spring Breakers“ (deutsch, englisch)

Die TIFF-Pressekonferenz mit dem Regisseur und den Hauptdarstellern vom 7. September 2012


TV-Tipp für den 16. März: Im Tal von Elah

März 16, 2013

ARD, 23.45

Im Tal von Elah (USA 2007, R.: Paul Haggis)

Drehbuch: Paul Haggis (nach einer Geschichte von Mark Boal und Paul Haggis)

Ex-Militärpolizist und Vietnamveteran Hank Deerfield erfährt, dass sein Sohn Mike sich nach seiner Rückkehr aus dem Irak fahnenflüchtig ist. Kurz darauf wird seine verbrannte Leiche gefunden. Deerfield beginnt mit einer Polizistin Mikes Mörder zu suchen. Dabei werden sie vom Militär behindert.

Haggis benutzt in seinem feinen Thriller das Genre, um auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam zu machen. Denn der auf einem wahren Fall basierende, hochgelobte Thriller beschäftigt sich mit den seelischen Kosten von Kriegseinsätzen für den Einzelnen und die Gesellschaft.

Der Titel spielt auf die David-und-Goliath-Geschichte in der Bibel an. Deren Kampf fand im Valley of Elah, bei uns je nach Bibelübersetzung bekannt als Eichgrund, Elberfelder oder Terebinthental, statt.

Mit Tommy Lee Jones, Charlize Theron, Susan Sarandon, Jason Patric, James Franco, Josh Brolin, Jonathan Tucker

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über „Im Tal von Elah“

Metacritic über “Im Tal von Elah”

Rotten Tomatoes über “Im Tal von Elah”

Wikipedia über “Im Tal von Elah” (deutsch, englisch)

Das Drehbuch „In the Valley of Elah“ von Paul Haggis

About com: Interview mit Paul Haggis und Charlize Theron über „Im Tal von Elah“ (mit weiterführenden Links)

Future Movies: Interview mit Paul Haggis über „Im Tal von Elah“

Bayerisches Fernsehen: Interview mit Paul Haggis über „Im Tal von Elah“


Neu im Kino/Filmstart: Sam Raimis Kinderfilm „Die fantastische Welt von Oz“

März 7, 2013

Sodele. Jetzt hat auch Sam Raimi seinen Kinderfilm gedreht. Genau, der Sam Raimi, der mit dem bei uns bis heute indizierten Horrorfilm „Tanz der Teufel“ die Filmwelt betrat und mit „Spider-Man“ zu Everybody’s Darling wurde. Denn das war eine Comicverfilmung, die auch als Film überzeugte. Im Gegensatz zu älteren Superheldencomicverfilmungen, die oft sehr kindisch und schlecht waren, überzeugte „Spider-Man“ als Big-Budget-Film mit tollen Effekten, Action, Witz und einer guten Geschichte, die wichtige Themen und Fragen ernsthaft verhandelte. Das konnte man sich als Über-Zwanzigjähriger Nicht-Comicfan ohne schlechtes Gewissen ansehen.

In seinem neuesten Film „Die fantastische Welt von “ erzählt Raimi in 3D die Vorgeschichte zu L. Frank Baums in Oz spielenden Geschichten und damit auch von „Der Zauberer von Oz/Das zauberhafte Land“ (The Wizard of Oz, USA 1939, Regie: Victor Fleming), dem Filmklassiker mit Judy Garland, in dem sie am Ende dem sagenhaften Zauberer von Oz gegenübertritt und sein Geheimnis enthüllt.

Bevor er zum Zauberer von Oz wurde, tourte Oscar Diggs (James Franco) als selbstsüchtiger, ständig in Finanznöten steckender, auf eine billige Art charmanter Magier mit arg begrenztem Talent um die Jahrhundertwende durch Kansas und versucht das Publikum zu verzaubern. Als er mal wieder Ärger hat, kann er in einem Ballon entkommen. Er gerät in einen Wirbelsturm und landet in dem Fantasieland Oz. Von dort will er, nachdem er den sagenhaften Goldschatz (auf den sogar der im Gold badende Dagobert Duck neidisch wäre) geklaut hat, möglichst schnell verschwinden. Aber dann wird er in den Kampf zwischen den drei wunderschönen Hexen Theodora (Mila Kunis), Evanora (Rachel Weisz) und Glinda (Michelle Williams) hineingezogen. Die böse Hexe hält ihn für einen Schwindler. Die gute Hexe sieht in ihm den lange angekündigten Zauberer von Oz, der sie von der bösen Hexe befreit. Und Diggs muss sich entscheiden, ob er den Menschen von Oz hilft oder seine Gier nach Gold befriedigt.

Die überdeutliche Inspiration für „Die fantastische Welt von Oz“ ist natürlich das Musical „Der Zauberer von Oz“, das inzwischen ein Klassiker ist, immer noch regelmäßig im Fernsehen läuft (obwohl die letzte Wiederholung einige Zeit zurück liegt) und kaum gealtert ist. Denn in dem Film war schon immer alles eine Spur übertrieben, die Schauspieler agierten, als hätten sie einen akuten Zuckerschock, die Tricks und Matte Paintings haben heute einen liebevoll altmodischen Charme und die Songs sind Evergreens.

Raimi folgt dem Musical, ohne die Songs, in großen Teilen. So sind die ersten, in Kansas spielenden Minuten in SW und der in Oz spielende Rest in Farbe (und in einem anderen Bildformat) erzählt. Raimis Oz sieht, abgesehen von der besseren Tricktechnik (Dem Computer sei Dank!), wie Flemings Oz aus. Die Charaktere sind recht eindimensional geraten. Aber in Flemings Film wurde das durch die Songs und das Spiel der Schauspieler aufgefangen. In einem Musical mit einer sprechenden Vogelscheuche, einem ständig einrostendem Zinnmann und einem ängstlichen Löwen erwartet auch niemand tiefgründige Charakterstudien.

In Raimis Film wird mit zunehmender Laufzeit allerdings auch deutlich, dass „Die fantastische Welt von Oz“ nicht für ein erwachsenes Publikum gedacht ist. Es ist ein mit über zwei Stunden zu lang geratener Kinderfilm, dem genau das fehlt, was Tim Burtons „Frankenweenie“ oder Martin Socrseses „Hugo Cabret“ hatten: eine zweite Ebene, in die Erwachsene und Filmfans sich vertiefen konnten.

Bei „Die fantastische Welt von Oz“ ist einfach alles platt offensichtlich und der gesamte Film bleibt im musealen stecken. Denn anstatt ein neues Land zu erkunden, wird der Gang durch „Die fantastische Welt von Oz“, obwohl in echten Sets gedreht wurde, wie ein Gang durch ein Museum. Alles ist sauber. Alles ist gut ausgeleuchtet und man bestaunt die Ausstellungsstücke. Aber lebendig ist das nicht, sondern unangenehm historisierend. Anstatt in neue Welten vorzustoßen, wird ein Prequel gedreht. Ein Film, in dem wir erzählt bekommen, wie einige Charaktere zu den Charakteren wurden, die wir schon seit langer Zeit kennen. Nur: wollen wir das wirklich wissen? Und wie zukunftsweisend können Charaktere und Welten sein, die in diesem Fall bereits vor über hundert Jahre erfunden wurden und natürlich Kinder ihrer Zeit sind?

In Raimis Film ist höchstens die Tricktechnik zukunftsweisend.

Davon abgesehen: Als Sechsjähriger wäre ich wahrscheinlich begeistert gewesen von der fantastischen Welt von Oz.

P1.43 (OZTGP_004C_G - Triptych (Center) Cast)

Die fantastische Welt von Oz (Oz, the Great and Powerful, USA 2013)

Regie: Sam Raimi

Drehbuch: Mitchell Kapner , David Lindsay-Abaire

LV/Inspiration: L. Frank Baum: The Wonderful Wizard of Oz, 1900 (Der Zauberer von Oz)

mit James Franco, Mila Kunis, Rachel Weisz, Michelle Williams, Zach Braff, Bill Cobbs, Joey King, Tony Cox, Stephen R. Hart, Abigail Spencer, Bruce Campbell

Länge: 130 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Die fantastische Welt von Oz“

Metacritic über „Die fantastische Welt von Oz“

Rotten Tomatoes über „Die fantastische Welt von Oz“

Wikipedia über „Die fantastische Welt von Oz“ (deutsch, englisch)

Und noch einige Teaser-, Film- und Charakterplakate, die mir wegen ihrer, hm, altmodischen Gestaltung gut gefallen

Oz - Teaserplakat

Oz - Plakat L

Oz - Plakat R

P1.43 (OZTGP_019R_G - Banner (Wizard - Darkened))

P1.43 (OZTGP_018Q_G - Banner (Glinda - Darkened))

P1.43 (OZTGP_016O_G - Banner (Theodora - Darkened))

P1.43 (OZTGP_017P_G - Banner (Evanora - Darkened))