Neu im Kino/Filmkritik: „Smile – Siehst du es auch?“ Dann wirst du bald sterben

September 29, 2022

Ihre neue Patientin unterscheidet sich nicht sonderlich von ihren anderen Patienten. Sie erzählt ihr, sie werde von einer Gestalt verfolgt, die nur sie sehen könne, die immer wieder ein anderes Gesicht habe und lächele. Ein vollkommen irres, unnatürliches und furchterregendes, in sich selbst ruhendes, fast schon glückseliges Lächeln. Solche Geschichten haben ihr schon etliche Patienten mit Wahnvorstellungen erzählt und ihr gleichzeitig versichert, sie leiden nicht an Wahnvorstellungen.

Dann – und das ist ungewöhnlich – schneidet sie sich, breit grinsend, langsam von einem zum anderen Ohr, die Kehle auf und verblutet.

Kurz darauf glaubt Dr. Rose Cotter, die in einer Klinik als Psychiaterin arbeitet, dass sie die Tote sieht. Sie fühlt sich zunehmend von ihr verfolgt. Immer öfter sieht sie sie oder andere Menschen, die nur sie sehen kann, die sie unnatürlich angrinsen und ängstigen.

Zusammen mit einem Ex-Freund, der Polizist ist, findet sie heraus, dass sie offensichtlich nicht an Wahnvorstellungen leidet und auch keine ausgewachsene Posttraumatischen Belastungsstörung hat. Stattdessen sah sie das bislang letzte Glied einer ganzen Reihen von unnatürlichen Todesfällen. Denn ihre Selbstmörderin beobachtete einige Tage vor ihrem Suizid einen ähnlichen Suizid. Diese Person beobachtete einige Tage vorher einen Suizid. Undsoweiter. Schnell findet ihr Ex-Freund eine ganze Kette von so miteinander verbundenen Suiziden. Es scheint also einen Dämon zu geben, der von Mensch zu Mensch springt, ihn in den Tod treibt und sich dann den nächsten Wirt sucht.

Smile – Siehst du es auch?“ ist das Spielfilmdebüt von Parker Finn, das wegen seines schwachen Finales vor allem als Talentprobe überzeugt.

Dieser dritte Akt wirkt, als habe Finn nicht gewusst, wie er seine Geschichte zu einem überzeugendem Ende bringt. Also lässt er Cotter in ihrem heruntergekommenem Elternhaus gegen den Lächel-Dämon und die damit nicht zusammenhängenden Dämonen ihrer Kindheit kämpfen. Dieses Doppel funktioniert natürlich nur, wenn einfach alles, was vorher etabliert wurde, ignoriert wird zugunsten des üblichen Budenzaubers.

Davor findet Cotter zusammen mit ihrem Ex-Freund alles wichtige über den grinsenden Dämon heraus. Das erfolgt in den üblichen Ermittlungsschritten, die Finn mit zahlreichen gelungenen Suspense-Momenten kurzweilig und interessant gestaltet. So zählt ein Kindergeburtstag, bei dem Cotter plötzlich den Geist sieht, zu den schaurigsten Momenten des Films. Ebenso beunruhigend sind seine Auftritte unter falscher Identität. Diese Menschen verhalten sich zunächst seltsam und grinsen sie später an.

Auch wie Finn seine Schauspieler inszeniert, wie er die Räume immer etwas strange einrichtet, wie er seine Bilder komponiert und mit dem Ton umgeht, überzeugt und sorgt für etliche Gänsehautmomente. Das alles macht neugierig auf seinen nächsten Film.

Finn inszenierte vor „Smile“ zwei Kurzfilme. Einen davon, den Kurzfilm „Laura hasn’t slept“, benutzte er jetzt als Inspiration für „Smile“.

Smile – Siehst du es auch? (Smile, USA 2022)

Regie: Parker Finn

Drehbuch: Parker Finn

mit Sosie Bacon, Kyle Gallner, Caitlin Stasey, Robin Weigert, Jessie T. Usher, Kal Penn, Rob Morgan

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Smile“

Metacritic über „Smile“

Rotten Tomatoes über „Smile“

Wikipedia über „Smile“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Independence Day. Wiederkehr“ der Aliens und der Erdlinge, die schon einmal die Aliens besiegten

Juli 14, 2016

Vor zwanzig Jahre besiegten die Menschen Aliens, die die Erde vernichten wollten, mit einem Computervirus.

Jetzt kehren die Aliens zurück und dieses Mal wollen sie die Erde endgültig zerstören.

In der Zwischenzeit haben die Menschen zu einem friedlichen Miteinander gefunden, mit der Alien-Technologie enorme Fortschritte im Bereich der Technik gemacht und auf dem Mond haben sie eine Abwehrstation gegen die nächste Alien-Invasion errichtet, die so sicher wie das Amen in der Kirche kommen wird. Behaupten jedenfalls einige tapfere, alienkampferprobte Männer.

Und bis auf Will Smith, der, je nach Quelle, nach „After Earth“ nicht gleich einen weiteren Science-Fiction-Film drehen wollte oder dessen Gagenforderung zu hoch war, sind auch etliche der aus dem Blockbuster „Independence Day“ vertrauten Charaktere dabei, wie Jeff Goldblum als David Levinson (inzwischen ist der Wissenschaftler Präsident der Earth Space Defense), Bill Pullman als von Alien-Visionen geplagten US-Präsident Thomas J. Whitmore, Judd Hirsch als Julius Levinson, Robert Loggia als General William Grey und Vivica A. Fox als Jasmine Hiller. Sie heiratete Captain Steven Hiller (Will Smith).

Es gibt auch einige Neuzugänge, wie Jessie Usher als ihr Sohn Dylan Hiller, der in die Kampfpiloten-Fußstapfen seines Vaters tritt, Liam Hemsworth als mit ihm verfeindeter, heroischer Kampfpilot Jake Morrison, der gerne mal einen Befehl ignoriert, Maika Monroe als US-Präsidententochter Patricia Whitmore und Love-Interest der beiden Jungs, Charlotte Gainsbourg als Dr. Catherine Marceaux und Ex-Geliebte von Levinson, Deobia Oparei als afrikanischer Krieger Dikembe Umbutu, der schon einige Aliens in der Wüste erledigte, Sela Ward als US-Präsidentin Lanford und William Fichtner als General Adams, der nach ihrem Tod die Amtsgeschäfte übernehmen muss. Sie alle haben schauspielerisch ziemlich wenig zu tun in dieser überaus bekannten Geschichte, die im Gegensatz zu „Independence Day“ eine überaus müde Angelegenheit ist. Die zitatenstrotzende Geschichte war auch schon in „Independence Day“ nicht wahnsinnig innovativ, aber sie wurde unterhaltsam präsentiert, man mochte die Charaktere, konnte mit ihnen mitfühlen und die Spezialeffekte beeindruckten. Es war halt ein B-Picture mit Megabudget und einer Heerschar bekannte Schauspieler, die den Charakteren mehr Tiefe gaben als das Drehbuch vorsah.

In „Independence Day: Wiederkehr“ sind die inzwischen computergenerierten Tricks nach all den Superheldenfilmen, in denen Städte und Galaxien in Schutt und Asche zerlegt werden, nicht mehr so beeindruckend. Da hilft es auch nichts, dass dieses Mal ganz London in Sekundenbruchteilen in Schutt und Asche zerlegt wird. Dagegen war die Zerstörung des Weißen Hauses in „Independence Day“ in jeder Beziehung beeindruckender. Das Bild brannte sich in unser kollektives Gedächtnis ein. Das Gebäude hat, nachdem es wieder aufgebaut wurde, in „Independence Day: Wiederkehr“ eine Special Appearance.

Die auch aus anderen Filmen bekannte Marotte, fast jede Zerstörungsszene und jede Arbeitsstätte nur von Computerbildschirmen ausleuchten zu lassen, nervt. Als gäbe es keine Lichtschalter und keine Arbeitsplatzverordnung.

Immerhin findet das Finale am helllichten Tag in der Wüste, nahe der legendären Area 51, statt. Dank der Alien-Technologie können dann auch alle wichtigen Charaktere, die vorher an verschiedenen Orten auf der Welt und im Weltall waren, in Sekundenbruchteilen zum Ort des Geschehens reisen. Die Plot-Löcher konnte die Alien-Technologie dagegen nicht stopfen.

Die Geschichte von „Independence Day: Wiederkehr“ wiederholt, mit einigen Veränderungen und vielen Anspielungen auf „Independence Day“ die aus zahlreichen Alien-Invasionsfilmen bekannte Geschichte, ohne jemals einen eigenen Ton zu finden. Es gibt einfach zu viele Charaktere die zu wenig zu tun haben und die Struktur ist bei weitem nicht so klar wie in „Independence Day“.

So ist „Independence Day: Wiederkehr“ eine mit knapp zwei Stunden (ohne Abspann) für einen Blockbuster erstaunlich kurze, aber auch reichlich dröge Angelegenheit, die, trotz anderslautender Statements von Roland Emmerich, wie eine lästige und vollkommen überflüssige Pflichterfüllung aussieht.

Am Ende des Films gibt es einen Witz, der die Tür zu einer Fortsetzung öffnet, die wirklich unterhaltsamer als „Indepence Day: Wiederkehr“ sein könnte. Dann werden, wenn das Einspielergebnis stimmt und wie Emmerich schon in einem aktuellen Interview sagte, fremde Planeten und Galaxien besucht. Den Film hätte er schon jetzt drehen sollen.

Independence Day 2 - Plakat

Independence Day: Wiederkehr (Independence Day: Resurgence, USA 2016)

Regie: Roland Emmerich

Drehbuch: Nicolas Wright, James A. Woods, Dean Devlin, Roland Emmerich, James Vanderbilt (nach einer Geschichte von Dean Devlin, Roland Emmerich, Nicolas Wright und James A. Woods, basierend auf Charaktere von Dean Devlin und Roland Emmerich)

mit Liam Hemsworth, Jeff Goldblum, Jessie T. Usher, Bill Pullman, Maika Monroe, Sela Ward, William Fichtner, Judd Hirsch, Brent Spiner, Vivica A. Fox, Charlotte Gainsbourg, Deobia Oparei, Nicolas Wright, Robert Loggia, Angelababy, Chin Han, Travis Tope

Länge: 121 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Independence Day: Wiederkehr“

Metacritic über „Independence Day: Wiederkehr“

Rotten Tomatoes über „Independence Day: Wiederkehr“

Wikipedia über „Independence Day: Wiederkehr“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Roland Emmerichs „White House Down“ (White House Down, USA 2013)

Meine Besprechung von Roland Emmerichs „Stonewall“ (Stonewall, USA 2015)