Neu im Kino/Filmkritik (eher kürzer): Über Sam Mendes‘ „Empire of Light“, Christian Petzolds „Roter Himmel“ und Brandon Cronenbergs, „Infinity Pool“

April 25, 2023

Schnell, kurz und reichlich spät komme ich meiner Chronistenpflicht nach. Denn die letzten Tage war ich mit einem Projektantrag beschäftigt. Doch das ist eine andere Geschichte, zu der ich vielleicht irgendwann mehr schreiben werde.

Jetzt schreibe ich etwas über die neuen Filme von Christian Petzold, Sam Mendes und Brandon Cronenberg, die bei allen Unterschieden eine Gemeinsamkeit haben: sie gefielen mir nicht so gut wie erwartet.

Beginnen wir mit Sam Mendes‘ „Empire of Light“ und seiner Liebeserklärung an seine Mutter, das Kino und seine Jugend; – wobei es sich hier um kein Biopic, sondern ein ein ‚inspiriert von‘ und damit eigentlich nur um eine in der Vergangenheit spielende Geschichte handelt.

Die Filmgeschichte spielt in den frühen Achtzigern in einem an der Südküste von England liegendem Küstenort. Dort steht das Empire Kino, ein Kinopalast, der schon vor Ewigkeiten erbaut und seitdem kaum verändert wurde. Er hat seine besten Zeiten schon lange hinter sich. Überall ist die wohlige Patina besserer Zeiten. Nur noch zwei Säle werden bespielt. Das Dachrestaurant mit Seeblick ist eine verstaubte Ruine. Dort trifft sich Hilary Small (Olivia Colman), die schon etwas ältere Managerin des Empire, die psychische Probleme hat, mit Stephen (Micheal Ward). Der junge Schwarze ist der jüngste Angestellten des Kinos.

Mendes entfaltet die Beziehung zwischen den beiden und zwischen dem Kinopersonal nur langsam und in Andeutungen. Das ist von Roger Deakins edel gefilmt. Die Sets und die Ausstattung sind überaus stimmig. Trent Reznor und Atticus Ross schrieben die atmosphärische Musik. Stars des britischen Kinos, wie Colin Firth und Toby Jones, spielen mit. Und sie sind gewohnt gut. Kleine Details und Gesten sind in diesem langsam erzähltem Drama, das sich genau so entwickelt, wie man es erwartet, wichtig.

Die Probleme des Films liegen in seinem langsamen Erzähltempo und dass viele Themen, wozu auch die Konflikte und gesellschaftlichen Spaltungen während der Thatcher-Regierung, zwar angesprochen, aber nicht vertieft werden.

Empire of Light“ ist mehr das langsame Blättern in einem edel gestaltetem Fotoalbum als ein packender Kinofilm. Alles ist einfach zu leblos.

Da waren Kenneth Branaghs „Belfast“ und Steven Spielbergs „Die Fabelmans“ einfach besser.

Empire of Light (Empire of Light, Großbritannien 2022)

Regie: Sam Mendes

Drehbuch: Sam Mendes

mit Olivia Colman, Micheal Ward, Toby Jones, Colin Firth, Tom Brooke, Tanya Moodie, Hannah Onslow, Crystal Clarke

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Empire of Light“

Metacritic über „Empire of Light“

Rotten Tomatoes über „Empire of Light“

Wikipedia über „Empire of Light“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Sam Mendes’ James-Bond-Films „Skyfall“ (Skyfall, GB/USA 2012)

Meine Besprechung von Sam Mendes’ James-Bond-Film “Spectre” (Spectre, USA/GB 2015)

Meine Besprechung von Sam Mendes‘ „1917“ (1917, USA 2019)

In „Roter Himmel“ erzählt Christian Petzold von vier jungen Menschen, die einige Tage in einem abgelegen gelegenem Ferienhaus an der Ostsee verbringen und sich kennen und lieben lernen. Es sind ein Schriftsteller, der an seinem zweiten Roman schreibt, aber lieber prokrastiniert, sein Freund, ein Kunststudent, der eigentlich für seine Bewerbung bei der Universität der Künste etwas machen sollte, aber vor lauter anderen ‚Projekten‘ nicht zum prokrastinieren kommt, eine junge Frau, die im Sommer als Eisverkäuferin arbeitet und ihr Freund, ein Rettungsschwimmer, der total wahre Geschichten aus seinem Leben erzählt und nicht länger als bis zum Ende des Sommers ihr Freund ist.

Das ist, wie immer bei Petzold, gut inszeniert, gut gespielt und voller Anspielungen. Aber ich konnte mit „Roter Himmel“ nichts anfangen. Dafür blieben mir die Figuren durchgehend zu fremd. So fand ich die Freundschaft zwischen dem Schriftsteller und seinem fotografierenden Schulfreund unglaubwürdig. Dass die vier jungen Menschen am Filmanfang, eine Nacht und einen Tag in dem kleinen Ferienhaus verbringen, ohne sich zu begegnen oder sich zu begrüßen, fand ich genauso unglaubwürdig. Als würde nicht die Anwesenheit von zwei neuen Mitbewohnern neugierig machen, wird sich stattdessen in getrennten Betten vergnügt. In der zweiten Hälfte gibt es dann eine Enthüllung über die Eisverkäuferin, die nur deshalb überrascht, weil der Schriftsteller, obwohl er in sie verliebt ist, sich bis dahin nicht für ihr Leben abseits der Tage in dem Ferienhaus interessierte. Dass er ein ziemlich Stinkstiefel ist, der seine schlechte Laune kultiviert und trotzig, vollständig angekleidet, in die Ostsee starrt, anstatt ins Wasser zu springen, gefällt dann schon wieder in Petzolds Sommerkomödie.

Auf der Berlinale gab es dafür Kritkerlob und den Silbernen Bären.

Roter Himmel (Deutschland 2023)

Regie: Christian Petzold

Drehbuch: Christian Petzold

mit Thomas Schubert, Paula Beer, Langston Uibel, Enno Trebs, Matthias Brandt

Länge: 102 Minuten

FSK:ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Roter Himmel“

Moviepilot über „Roter Himmel“

Rotten Tomatoes über „Roter Himmel“

Wikipedia über „Roter Himmel“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Roter Himmel“

Meine Besprechung von Christian Petzolds „Phoenix“ (Deutschland 2014)

Meine Besprechung von Christian Petzolds „Transit“ (Deutschland/Frankreich 2018)

Meine Besprechung von Christian Petzolds „Undine“ (Deutschland/Frankreich 2020) und der DVD

Christian Petzold in der Kriminalakte

Vollkommen ratlos lässt einen Brandon Cronenbergs neuer Horrorfilm „Infinity Pool“ zurück. Protagonist ist James Foster. Der Schriftsteller schiebt seit Ewigkeiten die Arbeit an seinen zweiten Roman vor sich her. Jetzt verbringt er mit seiner Frau einige Tage in einem noblen Ferienresort, in dem, unter tropischer Hitze vor sich hin dösend, die Tage zwischen Hotelbar, Hotelpool und Hotelstrand verbracht werden. Der Kontakt zu den Einheimischen beschränkt sich auf folkloristische Darbietungen im Hotelrestaurant zum Abendessen.

Als James und seine Frau mit einem Paar, das sie im Hotel kennen lernten, die hoch gesicherte Ferienanlage für einen Ausflug zu einer verschwiegenenen Bucht verlassen, nimmt ihr Leben eine dramatische Wende. Denn auf der Rückfahrt überfährt James betrunken einen Einheimischen. Ihr Plan, die Leiche verschwinden zu lassen geht schief und sie werden verhaftet. Der ermittelnde Polizist erklärt James, dass hier das Prinzip der Blutrache gelte. Aber es gäbe einen Ausweg.

In diesem Moment nimmt „Infinity Pool“ eine Wende ins fantastische und ein vollkommen wirrer Trip beginnt.

Brandon Cronenberg (Ja, der Sohn von David Cronenberg und wie sein Vater macht er Body Horror) spricht alles an, was einem zu „westliche Urlauber in Dritte-Welt-Ländern“ einfällt, garniert es mit Sex und Gewalt, und führt keinen Gedanken konsequent zu Ende. Dafür darf sich dann jeder sein persönliches Interpretationsgoldstück herausholen. So ist der Film eine Anklage gegen den Tourismus. Es geht um unser Verhältnis zu den Einheimischen, die vor den Touristen folkloristisch tanzen dürfen als müssten sie einen Film aus den Fünfzigern über den archaischen wilden Mann wieder auferstehen lassen. Es geht um Klon-Experimente, geheime Gesellschaften, das Verhältnis von Erster zu Dritter Welt, oder, weil es mehr der Attitüde der im Ferienresort urlaubenden Gästen entspricht, von Herrenmenschen zu dem Aberglauben zugeneigten Ureinwohnern.

Das hat durchaus seine Momente. Insgesamt ist der sich stilistisch am 70er-Jahrer-Horrrorfilm orientierende „Infinity Pool“ nach seinem vorherigen Film „„Posessor“ nur eine riesengroße, langweilige, konfuse, bestenfalls pseudo-provokante Enttäuschung mit einem unbefriedigendem Ende.

Hm, das war jetzt doch nicht so kurz.

Infinity Pool (Infinity Pool, USA 2023)

Regie: Brandon Cronenberg

Drehbuch: Brandon Cronenberg

mit Alexander Skarsgård, Mia Goth, Cleopatra Coleman, Jalil Lespert, Thomas Kretschmann, Jeffrey Ricketts, John Ralston, Amanda Brugel, Caroline Boulton, Zijad Gracic, Ádám Boncz

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Infinity Pool“

Metacritic über „Infinity Pool“

Rotten Tomatoes über „Infinity Pool“

Wikipedia über „Infinity Pool“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Brandon Cronenbergs „Posessor“ (Possessor, Kanada/Großbritannien 2020)


TV-Tipp für den 8. August: Ready or Not

August 7, 2021

Pro7, 22.50

Ready or Not – Auf die Plätze fertig tot (Ready or Not, USA 2019)

Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett

Drehbuch: Guy Busick, R. Christopher Murphy

Bevor Grace ein vollwertiges Mitglied der Familie Le Domas wird, muss sie in der Hochzeitsnacht ein harmloses Aufnahmeritual überstehen. Das behauptet jedenfalls ihr Gatte, bevor in dem riesigen Familienanwesen die Jagd auf die Braut eröffnet wird.

TV-Premiere. Kurzweilige Splatter-Komödie und eine eindrückliche Warnung vor dem Einheiraten in stinkreiche Familien.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Samara Weaving, Adam Brody, Mark O’Brien, Henry Czerny, Andie MacDowell, Melanie Scrofano, Kristian Bruun, Nicky Guadagni, Elyse Levesque, John Ralston

Wiederholung: Montag, 9. August, 03.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Moviepilot über „Ready or Not“

Metacritic über „Ready or Not“

Rotten Tomatoes über „Ready or Not“

Wikipedia über „Ready or Not“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Matt Bettinelli-Olpin/Tyler Gilletts „Devil’s Due -Teufelsbrut“ (Devil’s Due, USA 2014)

Meine Besprechung von Matt Bettinelli-Olpin/Tyler Gilletts „Ready or Not – Auf die Plätze fertig tot“ (Ready or Not, USA 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: „Ready or Not“, das tödliche Spiel beginnt

September 26, 2019

Jede Familie hat so ihre Macken. Das bemerkt Grace in der Hochzeitsnacht auf dem noblen Anwesen der Familie Le Domas. Hier sieht noch alles wie zur Jahrhundertwende aus, als die Familie ein Vermögen mit Brettspielen machte. Und ein Spiel möchte die Familie ihres Bräutigams Alex Le Domas um Mitternacht mit ihr spielen. Es sei, so sagt ihr Alex, eine lächerliche Aufnahmezeremonie, die jedes neue Mitglied der Familie machen müsse.

Aus dem Kartenstapel mit den Spielvorschlägen zieht sie die Karte für das Spiel „Verstecken“. Diese eng mit einem Familiengeheimnis verbundene Karte wird nur sehr selten gezogen und sie ist der Auftakt für eine Menschenjagd auf Grace, die in dem Moment noch nicht ahnt, in welcher Gefahr sie schwebt.

Sie versteckt sich in dem riesigen Anwesen, während die Le Domas‘ sich, entsprechend den Spielbedingungen mit historischen Waffen ausrüsten. Danach jagen sie Grace durch das riesige, einsam gelegene Haus, das sie nicht verlassen darf.

Als zusätzlichen Motivationsschub für die Le-Domas-Sippe heißt es, dass sie das Opfer vor Sonnenaufgang töten müssen. Sonst sterben sie. Falls Grace das nicht schon vorher erledigt hat.

Die Grundidee für „Ready or Not“ ist natürlich schamlos von Richard Connells mehrmals verfilmter Kurzgeschichte „The most dangerous Game“, die auch zahlreiche weitere Bücher und Filme über eine Jagd auf Menschen inspirierte, geklaut. Wobei in dem von Matt Bettinelli Olpin und Tyler Gillett inszeniertem Film die Jagd in einem Haus stattfindet, das auch als Spukschloss taugen würde und in dem die Zeit stehen geblieben ist.

Mit einem prächtig aufgelegten Ensemble und nicht immer jugendfreien Gags und Tötungen entstand eine blutige Horrorkomödie, in der sich Splatter und Spaß abwechseln. Jedenfalls meistens. Dank des Handlungsortes und der Spielbedingung, dass nur die Waffen benutzt werden dürfen, die es gab, als das Spiel zum ersten Mal gespielt wurde, könnte der Film auch vor fünfzig, hundert oder sogar hundertfünfzig Jahren spielen. Dann hätte man auf die wenigen Gags mit der modernen Technik verzichten müssen. Und die Mitglieder der Le-Domas-Familie wären nicht so tollpatschig im Umgang mit den alten Tötungsgerätschaften.

Mit etwas über neunzig Minuten ist die überzeugende Warnung vor dem Einheiraten in traditionsbewusste Familien auch angenehm kurz geraten.

Ready or Not – Auf die Plätze fertig tot (Ready or Not, USA 2019)

Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett

Drehbuch: Guy Busick, R. Christopher Murphy

mit Samara Weaving, Adam Brody, Mark O’Brien, Henry Czerny, Andie MacDowell, Melanie Scrofano, Kristian Bruun, Nicky Guadagni, Elyse Levesque, John Ralston

Länge: 96 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepoage zum Film

Moviepilot über „Ready or Not“

Metacritic über „Ready or Not“

Rotten Tomatoes über „Ready or Not“

Wikipedia über „Ready or Not“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Matt Bettinelli-Olpin/Tyler Gilletts „Devil’s Due -Teufelsbrut“ (Devil’s Due, USA 2014)