Neu im Kino/Filmkritik: „Amrum“, Erinnerungen von Hark Bohm, verfilmt von Fatih Akin

Oktober 10, 2025

Amrum“ könnte der schlechteste Film von Hark Bohm sein. ‚könnte‘, weil ich nicht alle, aber fast alle Filme von ihm gesehen habe und sie mir durchgängig gefielen. Ich sage das auch schweren Herzens. Denn es könnte sein letzter Film sein und, jedenfalls von der Filmgeschichte, ist diese Filmgeschichte direkt autobiographisch inspiriert. Es geht um einen zwölfjährigen Jungen und seinen Alltag auf der Insel Amrum während der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs.

Es ist auch ein weiterer Film von Hark Bohm, in dem Jugendliche, ihre Welt und ihre Probleme, Ziele und Wünsche im Mittelpunkt stehen. In seinemn Debüt „Tschetan, der Indianerjunge“, „Nordsee ist Mordsee“, „Moritz, lieber Moritz“ und „Yasemin“ standen ebenfalls Jugendliche im Mittelpunkt. Am Drehbuch für Fatih Akins „Tschick“ schrieb er mit.

Bohm ist also ein Geschichtenerzähler, der schon einige ausgezeichnete Jugendfilme inszenierte. Was sollte schon schiefgehen? Vor allem wenn es dieses Mal sogar und im Gegensatz zu seinen vorherigen Filmen, wie „Der Fall Bachmeier – Keine Zeit für Tränen“, „Der kleine Staatsanwalt“ und „Vera Brühne“, sogar um eine persönliche Geschichte geht?

Ein großes Problem war Bohms Gesundheitszustand. Er sah sich schon vor Jahren nicht mehr in der Lage, den Film nach seinem Drehbuch zu inszenieren. In diesem Moment kam Fatih Akin ins Spiel. Den Roman „Amrum“ schrieb Bohm später.

Auch Fatih Akin ist ein Geschichtenerzähler, der schon mehrere überzeugende Filme mit jüngeren Protagonisten inszenierte. Außerdem war „Yasemin“ für ihn ein wichtiger Film. Es war der erste Film, der ihm zeigte, dass er als Kind türkischer Einwanderer in Hamburg Filme über sein Leben machen könnte. Bohm erzählt in „Yasemin“ die Liebesgeschichte zwischen einem zwanzigjährigem deutschen Studenten und einer siebzehnjährigen Türkin und den damit zusammenhängenden Culture Clash.

Später wurde Hark Bohm Fatih Akins Mentor und Freund. Und jetzt inszenierte Fatih Akin „Amrum“. Aber in diesem Fall handelt es sich nicht einfach um den häufiger vorkommenden Fall, dass ein Regisseur das Buch eines anderen Regisseurs verfilmt. Schon der Filmanfang mit den Worten „Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin“ sagt, dass Fatih Akin sich in diesem Fall als Erfüllungsgehilfen von Hark Bohm sieht. Bei diesem Film ist er in erster Linie ein Handwerker, der die Vision eines anderen möglichst getreu umsetzt.

Dementsprechend ist „Amrum“ der Akin-Film in dem am wenigsten von Akin sichtbar ist. Er wollte und inszenierte einen Hark-Bohm-Film. Basierend auf einem Drehbuch von Hark Bohm, das Akin überarbeitete und von, in der ersten Fassung, der Länge eines TV-Mehrteilers auf Spielfilmlänge kürzte. Die Geschichte basiert auf den Erinnerungen des am 18. Mai 1939 in Hamburg geborenen und auf Amrum aufgewachsenem Hark Bohm.

Im Mittelpunkt des episodischen, im April 1945 während der letzten Kriegstage spielenden Films steht der zwölfjährige Nazi-Junge Nanning (Jasper Billerbeck). Seine hochschwangere Mutter ist immer noch eine fanatische Hitler-Verehrerin. Sein Vater ist in Kriegsgefangenschaft. Zusammen mit seinen jüngeren Geschwistern flohen sie aus Hamburg auf die Insel, wo sie die Fremden sind.

Lose zusammengehalten wird der Film von Nannings Versuch, seiner Mutter ihren größten Wunsch zu erfüllen. Sie möchte ein Honigbrot mit Butter. Dafür muss er in mühevoller Kleinarbeit zuerst die Zutaten besorgen.

Akin erzählt die Filmgeschichte chronologisch als eine in wenigen Tagen spielende Abfolge von weitgehend unabhängigen Episoden, teils mit bekannten Schauspielern, wie Detlev Buck und Matthias Schweighöfer, die dann nur Gastauftritte haben. Die meiste Zeit verbringt Nanning alleine auf der Insel. Potentielle Konflikte werden angetippt, aber nicht weiterverfolgt. Das gilt vor allem für den Umgang der Inselbewohner mit Fremden. Dazu gehören Nanning und seine Familie, die zwar Wurzeln auf der Insel haben, aber jetzt die Hamburger sind, und die am Filmanfang eintreffenden Flüchtlinge aus Schlesien und Ostpreußen. Das gilt auch für den Nationalsozialismus, der nicht mehr als ein folkloristisches Hintergrundrauschen ist. Hier vergibt Akin erzählerische Möglichkeiten zugunsten der Geschichte von der Beschaffung eines Brotes, die auch zu jeder anderen Zeit und an jedem anderen Ort spielen könnte.

Illustrieren tut Akin dies mit Postkartenbildern von der Insel, in die er seine brandneue Kleider tragenden Schauspieler drapiert. Der Horizont ist dabei meist in der Bildmitte, was laut John Ford, zitiert nach Steven Spielbergs Erinnerungsfilm „The Fabelmans“, „boring as shit“ ist. „Amrum“ wirkt wie der Beweis für diese Ansicht.

Natürlich ist „Amrum“ objektiv betrachtet kein schlechter Film. Es ist nur ein weiterer gut gemeinter, niemals packender Film. Früher nannte man solche Filme Auftragsarbeiten. Und das ist viel weniger, als man von einem Film von Hark Bohm und Fatih Akin erwartet.

Amrum (Deutschland 2025)

Regie: Fatih Akin

Drehbuch: Hark Bohm, Fatih Akin

mit Jasper Billerbeck, Kian Köppke, Laura Tonke, Lisa Hagmeister, Diane Kruger, Detlev Buck, Lars Jessen, Matthias Schweighöfer, Jan Georg Schütte, Marek Harloff, Steffen Wink

Länge: 93 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Amrum“

Moviepilot über „Amrum“

Metacritic über „Amrum“

Rotten Tomatoes über „Amrum“

Wikipedia über „Amrum“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Müll im Garten Eden“ (Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Fatih Akins „The Cut“ (Deutschland/Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Tschick“ (Deutschland 2016)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Aus dem Nichts“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Rheingold“ (Deutschland 2022)

Meine Besprechung von Hark Bohms „Nordsee ist Mordsee“ (Deutschland 1976)

Meine Besprechung von Hark Bohms „Moritz, lieber Moritz“ (Deutschland 1978)

 


Neu im Kino/Filmkritik: „22 Bahnen“ schwimmen. Und dann?

September 5, 2025

Die Mutter ist Alkoholikerin. Ihre älteste Tochter Tilda (Luna Wedler) kümmert sich um sie und ihre elfjährige Schwester Ida, studiert an einer nahe gelegenen Universität Mathematik und jobbt an der Kasse des Supermarktes. In einem Gedankenspiel versucht sie anhand der gekauften Lebensmittel zu erraten, wer sie kauft. Sie ist nur mäßig erfolgreich bei diesem Ratespiel. Zur Ruhe kommt sie im Freibad beim Schwimmen von 22 Bahnen.

22 Bahnen“ ist auch der Titel von Caroline Wahls Bestseller-Debütroman „22 Bahnen“, der jetzt von Mia Maariel Meyer, nach einem Drehbuch von Elena Hell, mit Luna Wedler und Jannis Niewöhner in den Hauptrollen verfilmt wurde.

Nachdem die Grundpfeiler von Tildas Leben schnell etabliert sind, gerät ihr chaotisches, aber durchgeplantes Leben etwas in Unordnung. Im Freibad trifft sie auf Viktor (Jannis Niewöhner), den älteren, geheimnisumwitterten Bruder einer fünf Jahre zurückliegenden Beziehung, und ihr Lehrer informiert sie über eine Promotionsstelle in Berlin, die sie mühelos bekommen könnte. Aber dann müsste Tilda die Kleinstadt verlassen und ihre schutzbedürftige Schwester mit ihrer Mutter zurücklassen.

Als Charakterstudie und feinfühlige Beschreibung einer jungen Frau und ihres allernächsten Umfelds ist „22 Bahnen“ durchaus gelungen. Aber vieles bleibt oberflächlich und wird eher angedeutet als auserzählt. Dazu gehört auch der Plot, in dem Tilda versucht, das Selbstvertrauen ihrer jüngeren Schwester zu stärken. Er wird mit einem Voice-Over-Satz angedeutet. Es gibt später ein, zwei entsprechend interpretiertbare Szenen und dann, viele Filmminuten später, das Ergebnis ihrer Bemühungen.

Letztendlich ist „22 Bahnen“ eine weitere deutsche Coming-of-Age-Geschichte, in der die Hauptperson während des gesamten Films darüber räsoniert, dass das Leben im Dorf furchtbar sei und sie eigentlich in die große Stadt ziehen möchte. Über neunzig Minuten dreht sich die Geschichte im Kreis. Dann passiert ein Unglück, beispielsweise ein Autounfall, und die Hauptfigur verlässt das Dorf, ihre Familie und Freunde. Niemand hindert sie daran, das zu tun, was sie schon vor langer Zeit hätte tun können.

Meyer variiert diesen Grundplot an einigen Stellen. Aber die meiste Zeit des Films wird nur eine statische Situation beschrieben.

P. S.: Keine Ahnung, warum Tilda immer 22 Bahnen schwimmt.

P. P. S.: Es gibt verschiedene Hilfsangebote, die von Betroffenen und deren Umfeld in Anspruch genommen werden können und sollten.

22 Bahnen (Deutschland 2025)

Regie: Mia Maariel Meyer

Drehbuch: Elena Hell

LV: Caroline Wahl: 22 Bahnen, 2023

mit Luna Wedler, Zoë Baier, Laura Tonke, Jannis Niewöhner, Zoe Fürmann, Eleanor Reissa, Kosmas Schmidt, Ercan Karacayli

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „22 Bahnen“

Moviepilot über „22 Bahnen“

Wikipedia über „22 Bahnen“


TV-Tipp für den 7. Oktober: Winterschläfer

Oktober 6, 2024

Arte, 20.15

Winterschläfer (Deutschland 1997)

Regie: Tom Tykwer

Drehbuch: Tom Tykwer, Anne-Françoise Pyszora

Kurz nach Weihnachten sind vier aus der Stadt kommende Mittdreißiger und ein älterer Bergbauer in einer Hütte in Berchtesgadener Land eingeschneit (jaaa, damals gab es noch Schnee im Winter). Das komplizierte Beziehungs- und Liebesgeflecht läuft nach einem tödlichen Autounfall endgültig aus dem Ruder.

Selten gezeigter zweiter Spielfilm von Tom Tykwer. Der große Durchbruch kam mit „Lola rennt“, seinem dritten Spielfilm.

eine faszinierende Winterreise…Auch formal eine sehenswerte Ballade der einsamen Eingeschneiten“ (Fischer Film Almanach 1998)

Anschließend, um 22.10 Uhr, zeigt Arte die brandneue, gut einstündige Doku „Ulrich Matthes – Leidenschaft und Haltung“.

Mit Ulrich Matthes, Heino Ferch, Floriane Daniel, Marie-Lou Sellem, Josef Bierbichler, Sebastian Schipper, Saskia Vester, Laura Tonke

Hinweise

Filmportal über „Winterschläfer“

Rotten Tomatoes über „Winterschläfer“

Wikipedia über „Winterschläfer“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Tom Tykwer/Lana & Andy Wachowski „Cloud Atlas“ (Cloud Atlas, USA/Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Tom Tykwers Dave-Eggers-Verfilmung „Ein Hologramm für den König“ (Deutschland/Großbritannien 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Moritz Bleibtreu ist „Caveman“?

Januar 27, 2023

Hinter der Bühne hat seine langjährige Freundin gerade mit ihm Schluss gemacht und der erste Witz bei seinem Stand-up-Programm – es ist sein erster Auftritt bei einem Open-Mic-Abend – wird mit peinlichem Schweigen quittiert. Also beginnt Bobby Müller (Moritz Bleibtreu) aus seinem Leben und über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu philosophieren. Diese Beichte kommt besser an.

Und zwar so gut, dass das Ein-Personen-Stück „Caveman“, auf dem Laura Lackmanns gleichnamige Verfilmung basiert, in Deutschland seit über zwanzig Jahren ständig aufgeführt wird. Seit seiner Premiere im Jahr 2000 wurden gut fünf Millionen Tickets verkauft. Es handelt sich um die deutsche Adaption von Rob Beckers Stück „Defending the Caveman“. Esther Schweins, die im Film einen Cameo-Auftritt hat, inszenierte die deutsche Fassung.

Becker schrieb das Stück. Zwischen 1988 und 1991 probierte er bei seinen Auftritten Teile aus. Seine Premiere hatte es 1991 in San Francisco. Anschließend trat Becker jahrelang mit dem Stück auf. Am Broadway wird es seit 1995 aufgeführt. Inzwischen wird seine Rolle von zahlreichen anderen Schauspielern gespielt. Es wurde in 25 Sprachen übersetzt, in über 55 Ländern aufgeführt und von über vierzehn Millionen Menschen gesehen. Irgendetwas hat Becker also richtig gemacht.

Was genau erschließt sich nicht wirklich aus der Verfilmung.

Sie ist nie besonders witzig, aber auch nie besonders peinlich, vulgär oder ärgerlich. Bobby erzählt sich durch sein Leben. Er erklärt den Unterschied zwischen Jägern und Sammlern und so, wie sich Männer von Frauen unterscheiden. Bobby glaubt, dass Männer Jäger und Frauen Sammler sind. Das war schon in der Steinzeit so – und ist heute immer noch so. Deshalb sammeln Frauen Tonnen von Kleidern und anderem Zeug, während Männer für den Kauf von einem neuen Hemd nur einige Sekunden benötigen und es dann ewig tragen. Die gewonnene Zeit verbringen sie mit ihrem besten Freund auf der Couch: schweigend, biertrinkend und irgendein Computerspiel spielend oder einen Film ansehend. Welcher echte Mann braucht da noch ein Hobby?

Einzelne Szenen kommentiert Bobby bereits im Bild. Andere sind, eher witzig gemeint als wirklich witzig, etwas übertrieben inszeniert. Und wieder andere, das gilt vor allem für Bobbys Begegnungen mit seinem imaginärem Steinzeit-Freund Caveman, könnten direkt aus einer längst vergessenen Sketch-Show stammen. Besonders witzig ist das nicht. Dafür sind die Witze insgesamt zu altbacken und zu harmlos. Alle hätten gut in eine dieser unzähligen Sketch-Shows wie „RTL Samstag Nacht“ gepasst. Die füllten bei den Privatsendern, beginnend in den neunziger Jahren, einige Jahre lang ganze Fernsehabende und ich fragte mich immer, wer so etwas witzig findet.

Für die Verfilmung wurde das Ein-Personen-Stück zum Ensemblestück ausgebaut, ohne an der Grundidee etwas zu ändern. Das ist, über dreißig Jahre nach seiner Premiere, immer noch die heile Welt, in der es Liebesärger nur zwischen Männer und Frauen gibt und gendern eine Option ist, auf die ein gestandener, in einem anonymen Reihenhaus lebender Jäger wie Bobby locker verzichten kann. Wahrscheinlich wüsste er noch nicht einmal, was das ist.

Dieser „Caveman“ ist eine dem gesellschaftlichem Diskurs mindestens zwanzig Jahre hinterherhinkende Comedy für den idealtypischen CDU-Wähler.

Im Theater – und das ist der entscheidende Unterschied zum Film – werden alle Rollen von einem Mann gespielt. Er kann spontan auf das Publikum reagieren, improvisieren und die einzelnen Beobachtungen müssen keine kohärente Filmhandlung ergeben. Sie funktionieren auch gut als reine Sammlung von zugespitzten Beobachtungen über das Verhalten von Männern und Frauen.

Caveman (Deutschland 2023)

Regie: Laura Lackmann

Drehbuch: Laura Lackmann (nach dem Solo-Theaterstück von Rob Becker)

mit Moritz Bleibtreu, Laura Tonke, Wotan Wilke Möhring, Martina Hill, Leni Riedel, Liane Forestieri, Jürgen Vogel, Thomas Hermanns, Esther Schweins, Alexandra Neldel

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

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Wikipedia über „Caveman“


Neu im Kino/Filmkritik: „Hedi Schneider steckt fest“ und nimmt es mit Humor

Mai 7, 2015

Auf der diesjährigen Berlinale kam „Hedi Schneider steckt fest“ gut an. Immerhin war es nach zahlreichen sehr ernsten Filmen, in denen das Elend der Welt behandelt wird, und „Fifty Shades of Grey“ eine kurze und kurzweilige Komödie über ein ernstes Thema. Regisseurin Sonja Heiss behandelt es nämlich erfrischend undeutsch. Denn immer wenn sie vor der Frage steht, ob sie den dramatischen oder den komischen Weg wählen soll, wählt sie den komödiantischen Weg, was dann, immerhin geht es um eine Angststörung, die bei Hedi Schneider (Laura Tonke) ausbricht, als sie im Fahrstuhl stecken bleibt. Diese Störung wirft sie aus der Bahn. Sie verliert ihre Arbeit. Ihr Mann Uli (Hans Löw) muss sich um sie und ihren Sohn Finn (Leander Nitsche) kümmern. Der geplante Afrika-Trip entfällt und auch Uli wird, weil er wegen seiner beruflichen Umorientierung nach Afrika kündigte, arbeitslos.
Es ist Sonja Heiss („Hotel Very Welcome“) hoch anzurechnen, dass sie aus dieser Konstellation kein typisch deutsches Sozialdrama drehte, sondern immer wieder die absurden Momente betont, die durch die Krankheit (und den damit verbundenen Stimmungsschwankungen) entstehen.
Aber mit der Zeit wirkt das auch wie eine Strategie, um sich nicht wirklich mit der Krankheit zu beschäftigen. Sie erscheint dann wie ein lästiger Schnupfen. Das Herumlungern im Bett, das Einwerfen der bunten Pillen, der Kauf eines Haustieres und die absurden Gespräche werden alle zu hübschen Anekdoten.
Wirklich ärgerlich ist aber der dritte Akt, in dem wir Hedi Schneider und die Filmcrew bei einem Trip nach Norwegen begleiten dürfen. Denn eigentlich ist Hedi, wenn sie am Ende des zweiten Akts, nachdem Uli eine Nacht bei einer anderen Frau verbrachte (was später nicht mehr angesprochen wird), mit ihrem Sohn Finn spielt, von ihrer Krankheit geheilt. Mit diesem Bild des familiären Glücks könnte „Hedi Schneider steckt fest“ enden. Aber dann bricht die Kleinfamilie zum Norwegen-Urlaub auf, der dem vorher erzählten nichts Neues hinzufügt und – vor allem wenn man sich den Trailer angesehen hat und sich ausmalt, was für dramatische Verwicklungen es in Norwegen hätte geben können – in jeder Beziehung vollkommen verschenkt ist. In dem Moment zeigt sich wieder das gesamte Elend des deutschen Films: wir haben die Schauspieler, wir haben die Techniker, aber wir haben nicht die Macher, die wissen, was sie erzählen wollen und die daher nicht wissen, wann ihre Geschichte zu Ende ist.

Hedi Schneider steckt fest - Plakat

Hedi Schneider steckt fest (Deutschland/Norwegen 2014)
Regie: Sonja Heiss
Drehbuch: Sonja Heiss
mit Laura Tonke, Hans Löw, Leander Nitsche, Melanie Straub, Simon Schwarz, Margarita Broich
Länge: 92 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Hedi Schneider steckt fest“
Film-Zeit über „Hedi Schneider steckt fest“
Moviepilot über „Hedi Schneider steckt fest“
Wikipedia über Sonja Heiss