Maxine Minx hat es geschafft. Naja, irgendwie so halb. Sie lebt inzwischen in Hollywood, hat einen Agenten und dreht Filme. Allerdings nur Pornos und langsam – wir reden hier von 1985 – wird die Dreiunddreißigjährige zu alt für diese Filme. Außerdem möchte sie immer noch ein echter Hollywood-Star werden. Das könnte ihr mit der Hauptrolle in dem Horrorfilm „The Puritan 2“, die sie nach einem erfolgreichen Vorsprechen erhielt, gelingen.
Zur gleichen Zeit sorgt ein Serienmörder in Los Angeles für Angst und Schrecken. Wie sein Spitzname Night Stalker verrät, ist er bevorzug nachts unterwegs. Um diese Zeit ist auch Maxine unterwegs. Im Gegensatz zu anderen Frauen hat sie keine Angst vor dem Night Stalker. Eher müssen die Männer, Night Stalker hin, Night Stalker her, Angst vor ihr haben.
Genrefans kennen Maxine aus Ti Wests „X“. Das war 2022 ein wunderschön unterhaltsamer Retro-Slasher, der gelungen das „Texas Chainsaw Massacre“ mit dem Pornofilm verband. „X“ spielt 1979 auf einer Farm in Texas. Dort wollen einige Jungfilmer einen Porno drehen und so viel Geld verdienen. Sie haben allerdings nicht mit der Hausherrin Pearl gerechnet, die sie der Reihe nach umbringt. Mia Goth spielte Maxine und, auf alt geschminkt, Pearl.
Weil Ti West, Mia Goth und das gesamte Team wegen der Coronavirus-Pandemie vor der Einreise nach Australien, wo der Film gedreht wurde, in Quarantäne waren, erfanden West und Goth für Pearl eine ausführliche Biographie. Das Drehbuch gefiel den Produzenten so gut, dass sie „Pearl“ direkt nach „X“ verfilmen konnten. Sie blieben einfach etwas länger am Drehort. „Pearl“ verbindet die Technicolor-Hollywood-Dramen von Douglas Sirk mit dem „Zauberer von Oz“ und dem Slasherfilm. Die tiefgläubige, etwas junge Pearl möchte 1918 aus dem US-amerikanischen Hinterland-Farmland nach Hollywood und dort berühmt werden. Als es Probleme gibt, zückt sie das Messer und sticht zu. Auch diese KombinationSLASHHommage mehrerer Genres, wieder stilecht in der Optik dieser Genres inszeniert, überzeugte Kritik und Fans.
Mit „MaXXXine“ erzählen West und Goth jetzt, mit einem größeren Budget, die Geschichte von Maxine weiter. Vor dem Dreh hieß es, dieser Film sei das Ende einer Trilogie; wobei die drei Filme keine durchgehende Geschichte erzählen, sondern durch den Regisseur, die Hauptdarstellerin und Ähnlichkeiten in Thema, Stil und Herangehensweise miteinander verbunden sind. Sie sind also, wie die Filme von Eric Rohmer, der mit Frauen ganz andere Filme drehte und sie zu verschiedenen Zyklen zusammenfasste, eher ein Zyklus, der noch nicht abgeschlossen ist. Schon vor dem Kinostart sagte Ti West, dass er bereits an einem weiteren Film mit Maxine arbeite.
Bis dahin haben wir „MaXXXine“, der nahtlos an die beiden vorherigen Filme anknüpft. Wieder geht es um christlichen Fundamentalismus und die damit verbundene Abscheu vor Pornographie, lustvollem, vorehelichem Sex und anderen weltlichen Vergnügen. Wieder spielt Mia Goth die Hauptrolle. Sie ist, wie man damals sagte, ein echter Hingucker. Und wieder kopiert Ti West Filmstile, die während der Handlungszeit des Films populär waren. Das heißt, dass er dieses Mal förmlich im 80er-Jahre-Horrorfilm, dem damaligen Hollywoodkino, vor allem den B-Pictures, und dem Pornofilm badet. West zeigt Los Angeles und Hollywood als einen einzigen Sündenpfuhl voller Sex und Gewalt. Mit der Bibel in der Hand, rechtschaffener Empörung über den Verfall der Sitten und hysterischen Warnungen vor den allgegenwärtigen Gefahren für Jugendliche kämpften die Sittenwächter dagegen an.
„MaXXXine“ ist ein Über-80er-Jahre-Thriller, der damalige Thriller, Horrorfilme, Pornos und Blockbuster kondensiert und, fast wie ein Music-Clip, wieder ausspukt. Entsprechend gut sieht alles aus. Mit einigen bekannten Schauspielern, die offensichtlich ihren Spaß haben, wenn sie ihre Figuren besonders übertrieben spielen, und einer Mia Goth, die wie die von ihr verkörperte Maxine, als der große kommende Star auftritt. Insofern kann „MaXXXine“ auch als Starvehikel gelesen werden, das die Geschichte von Mia Goth erzählt. Goth war vor ihrer Schauspielerkarriere Model.
Außerdem ist „MaXXXine“ eine Liebeserklärung an Hollywood und das Filmemachen. Selten, obwohl es zuletzt „Once upon a time in Hollywood“ und „Babylon – Rausch der Ekstase“ gab, wird in einem Film so ausführlich gezeigt, wie ein Film entsteht, selten wird in einem Film so lange über das Studiogelände durch die Kulissen gefahren und noch seltener, eigentlich nur in den „Psycho“-Filmen und Parodien, wird das „Psycho“-Haus gezeigt. Filmfans können in Ti Wests Film also einiges entdecken.
Trotzdem funktioniert „MaXXXine“ auch gut ohne eine Analyse der Metaebenen als gradliniger Über-80er-Jahre-Thriller. Er lässt uns noch einmal in die Welt eintauchen, die wir, um nur drei bekannte Beispiele zu nennen, aus Filmen wie Brian De Palmas „Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren“ und „Der Tod kommt zweimal“ (Body Double) und Abel Ferraras „Fear City“ (der allerdings in New York spielt) kennen. Jeder kann die Liste um weitere damals entstandene blutrünstige, damals und teils heute immer noch schockierende Slasher-, Horrorfilme und Thriller ergänzen. Im Finale, das teilweise auf einem großen Grundstück spielt, das in der Nähe des legendären Hollywood-Schildes liegt, wird dann der finale Schusswechsel aus dem ersten und besten „Beverly Hills Cop“ zitiert.
„MaXXXine“ ist eine verdammt gutaussehende, stilbewusste, ziemlich witzige und blutige Retro-Schlachtplatte.

MaXXXine (MaXXXine, USA 2024)
Regie: Ti West
Drehbuch: Ti West
mit Mia Goth, Elizabeth Debicki, Michelle Monaghan, Kevin Bacon, Halsey, Giancarlo Esposito, Bobby Cannavale, Moses Sumney, Lily Collins, Sophie Thatcher, Simon Prast
Länge: 105 Minuten
FSK: ab 18 Jahre
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Hinweise
Rotten Tomatoes über „MaXXXine“
Wikipedia über „MaXXXine“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Ti Wests „The Innkeepers“ (USA 2011)
Veröffentlicht von AxelB 







