1985 wirft ein Drogenschmuggler über dem Chattahoochee National Forest in Georgia etliche mit Kokain gefüllte Drogenpakete aus einem Flugzeug. Als er herausspringen will, verletzt er sich tödlich – und „Cocaine Bear“ hat seinen ersten Lacher. Weitere folgen. Aber weniger als erwartet.
„Cocaine Bear“ zählt zu den Filmen, die ihre Prämisse und gleichzeitig ihren größten Witz bereits im Titel tragen. In „Cocaine Bear“ geht es um einen Bären, der Kokain frisst und durchdreht. Er verhält sich nicht mehr wie ein friedliebender Bär, sondern wie ein komplett durchgeknallter Maniac. Das erfahren die Menschen, die zu dem Zeitpunkt gerade im Wald sind, leidvoll. Sie sind, wie es sich für eine Schwarze Deppen-Komödie gehört, eine Ansammlung von grenzdebilen Deppen, die mindestens zur Hälfte für ihre Verletzungen und ihren Tod selbst verantwortlich sind. Ihr teils groteskes Ableben – erinnert sei hier nur an die Szene im Krankenwagen – sorgt im Publikum dann für die erwartbaren höhnischen und auch überraschten Lacher. Die in der Komödie porträtierten Trottel sind sich tough gebende Verbrecher aus der Stadt (die jetzt die Kokainpakete im Wald suchen müssen) und der Provinz (die sich mit den Städtern anlegen und zuerst einmal ordentlich verkloppt werden), einer verliebten, älteren, übergewichtigen Parkwächterin, die sich als Elitepolizistin auf Standby sieht, ein Tierschützer, Sanitäter und Touristen.
Die wenigen Ausnahmen – zwei zwölfjährige Schulkinder, die zum ersten Mal Kokain ausprobieren, und eine besorgte Mutter, die verärgert die beiden Schulschwänzer sucht – bestätigen die Regel, dass an diesem Tag nur Idioten im Wald sind, deren Lebensinhalt darin besteht, Bärenfutter zu sein.
Als kleiner schwarzhumorige Splatterquickie ist „Cocaine Bear“ okay. Er liefert ziemlich genau das, was der Titel versprichte. Aber die Komödie ist nie auch nur halb so gut, wie sie hätte sein können.
Cocaine Bear(Cocaine Bear, USA 2023)
Regie: Elizabeth Banks
Drehbuch: Jimmy Warden
mit Keri Russell, O’Shea Jackson jr., Christian Convery, Alden Ehrenreich, Jessie Tyler Ferguson, Brooklynn Prince, Isiah Whitlock jr., Margo Martindale, Ray Liotta
History vs. Hollywood prüft – obwohl es in diesem Fall ziemlich egal ist, weil außer dem auslösendem Ereignis (dem Abwurf von Drogen aus dem Flugzeug und dem späteren Fund eines toten Bären, der 17 Kilo Kokain in seinem Magen hatte) alles erfunden ist
Hollywood, fünfziger Jahre: Eddie Mannix ist für Capitol Pictures der Problemlöser. Wenn ein Starlet für verfängliche Fotos posierte oder der Star eines sündhaft teuren Bibelepos spurlos verschwindet, wird er gerufen.
TV-Premiere zu einer Uhrzeit, die der Film nicht verdient hat. „Hail, Caesar!“ ist eine Aneinanderreihung von Episoden, Anekdoten, Liebeserklärungen an Stars, Filme und Genres und eine einzige große Hommage an das Hollywood-Kino der fünfziger Jahre. Für jede Szene, jede Figur, jedes Bild kann mindestens eine filmische oder reale Referenz genannt werden. Was allerdings fehlt, ist eine Geschichte, die dieser hochkarätig besetzten Nummernrevue irgendeine Tiefe oder Bedeutung verleihen könnte.
mit Josh Brolin, Alden Ehrenreich, George Clooney, Max Baker, Ralph Fiennes, Heather Goldenhersh, Ian Blackman, Veronica Osorio, Tom Musgrave, David Krumholtz, Tilda Swinton, Fisher Stevens, Patrick Fischler, Fred Melamed, Channing Tatum, Jonah Hill, Frances McDormand, Michael Gambon (Erzähler im Original; in der deutschen Fassung ist Christian Rode der mit pathetischem Ernst die Anekdoten einordnende Erzähler)
Nach der Pressevorführung nannte ich den Film „unterhaltsam“, was rückblickend etwas despektierlich klingt. Schließlich hat mir „Solo“ besser als „Rogue One“ und „Die letzten Jedi“ gefallen. Im Gegensatz zu diesen „Star Wars“-Filmen erzählt „Solo“ eine stringente Geschichte, in denen die Charaktere sich so verhalten, wie es ihrem Charakter entspricht und ihre Handlungen immer verständlich sind.
„Solo: A Star Wars Story“ erzählt, wie Han Solo zu seinem Nachnamen kommt, wie er Chewbacca trifft, den Millenium Falken in seinen Besitz bringt und wie er seine Laserpistole erhält. Nur woher seine Kleider kommen, erfahren wir nicht. Nichts davon hat uns auch wirklich interessiert. Immerhin war der von Harrison Ford erstmals in „Krieg der Sterne“ (Star Wars, 1977) gespielte Weltraumbandit, Hasardeur und Glücksritter Han Solo schon bei seinem ersten Auftritt eine der mythischen Figuren, die keine Vergangenheit brauchen, um in der Gegenwart zu leben. Schon kurz nach dem Kinostart erschienen mehrere Romane mit Han Solo als Protagonisten, in denen er seiner Profession nachging. Insofern war es naheliegend, auch einen Film mit ihm als Protagonisten zu drehen und ihn eines der Abenteuer erleben zu lassen, die man mit ihm assoziiert.
Alden Ehrenreich übernahm für den Film die Rolle des jungen Han Solo. Einige haben ihn vielleicht in „Blue Jasmine“, „Hail, Caesar!“ oder „Regeln spielen keine Rolle“ bemerkt. Als Han Solo muss er jetzt vor allem immer optimistisch in die Kamera blicken und tödliche Gefahren mit einem Schulterzucken, Lächeln und flotten Spruch meistern. Das verlangt von einem Schauspieler vor allem Charisma. Bei Ehrenreich ist es noch ausbaufähig.
In „Solo“ will Han Solo mit einigen anderen Weltraumbanditen für den zwielichtigen Geschäftsmann Dryden Vos (Paul Bettany) einen besonders wertvollen und seltenen Rohstoff (halt der MacGuffin) stehlen.
Die Geschichte wird interessanter, weil Han Solos erste und große Liebe Qi’ra (Emilia Clarke) in die Geschichte verwickelt ist. Sie ist jetzt die, ähem, Gespielin und Vertraute von Dryden Vos. Außerdem ist Solo hier noch der Rookie im Outlaw-Team, das von Beckett (Woody Harrelson) angeführt wird. Aber das ist nicht weiter wichtig. Denn Han Solo ist schon in der ersten Szene, als er auf seinem Heimatplaneten in großen Schwierigkeiten steckt und mit Qi’ra flüchten will, der Han Solo den wir kennen. Er erlebt mehrere Abenteuer, in denen er einige Accessoires erhält und sich mit Chewbacca und Lando Calrissian befreundet. Er macht dabei keine Entwicklung durch. Er hat, wie auch die anderen Charaktere, keinen Character Arc. Sie sind am Ende immer noch die Personen, die sie am Anfang waren. Deshalb ist „Solo“ auch keine Origin Story, sondern ein unterhaltsames, von Ron Howard professionell inszeniertes Weltraumabenteuer, das zwischen Fan-Service und Auftragsarbeit genau so ist, wie man es erwartet.
Die Geschichte bewegt sich angemessen flott vorwärts. Man verliert nie den Überblick. Die Action sieht gut aus. Es gibt genug Momente für die Fans und ein Überraschungscameo, um sie zu befriedigen. Die Nicht-Fans und alle die nichts über die „Star Wars“-Welt wissen (falls das in dieser Galaxie überhaupt möglich ist) werden in diesem Weltraumwestern trotzdem alles verstehen. Und obwohl der Film in sich abgeschlossen ist, gibt es genug Anknüpfungspunkte für weitere Filme mit Han Solo. Die sollten dann – wenn sie kommen – eigenständiger als „Solo“ sein.
Ron Howard übernahm während der Dreharbeiten die Regie von Phil Lord und Chris Miller („Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“, „21 Jump Street“, „The LEGO Movie“). Es heißt, das Arbeitstempo und der Stil des Regieduos hätten Produzentin Kathleen Kennedy nicht gefallen. Sie wacht über die ihr anvertraute „Star Wars“-Welt wie eine Helikoptermutter und veranlasste auch bei den anderen „Star Wars“-Filme in verschiedenen Stadien der Produktion Regiewechsel und Nachdrehs. Am Erfolg bei der Kritik (bei Rotten Tomatoes sind alle Filme weit im grünen Bereich) und an der Kinokasse änderte das Drama hinter den Kulissen nichts. Und vielleicht gibt es irgendwann eine große Reportage oder ein Buch, in dem wir alles darüber erfahren. Dann erfahren wir auch, ob Ron Howard wirklich, wie man hört, fast nichts von Lord und Miller übernahm.
Bis dahin gibt es den Film, der nichts wirklich falsch macht, vieles richtig macht, ohne dass man jemals wirklich begeistert und mitgerissen ist von der doch sehr vorhersehbaren Geschichte. Am Ende ist man dann doch etwas unbeeindruckt.
Solo: A Star Wars Story (Solo: A Star Wars Story, USA 2018)
Regie: Ron Howard
Drehbuch: Jonathan Kasdan, Lawrence Kasdan (nach Charakteren von George Lucas)
mit Alden Ehrenreich, Woody Harrelson, Emilia Clarke, Donald Glover, Thandie Newton, Phoebe Waller-Bridge, Joonas Suotamo, Paul Bettany
Weil Jasmine es unerträglich fände, von ihren Freundinnen aus der New Yorker Oberschicht an der Kasse gesehen zu werden, quartiert sie sich nach der Totalpleite ihres Mannes in San Francisco bei ihrer Schwester Ginger ein. Die bodenständige Ginger will Jasmine helfen, aber sie lebt in ihrer eigenen Traumwelt.
TV-Premiere eines von der Kritik abgefeierten Woody-Allen-Films vier Jahre nach dem Kinostart zu einer unmöglichen Uhrzeit.
Zum Kinostart meinte ich zu diesem um eine quirlige Schwester und etwas Wirtschaftskrimi angereichertes Quasi-Remake von Amos Kolleks „Sue – Eine Frau in New York“: „ein etwas zwiespältiges Vergnügen, trotz der gewohnt grandiosen Schauspieler und der gut gespielten Szenen, die mal mehr auf die Mike-Leigh-Schule, mal mehr in Richtung Ingmar Bergman, auch etwas in Richtung High-Society-Satire schielen und alle im Woody-Allen-Kosmos grundiert sind.“
mit Cate Blanchett, Sally Hawkins, Alec Baldwin, Peter Sarsgaard, Louis C. K., Bobby Cannavale, Michael Stuhlbarg, Andrew Dice Clay, Max Casella, Alden Ehrenreich, Tammy Blanchard
Howard Hughes (1905 – 1976) ist eine Legende. Vor dreizehn Jahren inszenierte Martin Scorsese das Biopic „The Aviator“ über ihn und die Kenntnis des Films, wenn man nicht ein halbes Dutzend Howard-Hughes-Biographien gelesen hat, hilft beim Verständnis von „Regeln spielen keine Rolle“. Dem neuen Film von Warren Beatty, der vor einem halben Jahrhundert mit „Bonnie & Clyde“ so viel Geld verdiente, dass er sich seitdem seine Rollen und Projekte aussuchen kann.
Das sind Projekte wie seine Spielfilme „Reds“ (1981), ein Biopic über den sozialistischen US-Journalisten John Reed und die Oktoberrevolution von 1917 (und damals in den USA der Film gegen den konservativen Zeitgeist), die Comicverfilmung „Dick Tracy“ (1990), die damals verrissen wurde und floppte und inzwischen wesentlich milder beurteilt wird, und die knallige Polit-Satire „Bulworth“ (1998), die man sich unbedingt ansehen sollte. Wenn sie mal im Fernsehen läuft. Oder den Polit-Thriller-Klassiker „Zeuge einer Verschwörung“ (1974) oder das Gangster-Biopic „Bugsy“ (1991) über Bugsy Siegel. Dazwischen spielte er in einigen Komödien und Satiren mit. Oft, auch auf dem Höhepunkt seines Ruhms, zog er sich immer wieder für längere Zeit zurück und festigte seinen Ruf als Frauenschwarm. Zuletzt spielte er 2001 in dem Totalflop „Stadt, Land, Kuss“ (Town & Country) mit. Danach erzog der heute Achtzigjährige seine Kinder.
Jetzt kehrt er als Produzent, Drehbuchautor, Regisseur und, uhm, Hauptdarsteller (oder wichtigster Nebendarsteller) zurück ins Kino. Er spielt Howard Hughes, der 1958 schon ein sehr zurückgezogen lebender, unglaublich reicher Exzentriker war, der damals immer noch seinen nächsten Film plante. Immerhin hatte er mit „Hell’s Angels“, „Scarface“ und „Geächtet“ (The Outlaw, auch Regie) einige legendäre Hits gelandet.
Jetzt beschäftigt er eine Hundertschaft von Fahrern, die ebenso viele junge Schauspielerinnen, die alle exclusiv bei ihm unter Vertrag stehen. Sie wollen in einem Hughes-Film ihre Filmkarriere starten. Er lässt sie zu endlosen Screentest in sein Studio fahren.
Einer der Fahrer ist Frank Forbes (Alden Ehrenreich), ein Methodist, der seine Schulfreundin heiraten will und der in Hughes‘ Imperium nach Höherem strebt. Den Job als Chauffeur sieht er nur als den Einstieg. Er fährt Marla Mabrey (Lily Collins), eine jungfräuliche Baptistin, zu den Screentests. Sie wird begleitet von ihrer ebenfalls gläubigen, sittenstrengen Mutter. Gemeinsam leben sie in einem Hughes gehörendem Haus in den Hollywood Hills. Die Screentest verlaufen, weil Hughes sich für keine Schauspielerin und kein Filmprojekt entscheiden kann, auch bei Mabrey ergebnislos. Mabreys Mutter wird schon unruhig, weil ihre Tochter als eines von Hughes‘ Mädchen ihre Zeit und ihre potentielle Filmkarriere vertrödelt.
Während der zahlreichen Autofahrten lernen sich Forbes und Mabrey besser kennen. Sie verlieben sich auch ineinander. Dummerweise besagt eine von Howard Hughes zahlreichen Regeln, dass es keine Intimitäten zwischen seinen Angestellten geben darf.
In dem Moment ist die Saat für eine Romantic Comedy gelegt. Allerdings ist „Regeln spielen keine Rolle“ keine Romantic Comedy, sondern die Antithese dazu. Die zwischen 1958 und 1964 spielende, vor sich hin plätschernde Liebesgeschichte bleibt immer nebensächlich und konfliktfrei. Sie hat keine dramatische Fallhöhe. Warren Beatty erzählt eher eine Anti-Liebesgeschichte.
Denn er interessiert sich viel mehr für den erratischen, launenhaften und furchteinflößenden Tycoon, der jeden seiner Spleens ungehemmt ausleben kann. Hughes ist auch ein viel interessanterer Charakter als Forbes und Mabrey. „Regeln spielen keine Rolle“ ist allerdings auch kein Biopic, sonder die Antithese dazu. Denn Beatty zeigt nur einige Schlaglichter und Anekdoten aus dem Leben von Hughes, ohne sie in eine größeren Zusammenhang, der für ein Biopic nötig wäre, zu stellen. Die Szenen aus dem Leben von Hughes sind ohne auch nur ein minimales Wissen über das Leben von Hughes ziemlich unverständlich. Entsprechend kryptisch, nichtssagend (wenn man die Anspielungen nicht versteht) und oft vollkommen unklar zwischen Legende, Fantasie und Realität oszillierend ist das Porträt von Howard Hughes.
Beide Handlungsstränge entwickeln sich vor dem Hintergrund des Puritanismus, den damaligen gesellschaftlichen Veränderungen und dem Ende des Hollywood-Studiosystems, das Warren Beatty als junger Mann in Hollywood selbst miterlebte. Insofern ist der Film auch autobiographisch.
Am Ende ist „Regeln spielen keine Rolle“ ein betont altmodisch inszenierter Film, der besser darüber beschrieben wird, was er nicht ist und was er hätte sein können, als das was er auf den ersten Blick ist. Er ist kein Biopic. Er ist keine Romantic Comedy. Er ist kein Drama. Er umschifft die Konflikte, stolpert zwischen den Genres und Stilen hin und her, ohne jemals seine Melodie oder Geschichte zu finden. Er ist eine Sammlung oft schöner und gelungener Szenen und Momente, die sich nie zu seinem einheitlichen Ganzen zusammenfügen und dem die Leichtigkeit von, beispielsweise, Woody Allens „Café Society“ fehlt.
Regeln spielen keine Rolle (Rules don’t apply, USA 2016)
Regie: Warren Beatty
Drehbuch: Warren Beatty (nach einer Geschichte von Warren Beatty und Bo Goldman)
mit Lily Collins, Alden Ehrenreich, Warren Beatty, Alec Baldwin, Annette Bening, Haley Bennett, Candice Bergen, Matthew Broderick, Dabney Coleman, Steve Coogan, Taissa Farmiga, Ed Harris, Megan Hilty, Oliver Platt, Martin Sheen
Nach „A serious Man“, „True Grit“ und „Inside Llewyn Davis“ gönnen sich Joel und Ethan Coen mit „Hail, Caesar!“ eine Auszeit von den schweren und ernsten Stoffen. Ihr neuer Film ist eine leichte Komödie bar jeglichen gesellschaftlichen und auch weitergehenden künstlerischen Anspruchs, der weiter oder tiefer als die glänzende Oberfläche geht. Genau wie für Pedro Almodóvar „Fliegende Liebende“ nach mehreren ernsten Filmen auch nur ein Intermezzo, ein Spaß, eine Entspannungsübung war, in dem er seine altbekannten Themen in altbekannter Weise hübsch aufbereitete, ist auch „Hail, Caesar!“ für die Coens nicht mehr als eine Fingerübung voller Stars und Zitate, die glaubt, auf eine Geschichte verzichten zu können.
Der neue Film der Coen-Brüder entführt in das Hollywood der frühen fünfziger Jahre und erzählt einige Stunden aus dem Leben von Eddie Mannix (Josh Brolin), dem Problemlöser von Capitol Pictures. Nach seiner Beichte, in der der reuige Sünder erzählt, dass er, obwohl er mit dem Rauchen aufgehört hat, geraucht hat, kümmert er sich mitten in der Nacht um ein Starlet, das für verfängliche Fotos posiert. In diesem Moment erscheint Mannix als Bruder von Phil Marlowe. Aber er ist nur der allzuständige Manager, der sich auch um den täglichen Kleinkram kümmert, dabei von den Zwillingsschwestern Thora und Thessaly Thacker (Tilda Swinton in einer Doppelrolle und damit auch mit der doppelten Leinwandpräsenz) als aasige Gesellschaftsreporterinnen (mit realem Vorbild) wegen exklusiver Informationen belästigt wird und die verschiedenen Sets besucht, an denen gerade Filme gedreht werden: ein großes Bibelepos mit Christen und Römern als die Prestigeproduktion des Studios, ein Musical mit einer singenden Wassernixe (keine badende Venus), ein Musical mit stepptanzenden Matrosen, ein Serial-Western mit einem sehr akrobatischen Cowboy und einem Drama, das wie eine missglückte Screwball-Comedy aussieht.
Da verschwindet Baird Whitlock (George Clooney), der Star des Bibelfilms, plötzlich, in einer kurzen Drehpause, spurlos. Mannix glaubt zuerst, dass Whitlock einfach nur eine weitere seiner Kneipentouren unternimmt. Als er die Lösegeldforderung von einer sich „Die Zukunft“ nennenden Gruppe erhält, die behauptet, Whitlock entführt zu haben, beginnt er Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um das Problem zu lösen. Natürlich ohne dass irgendjemand etwas davon erfährt und ohne dass ein Drehtag verloren geht.
Whitlocks Entführer, eine Gruppe kommunistischer Drehbuchautoren und Statisten, sind allerdings gar nicht so schlimm. Sie parlieren mit Whitlock, der ein wahrer Trottel ist und der seine römische Uniform mit unverkennbarem Glauben an seine eigene Herrlichkeit trägt, über den ausbeuterischen Kapitalismus und die kommunistischen Ideen und reichen Häppchen.
„Hail, Caesar!“ ist eine Aneinanderreihung von Episoden, Anekdoten, Liebeserklärungen an Stars, Filme und Genres und eine einzige große Hommage an das Hollywood-Kino der fünfziger Jahre. Das Kino, das die Coen-Brüder in ihrer Kindheit gerade noch genießen konnten und das während ihrer Jugendjahre endgültig aus den Kinos verschwand und in dem sie jetzt wie in einem Bilderbuch blättern. Für jede Szene, jede Figur, jedes Bild kann mindestens eine filmische oder reale Referenz genannt werden. Was allerdings fehlt, ist eine Geschichte, die dieser Nummernrevue pompös eingeführter und oft lieblos fallengelassener Figuren irgendeine Tiefe oder Bedeutung verleihen könnte.
Denn die fünfziger Jahre waren auch die Jahre des Kommunistenhassers McCarthy und der Berufsverbote für echte und vermeintliche Kommunisten. In „Trumbo“, der am 10. März bei uns anläuft, erzählt Jay Roach, ausgehend von der Biographie des erfolgreichen Drehbuchautoren Dalton Trumbo, davon. Sein sehenswerter Film ist der ernste Gegenentwurf zum eskapistischen „Hail, Caesar!“. Dieser Unterschied fällt besonders bei den Figuren auf, die in beiden Filmen auftreten. In „Hail, Caesar!“ unter falschen Namen. In „Trumbo“ unter ihrem echten Namen, als Kolumnistin Hedda Hopper, Drehbuchautor Dalton Trumbo und seine Freunde, die anderen Autoren und Schauspieler, die sich in ihren Häusern trafen und über sozialistische Ideen und den real existierenden Kapitalismus sprachen, während John Wayne und Ronald Reagan die amerikanischen Werte hochhielten.
Aber diese düstere Realität interessiert die Coen-Brüder überhaupt nicht. „Hail, Caesar!“ ist kein zweiter „Barton Fink“ oder „The Big Lebowski“, sondern eher ein zweites „Burn after Reading“, das dieses Mal in einer Traumwelt spielt, die sich Traumfabrik nennt und in der alles nach einer einzigen großen Inszenierung aussieht und nichts von wirklich existenzieller Bedeutung ist.
Auch wenn die Drehbuchautoren philosophisch über den Kapitalismus und die Religionsgelehrten über die Darstellung von Jesus in „Hail, Caesar!“ parlieren dürfen.
Hail, Caesar! (Hail, Caesar!, USA/Großbritannien 2016)
Regie: Joel Coen, Ethan Coen
Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen
mit Josh Brolin, Alden Ehrenreich, George Clooney, Max Baker, Ralph Fiennes, Heather Goldenhersh, Ian Blackman, Veronica Osorio, Tom Musgrave, David Krumholtz, Tilda Swinton, Fisher Stevens, Patrick Fischler, Fred Melamed, Channing Tatum, Jonah Hill, Frances McDormand, Michael Gambon (Erzähler im Original; in der deutschen Fassung ist Christian Rode der mit pathetischem Ernst die Anekdoten einordnende Erzähler)
Länge: 106 Minuten
FSK: ab 0 Jahre
– Hinweise Deutsche Homepage zum Film Moviepilot über „Hail, Caesar!“ Metacritic über „Hail, Caesar!“ Rotten Tomatoes über „Hail, Caesar!“
Wikipedia über „Hail, Caesar!“ (deutsch, englisch)
Unseren jährlichen Woody Allen gib uns heute. Nach der Ansichtskarte „To Rome with Love“ geht es heuer nach San Francisco, aber außer dem sonnigen Wetter ist nichts sonnig in seinem neuen Film „Blue Jasmine“. Denn es geht wieder, mit einer Protagonistin, in Richtung Ingmar Bergman; also düster, existenzialistisch, introvertiert, aber dank des dieses Mal ebenfalls vorhandenen Woody-Allen-Humors, nicht so bleiern wie in seinen ersten Bergman-Verehrungen „Innenleben“ (Interiors) und „September“.
Im Mittelpunkt von „Blue Jasmine“ steht die fast ohne Unterbrechung redende traurige Jasmine (Cate Blanchett), die nach San Francisco zu ihrer Schwester (also nicht biologisch, sie wurden beide adoptiert und von der gleichen Mutter groß gezogen) in deren kleine Wohnung zieht. Denn in New York war Jasmine an das mondäne Leben der Upper Class gewöhnt, bis die Polizei die Geschäfte ihres Mannes Hal (Alec Baldwin) überprüfte und ihn als Betrüger (Remember Bernard Madoff?) entlarvte. Jasmine verlor dabei ebenfalls alles und weil sie es für unerträglich hält, wenn ihre früheren Freundinnen sie jetzt als Verkäuferin sehen müssen, zog sie zu Ginger (Sally Hawkins). Die Schwester nimmt sie auf, auch wenn sie und ihr Ex-Mann Augie (Andrew Dice Clay) von Jasmines Mann um ihr gesamtes Vermögen betrogen wurden. Sie versucht Jasmine zu helfen, stellt sie ihren Freunden vor, die Jasmine alle für unerträglich primitiv hält, und verschafft ihr eine Arbeit, die Jasmine, die noch nicht einmal einen Studienabschluss hat, für vollkommen unter ihrer Würde hält. Die lebensuntüchtige Jasmine kann und will ihre Situation einfach nicht wahrhaben. Sie lebt in ihrer eigenen Welt, in der der schöne Schein und damit verbundene Selbsttäuschung alles sind.
Außerdem ist sie seelisch labil, führt Selbstgespräche und erinnert sich immer wieder an ihr besseres Leben, das von Woody Allen bruchlos in die in San Francisco spielende Geschichte hineingeschnitten wird. Das Stilmittel illustriert anfangs schön Jasmines Geisteszustand, aber mit der Zeit – auch weil die Erinnerungen scheinbar beliebig kommen – nervt es. Denn wir müssen nicht zehnmal auf die gleiche Weise demonstriert bekommen, dass Jasmine ein Realitätsproblem hat.
Gleichzeitig wirkt Jasmines Abstieg wie ein Eins-zu-Eins-Remake von Amos Kolleks „Sue – Eine Frau in New York“, ergänzt um Allenismen und, als Spiegelbild zu Jasmines Selbstverleugnung, die Geschichte der sehr bodenständigen Schwester Ginger, ihres bodenständigen Freundes, seiner bodenständigen Freunde und ihres bodenständigen Ex-Mannes, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit erwähnt, dass Hal ein Betrüger sei, der sie um ihr Geld brachte; was man allerdings schon nach dem zweiten Mal begriffen hat. Und einer Abrechnung mit dem Finanzkapitalismus, der von Hal, einem Betrüger und Schlawiner, dessen Vermögen auf Lug, Trug und Blendwerk aufgebaut ist, verkörpert wird.
Und so ist „Blue Jasmine“ dann doch ein etwas zwiespältiges Vergnügen, trotz der gewohnt grandiosen Schauspieler und der gut gespielten Szenen, die mal mehr auf die Mike-Leigh-Schule, mal mehr in Richtung Ingmar Bergman, auch etwas in Richtung High-Society-Satire schielen und alle im Woody-Allen-Kosmos grundiert sind.
Blue Jasmine (Blue Jasmine, USA 2013)
Regie: Woody Allen
Drehbuch: Woody Allen
mit Cate Blanchett, Sally Hawkins, Alec Baldwin, Peter Sarsgaard, Louis C. K., Bobby Cannavale, Michael Stuhlbarg, Andrew Dice Clay, Max Casella, Alden Ehrenreich, Tammy Blanchard