Neu im Kino/Filmkritik: „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ – 3 – 2 – 1 – Minions im Anmarsch

Juli 10, 2024

Nach einer längeren Pause – die vorherigen „Ich – Einfach unverbesserlich“-Filme erschienen 2010, 2013 und 2017 – geht es mit dem Superschurken Gru und den Minions weiter im Kino. Wobei, das wollen wir hier nicht verschweigen, die Minions 2015 und 2022 eigene Kinofilme hatten.

Dieses Mal beginnt die „Ich – Einfach unverbesserlich“-Filmgeschichte auf der Wiedersehensfeier der Klasse von 1985 der Schurkenschule. Gru und der auf Rache sinnende Maxime Le Mal geraten aneinander. Danach wird Gru von Silas Ramspopo, dem Chef der Anti-Verbrecher-Liga, in ein Zeugenschutzprogramm genommen. Zusammen mit seiner Familie – seiner Frau Lucy, seinen Töchter Margo, Edith und Agnes und Baby Gru Junior, dem jüngsten Mitglied der Familie – und den Minions wird Gru in der lauschigen All-American-Vorstadt Mayflower versteckt. Umzingelt sind sie von netten Nachbarn, harmlosen Vergnügen und den Annehmlichkeiten des Kleinstadtlebens.

Mit der Vorstadt-Ruhe ist es spätestens vorbei, als Maxime Le Mal Gru Junior entführt.

Geschrieben und inszeniert wurde der vierte „Ich – Einfach unverbesserlich“-Animationsfilm von Männern, die von Anfang an dabei sind. Regisseur Chris Renaud inszenierte den ersten „Ich – Einfach unverbesserlich“-Film. Co-Regisseur Patrick Delage gibt hier sein Spielfilmdebüt. Bei den ersten beiden „Ich – Einfach unverbesserlich“-Filmen arbeitete er in leitender Position in der Animations-Abteilung. Drehbuchautoren Mike White ist ein Neuzugang. Er schrieb vorher unter anderem für „School of Rock“ und „Im Zweifel glücklich“ die Drehbücher. Dafür ist Ken Daurio von der esten Stunde an dabei. Mit unterschiedlichen Schreibpartnern schrieb er alle „Ich – Einfach unverbesserlich“-Drehbücher. Sie wissen also, was die zahlreichen Fans von einem „Ich – Einfach unverbesserlich“-Film erwarten.

Kaum haben die Macher die Prämisse etabliert und die Gru-Familie im Zeugenschutzprogramm versteckt, beginnen sie mit dem Erzählen etlicher mehr oder weniger vergnüglicher Subplots und Episoden über Anpassungsprobleme in der Kleinstadt und die Mega Minions. Das alles bringt den Hauptplot nicht voran, sondern füllt nur die Zeit bis zum Schlusskampf zwischen Gru und Maxime Le Mal.

Zum Glück laufen die Minions, diese Truppe gutwilliger, aber untalentierter Helfer, öfter durchs Bild und bieten köstlich-sinnfreien, boshaften Slapstick-Humor. Aber auch sie können „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ nicht vor dem Schicksal einer selbstgenügsamen Nummernrevue retten.

Ich – Einfach unverbesserlich 4 (Despicable Me 4, USA 2024)

Regie: Chris Renaud, Patrick Delage (Co-Regie)

Drehbuch: Mike White, Ken Daurio

mit (im Original den Stimmen von) Steve Carell, Kristen Wig, Pierre Coffin, Joey King, Miranda Cosgrove, Stephen Colbert, Sofia Vergara, Steve Coogan, Chris Renaud, Will Ferrell

(in der deutschen Fassnung mit den Stimmen von) Oliver Rohrbeck, Martina Hill, Lana Finn Marti, Jens „Knossi“ Knossalla

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Ich – Einfach unverbesserlich 4“

Metacritic über „Ich – Einfach unverbesserlich 4“

Rotten Tomatoes über „Ich – Einfach unverbesserlich 4“

Wikipedia über „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Kyle Balda/Brad Ableson (Co-Regie)/Jonathan del Vals (Co-Regie) „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ (Minions: The Rise of Gru, USA 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: Moritz Bleibtreu ist „Caveman“?

Januar 27, 2023

Hinter der Bühne hat seine langjährige Freundin gerade mit ihm Schluss gemacht und der erste Witz bei seinem Stand-up-Programm – es ist sein erster Auftritt bei einem Open-Mic-Abend – wird mit peinlichem Schweigen quittiert. Also beginnt Bobby Müller (Moritz Bleibtreu) aus seinem Leben und über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu philosophieren. Diese Beichte kommt besser an.

Und zwar so gut, dass das Ein-Personen-Stück „Caveman“, auf dem Laura Lackmanns gleichnamige Verfilmung basiert, in Deutschland seit über zwanzig Jahren ständig aufgeführt wird. Seit seiner Premiere im Jahr 2000 wurden gut fünf Millionen Tickets verkauft. Es handelt sich um die deutsche Adaption von Rob Beckers Stück „Defending the Caveman“. Esther Schweins, die im Film einen Cameo-Auftritt hat, inszenierte die deutsche Fassung.

Becker schrieb das Stück. Zwischen 1988 und 1991 probierte er bei seinen Auftritten Teile aus. Seine Premiere hatte es 1991 in San Francisco. Anschließend trat Becker jahrelang mit dem Stück auf. Am Broadway wird es seit 1995 aufgeführt. Inzwischen wird seine Rolle von zahlreichen anderen Schauspielern gespielt. Es wurde in 25 Sprachen übersetzt, in über 55 Ländern aufgeführt und von über vierzehn Millionen Menschen gesehen. Irgendetwas hat Becker also richtig gemacht.

Was genau erschließt sich nicht wirklich aus der Verfilmung.

Sie ist nie besonders witzig, aber auch nie besonders peinlich, vulgär oder ärgerlich. Bobby erzählt sich durch sein Leben. Er erklärt den Unterschied zwischen Jägern und Sammlern und so, wie sich Männer von Frauen unterscheiden. Bobby glaubt, dass Männer Jäger und Frauen Sammler sind. Das war schon in der Steinzeit so – und ist heute immer noch so. Deshalb sammeln Frauen Tonnen von Kleidern und anderem Zeug, während Männer für den Kauf von einem neuen Hemd nur einige Sekunden benötigen und es dann ewig tragen. Die gewonnene Zeit verbringen sie mit ihrem besten Freund auf der Couch: schweigend, biertrinkend und irgendein Computerspiel spielend oder einen Film ansehend. Welcher echte Mann braucht da noch ein Hobby?

Einzelne Szenen kommentiert Bobby bereits im Bild. Andere sind, eher witzig gemeint als wirklich witzig, etwas übertrieben inszeniert. Und wieder andere, das gilt vor allem für Bobbys Begegnungen mit seinem imaginärem Steinzeit-Freund Caveman, könnten direkt aus einer längst vergessenen Sketch-Show stammen. Besonders witzig ist das nicht. Dafür sind die Witze insgesamt zu altbacken und zu harmlos. Alle hätten gut in eine dieser unzähligen Sketch-Shows wie „RTL Samstag Nacht“ gepasst. Die füllten bei den Privatsendern, beginnend in den neunziger Jahren, einige Jahre lang ganze Fernsehabende und ich fragte mich immer, wer so etwas witzig findet.

Für die Verfilmung wurde das Ein-Personen-Stück zum Ensemblestück ausgebaut, ohne an der Grundidee etwas zu ändern. Das ist, über dreißig Jahre nach seiner Premiere, immer noch die heile Welt, in der es Liebesärger nur zwischen Männer und Frauen gibt und gendern eine Option ist, auf die ein gestandener, in einem anonymen Reihenhaus lebender Jäger wie Bobby locker verzichten kann. Wahrscheinlich wüsste er noch nicht einmal, was das ist.

Dieser „Caveman“ ist eine dem gesellschaftlichem Diskurs mindestens zwanzig Jahre hinterherhinkende Comedy für den idealtypischen CDU-Wähler.

Im Theater – und das ist der entscheidende Unterschied zum Film – werden alle Rollen von einem Mann gespielt. Er kann spontan auf das Publikum reagieren, improvisieren und die einzelnen Beobachtungen müssen keine kohärente Filmhandlung ergeben. Sie funktionieren auch gut als reine Sammlung von zugespitzten Beobachtungen über das Verhalten von Männern und Frauen.

Caveman (Deutschland 2023)

Regie: Laura Lackmann

Drehbuch: Laura Lackmann (nach dem Solo-Theaterstück von Rob Becker)

mit Moritz Bleibtreu, Laura Tonke, Wotan Wilke Möhring, Martina Hill, Leni Riedel, Liane Forestieri, Jürgen Vogel, Thomas Hermanns, Esther Schweins, Alexandra Neldel

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Caveman“

Moviepilot über „Caveman“

Wikipedia über „Caveman“