Neu im Kino/Filmkritik: „The Negotiator“, ein Pflichttermin für zur Paranoia neigende Thrillerfans

September 26, 2025

Ash (Riz Ahmed) ist der titelgebende ‚Negotiator‘. Er vermittelt zwischen Whistleblowern, die kalte Füße bekommen und die belastenden Dokumente gerne an ihre Arbeitgeber zurückgeben würden, und den Arbeitgebern, die diese Dokumente gerne wieder hätten. Für die Rückgabe der Dokumente und das damit verbundene Schweigen und Untertauchen des Whistleblowers an einem unbekannten Ort müssen die Firmen etwas Schweigegeld bezahlen. Es ist sicher kein Geschäft, das die Welt besser macht – das wäre, wenn die Informationen des Whistleblowers veröffentlicht und die von ihm geschilderten Missstände abgestellt würden – aber immerhin ein Geschäft, das einen Menschen, der sein Gewissen entdeckte und der jetzt Angst um sein Leben hat, wieder ruhiger schlafen lässt.

Weil diese Verhandlungen sehr gefährlich sind, führt Ash in New York City ein anonymes Leben im Untergrund. Niemand kennt ihn. Meistens ist er allein. In Gruppen schweigt er. Immer wenn eine Kamera ihn aufnehmen könnte, verschwindet er in der Masse. Mittels modernster Technik, seit langem bewährten Methoden und, was sich zum Running Gag des Thrillers entwickelt, eines altmodischen, aber immer noch aktiven Relay-Dienstes wickelt er seine Geschäfte ab.

Die meisten Menschen werden sich jetzt fragen, was ein Relay-Dienst ist. Ein solcher Dienst hilft hör- und sehgeschädigten Menschen beim Telefonieren. Im Film gibt der eine Teilnehmer an dem Gespräch seine Texte auf einer Tastatur ein. Der Relay-Dienst liest dem anderen Teilnehmer dann die Nachricht vor. Diese antwortet, indem sie ihre Antwort eintippt und sie dem anderen Teilnehmer vorlesen lässt. So kennen die Teilnehmer die Stimme des anderen Gesprächsteilnehmers nicht. Das Gespräch kann nicht zurückverfolgt werden. Und der Relay-Dienst ist zu strikter Anonymität verpflichtet. Er gibt keine Auskunft über seine Kunden, wann sie telefonierten und noch weniger über die Gesprächsinhalte. Für Ash ist die Tri-State Relay Station das perfekte Medium zur Kommunikation mit seinen Kunden.

Sein neuester Kunde ist Sarah Grant (Lily James). Sie arbeitet für ein Biotech-Unternehmen, das eine große Schweinerei mit allen Mitteln vertuschen will. Nach einigen seltsamen Ereignissen fürchet Sarah, dass ihr Arbeitgeber sie töten will. Sie hofft, durch die Rückgabe der Dokumente ihr Leben zu retten. Aber sie weiß auch, dass sie eine Lebensversicherung braucht. Dafür engagiert sie Ash.

Ash beginnt mit den Verhandlungen, die aus dem Ruder laufen. Sie wird beobachtet. Das ist nichts ungewöhnliches und damit kann Ash gut umgehen. Ungewöhnlicher ist, dass – wie wir Zuschauer wissen – dieses Beobachterteam ihn unbedingt fangen will. Gleichzeitig entwickelt er für die ängstliche und sich immer wieder etwas ungeschickt verhaltende Sarah Gefühle. Er beginnt die Regeln, die ihm bislang ein Leben in Sicherheit verschafften, zu dehnen und zu brechen.

The Negotiater“ ist ein straffer 70er-Jahre-Paranoiathriller, der nicht im Geheimagentenmilieu, sondern in der Welt der Wirtschaft spielt, in der skrupellose Konzerne ihre Interessen mit allen Mitteln schützen.

Das ist spannend und wird von David Mackenzie, von dem auch der vorzügliche Neo-Western „Hell or high Water“ stammt, glaubwürdig erzählt; – auch wenn die Story, wenn man drüber nachdenkt, blühender Unfug ist. In der Realität dürften solche Verhandlungen, wie in „Michael Clayton“, von anzugtragenden Wirtschaftsanwälten erledigt werden. Oder das Unternehmen startet spätestens nach der Veröffentlichung der Dokumente einfach eine Schmutzkampagne gegen den Whistleblower und macht ihn mit Gerichtsverfahren mundtot.

Aber für die zwei Filmstunden glauben wir, dass es Ash gibt, er für Sarah einen Deal aushandeln will und er von einer von anynomen Konzernen bezahlten Spezialeinheit durch die Häuserschluchten von New York gejagt wird. Es ist die graue Welt der Geheimdienste, in der die Welt keine James-Bond-Actionbonanza, sondern ein Schachspiel ist, in dem geduldig die Figuren über das Spielfeld geschoben und in die richtige Position gebracht werden.

Am Ende gibt es eine gelungene Überraschung und, leider auch, einige Actionklischees und vorhersehbare Wendungen. Diese funktionieren nur, weil Ash von seinen Regeln abweicht. Denn normalerweise wäre er in dem Moment, in dem es für ihn brenzlig wird, wie ein Geheimagent im feindlichen Gebiet, einfach untergetaucht und verschwunden.

Das ist nur ein kleiner Kritikpunkt an einem insgesamt äußerst gelungenem Old-School-Thriller, der sich auf sein Drehbuch, die Locations und die Schauspieler verlässt.

The Negotiator (Relay, USA 2024)

Regie: David Mackenzie

Drehbuch: Justin Piasecki

mit Riz Ahmed, Lily James, Sam Worthington, Willa Fitzgerald, Jared Abrahamson, Victor Garber, Matthew Maher

Länge: 113 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „The Negotiator“

Metacritic über „The Negotiator“

Rotten Tomatoes über „The Negotiator“

Wikipedia über „The Negotiator“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von David Mackenzies „Hell or High Water“ (Hell or High Water, USA 2016) (nach einem Drehbuch von Taylor Sheridan)


Neu im Kino/Filmkritik: „Air – Der große Wurf“ für eine Turnschuhfirma

April 6, 2023

Hätte mir vor wenigen Tagen jemand gesagt, dass ich mich für einen Film über einen Turnschuh und einen Werbevertrag interessieren könnte, hätte ich gesagt „Quatsch. Es gibt nichts, was mich weniger interessiert.“.

Nach dem fabelhaftem Trailer war ich dann gespannt auf den Film über Nike und Michael Jordan. „Air – Der große Wurf“ ist auch der neue Spielfilm von Ben Affleck. Der Schauspieler hat als Regisseur mit „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ (2007), „The Town – Stadt ohne Gnade“ (2010), „Argo“ (2012) und „Live by Night“ (2016) eine makellose Filmographie. Da hätte mich sein neuer Film, das gebe ich unumwunden zu, in jedem Fall interessiert.

Sein Drama „Air – Der große Wurf“ erfüllt die Erwartungen, die der Trailer und sein Name wecken. Er erzählt die Vorgeschichte zu dem Vertrag zwischen Nike und Michael Jordan, aus der Sicht von dem Mann, der bei Nike den Vertrag einfädelte.

Nike befindet sich 1984 in einer finanziell unbefriedigenden Situation. Das Geschäft mit der Verpflichtung von Sportlern, bei Wettkämpfen und Spielen ihre Schuhe zu tragen und so Schuhe zu verkaufen, läuft schlecht. Trotzdem will Nike in der kommenden Saison wieder Sponsoring-Verträge mit mehreren Sportlern abschließen. Das Risiko wird gestreut. Aber Spitzensportler und Stars können so nicht eingekauft werden. Nike bedient sich an der Resterampe.

Da schlägt Sonny Vaccaro (Matt Damon), der Basketballexperte von Nike, einen neuen Ansatz vor: das gesamte Budget wird für einen Sportler ausgegeben. Michael Jordan, der damals am Anfang seiner Karriere stand, soll das sein. Vaccaro denkt, dass Jordan ein riesiges Potential hat.

Es gibt nur zwei Probleme: zuerst muss Vaccaro seine Vorgesetzten von seiner Idee überzeugen. Die sind davon nicht begeistert. Denn wenn Vaccaro sich irrt, wird das ein kostspieliger, die Firma gefährdender Irrtum sein.

Und Michael Jordan muss überzeugt werden. Sein Agent bereitet gerade Vertragsverhandlungen mit Adidas und Puma vor. Beide Firmen würden Jordan eine Summe zahlen, die über dem bei Nike verfügbarem Budget liegt. Außerdemn hat Jordan bereits öffentlich gesagt, er werde niemals bei Nike unterschreiben.

Affleck orientiert sich in seinem neuen Film an an neueren, auf wahren Ereignissen beruhenden Hollywood-Filmen, wie „The Big Short“, „Vice – Der zweite Mann“ und „Bombshell – Das Ende des Schweigens“. Im Gegensatz zu diesen Filmen, die über gesellschaftliche Missstände aufklären, geht es in „Air – Der große Wurf“ letztendlich um nichts. Denn ein Sponsoring-Vertrag zwischen einem Sportler und einer Firma, von dem beide profitieren, ist kein Skandal und nichts, was verändert werden muss. Denn Jordan schloss einen für sich sehr vorteilhaften Vertrag ab, der sich fundamental von den Verträgen unterschied, die andere Sportler vor ihm abschlossen.

Affleck erzählt diese Vertragsverhandlungen äußerst kurzweilig und satirisch zugespitzt aus der Sicht von Sonny Vaccaro und Nike. Michael Jordan, den in den USA jedes Kind kennt, tritt im Film nicht auf. Seine Mutter Deloris Jordan (Viola Davis), das Oberhaupt der Familie Jordan, führt die Verhandlungen. Das Erzähltempo ist hoch. Die Dialoge pointiert. Die hochkarätigen Schauspieler – neben Matt Damon und Viola Davis sind Ben Affleck, Jason Bateman, Chris Tucker und Chris Messina dabei – sind spielfreudig. Das Zeitkolorit ist stimmig. Alles sieht wie ein Dokumentarfilm aus den achtziger Jahren aus. Es gibt Bilder aus Nachrichtensendungen und Ausschnitte aus Videoclips, die nostalgische Gefühle wecken. Der Soundtrack besteht aus den damaligen Hits.

Da macht dann ein vollkommen kritiklos präsentiertes Stück Firmengeschichte über einen Sportler, einen Schuh und wie die profitable Partnerschaft zwischen Nike und Jordan begann, Spaß.

Air – Der große Wurf“ ist ein kurzweiliger Werbefilm für Nike und eine Zeitreise in eine Zeit, als Telefone nur Telefone waren.

Air – Der große Wurf (Air, USA 2023)

Regie: Ben Affleck

Drehbuch: Alex Convery

mit Matt Damon, Ben Affleck, Jason Bateman, Chris Tucker, Viola Davis, Chris Messina, Marlon Wayans, Matthew Maher, Julius Tennon

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Air“

Metacritic über „Air“

Rotten Tomatoes über „Air“

Wikipedia über „Air“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood beurteilt die Fiktionalisierung dieser Vertragsverhandlungen

Meine Besprechung von Ben Afflecks Dennis-Lehane-Verfilmung „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ (Gone Baby Gone, USA 2007)

Meine Besprechung von Ben Afflecks „Argo“ (Argo, USA 2012)

Meine Besprechung von Ben Afflecks Dennis-Lehane-Verfilmung „Live by Night“ (Live by Night, USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: „Live by Night“ – Ben Afflecks zweite Dennis-Lehane-Verfilmung

Februar 4, 2017

Joe Coughlin (Ben Affleck) ist kein gewöhnlicher Gangster. Nicht nur, weil er sich selbst als „Outlaw“ (im Buch öfter, im Film nur einmal) bezeichnet und sieht, sondern weil er ein intelligenter Bursche ist. Er ist der Sohn des stellvertretenden Polizeichefs von Boston, der nach seinen Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg außerhalb der Gesellschaft leben möchte.

In Boston der zwanziger Jahre tut er das als kleiner Ganove, der zwischen die Fronten von Albert White (Robert Glenister), einem irischen Mobster, und Don Maso Pescatore (Remo Girone), einem italienischen Mafiosi, gerät. Coughlins Freundin Emma Gould (Sienna Miller) ist auch Whites Geliebte. Als sie – indirekt bei einem Autounfall– durch Whites Hand stirbt, will Coughlin sie rächen. Er geht einen Pakt mit Pescatore ein, der ihn nach Florida schickt. In Ybor, „the Harlem of Tampa“, übernimmt er den dortigen Rumschmuggel. Er organisiert ihn neu und, im Gegensatz zu den bisherigen Gepflogenheiten, mit den Kubanern als gleichberechtigte Partner. Und er verliebt sich in Graciela (Zoe Saldana), die mit ihrem Bruder den Alkoholhandel aus Kuba organisiert.

Nicht allen gefällt Coughlins Aufstieg und seine Zusammenarbeit mit den Kubanern (ich sage nur Rassismus). Oh, und White ist ebenfalls in Florida.

Live by Night“ basiert auf einem gut sechshundertseitigem Epos von Dennis Lehane. Der sehr lesensverte, zwischen 1926 und 1935 spielende Gangsterroman erhielt den Edgar, einen der wichtigsten Krimipreise.

Ben Affleck, der, nach einem Kurzfilm, mit der grandiosen Dennis-Lehane-Verfilmung „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ sein Spielfilmdebüt gab, schrieb dieses Mal das Drehbuch, führte Regie und übernahm auch gleich die Hauptrolle. In seinem Script folgt er dem Roman, abgesehen von den notwendigen Kürzungen, genau. Zu genau für meinen Geschmack.

Anstatt sich auf einen Teil von Coughlins Geschichte zu konzentrieren und eine Geschichte zu erzählen, kondensiert er den Roman auf eine eher ungeschickte Weise. Er behandelt Lehanes Roman nicht wie einen Unterhaltungsroman, der die Grundlage für einen packenden Film liefern soll, sondern ehrfurchtsvoll wie ein Stück hohe Literatur, bei dem nichts geändert werden darf. Dieser Ehrfurcht überträgt sich dann auf den gesamten Film, der dadurch oft lebloser als nötig ist.

Die Episoden aus dem Gangsterleben treten immer wieder in den Hintergrund zugunsten von Coughlins Beziehungen zu verschiedenen Frauen und wie sie sein Leben in negativer Hinsicht beeinflussen. Das ist dann, wie im Roman, eine interessante Verschiebung der vertrauten Perspektive. In einem Gangsterfilm, vor allem in einem während der Prohibition spielendem Gangsterfilm, sind Frauen nur Beiwerk, während die gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Gangsterbanden und der Polizei und auch innerhalb der Gangsterbande im Mittelpunkt stehen. Das fehlt dann in „Live by Night“ in einem erstaunlich großem Ausmaß. Hier ist der Schmuggel ein einträgliches Geschäft, bei dem alle gut verdienen und Konflikte lieber mit Geld und Arrangements als mit Gewalt erledigt werden. Obwohl Coughlin durchaus, wenn es nicht anders geht, Gewalt anwendet.

Dagegen muss sich Coughlin mit dem Ku Klux Klan (sie wollen einen Teil seines Geschäftes) und einer Christin (sie will sein Geschäft zerstören) auseinandersetzen. Coughlin versucht beide Konflikte ohne Gewalt zu lösen.

Live b Night“ ist dann ein Gangsterfilm, dem der Drive eines klassischen Gangsterfilms (in dem ein Junge aus der Gosse sich skrupellos den Weg an die Spitze frei schießt) fehlt, ein Liebesfilm, der sich nicht für die Liebesgeschichte(n) interessiert und ein Biopic, das primär Episoden aneinanderreiht, ohne einen klar erkennbaren erzählerischen Bogen zu schlagen. So verweilt Affleck mit seiner Geschichte viel zu lange in Boston, das nur das Vorspiel für Coughlins eigentlich Geschichte ist, die sich im sonnigen Florida abspielt. Dort arbeitet er zwar zielstrebig und in Pescatores Sinn, wie ein neuer Abteilungsleiter, der keine größeren Ambitionen hat. Er will nicht der neue Boss der gesamten Firma werden und er will sich anscheinend auch nicht mehr an White rächen. Auch weil White für ihn überhaupt keine Bedrohung mehr ist.

So plätschert der Gangsterfilm, der sich nicht wirklich entscheiden will, was der Hauptplot und was die Subplots sind, immer wieder vor sich hin, während er ein kleines Gesellschaftsbild von Ybor während der Prohibition zeichnet.

Affleck inszenierte das alles mit viel Liebe zum Detail und Gangsterfilmfans – wir wurden in den letzten Jahren ja auf eine ziemliche Diät gesetzt – dürfen sich über einen stilechten Gangsterfilm freuen. Jedenfalls wenn Affleck die Gangsterfilmszenen inszeniert. Aber oft interessieren ihn andere Dinge und der Film kann in seiner jetzigen Fassung, obwohl er bereits über zwei Stunden ist, nicht verleugnen, dass er besser noch länger wäre. Mindestens eine halbe Stunde. Oder besser sogar eine Miniserie im Fernsehen, die sich dann stärker den Konflikten zwischen den Verbrechern, den politischen und rassistischen Konflikten widmet, die alle schon in Lehanes Roman angesprochen werden und die heute immer noch aktuell sind.

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Live by Night (Live by Night, USA 2016)

Regie: Ben Affleck

Drehbuch: Ben Affleck

LV: Dennis Lehane: Live by Night, 2012 (In der Nacht)

mit Ben Affleck, Elle Fanning, Remo Girone, Brendan Gleeson, Robert Glenister, Matthew Maher, Chris Messina, Sienna Miller, Zoe Saldana, Chris Cooper, Titus Welliver, Max Casella, Clark Gregg, Anthony Michael Hall

Länge: 129 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage (Lesebefehl)

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Dennis Lehane: In der Nacht

(übersetzt von Sky Nonhoff)

Diogenes, 2013

592 Seiten

10 Euro (Movie-Tie-In-Ausgabe)

Originalausgabe

Live by Night

William Morrow, New York, 2012

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Moviepilot über „Live by Night“

Metacritic über „Live by Night“

Rotten Tomatoes über „Live by Night“

Wikipedia über „Live by Night“ (deutsch, englisch)

Homepage von Dennis Lehane

Meine Besprechung von Dennis Lehanes „Coronado“ (Coronado, 2006)

Meine Besprechung von Dennis Lehanes „Moonlight Mile“ (Moonlight Mile, 2010)

Meine Besprechung von Ben Afflecks Dennis-Lehane-Verfilmung „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ (Gone Baby Gone, USA 2007)

Meine Besprechung von Christian De Metter/Dennis Lehanes Comic „Shutter Island“ (Shutter Island, 2008)

Meine Besprechung von Dennis Lehanes „Shutter Island“ (Shutter Island, 2003)

Meine Besprechung von Dennis Lehanes “In der Nacht” (Live by Night, 2012)

Meine Besprechung von Dennis Lehanes „The Drop“ (The Drop, 2014) (Buch und Film)

Dennis Lehane in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Ben Afflecks Dennis-Lehane-Verfilmung “Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel” (Gone Baby Gone, USA 2007)

Meine Besprechung von Ben Afflecks “Argo” (Argo, USA 2012)


Verfilmte Bücher: „In der Nacht“ ist „Live by Night“

Januar 23, 2017

Lehane - In der Nacht - 2lehane-live-by-night-diogenes-movie-tie-in-2

Am 2. Februar läuft die neueste Dennis-Lehane-Verfilmung „Live by Night“ an. Der Roman erschien bei uns als „In der Nacht“ und damals schrieb ich über ihn:

Ein neuer Roman von Dennis Lehane ist immer gut für einige spannende Lesestunden. Das gilt auch für „In der Nacht“, seinen in den Zwanzigern und Dreißigern spielenden Gangsterroman, der – verdient – 2013 den Edgar als bester Kriminalroman des Jahres erhielt.

So – das war der Teil für alle, die wirklich jeden SPOILER vermeiden wollen, aber wissen wollen, ob es ein gutes Buch ist.

Ja, es ist ein gutes Buch.

Und ab jetzt werde ich, weil ich nicht vollkommen gekünstelt herumschwurbeln will (was dann auch wieder Spoiler durch die Hintertür wären), einiges von der Geschichte und Teile des Endes spoilern. Aber das Wissen um das Ende hat uns echten Gangsterkrimifans noch nie vom Genuss des Werkes – ich sage nur „Scarface“ – abgehalten.

Als Dennis Lehane 1994 mit seinem ersten Kenzie/Gennaro-Privatdetektivroman „Streng vertraulich“ (A Drink before the War) die Szene betrat, wurde er gleich zum Liebling der Krimifans. In Deutschland dauerte es fünf Jahre, bis seine Romane übersetzt wurden und man nahm dann keine Rücksicht auf die Reihenfolge, in der die durchaus miteinander zusammenhängenden Romane in den USA veröffentlicht wurden.

Nach fünf Kenzie/Gennaro-Geschichten konzentrierte Lehane sich ab 2001, bis auf „Moonlight Mile“ (Moonlight Mile, 2010), auf Einzelwerke, in denen er verschiedene Subgenres ausprobierte. Sehr erfolgreich. Am Bekanntesten sind, auch wegen der erfolgreichen Verfilmungen „Mystic River“ und „Shutter Island“ (wobei mir hier das Buch viel besser gefällt). Außerdem wurde der Kenzie/Gennaro-Roman „Gone, Baby, Gone“ verfilmt. Ebenfalls eine äußerst gelungene Verfilmung.

Wenn sein neuester Roman „In der Nacht“ verfilmt wird, dann wohl nur als Film mit Überlänge oder, was besser wäre, als Mini-TV-Serie. Denn Lehane erzählt auf gut sechshundert kurzweiligen Seiten die Geschichte von Joe Coughlin von 1926 bis 1935. Er gehört zur Familie Coughlin, die wir aus „Im Aufruhr jener Tage“ (The given Day, 2008) kennen. Der Roman spielte unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg in Boston und Joes älterer Bruder Danny stand im Mittelpunkt. Inzwischen ist Danny nicht mehr Polizist und hat Boston verlassen.

1926 ist der neunzehnjährige Joe Coughlin Laufbursche und kleiner Gangster in Boston. Nach einem Überfall beginnt er eine Beziehung mit Emma Gould, der Freundin des Gangsterbosses Albert White. Als ein Banküberfall grandios schiefgeht, wird er zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Im Nachgang des Überfalls starb auch Emma bei einem Autounfall.

Im Gefängnis nimmt ihn der mit White verfeindete Gangsterboss Maso Pescatore unter seine Fittiche. Er schickt Coughlin, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wird, nach Ybor, Florida. Dort steigt Coughlin zum lokalen Gangsterboss auf, indem er den Schmuggel von Alkohol professionalisiert, enge Kontakte zu den dortigen ethnischen Minderheiten hat, sich in die Kubanerin Graciella verliebt, immer wieder, auch skrupellos, aber meistens langfristig planend, seine Interessen durchsetzt, und mit ihr in Kuba ein neues Heim aufbaut.

Lehane folgt dabei, mit eher kleinen, aber interessanten Variationen und etlichen breit geschilderten Episoden, wie den Überfall auf das Waffenlager eines Kriegsschiffes und natürlich etlichen Konflikten mit anderen Gangstern, dem Ku-Klux-Klan und der lokalen Oberschicht, den vertrauten Pfaden des klassischen Gangsterromans vom Aufstieg und Niedergang eines Gangster.

Die wichtigste Variation ist der Protagonist. Joe Coughlin ist ein aus einem guten Haus kommender, gebildeter junger Mann. Sein Vater ist der Stellvertretende Polizeichef von Boston. Damit ist er das Gegenteil des klassischen Gangsters, der ein großmäuliger Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen ist, ein oft nicht besonders gebildeter Einwanderer ist, der letztendlich an sich selbst scheitert. Al Capone war das Vorbild für diesen Typ. Little Caesar und Scarface die literarischen und filmischen Verarbeitungen dieses Typs. Der Ire Coughlin schlägt da mehr nach den jüdischen Gangstern, wie Meyer Lansky, die das Gangstertum als eine Phase betrachteten, um an Geld zu kommen. Ihre popkulturelle Faszination und Strahlkraft ist deutlich geringer.

Die zweite Variation ist, dass in „In der Nacht“ die Phase des Niedergangs fehlt. Joe Coughlin kann sein Imperium konsolidieren. Er liegt am Ende nicht im Schmutz. Bei ihm blinkt kein „The World is yours“ im Hintergrund.

Und dennoch, wenn man sich Coughlin und seine Beziehungen zu seinen Frauen ansieht, ist das Ende düsterer als das der klassischen Gangsterkrimis.

 

Die Verfilmung wird in der Kriminalakte zum Kinostart besprochen.

Bis dahin: Viel Spaß bei der Lektüre.

Dennis Lehane: In der Nacht

(übersetzt von Sky Nonhoff)

Diogenes, 2013

592 Seiten

10 Euro (Movie-Tie-In-Ausgabe)

Originalausgabe

Live by Night

William Morrow, New York, 2012

Die Verfilmung

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ab 2. Februar 2017 in allen Kinos, die mal wieder einen zünftigen Gangsterfilm zeigen wollen

 

Live by Night (Live by Night, USA 2016)

Regie: Ben Affleck

Drehbuch: Ben Affleck

LV: Dennis Lehane: Live by Night, 2012 (In der Nacht)

mit Ben Affleck, Elle Fanning, Remo Girone, Brendan Gleeson, Robert Glenister, Matthew Maher, Chris Messina, Sienna Miller, Zoe Saldana, Chris Cooper, Titus Welliver, Max Casella, Clark Gregg, Anthony Michael Hall

Länge: 129 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

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Meine Besprechung von Dennis Lehanes „Moonlight Mile“ (Moonlight Mile, 2010)

Meine Besprechung der Dennis-Lehane-Verfilmung „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ (Gone Baby Gone, USA 2007)

Meine Besprechung von Christian De Metter/Dennis Lehanes Comic „Shutter Island“ (Shutter Island, 2008)

Meine Besprechung von Dennis Lehanes „Shutter Island“ (Shutter Island, 2003)

Meine Besprechung von Dennis Lehanes “In der Nacht” (Live by Night, 2012)

Meine Besprechung von Dennis Lehanes „The Drop“ (The Drop, 2014) (Buch und Film)

Dennis Lehane in der Kriminalakte