1755 geht der ehemalige, jetzt arbeitssuchende Hauptmann Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen, grandios) mit dem König von Dänemark, bzw. genaugenommen seinem für ihn sprechendem Beraterstab, einen Deal ein: wenn es ihm gelingt, die jütländische Heide urbar zu machen, erhält er einen Adelstitel und die damit verbundenen Privilegien. Für Kahlen, den Bastardsohn eines Adligen, wäre das ein Lebenstraum und eine ungeahnte gesellschaftliche Anerkennung.
Die Heide war damals ein ungastliches und menschenleeres Gebiet mit hartem Boden, Wölfen und Wegelagerern. Kahlen beginnt – unter großen Schwierigkeiten – mit der Arbeit. Der schweigsame Einzelgänger hofft mit dem Anbau von Kartoffeln, die damals in Mittel- und Nordeuropa noch ziemlich unbekannt waren, das Land urbar zu machen. Mit der Zeit scharrt er einige Getreue um sich. Es sind gesellschaftliche Außenseiter und teils von ihren Gutsherren verfolgte Menschen, wie die Hausmagd Ann Barbara (Amanda Collin).
Als Kahlen mit seinen Methoden und seinem Ehrgeiz erste Erfolge hat, wird der Gutsbesitzer Frederik De Schinkel (Simon Bennebjerg) zu seinem Todfeind. Der erhebt ebenfalls Anspruch auf das Land. Er ist, neben der Natur, der zweite Bösewicht der Geschichte. Er kann, wie der König, in seinem Herrschaftsbereich nach Gutdünken über Leben und Tod entscheiden.
„King’s Land“ von Nikolaj Arcel ist ein europäischer Quasi-Western und der europäische Gegenentwurf zu Paul Thomas Andersons „There will be Blood“. Was dem einen sein Öl ist, ist dem anderen seine Kartoffel. Beide Hauptfiguren gehen für ihre Ambitionen über Leichen. Sie opfern jede Beziehung ihrem selbstgestecktem Ziel vom Reichtum und dem damit verbundenem bzw. erhofftem gesellschaftlichem Aufstieg.
Diese Geschichte über Ambitionen und wie sie mit der Wirklichkeit in Konflikt geraten erzählt Arcel mit Bildern für die Kinoleinwand. Es sind Bilder einer unwirtlichen Gegend mit wenigen Menschen, die in Bretterbuden leben. Es sind Bilder, die eher an eine Westernlandschaft und nie an eine mitteleuropäische Kulturlandschaft erinnern.
Dabei geht es Nikolaj Arcel, wie er in einem Statement ausführt, nicht primär um den historischen Stoff: „Als ich vor ein paar Jahren Vater wurde, machte ich eine völlig neue Erfahrung. Ich begann meine früheren Filme (…) durch eine neue Linse zu betrachten. (…)sie spiegelt die Sichtweise eines Mannes wieder, der nur ein einziges Ziel verfolgt (…) aber nicht viel mehr. ‚King’s Land‘ ist aus dieser existenziellen Reflexion entstanden und mein bisher persönlichster Film. Mit Hilfe des brillanten Romans von Ida Jessen wollten Anders Thomas Jensen und ich eine große, epische Geschichte darüber erzählen, wie unsere Ambitionen und Wünsche unweigerlich scheitern, wenn sie alles sind, was wir haben.“
Davon erzählt er, sehr gelungen, in seinem neuesten Film. Das historische Drama wurde mit zahlreichen Filmpreisen ausgezeichnet und war in der Vorauswahl für den diesjährigen Oscar als bester internationaler Film.
P. S. 1: Nikolaj Arcel ist vor allem als Nordic-Noir-Drehbuchautor bekannt. Er schrieb die Bücher für die Stieg-Larsson-Verfilmung „Verblendung“ und für die Jussi-Adler-Olson-Verfilmungen „Erbarmen“, „Schändung“, „Erlösung“ und „Verachtung“. Und, ohne eine Romanvorlage, für „Helden der Wahrscheinlichkeit“. Anders Thomas Jensen verfilmte es.
P. S. 2: Irgendjemand sollte sich mal Gedanken darüber machen, wie die unterschiedlichen Titel die Erwartungen an den Film und die Rezeption des Films verändern. Die Romanvorlage heißt „Kaptajnen og Ann Barbara“ (Hauptmann Kahlen und Ann Barbara), der Originaltitel ist „Bastarden“ (womit Ludvig Kahlen gemeint ist), der internationale Titel ist „The Promised Land“ (das versprochene Land) und der deutsche Titel ist „King’s Land“ (das Land des Königs). Keiner dieser Titel ist falsch. Ich halte sie sogar alle für zutreffende, mögliche und auch gute Titel. Aber sie betonen unterschiedliche Dinge in der Geschichte.
Wer hätte das gedacht? Nachdem die ersten drei Jussi-Adler-Olsen-Verfilmungen „Erbarmen“, „Schändung“ und „Erlösung“ massive Probleme hatten, machen die Macher bei der vierten Verfilmung alles richtig. Jedenfalls wenn man auf skandinavische Krimis steht und sich nicht an den oft elaborierten Plänen der Bösewichter und den Logiklöchern stört. Dass für die Verfilmung der Plot des Romans für den Film stark verändert wurde, kennen die Adler-Olsen-Fans von den vorherigen Sonderdezernat-Q-Verfilmungen.
Carl Mørck und sein Kollege Assad vom Sonderdezernat Q, der in den Keller verbannten Cold-Case-Abteilung der Polizei von Kopenhagen, stehen im Film „Verachtung“ vor einem wahrlich bizarren Rätsel. Als die Mietwohnung von Gitte Charles von Handwerkern aufgebrochen wird, entdecken sie eine luftdicht abgeschlossene Kammer. In dieser Kammer sitzen drei mumifizierte Menschen an einem Tisch. Ein Platz ist noch frei und die Mieterin der Wohnung, die seit zwölf Jahren pünktlich die Miete zahlt, ist verschwunden.
Durch die Rückblenden und den Subplot mit Dr. Curt Wad und der von ihm angeführten rechtsradikalen Partei kann man sich in Christoffer Boes Thriller schnell zusammenreimen, wie alles miteinander zusammenhängt. Entsprechend uninteressant ist für uns Zuschauer die Frage, wer der Mörder ist.
Im Roman wird das Zimmer mit den fünf Leichen erst kurz vor dem Finale entdeckt und geöffnet. Hier beginnen die Ermittlungen, weil Mørck und Assad sich wieder den Fall der 1987 spurlos verschwundenen ‚erotischen Tänzerin‘ Rita Nielsen vornehmen. Aufgrund der Umstände ihres Verschwindens glauben sie die offizielle These, dass sie sich selbst umbrachte, nicht. Als die Ermittler nach weiteren nicht gelösten Vermisstenfällen suchen, entdecken sie mehrere ähnlich gelagerte Fälle aus dem Jahr 1987. Sie fragen sich, ob es einen Zusammenhang gibt. Bei ihren Ermittlungen stoßen sie ebenfalls auf Dr. Wad und die Mietwohnung, die im Film von Gitte Charles, im Roman von Nete Rosen, geborene Hermansen, seit Jahren pünktlich bezahlt wird.
Weil Jussi Alder-Olsen den Roman auf zwei bis drei Zeitebenen (der Roman spielt 2010 und 1987, wo die Täterin sich an ihre Kindheit und Jugend in den fünfziger Jahren erinnert) spielen lässt, gibt es hier für den Leser ebenfalls keine großen Überraschungen. Der Roman zerfällt letztendlich in eine 1987 spielende Rachegeschichte und einen 2010 spielenden Ermittlerkrimi.
Der Film legt dagegen den Schwerpunkt auf den Thrillerplot, in dem Mørck und Assad gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner kämpfen müssen. Damit entwickelt sich die sinnvoll entwickelte Geschichte, mit deutlichen Unterschieden zur Romangeschichte, spannend auf die finale Konfrontation(en) zwischen Mørck, Assad, Gitte Charles/Nete Hermansen (der Mieterin der Wohnung mit dem Todeszimmer) und Dr. Wad und seiner Organisation.
Außerdem gibt es im Film zwei wichtige, im Buch nicht enthaltene Subplots. In dem einen kümmert sich Assad um eine junge, schwangere Nichte. Weil ihr Vater davon nichts erfahren soll, geht sie zu dem renommierten Abtreibungsarzt Dr. Wad, der immer noch die Gesellschaft vor lebensunwertem Leben beschützen will.
Gleichzeitig will Assad aufgrund einer Beförderung das Team verlassen. Mørck, der immer behauptet, es sei ihm egal, ist nicht damit einverstanden. Aber er sagt es nicht.
Trotzdem, und das ist die schon seit dem ersten Film überfällige Veränderung, arbeiten sie, wozu auch ihre Assistentin Rose gehört, zusammen und sie werden erstmals als sich ergänzendes und sich vertrauendes Team gezeigt. Außerdem ist Mørck nicht mehr, wie in den vorherigen Filmen (und auch noch im Buch) der blindgeleitete Sturkopf, der ohne irgendwelche Beweise Spuren verfolgt, ständig Grundlagen des Ermittlerhandwerks ignoriert und alle beleidigt. Er war bis jetzt das unaufmerksame Kind, das man mit einem Gameboy in die Ecke setzt, damit die Erwachsenen ihre Arbeit tun können. In „Verachtung“ arbeitet er endlich mit. Er ist Teil des Teams.
Das Thema des Films ist historisch verbürgt, erschreckend, immer noch aktuell und wird als Mordmotiv im Trailer noch deutlicher verraten als im Klappentext des Buches.
Von 1923 bis 1961 wurden auf der Insel Sprogø Frauen gebracht, die mit dem Gesetz oder den damaligen Moralvorstellungen in Konflikt gerieten oder für debil erklärt wurden. Dort wurden sie drangsaliert und sterilisiert. Diese Sterilisationen geschahen aufgrund damals gültiger Gesetze zur Rassenhygiene und Eugenik. In Dänemark waren für diese Gesetze und ihre Durchführung sozialdemokratische Regierungen verantwortlich.
Zwischen 1929 und 1967 wurden in Dänemark etwa elftausend Personen, vor allem Frauen, sterilisiert. Etwa die Hälfte der Fälle waren Zwangssterilisationen. In „Verachtung“ führt Dr. Wad, ein glühender Anhänger der Rassenlehre, diese Sterilisationen ohne das Einverständnis der Frauen durch.
So ist der Thriller eine willkommene Ergänzung im Feld der skandinavischen Kriminalfilme und die bislang beste Adler-Olsen-Verfilmung. All die von den Drehbuchautoren Nikolaj Arcel, Drehbuchautor der vorherigen Adler-Olsen-Verfilmungen „Erbarmen“, Schändung“ und „Erlösung“, Mikkel Nørgaard, Regisseur der Adler-Olsen-Verfilmungen „Erbarmen“ und „Schändung“, und Bo Erhard Hansen gemachten Änderungen stärken die Geschichte, ohne sie zu verraten. Im Rahmen eines konventionellen Thrillerplots wird sogar Adler-Olsens Anklage gegen die staatlich verordneten Zwangssterilisationen und sein Hinweis auf das Fortbestehen rassistischen Denkens deutlicher.
Der Roman selbst ist ein langweiliges Desaster. Über viele Seiten herrscht immer wieder Stillstand. Überraschende Wendungen gibt es nicht. Und auch sonst fehlt „Verachtung“ alles, was man von einem Thriller erwartet. Naja, eigentlich erwartet man von einem Thriller nur diese atemlose Spannung, die einen immer weiter lesen lässt, auch wenn langsam die Sonne aufgeht.
Inzwischen ist mit „Marco effekten“ für 2020 eine fünfte Sonderdezernat-Q-Verfilmung angekündigt. Dann allerdings mit Ulrich Thomsen und Zaki Youssef als Carl Mørck und Assad.
Drehbuch: Nikolaj Arcel, Bo Erhard Hansen, Mikkel Nørgaard
LV: Jussi Adler-Olsen: Journal 64, 2010 (Verachtung)
mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Johanne Louise Schmidt, Søren Pilmark, Fanny Leander Bornedal, Clara Rosager, Luise Skov, Amanda Radeljak, Anders Hove, Nicolas Bro, Elliott Crosset Hove, Birthe Neumann, Anders Juul, Michael Brostrup, Marianne Høgsbro
Jetzt, endlich, nachdem schon seit Jahren, darüber gesprochen wurde, wahrscheinlich alle wichtigen Menschen in Hollywood, außer Clint Eastwood, irgendwann, mehr oder weniger ernsthaft, mit einer Verfilmung assoziiert wurden, Stephen King vor zehn Jahren die Verfilmungsrechte verkaufte und der Film dann mit verschiedenen Machern assoziiert wurde, ist die Verfilmung von „Der dunkle Turm“, Kings epischer, über Jahrzehnte geschriebener Fantasy-Saga, fertig.
Eine TV-Serie, die in einer noch unklaren Verbindung zum Film steht, – wahrscheinlich wird die Origin-Geschichte von Roland erzählt -, und ein weiterer Spielfilm, der sich irgendwie auch auf die TV-Serie beziehen soll, sind geplant. Ob den derzeit noch sehr schwammigen offiziellen Ankündigungen Taten folgen, wird die Zukunft zeigen.
In den USA ist der Film letzte Woche angelaufen. Aktuell steht er, was vor allem an der schwachen Konkurrenz liegt, auf dem ersten Platz der Kinocharts. Von der Kritik wurde er mit einem Furor verrissen, den zuletzt „Die Mumie“ erleben durfte.
Dabei ist „Der dunkle Turm“ nicht so schlecht, wie die Kritiken befürchten lassen. Ein guter Film ist er auch nicht. Sondern nur ein zutiefst durchschnittlicher, weit unter seinem Potential bleibender Film, der sich etliche Freiheiten gegenüber Kings Fantasy-Saga nimmt. Der Film ist nämlich eine einführende Interpretation in die von King über inzwischen acht Romane entworfene Welt,
Der vierzehnjährige Jake Chambers (Tom Taylor) lebt in New York. Seine Mutter hat einen neuen Freund und er ist in psychiatrischer Behandlung, weil er den Verlust seines Vaters noch nicht überwunden hat und Alpträume hat. Er träumt von einem dunklen Turm, einem Mann in Schwarz, einem Revolverhelden und einer untergehenden Welt. Er zeichnet seine Träume auf. Als er auf den Straßen von Manhattan und in seiner Wohnung Gestalten aus seinen Träumen begegnet, glaubt er, endgültig wahnsinnig zu werden.
Durch ein Portal betritt er Mittwelt, eine archaische Steampunk-Westernlandschaft. Dort erhofft er sich Antworten auf seine Alpträume, die doch keine Alpträume, sondern Bilder einer ihm unbekannten Realität sind. Er trifft den Revolvermann Roland Deschain (Idris Elba), der den Mann in Schwarz (Matthew McConaughey) verfolgt. Walter O’Dim hat übernatürliche Kräfte und eine große Gefolgschaft. Er will den dunklen Turm, der im Zentrum vieler verschiedener Welten steht, zum Einsturz bringen und so gleichzeitig alle Welten vernichten.
Roland will das verhindern und die Zeichnungen von Jake können ihm den Weg zum Mann in Schwarz und zum dunklen Turm weisen.
Ein klarer Konflikt, gute Schauspieler, beeindruckende Locations (gedreht wurde in Südafrika und New York) und trotzdem kann „Der dunkle Turm“ nicht wirklich begeistern. Die Tricks und die Actionszenen sind zwar gut, aber nicht grandios. Kein Dialoge bleibt im Gedächtnis. Alles wirkt etwas lieblos hingeschludert und fahrig. Deshalb hat man immer das Gefühl, dass mit etwas mehr Zeit beim Dreh und einer ruhigeren und konzentrierteren Erzählweise beim Erzählen der Filmgeschichte ein deutlich besseres Ergebnis möglich gewesen wäre.
Für einen Kinofilm wirkt alles immer eine Nummer zu klein. So als habe man den neunzigminütigen Pilotfilm für eine TV-Serie inszeniert.
Die Geschichte hat zwar ein klares Ende und keinen irgendwie gearteten Cliffhanger zum nächsten Film, aber trotzdem wirkt „Der dunkle Turm“ immer wieder wie ein Set-up, wie eine erste Begegnung mit einer Welt, in der noch viele Geschichten spielen können.
Idris Elba und Matthew McConaughey spielen weit unter ihrem Niveau. In Nikolaj Arcels Film haben sie nie die Präsenz, die sie in anderen Filmen und TV-Serien (ich sage nur „Luther“ und „True Detective“) haben. Das ist vor allem bei Idris Elba bedauerlich. Schon wieder hat er eine Rolle in einem Hollywood-Big-Budget-Film (auch wenn bei „Der dunkle Turm“ das Budget mit sechzig Millionen Dollar erstaunlich gering ist), schon wieder wird er unter Wert verkauft und schon wieder ärgert man sich darüber, dass Hollywood nicht die richtigen Rollen für Elba findet.
Insofern ist „Der dunkle Turm“ weit ab von dem Desaster, das man nach den ersten Kritiken befürchten konnte. Es ist aber auch nie ein Film, der unbedingt auf die große Leinwand drängt und der an irgendeinem Punkt beeindruckt. Er ist einfach in jeder Beziehung gewöhnlich und vorhersehbar.
Der dunkle Turm (The dark Tower, USA 2017)
Regie: Nikolaj Arcel
Drehbuch: Akiva Goldsman, Jeff Pinkner, Anders Thomas Jensen, Nikolaj Arcel
LV: basierend auf den „Der dunkle Turm“-Romanen von Stephen King
mit Idris Elba, Matthew McConaughey, Tom Taylor, Katheryn Winnick, Nicholas Hamilton, Jackie Earle Haley, Abbey Lee, Dennis Haysbert, José Zúñiga
Länge: 95 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Die Vorlage
„Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste, und der Revolvermann folgte ihm.“
Mit diesen Worten beginnt „Der dunkle Turm: Schwarz“. Der Roman erschien ursprünglich zwischen 1978 und 1981 im „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ als fünfteiliger Fortsetzungsroman. Er bildet der Auftakt zu Stephen Kings langlebigster Serie, die Fantasy munter mit allen möglichen Genres verknüpft. Neben den acht Romanen, Kurzgeschichten, zahlreichen Querverweisen zu und von seinen anderen Büchern und einer Comicserie ist „Der dunkle Turm“ vor allem ein sich in alle Richtungen ausdehnendes Werk.
In „Schwarz“ verfolgt der Revolvermann Roland, mit etlichen Zeitsprüngen (oder Erinnerungen), den Mann in Schwarz durch eine an einen Italo-Western erinnernde Steampunk-Wüstenlandschaft. Er erzählt einem Grenzbewohner, wie er eine ganze Stadt auslöschte. Er trifft Jake Chambers, ein aus unserer Gegenwart kommender Junge, der sich nur an Bruchstücke seines früheren Lebens erinnert. Jake lebt allein in einem verlassenen Gasthaus. Roland nimmt ihn mit und nach einigen gefährlichen Begegnungen mit mehr übernatürlichen als natürlichen Wesen steht er dem Mann in Schwarz gegenüber. Und diese Begegnung verläuft anders als im Film. Das liegt auch daran, dass Roland im Roman noch nicht weiß, was der dunkle Turm ist und was der Mann in Schwarz will.
„Schwarz“ ist eine Sammlung von lose zusammenhängenden Impressionen und Episoden, die in einer prä-/postapokalyptischen Westernlandschaft spielen. Manche dieser Impressionen spielen in einer anderen Zeit. Oft ist der Zusammenhang zwischen diesen Episoden und der Hauptgeschichte nur erahnbar. Das liegt auch daran, dass sie für die aktuelle Geschichte bedeutungslos sind, und dass die Hauptgeschichte eine Ansammlung fast beliebig austauschbarer, folgenloser Begegnungen ist.
„Schwarz“ ist ein wirklich schwer verständlicher, fast schon unverständlicher und damit unnötig konfuser Einstieg in die Welt des dunklen Turms.
Bei meiner grundsätzlichen Abneigung gegen Fantasy gehört der Roman zu den Büchern, mit denen ich absolut nichts anfangen kann.
Zum Kinostart veröffentlichte der Heyne-Verlag den ersten Band der „Der dunkle Turm“-Saga mit einem neuen Cover.
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Stephen King: Der dunkle Turm: Schwarz
(Erweiterte und überarbeitete Neuausgabe)
(übersetzt von Joachim Körber)
Heyne, 2017 (Filmausgabe)
352 Seiten
9,99 Euro
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Originalausgabe der ursprünglichen Fassung
The Dark Tower: The Gunslinger
Donald M. Grant Publisher, Inc., 1982
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2003 erstellte Stephen King eine überarbeitete und leicht erweiterte Fassung, in der er einige Details an die weiteren Ereignisse seiner „Der dunkle Turm“-Serie anpasste, die er damals mit „Savannah“ (Song of Savannah) und „Der Turm“ (The Dark Tower) abschloss. Für den Moment. Denn 2012 erschient mit „Wind“ (The Wind through the Keyhole) ein achter Roman, der zwischen den „Der dunkle Turm“-Romanen „Glas“ und „Wolfsmond“ spielt.
Die Neuausgabe folgt der 2003er-Ausgabe des Romans.
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Bonushinweis
Vor wenigen Wochen erschien die Taschenbuchausgabe von „Basar der bösen Träume“, der sechsten Sammlung von Kurzgeschichten von Stephen King. Zusätzlich zur gebundenen Ausgabe enthält das Taschenbuch die neue Geschichte „Die Keksdose“ (knapp vierzig Seiten). Insgesamt enthält die Taschenbuchausgabe 21 Geschichten, die in den vergangenen Jahren bereits an verschiedenen Orten erschienen und für die Buchausgabe von King überarbeitet wurden.
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Stephen King: Basar der bösen Träume
(übersetzt von vielen, sehr vielen,unglaublich vielen Übersetzern)
Ein Vorteil hat der dritte Teil einer Serie: er unterscheidet sich, jedenfalls in diesem Fall, kaum von den vorherigen Teilen und daher kann ich sagen: Wenn Ihnen „Erbarmen“ und „Schändung“ gefallen hat, wird ihnen „Erlösung“ gefallen.
Wieder spielt Nikolaj Lie Kaas Carl Mørck und Fares Fares Assad. Beide sind gewohnt überzeugend. Wieder schrieb Nikolaj Arcel das Drehbuch. Die Regie übernahm dieses Mal Hans Petter Moland, der die auf der Berlinale gezeigten Filme „Ein Mann von Welt“ und „Einer nach dem anderen“ inszenierte. Wieder sieht alles nordisch unterkühlt aus und wieder hat Jussi Adler-Olsen eine dicke Vorlage geschrieben. Inzwischen benötigt er gut sechshundert Seiten um einen Bestseller zu fabrizieren. Für den Film wurde das Konvolut auf knappe zwei Stunden eingedampft, die sich immer noch zu lang anfühlen.
Dieses Mal landet eine Flaschenpost – ja, eine richtige Flaschenpost! – auf dem Schreibtisch des Kopenhagener Sonderdezernat Q, der kleinen Abteilung im Keller des Polizeireviers für die alten, noch nicht aufgeklärten Fälle. Es ist eine Cold-Case-Abteilung, die nur Akten entstauben soll; was Kommissar Carl Mørck, seinem Kollegen Assad, der für das Finanzamt wohl immer noch kein richtiger Polizist ist, und ihrer Sekretärin Rose (Johanne Louise Schmidt) leidlich gelingt.
Sie versuchen, herauszufinden, wer den Brief mit Blut schrieb. Das erledigen sie in der gewohnten Arbeitsteilung. Während Mørck sich noch muffeliger als gewohnt in seiner Wohnung verkriecht, erledigen Assad und Rose die richtigen Ermittlungen. Sie vermuten, dass der kaum lesbare Brief von einem Kind geschrieben wurde. Allerdings wird kein Kind vermisst.
Während die Q-Abteilung langsam vor sich hin ermittelt, wissen wir Zuschauer schon mehr. Wir kennen den Täter, können sein Motiv vermuten und warten ab, bis die Herren Kommissare endlich auf unseren Wissensstand kommen.
Sie erfahren auch zunächst nicht, dass der Täter, der junge Missionar Johannes (Pål Sverre Hagen) von der freikirchlichen Gemeinde „Die Schüler des Herrn“, wieder zwei Kinder entführt hat. Die tiefreligiösen Eltern halten es für eine Prüfung Gottes und belügen Mørck und Assad. Oder besser Assad und Mørck.
Carl Mørck wird zwar wieder als der Protagonist verkauft. Er soll der Held der Geschichte und der Serie sein. Wir sollen mit ihm mitfiebern und leiden. Wobei Mørck sich vor allem auf das Leiden versteht. Er ist ein rechter Stinkstiefel, der nichts, aber auch absolut nichts tut, um den Fall aufzuklären. Dafür pflegt er, wie schon in „Erbarmen“ und „Schändung“, viel zu gerne seine Depression. Dieses Mal bevorzugt in seinem Haus.
Assad, sein Helfer, sein Dr. Watson, übernimmt dagegen, wie in „Erbarmen“ und „Schändung“, die ganze Arbeit. In Wirklichkeit ist er der Protagonist. Er ist, um im Bild zu bleiben, Sherlock Holmes. Auch als Mensch hat er, als Flüchtling mit ungeklärter Vergangenheit, die interessantere Biographie und damit auch die interessanteren Konflikte. Soweit sie in der Geschichte, in der es dieses Mal auch um Glaube und Religion geht, angesprochen werden. Denn in einer Detektivgeschichte – und das ist „Erlösung“ letztendlich – steht der aktuelle Fall im Mittelpunkt. Das Privatleben der Ermittler ist dagegen sekundär.
„Erlösung“ hat genau die Probleme, die ich schon bei den beiden vorherigen Adler-Olsen-Verfilmungen ansprach und die, bei allen Freiheiten, die sich die Macher bei der Verfilmung nehmen, schon in den Romanen vorhanden sind.
Erlösung (Flaskepost fra P, Dänemark/Deutschland/Schweden/Norwegen 2016)
Regie: Hans Petter Moland
Drehbuch: Nikolaj Arcel
LV: Jussi Adler-Olsen: Flaskepost fra P, 2009 (Erlösung)
mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Jakob Ottebro, Pål Sverre Hagen, Johanne Louise Schmidt, Jacob Lohmann, Amanda Collin
Es hilft nichts. Auch die Veränderungen im Drehbuch von Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg machen aus Jussi Adler-Olsen spannungsloser Geschichte „Schändung“ keinen Thriller. Die Täter sind beide Male von Anfang an bekannt, was ja nicht unbedingt ein Nachteil ist. So basiert die grandiose Krimiserie „Columbo“ auf dieser Idee. Aber in „Columbo“ sind die Verbrecher intelligent, die Konfrontationen zwischen dem Ermittler und dem Mörder sind vergnügliche Schlagabtäusche, Katz-und-Maus-Spiele zwischen intelligenten Kontrahenten, und in jeder Szene erfahren wir etwas neues. In „Schändung“, und da unterscheiden sich der Roman seine Verfilmung nicht, ist es anders. Es gibt einfach keine nennenswerten Konfrontationen und, nachdem wir die Ausgangssituation kennen, auch keine neuen Erkenntnisse. Die gesamte Geschichte quält sich über 450 Seiten (im Roman) oder gut 120 Minuten (im Film) auf ihr Ende zu. Schon am Anfang erfahren wir, dass eine Gruppe stinkreicher Internatsschüler vor zwanzig Jahren zwei Jugendliche ermordeten. Bjarne Thøgersen gestand den Doppelmord und sitzt dafür im Gefängnis. Der Fall ist offiziell abgeschlossen. Jetzt beginnt Carl Mørck vom Sonderdezernat Q, der Abteilung für alte, nicht abgeschlossene Fälle, den Fall neu aufzurollen. Im Roman weil die Akte wie von Geisterhand auf seinem schon gut gefülltem Schreibtisch auftaucht und es, anstatt sich irgendeinen ungeklärten alten Mordfall vorzunehmen, natürlich grundvernünftig ist, einfach einen geklärten alten Mordfall noch einmal zu untersuchen. Vielleicht haben die Kollegen ja Mist gebaut und vielleicht ist der geständige Täter, der sein Geständnis nicht widerrufen möchte, doch nicht der Täter. Wer jetzt glaubt, dass Mørcks Verhalten idiotisch ist, wird an Adler-Olsens Roman keine Freude haben. Aber eigentlich sollte er nach dem ersten Sonderdezernat-Q-Roman „Erbarmen“ schon vorgewarnt sein. Im Film ist Mørcks Verhalten immerhin besser motiviert: Eines Nachts begegnet er im Regen (wegen der atmosphärischen Bilder) einem offensichtlich verwirrten Mann, der ihm die alte Akte gibt. Am nächsten Tag ist er tot. Suizid. Er war ein Ex-Polizist und der Vater der beiden toten Teenager. Getrieben von dem Gefühl, dem Mann nicht geholfen zu haben, sieht Mørck sich den Fall wieder an. Zur gleichen Zeit läuft die Obdachlose Kimmie durch Kopenhagen. Sie ist eine der damaligen Täter und jetzt will sie sich an den anderen Tätern rächen. Ohne jetzt allzutief in die Psychologie einzusteigen: weil Jussi Adler-Olsen es so will und es in der Theorie doch gut klingt: während die Polizei die Täter sucht, will einer der Täter die anderen umbringen und jetzt haben wir einen Wettlauf mit der Zeit. Denn wer erreicht zuerst sein Ziel? Die Ausführung steht dann auf einem anderen Blatt und das Ende bringt diese beiden Plots mit mehr Zufall als Verstand oder innerer Logik zusammen. Unglaubwürdige Charaktere, eine unplausible Geschichte, fehlende Konfrontationen, fehlende Konflikte – das ist das Rezept für einen veritablen Langweiler, der in diesem Fall immerhin Mørcks Privatleben links liegen lässt. Dieses Fazit gilt für den Roman und die Verfilmung.
Jetzt, nach der zweiten Sichtung, fällt mir auf, dass ich die gewohnt wertige skandinavische Optik nicht lobte. Und in zwei Punkten war ich etwas ungenau. Bjarne Thøgersen hat seine Strafe nämlich schon verbüßt und er wurde für sein Geständnis, was den beiden Ermittlern sofort auffällt, fürstlich entlohnt. Und Kimmie ist im Film nur noch eine gequälte Seele; – was einige Wendungen psychologisch umso unverständlicher macht. Im Roman verfolgt sie konsequenter ihren Racheplan; – was psychologisch auch nicht sonderlich nachvollziehbar ist. Immerhin ist die Verfilmung gelungener als der Roman.
Ob ich jemals ein Adler-Olsen-Fan werde? Immerhin gibt es mit „Erlösung“ einen dritten Versuch, der ab Mitte Juni 2016 in unseren Kinos laufen soll und der, bis auf den Regisseur (Hans Petter Moland übernahm), mit dem bewährtem Team gedreht wird. Vielleicht ist dieser Mørck-Film, in dem es um verschwundene Kinder geht, kein Murks, für den vor allem Romanautor Jussi Adler-Olsen verantwortlich ist.
Das Bonusmaterial ist ziemlich umfangreich und auch informativ geraten, was vor allem daran liegt, dass Regisseur Mikkel Nørgaard im 26-minütigem „Making of“ ausführlich zu Wort kommt. Mit den beiden Hauptdarstellern Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares gibt es außerdem kürzere Interviews (8 und 6:30 Minuten), die im Rahmen der Werbung für den deutschen Kinostart gemacht wurden.
Schändung – Die Fasanentöter (Fasandræberne, Dänemark/Deutschland/Schweden 2014)
Regie: Mikkel Nørgaard
Drehbuch: Nikolaj Arcel, Rasmus Heisterberg
LV: Jussi Adler-Olsen: Fasandræberne, 2008 (Schändung)
mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pilou Asbaek, David Dencik, Danica Curcic, Johanne Louise Schmidt
– DVD
NFP marketing & distribution (Vertrieb: Warner Bros.)
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Dänisch
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Making of, Interviews mit Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares, Trailer, Teaser, Hörfilmfassung
Länge: 115 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Es hilft nichts. Auch die Veränderungen im Drehbuch von Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg machen aus Jussi Adler-Olsen spannungsloser Geschichte „Schändung“ keinen Thriller. Die Täter sind beide Male von Anfang an bekannt, was ja nicht unbedingt ein Nachteil ist. So basiert die grandiose Krimiserie „Columbo“ auf dieser Idee. Aber in „Columbo“ sind die Verbrecher intelligent, die Konfrontationen zwischen dem Ermittler und dem Mörder sind vergnügliche Schlagabtäusche, Katz-und-Maus-Spiele zwischen intelligenten Kontrahenten, und in jeder Szene erfahren wir etwas neues.
In „Schändung“, und da unterscheiden sich der Roman seine Verfilmung nicht, ist es anders. Es gibt einfach keine nennenswerten Konfrontationen und, nachdem wir die Ausgangssituation kennen, auch keine neuen Erkenntnisse. Die gesamte Geschichte quält sich über 450 Seiten (im Roman) oder gut 120 Minuten (im Film) auf ihr Ende zu. Schon am Anfang erfahren wir, dass eine Gruppe stinkreicher Internatsschüler vor zwanzig Jahren zwei Jugendliche ermordeten. Bjarne Thøgersen gestand den Doppelmord und sitzt dafür im Gefängnis. Der Fall ist offiziell abgeschlossen.
Jetzt beginnt Carl Mørck vom Sonderdezernat Q, der Abteilung für alte, nicht abgeschlossene Fälle, den Fall neu aufzurollen. Im Roman weil die Akte wie von Geisterhand auf seinem schon gut gefülltem Schreibtisch auftaucht und es, anstatt sich irgendeinen ungeklärten alten Mordfall vorzunehmen, natürlich grundvernünftig ist, einfach einen geklärten alten Mordfall noch einmal zu untersuchen. Vielleicht haben die Kollegen ja Mist gebaut und vielleicht ist der geständige Täter, der sein Geständnis nicht widerrufen möchte, doch nicht der Täter. Wer jetzt glaubt, dass Mørcks Verhalten idiotisch ist, wird an Adler-Olsens Roman keine Freude haben. Aber eigentlich sollte er nach dem ersten Sonderdezernat-Q-Roman „Erbarmen“ schon vorgewarnt sein.
Im Film ist Mørcks Verhalten immerhin besser motiviert: Eines Nachts begegnet er im Regen (wegen der atmosphärischen Bilder) einem offensichtlich verwirrten Mann, der ihm die alte Akte gibt. Am nächsten Tag ist er tot. Suizid. Er war ein Ex-Polizist und der Vater der beiden toten Teenager. Getrieben von dem Gefühl, dem Mann nicht geholfen zu haben, sieht Mørck sich den Fall wieder an.
Zur gleichen Zeit läuft die Obdachlose Kimmie durch Kopenhagen. Sie ist eine der damaligen Täter und jetzt will sie sich an den anderen Tätern rächen. Ohne jetzt allzutief in die Psychologie einzusteigen: weil Jussi Adler-Olsen es so will und es in der Theorie doch gut klingt: während die Polizei die Täter sucht, will einer der Täter die anderen umbringen und jetzt haben wir einen Wettlauf mit der Zeit. Denn wer erreicht zuerst sein Ziel? Die Ausführung steht dann auf einem anderen Blatt und das Ende bringt diese beiden Plots mit mehr Zufall als Verstand oder innerer Logik zusammen.
Unglaubwürdige Charaktere, eine unplausible Geschichte, fehlende Konfrontationen, fehlende Konflikte – das ist das Rezept für einen veritablen Langweiler, der in diesem Fall immerhin Mørcks Privatleben links liegen lässt. Dieses Fazit gilt für den Roman und die Verfilmung.
Schändung – Die Fasanentöter(Fasandræberne, Dänemark/Deutschland/Schweden 2014)
Regie: Mikkel Nørgaard
Drehbuch: Nikolaj Arcel, Rasmus Heisterberg
LV: Jussi Adler-Olsen: Fasandræberne, 2008 (Schändung)
mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pilou Asbaek, David Dencik, Danica Curcic, Johanne Louise Schmidt
Länge: 120 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
– Die Vorlage
LV: Stieg Larsson: Män son hatar kvinnor, 2005 (Verblendung)
Journalist Mikael Blomkvist soll im Auftrag des Industriellen Henrik Vanger herausfinden, was im September 1966 mit seiner Lieblingsnichte Harriet geschah. Das beziehungsgestörte Computergenie Lisbeth Salander hilft ihm beim Stochern in der Geschichte der Familie Vanger.
Heute läuft die Kinofassung der Verfilmung des ersten Wälzers von Stieg Larsson. Im Kino hat mir der Whodunit, der von David Fincher geremaked wurde, gut gefallen.
mit Michael Nyqvist, Noomi Rapace, Lena Endre, Peter Haber, Sven-Bertil Taube, Peter Andersson, Ingvar Hirdwall, Marika Lagercrantz, Björn Granath
Zum Kinostart der ersten Jussi-Adler-Olsen-Verfilmung „Erbarmen“ im Januar schrieb ich: Nach einem missglückten Einsatz wird Carl Mørck befördert und gleichzeitig abgeschoben. Er soll das neue Sonderdezernat Q leiten, das alte, nicht aufgeklärte Fälle noch einmal untersucht. Das Dezernat ist irgendwo im Keller des Kopenhagener Polizeigebäudes und erst nach Protesten erhält er einen Assistenten, der sich vor allem um die Aktenablage kümmern soll. Aber Assad ist nicht auf den Kopf gefallen. Der Flüchtling erweist sich schnell als unersetzliche Hilfe für Mørck. Gemeinsam nehmen sie sich den Fall Merete Lyngaard noch einmal vor. Die Politikerin verschwand vor einigen Jahren spurlos von einer Fähre. Die ermittelnden Beamten schlossen den Fall als mutmaßlichen Suizid ab. Aber Mørck und Assad entdecken schnell Ungereimtheiten und Lücken in den Ermittlungen. Sie gehen von einem Mord aus. In dem Moment wissen wir allerdings, dass Merete seit Jahren in einer Druckkammer gefangen gehalten wird. Ihr Entführer, der nicht mit ihr redet, will, dass sie ihm sagt, warum er sie einsperrte. „Erbarmen“ ist die Verfilmung von Jussi Adler-Olsens erstem Sonderdezernat-Q-Roman. Für die Verfilmung wurden die Ermittlungen von Mørck und Assad in eine stringente Form gebracht und auch einige Szenen wurden verändert. So gelingt es im Film Assad die Schutzmauer von Meretes geistig behindertem Bruder Uffe zu durchbrechen, indem er geduldig eine Beziehung zu ihm aufbaut. Im Roman versucht das Mørck mit der Sensibilität einer Dampfwalze. Es gibt allerdings immer noch mehrere Szenen zwischen Mørck und seinem Sohn, die nur deshalb im Film sind, weil sie in einer längeren TV-Fassung (wenn es sie gibt) oder den nächsten Adler-Olsen-Verfilmungen wichtiger werden. Immerhin ist der zweite Sonderdezernat-Q-Roman schon verfilmt und Adler-Olsen will insgesamt zehn Sonderdezernat-Q-Romane schreiben. Allerdings hat der Film, wie schon der Roman, mit einem vollkommen unglaubwürdigem Bösewicht zu kämpfen, was den Film, der von Mikkel Nørgaard in bester Skandinavischer-Thriller-Tradition inszeniert wurde, von einem spannenden Polizeithriller zu einer hanebüchenen Kriminalgeschichte werden lässt.
Auf der DVD ist im Bonusmaterial auch ein Teaser für „Schändung“, die zweite Adler-Olsen-Verfilmung, enthalten, die am 22. Januar 2015 bei uns im Kino anlaufen soll und die von dem bewährten Team vor und hinter der Kamera gemacht wurde.
Außerdem gibt es ein siebenminütiges Interview mit Regisseur Mikkel Nørgaard und ein fünfminütiges mit Hauptdarsteller Nikolaj Lie Kaas und ein 25-minütiges Making of. Das ist alles durchaus informativ, aber, abgesehen von den beiden Interviews, auch deutlich mehr Pflicht als Kür.
Erbarmen (Kvinden i buret, Dänemark/Deutschland/Schweden 2013)
Regie: Mikkel Nørgaard
Drehbuch: Nikolaj Arcel
LV: Jussi Adler-Olsen: Kvinden i buret, 2008 (Erbarmen)
mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Sonja Richter, Mikkel Boe Følkstar, Søren Pilmark, Troels Lyby
– DVD
NFP/Warner
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Dänisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Making of, Interviews, Trailer, Teaser „Schändung“
Länge: 93 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Es wurde auch Zeit, dass wir Europäer im Superheldengenre etwas aufholen. Die Engländer hatten vor einigen Jahren im TV schon die „Misfits“, eine Gruppe straffälliger Jugendlicher mit Superkräften auf die Menschheit losgelassen. Aber die waren ziemlich derb drauf und nicht jede ihrer Superkräfte unbedingt einsetzbar zum Wohl der Menschheit.
Da passt der 12-jährige Pelle schon eher in das aus den USA vertraute Superheldenschema: er ist ein unauffälliger, schüchterner Außenseiter, der von einer genetisch manipulierten Ameise gebissen, die ihr heimatliches Forschungslabor verlassen hat. Pelle entwickelt plötzlich ameisenähnliche Superkräfte, die er auch dringend benötig. Denn in der kleinen Gemeinde ist „Der Floh“ los, der als Superbösewicht tun will, was Superbösewichte eben so tun und nur Antboy (was viel cooler als Ameisenbengel klingt) kann ihn besiegen.
„Antboy“, der Debütfilm von Ask Hasselbalch nach mehreren Kurzfilmen und Musikvideos, basiert auf den erfolgreichen Antboy-Kinderbüchern von Kenneth Bøgh Andersen und die Geschichte des ersten „Antboy“-Films ist eine mit deutlich weniger Geld gedrehte, liebevolle und detailverliebte Kopie von „Spider-Man“, die ihren Reiz gewinnt durch die Sets, die Kameraarbeit, die zahlreichen Zitate, wie die an die Marvel-Comicverfilmungen erinnernde Titelsequenz, in der hier in Comicpanels die Vorgeschichte erzählt wird, und die Kinderschauspieler, die wie Kinder aus der Nachbarschaft aussehen.
Gerade Pelle und seine beiden sehr normal aussehenden Freunde, eine davon weiblich, liefern genug Identifikationspotential, um bei einem gleichaltrigen Publikum zu punkten.
Für ein älteres Publikum ist „Antboy“ dann aber, auch als liebevolle Hommage, zu überraschungsarm in den bekannten Pfaden der Ursprungsgeschichten der Superhelden, vor allem natürlich den jeweils ersten „Spider-Man“-Filmen. Die Tricks sind anfangs charmant, beim Schlußkampf im Wald in ihrer Dürftigkeit ärgerlich.
Derzeit dreht Ask Hasselbalch, auch in Hamburg, den zweiten „Antboy“-Film.
Antboy (Antboy, Dänemark 2013)
Regie: Ask Hasselbalch
Drehbuch: Anders Ølholm (nach einer Geschichte von Torbjørn Rafn und Nikolaj Arcel)
LV: Kenneth Bøgh Andersen: Antboy 1 – Tissemyrens bid, 2007 (Antboy – Der Biss der Ameise)
mit Oscar Dietz, Nicolas Bro, Samuel Ting Graf, Amalie Kruse Jensen
Länge: 80 Minuten
FSK: ab 0 Jahre
– Hinweise Deutsche Homepage zum Film Film-Zeit über „Antboy“ Moviepilot über „Antboy“ Homepage von Kenneth Bøgh Andersen
Nach einem missglückten Einsatz wird Carl Mørck befördert und gleichzeitig abgeschoben. Er soll das neue Sonderdezernat Q leiten, das alte, nicht aufgeklärte Fälle noch einmal untersucht. Das Dezernat ist irgendwo im Keller des Kopenhagener Polizeigebäudes und erst nach Protesten erhält er einen Assistenten, der sich vor allem um die Aktenablage kümmern soll. Aber Assad ist nicht auf den Kopf gefallen. Der Flüchtling erweist sich schnell als unersetzliche Hilfe für Mørck.
Gemeinsam nehmen sie sich den Fall Merete Lyngaard noch einmal vor. Die Politikerin verschwand vor einigen Jahren spurlos von einer Fähre. Die ermittelnden Beamten schlossen den Fall als mutmaßlichen Suizid ab.
Aber Mørck und Assad entdecken schnell Ungereimtheiten und Lücken in den Ermittlungen. Sie gehen von einem Mord aus.
In dem Moment wissen wir allerdings, dass Merete seit Jahren in einer Druckkammer gefangen gehalten wird. Ihr Entführer, der nicht mit ihr redet, will, dass sie ihm sagt, warum er sie einsperrte.
„Erbarmen“ ist die Verfilmung von Jussi Adler-Olsens erstem Sonderdezernat-Q-Roman. Für die Verfilmung wurden die Ermittlungen von Mørck und Assad in eine stringente Form gebracht und auch einige Szenen wurden verändert. So gelingt es im Film Assad die Schutzmauer von Meretes geistig behindertem Bruder Uffe zu durchbrechen, indem er geduldig eine Beziehung zu ihm aufbaut. Im Roman versucht das Mørck mit der Sensibilität einer Dampfwalze. Es gibt allerdings immer noch mehrere Szenen zwischen Mørck und seinem Sohn, die nur deshalb im Film sind, weil sie in einer längeren TV-Fassung (wenn es sie gibt) oder den nächsten Adler-Olsen-Verfilmungen wichtiger werden. Immerhin ist der zweite Sonderdezernat-Q-Roman schon verfilmt und Adler-Olsen will insgesamt zehn Sonderdezernat-Q-Romane schreiben.
Allerdings hat der Film, wie schon der Roman, mit einem vollkommen unglaubwürdigem Bösewicht zu kämpfen, was den Film, der von Mikkel Nørgaard in bester Skandinavischer-Thriller-Tradition inszeniert wurde, von einem spannenden Polizeithriller zu einer hanebüchenen Kriminalgeschichte werden lässt.
Erbarmen (Kvinden i buret, Dänemark/Deutschland/Schweden 2013)
Regie: Mikkel Nørgaard
Drehbuch: Nikolaj Arcel
LV: Jussi Adler-Olsen: Kvinden i buret, 2008 (Erbarmen)
Die am 23. Januar startende Verfilmung von Jussi Adler-Olsens „Erbarmen“ veranlasste mich jetzt dazu, endlich den Bestseller zu lesen. Dass ich meine Probleme mit skandinavischen Kriminalromanen habe und mir viele, wie Stieg Larsson und Lars Kepler, nicht gefallen, dürfte hinlänglich bekannt sein. Deshalb stehen Skandinavier mit ihren Wälzern nicht unbedingt ganz oben auf meiner Leseliste.
Trotzdem. Ich könnte mich ja irren und einige Skandinavier (Sjöwall/Wahlöö, Matti Rönkä, Jon Ewo [Warum hat der Unionsverlag nicht mehr den dritten Torpedo-Roman übersetzt?]) haben mir ja gefallen.
In „Erbarmen“, dem ersten Fall von Carl Mørck wird, nachdem ein Einsatz grandios schiefging, ein Polizist starb und der andere vom Kopf abwärts gelähmt ist (Remember Lincoln Rhyme?), Mørck zum Leiter des neugegründeten Dezernat Q ernannt, was eine direkte Beförderung auf das Abstellgleis ist. Denn das Dezernat Q soll alte Fälle wieder aufrollen. Aber die vom Parlament bewilligte gute Ausstattung geht, dank der liebevollen Planung von Mørcks Chef, vollständig in die normale Kriminalpolizei, während Mørck einen Platz im Keller (ganz am Ende des Ganges und dann noch einige Meter weiter) erhält. Erst nach Protesten bekommt er einen Mitarbeiter für Putz- und Hilfsarbeiten. Dieser, Hafez el-Assad, ein syrischer Immigrant mit unklarer Vergangenheit, erweist sich bald als große Hilfe, die auch oft die treibende und vernünftigere Kraft bei den Ermittlungen ist.
Als ersten Fall wählen sie das bis jetzt ungeklärte Verschwinden der Abgeordneten Merete Lynggaard aus. Sie verschwand vor einigen Jahren spurlos von einer Fähre. Offiziell wurde der Fall als Suizid abgeschlossen. Ihr geistig behinderter Bruder Uffe kam in eine noble Psychiatrie. Mørck und Assad entdecken schnell Ungereimtheiten.
In diesem Moment wissen wir, dass Merete in einem luftdicht abgeschlossenem Raum von mehreren Personen gefangen gehalten wird und, weil ein Ereignis aus Meretes Kindheit, ein Autounfall mit mehreren Toten, öfter angesprochen wird, können wir uns denken, dass es einen Zusammenhang zwischen ihrer Geiselnahme und dem Unfall gibt; – was ja kein Problem für eine ordentliche Thriller-Spannung wäre.
Aber furchtbar spannend ist „Erbarmen“ nicht. Dafür ist er viel zu unlogisch. Denn Mørck führt seine Ermittlungen ausgesprochen unprofessionell. So beginnt er die ersten Gespräche mit Zeugen, ohne die Akten gelesen zu haben. Eigentlich stolpert er die gesamte Zeit durch seine Ermittlungen. Er stochert überall herum, in der Hoffnung, dass er irgendetwas findet.
Der Bösewicht hat zwar ein gutes Motiv. Denn Rache geht immer. Aber er sperrt sein Opfer nur jahrelang ein und fragt sie ab und an, warum er sie eingesperrt habe. Bei einer falschen Antwort wird der Luftdruck in der Kammer erhöht. Das ist eine besonders unglückliche „Oldboy“-Variante (und war schon da vor allem ein Konstrukt). Denn woher soll Merete wissen, warum sie eingesperrt wird? Warum unternimmt der Geiselnehmer nichts, sondern pflegt sie jahrelang? Eine auch nur halbwegs befriedigende Antwort darauf gibt Jussi Adler-Olsen nicht.
Die Verfilmung ist ein typischer skandinavischer Thriller mit etlichen Szenen, die offenkundig die Saat für Ereignisse legen, die in den weiteren Mørck-Verfilmungen wichtig werden. Sie ist gelungener als der Roman. Vor allem weil sie deutlich weniger Lebenszeit stiehlt und die Ermittlungen logischer sind.
Inzwischen verfilmt das gleiche Team „Schändung“, den zweiten Carl-Mørck-Roman.
Jussi Adler-Olsen: Erbarmen
(übersetzt von Hannes Thiess)
dtv premium 2009
420 Seiten
14,90 Euro (dtv premium)
9,95 Euro (Taschenbuch)
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Zum Filmstart erschien ein Movie-Tie-In.
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Originalausgabe
Kvinden i buret
Politikens Forlagshus A/S, Kopenhagen, 2008
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Verfilmung
Erbarmen (Kvinden i buret, Dänemark/Deutschland/Schweden 2013)