Neu im Kino/Filmkritik: „Der Spion von nebenan“ ist mein neuer bester Freund

März 12, 2020

Als Jason ‚JJ‘ Jones bei einem Undercover-Einsatz gegen russische Plutonium-Händler kurz vor der Enttarnung steht, kann er das verhindern. Indem er ganze Bande schwerbewaffneter Jungs mit brachialer Gewalt tötet.

Weil der CIA-Agent auf einer Aufklärungsmission war, ist für seinen Chef dieses Ergebnis des Einsatzes ein Desaster. Verärgert schickt er JJ nach Chicago. Dort soll das am liebsten allein arbeitende Muskelpaket mit der sehr nerdigen, von ihrem ersten Außeneinsatz restlos begeisterte Informatikerin Bobbi die alleinerziehende Krankenschwester Kate und ihre neunjährige, neunmalkluge Tochter Sophie beobachen. Die beiden sind gerade nach Chicago gezogen. Sie ist die Witwe des Bruders des international gesuchten Schwerverbrechers Viktor Marquez, der vielleicht in Chicago auftauchen könnte. Für den Action liebenden JJ ist dieser langweilige Auftrag, der ungefähr so spannend und gefährlich wie das Anstarren einer langsam trocknenden zu werden versprecht, seine letzte Chance.

Sophie ist ein naseweises Mädchen, das sich schnell zu JJs schlimmstem Alptraum entwickelt. Sofort nach dem Einzug von JJ und Bobbi in der gegenüberliegenden Wohnung, entdeckt sie die beiden CIA-Agenten. Sie enttarnt sie, filmt sie bei der Arbeit und erpresst sie. JJ soll ihr all die tollen Spionagesachen beibringen, die sie aus den Filmen kennen. Und durch einen dummen Zufall lernt JJ auch noch Sophies Mutter kennen.

Auf dem Papier wirkt „Der Spion von nebenan“ wie ein typisches Malen-nach-Zahlen-Hollywood-Produkt: man nehme einen Actionstar, der ein neues Publikum erschließen will (in diesem Fall Dave Bautista), ein nettes Kind, einige erprobte Nebendarsteller, etwas Action (Menge und Größe der Zerstörung werden vom Budget und den Fähigkeiten des Stars bestimmt), mehr oder weniger gelungene Gags und eine Story, die von einem feuchten Bierdeckel wiederverwertet wird. Im Ergebnis kommt dann ein Film heraus, der in jedem Fall sein Geld einspielen und meistens schnell vergessen wird.

Entsprechend niedrig waren meine Erwartungen und umso größer war meine Überraschung. „Get Smart“-Regisseur Peter Segal drehte eine erstaunlich warmherzige, an seinen drei Hauptfiguren interessierte Komödie, in der es eigentlich nur am Anfang und Ende nennenswerte Action gibt. Dazwischen kommen JJ, Sophie und Kate sich näher. Denn JJ nimmt immer mehr Anteil am Leben der Mutter und ihrer Tochter, die er ausspionieren soll. Zwischen JJ und Sophie entwickelt sich, auch wenn er zunächst von Sophie dazu erpresst wird, eine Vater-Tochter-Beziehung. Zwischen JJ und Kate beginnt eine Liebesgeschichte, die in einer Romantic Comedy in einer glücklichen, festen Beziehung münden würde. „Der Spion von nebenan“ ist allerdings eine Kriminalgeschichte und das bedeutet, dass der Bösewicht Marquez bei Kate und Sophie auftaucht und JJ das tun muss, was er am Filmanfang mit einigen verbrecherischen Plutonium-Händlern gemacht hat.

Segal gelingt in seiner Komödie der Spagat zwischen Buddy Movie, Actionkomödie und Romantic Comedy, weil er zeigt, wie JJ zu einem Menschen wird, der für andere Menschen Gefühle empfindet und sich um sie und ihr Wohlergehen kümmert.

Der Spion von nebenan (My Spy, USA 2020)

Regie: Peter Segal

Drehbuch: Jon Hoeber, Erich Hoeber

mit Dave Bautista, Chloe Coleman, Kristen Schaal, Parisa Fitz-Henley, Ken Jeong, Greg Bryk, Devere Rogers

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Der Spion von nebenan“

Metacritic über „Der Spion von nebenan“

Rotten Tomatoes über „Der Spion von nebenan“

Wikipedia über „Der Spion von nebenan“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Peter Segals „Zwei vom alten Schlag“ (Grudge Match, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: „Zwei vom alten Schlag“ kloppen sich

Januar 9, 2014

 

Verkauft wurde „Zwei vom alten Schlag“ wahrscheinlich als „Rocky“ trifft „Wie ein wilder Stier“ Jake La Motta mit Sylvester Stallone und Robert De Niro in den Hauptrollen. Nach diesem Besetzungscoup ist die Sache dann ein Selbstläufer: andere bekannte Schauspieler machen gerne mit und bei der geballten Starpower winkt dann auch ein gutes Einspielergebnis. Diese Rechnung ging in den USA an der Kinokasse nicht auf; – was durchaus verständlich ist. Denn außer dem Besetzungscoup, der sich wie ein Gag in einer TV-Show liest, hat das Starvehikel nichts zu bieten.

Die banale Filmgeschichte wird überraschungsfrei und ziemlich nachlässig bis zum abschließenden Boxkampf erzählt: Henry ‚Razor‘ Sharp (Sylvester Stallone) und Billy ‚The Kid‘ McDonnen (Robert De Niro) sind zwei Boxer aus Pittsburgh. In den frühen Achtzigern kämpften sie zweimal gegeneinander. Weil jeder einen Kampf gewann, sollte ein dritter Kampf endgültig zeigen, wer der bessere Boxer ist. Aber noch vor dem Kampf zog sich Razor zurück und wurde zu einem Stahlschweißer in einer Fabrik. Kid ging es finanziell besser, aber wirklich glücklich ist er als Unternehmer und Kneipier mit seiner unwitzigen Stand-Up-Comedy-Show auch nicht.

Dreißig Jahre später soll jetzt dieser Kampf ausgetragen werden. Vor dem Kampf muss dann noch etwas Ballast aus dem Weg geräumt werden: einerseits Gewichtsballast, weil beide nicht mehr sonderlich fit sind, andererseits emotionaler Ballast, weil natürlich eine Frau der Grund für Razors Rückzug war. Sally (Kim Basinger, anscheinend seit „9 1/2 Wochen“ nicht gealtert) war Razors Freundin, sprang aber auch einmal mit Kid ins Bett und aus diesem One-Night-Stand entstand ein Sohn (Jon Bernthal, gewohnt zuverlässig), der sich jetzt bei Kid meldet und dann sein Trainer wird.

Und beide Boxer sind spinnefeind, was dazu führt, dass jede ihrer Begegnungen schnell von einem Wortgefecht zu einer Schlägerei führt.

Alle drei Geschichten plätschern, garniert mit einigen halbgaren Witzen, meist zwischen Kalauer und Zote, lustlos die Plot-Points abhakend, bis zu ihrem absehbaren Ende vor sich hin. Dass, zum Beispiel, der verantwortungslose Single Kid, wenn er auf seinen Enkelsohn aufpassen soll, dann nicht mit ihm ins Kino geht, sondern sich in seiner Kneipe hoffnungslos betrinkt und mit der erstbesten Schönheit ins Bett springt (auch wenn das Bett die Rückbank von seinem Auto ist), dürfte nur die überraschen, die noch nie eine Familienkomödie gesehen haben. Dass Razor und Sally wieder zusammenkommen, dass Kid und sein Sohn, den er noch nie gesehen hat, zusammenkommen, ist ebenso vorhersehbar.

Eigentlich gibt es nur eine Überraschung in dem Film: während des finalen Boxkampfes zwischen Razor und Kid, die beide für ihr Alter in überraschend guter Form sind, kommt es dann zu einer überraschenden Wendung, die vielleicht Harmoniegefühle befriedigt, aber vollkommen out of character ist.

Sowieso vermeidet der Film konsequent jeden Konflikt und jeden Anschein von Realismus. So ist die romantisierte Blue-Collar-Arbeiterwelt mit dampfenden „Flashdance“-Stahlwerken, die in Bruce-Springsteen-Songs besungen wird, inzwischen hemmungslos anachronistisch. Nach der Stahlkrise der siebziger Jahre und dem auch in Pittsburgh seitdem stattgefundenem Strukturwandel wird dort in anderen Branchen Geld verdient. Aber ein echter Razor hält die Zeit einfach bei 1983 an.

Zwei vom alten Schlag“ überzeugt weder als Drama, noch als Komödie. Es ist das filmische Äquivalent zum Junk TV, das als anspruchsloser Zeitvertreib spätestens mit dem Verlassen des Kinosaals vergessen ist.

Zwei vom alten Schlag - Plakat

Zwei vom alten Schlag (Grudge Match, USA 2013)

Regie: Peter Segal

Drehbuch: Tim Kelleher, Rodney Rothman (nach einer Geschichte von Tim Kelleher)

mit Sylvester Stallone, Robert De Niro, Kevin Hart, Allan Arkin, Jon Bernthal, Kim Basinger, Camden Gray, LL Cool J, Barry Primus

Länge: 113 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Zwei vom alten Schlag“

Moviepilot über „Zwei vom alten Schlag“

Metacritic über „Zwei vom alten Schlag“

Rotten Tomatoes über „Zwei vom alten Schlag“

Wikipedia über „Zwei vom alten Schlag“ (deutsch, englisch)