Neu im Kino/Filmkritik: Nach „Wunderschön“ wird es „Wunderschöner“

Februar 13, 2025

Das Leben geht weiter. Auch für die aus „Wunderschön“ bekannten Figuren. Die hatten 2022 ihren ersten Kinoauftritt. Mit fast 1,7 Millionen Besuchern war Karoline Herfurths Mainstream-Episodenfilm für Frauen ein Kassenerfolg. Ein solcher Erfolg weckt dann den Wunsch nach einem zweiten Teil, der jetzt als „Wunderschöner“ anläuft. Wieder erzählt Herfurth, wieder nach ihrem Drehbuch, Geschichten aus dem Leben von fünf miteinander verwandten und mehr oder weniger gut miteinander befreundeten Frauen, deren Leben mehr oder weniger eng miteinander verflochten ist.

Sonja (Karoline Herfurth) und ihr Mann Milan (Friedrich Mücke) leben inzwischen in getrennten Wohnungen. Die Besuche bei der Therapeutin sind die üblichen Scheidungsschlachten. Um die gemeinsamen Kinder wird sich irgendwie gekümmert. Als sie erfährt, dass er Kontakt zu einer anderen Frau hat, ist sie verärgert, schockiert, eifersüchtig und sie trifft sich anschließend mit einem anderen Mann.

Julie (Emilia Schüle) fängt als Aufnahmeleiterin in einer Boulevardsendung bei einem Mini-Hauptstadtsender (ah, ja, „Wunderschöner“ spielt in Berlin) an. Als der junge hippe, sich sanft und verständnisvoll gebende Redaktionsleiter sie gegen ihren Willen küsst, ist sie verstört und fragt sich, was sie tun soll.

Im Rahmen einer Projektwoche an der Schule versucht Sonjas Freundin Vicky (Nora Tschirner) bei ihren Schülerinnen ein Bewusstsein für die Benachteiligungen und Leistungen von Frauen zu wecken. Gleichzeitig fragt sie sich, wie sie mit Sabbatical unbekannter Dauer ihres Freundes umgehen soll. Sein einziges Lebenszeichen sind Fotos von Bergen.

Lilly (Emilia Packard), eine ihrer Schülerinnen muss sich im Rahmen einer Projektwoche mit Vickys Lieblingsthema beschäftigen. Dabei würde sie sich lieber mit ihrem Freund Enno beschäftigen.

Lilly Mutter, die Politikergattin Nadine (Anneke Kim Sarnau), erfährt, dass ihr Mann Phillipp (Godehard Giese), der Finanzsenator des Bundeslandes, sich mit einer Prostituierten vergnügte. Sie ist schockiert und trifft sich mit der Edel-Prostituierten Nadja (Bianca Radoslav). Als sie bemerkt, wie schlecht es Nadja geht, hilft sie ihr. Sie will sie aus der Prostitution retten.

Mit ihren doch eher banalen Geschichten, die man schnell vergisst, buchstabiert Karoline Herfurth in vielen Facetten die Liebe und damit zusammenhängende Liebesprobleme im Leben von gutsituierten Mittelschicht-Deutschen ohne erkennbaren Migrationshintergrund durch. Dabei unterscheidet „Wunderschöner“ sich kaum von „Wunderschön“. Alles, was mir an „Wunderschön“ gefiel, gefällt mir jetzt wieder und alles was mich an „Wunderschön“ störte, stört mich jetzt wieder.

Die sensible Inszenierung und das natürliche Spiel der Schauspieler gefallen. Es gibt etliche sehr gelungen Szenen, Beobachtungen und Momente, die im Gedächtnis bleiben. Der stete Wechsel zwischen den Geschichten lässt die Zeit schnell vergehen. Es gibt aber auch etliche Szenen, in denen die pädagogische Absicht überdeutlich ist. Das Drängen aller Figuren hin zu einer heteronormalen Beziehung, zum Traummann und einer lebenslangen Ehe, ist gerade im heutigen Berlin, dem Handlungsort des Films, vollkommen aus der Zeit gefallen. In einer filmisch weniger erschlossenen Provinzhauptstadt wie Mainz, Saarbrücken oder Stuttgart wäre das glaubwürdiger. Trotzdem ändert das nichts daran, dass „Wunderschöner“ in der Welt von „Derrick“ und dem Nachkriegsheimatfilm spielt. Diese heile Welt war schon damals eine Lüge.

Wunderschöner (Deutschland 2025)

Regie: Karoline Herfurth

Drehbuch: Karoline Herfurth

mit Karoline Herfurth, Anneke Kim Sarnau, Emilia Schüle, Nora Tschirner, Emilia Packard, Friedrich Mücke, Godehard Giese, Malick Bauer, Anja Kling, Samuel Schneider, Maximilian Brückner, Levy Rico Arcos, Albert Lichtenstern, Dilara Aylin Ziem, Jasmin Shakeri, Barbara Schnitzler, Bianca Radoslav, Rúrik Gíslason

Länge: 138 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Wunderschöner“

Moviepilot über „Wunderschöner“

Meine Besprechung von Karoline Herfurths „Wunderschön“ (Deutschland 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: „Eine Million Minuten“ für die Vater-Tochter-Beziehung

Februar 1, 2024

Nina wünscht sich eine Million Minuten mit ihrem Papa. Dieser jettet um die Welt und versucht die Welt zu retten. Seine Frau arbeitet, wenn Haushalt und die beiden kleinen Kinder es zulassen, als Bauingenieurin im Home-Office. Ihre gemeinsame Tochter, die fünfjährige Nina, hat eine massive Entwicklungsverzägerung und Bewegungsstörungen. Sie braucht viel Zuwendung und Zeit. Aber, so werden sie von Ninas Doktor beruhigt, mit viel Liebe, Zuwendung, gemeinsam verbrachter Zeit und individueller Hilfe beim Lernen könne ihr geholfen werden.

Nachdem Nina ihm das mit der einen Million Minuten gesagt hat, beginnt Wolf Küper (Tom Schilling) nachzudenken und zu rechnen. Eine Million Minuten sind ungefähr zwei Jahre, in denen er sich um seine Tochter kümmert und, denn nur in Berlin zu bleiben wäre langweilig, sie könnten in dieser Zeit gemeinsam die Welt bereisen. Wolfs Chefin und Ben, sein Kollege und bester Freund, sind einverstanden. Mit Kurzarbeit und Home-Office kann er trotzdem ein Mitglied in ihrem kleinen Team bleiben.

Und los geht die Reise der vierköpfigen Kleinfamilie. Zuerst geht es nach Thailand und später nach Island. Beide Länder hat Nina zufällig auf dem Globus ausgewählt.

Die herzige Geschichte, die Christopher Doll in seinem Regie-Debüt erzählt (nachdem er in den vergangenen Jahren unter anderem „Traumfrauen“, „High Society“ und „Wunderschön“ produzierte), basiert auf dem Reisebuch „Eine Million Minuten“ von Wolf Küper. Im Film folgen Doll und seine vier Mit-Drehbuchautoren Monika Fässler, Tim Hebborn, Ulla Ziemann und Malte Welding nicht sklavisch der Vorlage. Sie konzentrieren sich mehr auf die Beziehung des Ehepaares und veränderten die Reiseroute. Nachdem die Küpers Thailand verlassen, reisen sie im Buch nach Australien und Neuseeland; im Film geht es nach Island.

Die Prämisse erinnert an den vor wenigen Monaten im Kino gelaufenen „Wochenendrebellen“. In diesem, ebenfalls auf einem Sachbuch basierendem Film, verspricht ein von seiner Arbeit als Vertreter gestresster Vater, seinem Sohn, einem Asperger-Autisten, dass sie an den Wochenenden gemeinsam für ihn einen Lieblingsverein suchen. Der Zehnjährige will nämlich, wie alle Jungs, einen Lieblingsfußballverein haben. Aber er nimmt nicht den Heimatverein. Er geht die Suche nach dem Lieblingsverein wissenschaftlich an. Er entwirft einen Katalog mit Kriterien und er will sich – auch wenn so ein Fußballspiel aufgrund der vielen Eindrücke und des Trubels für ihn die Hölle ist – jeden Verein bei einem Heimatspiel ansehen.

Im Gegensatz zu „Eine Million Minuten“ hat „Wochenendrebellen“ eine Prämisse („Ich will einen Verein finden.“) und ein klares Ziel (der Film ist vorbei, wenn entweder ein Verein gefunden oder das Ziel geändert wurde). Auf dem Weg dahin kommen Vater und Sohn sich näher und der Vater beginnt zu überlegen, ob er das Leben lebt, das er leben will.

In „Eine Million Minuten“ verbringt der Vater dagegen wenig Zeit mit seiner Tochter. Wir sehen nicht, wie er ihr über einen längeren Zeitraum Dinge beibringt, wie sich ihre Beziehung verändert und wie sie sich über kleine Fortschritte freuen. Doll zeigt höchstens den Anfang, wenn Nina nicht Fahrrad fahren kann, und das Ende, wenn Nina Fahrrad fahren kann.

Eine Million Minuten“ fehlt genau das, was „Wochenendrebellen“ hat. In „Eine Million Minuten“ ist die Prämisse klar, aber nicht das Ziel. Oder, anders gesagt: was passiert, wenn die Milion Minuten vorbei sind? Nimmt die Familie, wie nach einem Urlaub, wieder ihr altes Leben auf? Entsprechend ziellos plätschert der Film vor sich hin. Die Autoren und der Regisseur wissen nie, welche Episoden in den Film gehören und welche nicht. Es ist unklar, ob es um die Beziehung vom Vater zu seiner Tochter oder vom Vater zu seiner Frau geht. Es ist unklar, was er lernen soll. Und so gibt es von allem etwas und von allem zu wenig.

Dieses, eigentlich leicht zu behebende Problem haben viele deutsche Filme. Es liegt nicht an den Schauspielern oder den Drehorten. In diesem Fall wurde in Berlin, Thailand und Island gedreht. Es liegt am Drehbuch. An dem unzureichend formuliertem Ziel der Hauptfigur, an der nur unzureichend formulierten Hauptfigur und den nicht vorhandenen Konflikten. Über Wolf, seine Arbeit und wie er durch seine Arbeit die Welt sieht, erfahren wir viel zu wenig. Wir erfahren nur, dass er irgendetwas mit Umweltschutz in einer überaus netten Firma macht. Er könnte aber auch irgendeinen anderen Bürojob haben, für den er immer wieder reisen muss. Es würde nichts an der Filmgeschichte ändern. Dabei wäre die Entscheidung, ob er mehr Zeit mit seinen Kindern oder mit der Rettung der Welt für seine Kinder verbringen möchte, ein interessanter Konflikt. Dieser Konflikt würde, wenn er ausformuliert würde, auch den Handlungsorten die notwendige Würze verleihen. Da wäre zuerst der Konflikt, einerseits die Umwelt retten zu wollen und anderereseits endlos viele Flugmeilen anzusammeln. Es könnte weitergehen mit der Frage, wie an den Reisezielen die Umwelt geschützt wird. Er könnte dann immer wieder vor der Entscheidung stehen, ob er mehr über ein Umweltschutzprojekt erfahren möchte oder ob er Zeit mit seiner Tochter verbringen möchte. Ein Subthema könnte sein, wie er seinen beiden Kindern die Schönheit der Natur zeigt und sie animieren möchte, die Natur zu bewahren.

Alles das sehen wir in „Eine Million Minuten“ nicht. Es gibt nur schöne Menschen, ohne erkennbare finanzielle Probleme, in schöner Landschaft und viele Probleme, die eher Scheinprobleme sind. Dafür gibt es in Island einen überaus gutaussehenden, charismatischen und netten Naturburschen-Nachbarn, den Wolf als eine Bedrohung für seine Ehe sieht.

In Island, wo die zweite Hälfte des Films spielt, rückt die Emanzipation von Wolfs Frau Vera (Karoline Herfurth) immer mehr in den Mittelpunkt. Sie arbeitet wieder mehr als Bauingenieurin. Sie knüpft, mit der Hilfe des netten Nachbarn, Kontakt zu den Einheimischen und gemeinsam bauen sie Häuser. Währenddessen überlässt sie Wolf immer mehr die Hausarbeit.

In dieser Hälfte des Films wird vor allem Englisch gesprochen. Das mag zwar realistisch sein, ich empfand es in diesem Fall aber als überflüssig. Außerdem führt die Entscheidung dazu, dass Wolfs fünfjährige Tochter Nina plötzlich sehr gut eine Fremdsprache sprechen kann.

Am Ende ist „Eine Million Minuten“ nur ein weiterer dieser netten deutschen Feelgood-Filme, die ihr Potential nie auch nur im Ansatz ausschöpfen.

Eine Million Minuten (Deutschland 2024)

Regie: Christopher Doll

Drehbuch: Monika Fässler, Tim Hebborn, Ulla Ziemann, Malte Welding, Christopher Doll

LV: Wolf Küper: Eine Million Minuten: Wie ich meiner Tochter einen Wunsch erfüllte und wir das Glück fanden, 2016

mit Karoline Herfurth, Tom Schilling, Pola Friedrichs, Piet Levi Busch, Joachim Król, Ulrike Kriener, Hassan Akkouch, Anneke Kim Sarnau, Godehard Giese, Rúrik Gislason

Länge: 125 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Eine Million Minuten“

Moviepilot über „Eine Million Minuten“

Wikipedia über „Eine Million Minuten“


Neu im Kino/Filmkritik: „Cop Secret“, ein Buddy-Cop-Movie aus Island

Juni 22, 2022

In Reykjavik, der Hauptstadt von Island, begeht eine Bande Banküberfälle, bei denen sie nichts klaut, aber die Polizei wie eine Bande Trottel aussehen lässt. Deshalb sollen die beiden Superpolizisten Bússi und Hörður herausfinden, was die Bankräuber vorhaben und sie zur Strecke bringen. An eine Verhaftung denkt ihre Vorgesetzte dabei nicht. Denn die beiden Polizisten sind zwar ihre besten Männer, aber an Regeln halten sie sich nicht. Auch sonst entsprechen sie den seit Jahrzehnten gut gepflegten Tough-Cop-Klischees. Als Alpha-Männer verbindet sie selbstverständlich eine herzliche Abneigung. Und weil so ein Film auch immer eine Buddy-Comedy ist, sind die beiden Polizisten zwei vollkommen gegensätzliche Figuren. Dieses Mal ist einer Polizist ist ein literweise Schnaps trinkender Prolet; der andere ist ein feinsinniger Weintrinker. Das muss als Charakterisierung genügen.

Die Bösewichter sind ähnlich rudimentär skizziert. Vor allem der Oberbösewicht Rikki ist abgrundtief böse. Munter erschießt er vor den Überfällen seine eigenen Männer, weil in solchen Filmen der ‚geniale‘ Bösewicht das immer macht.

Seine Weltpremiere hatte „Cop Secret“ 2021 im Wettbewerb von Locarno. In Island war die Actionkomödie der erfolgreichste Kinostart aller Zeiten. Das kann auch daran liegen, dass Regisseur Hannes Þór Halldórsson Torhüter der isländischen Fußballnationalmannschaft ist. Die Regieerfahrung für sein Spielfilmdebüt sammelte er in über hundert Musikvideos und Werbespots.

Der Film selbst ist eine humorlose, hektisch geschnittene Aneinanderreihung der bekannten Klischees, der vorhersehbarsten Dialogsätze und bestenfalls durchwachsener Actionszenen. Die wenigen Neuerungen (Bússi und Hörður sind schwul, Hörður passt auf seinen behinderten Bruder auf, das Finale findet in einem voll besetztem Stadion während einem Spiel der isländischen Frauennationalmannschaft statt) ändern daran nichts. „Cop Secret“ ist ein Desaster, das sogar die ersten Folgen von „Alarm für Cobra 11“ (und die sind wirklich schlecht) in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Cop Secret (Leynilögga, Island 2021)

Regie: Hannes Þór Halldórsson

Drehbuch: Nína Petersen, Hannes Þór Halldórsson, Sverrir Þór Sverrisson (nach einer Geschichte von Auðunn Blöndal, Egill Einarsson und Hannes Þór Halldórsson)

mit Auðunn Blöndal, Egill Einarsson, Björn Hlynur Haraldsson, Sverrir Þór Sverrisson, Rúrik Gíslason

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Cop Secret“

Metacritic über „Cop Secret“

Rotten Tomatoes über „Cop Secret“

Wikipedia über „Cop Secret“ (deutsch, englisch)