Neu im Kino/Filmkritik: Du bist „Wunderschön“. Egal wie du aussiehst

Als Mann gehöre ich definitiv nicht zur von Karoline Herfurth in ihrem neuen Film „Wunderschön“ angepeilten Zielgruppe. Die ist weiblich und sehr empfänglich für einen typischen Frauenfilm, der in Kinos gerne in „Ladies Night“-Vorstellungen mit Sekt und Taschentüchern gezeigt wird.

Karonline Herfurth erzählt in ihrem Episodendrama von fünf Frauen unterschiedllichen Alters, die miteinander verwandt oder befreundet sind und die in Berlin leben. Ein Berlin-Film ist „Wunderschön“ trotzdem nicht und will es auch nicht sein. Berlin ist nur der austauschbare Handlungsort für die Frauen, die mit ihrem Selbstbild, ihren eigenen und den Ansprüchen der Gesellschaft hadern.

Die 59-jährige Frauke (Martina Gedeck) möchte ihrer Ehe neuen Pep geben. Dafür bucht sie eine Tangokurs. Ihr Mann, Joachim Król in schönster Stinkstiefellaune, ist davon nicht begeistert.

Ihre Tochter Julie (Emilia Schüle), 24 Jahre, arbeitet als Model, hungert wie blöde, erzählt auf Instagram von ihrem tollen Leben (alles gelogen) und ist langsam zu alt für die große Karriere. Und sie hat ein, zwei Gramm Übergewicht. In dem Altbau, in dem sie zur Miete wohnt, trifft sie immer wieder das Nachbarsmädchen Toni, das immer allein im Hof und auf der Treppe herumhängt.

Auch Leyla (Dilara Ayli Ziem), 15 Jahre, ist unzufrieden mit ihrem Aussehen. Auf der Schule wird sie wegen ihres Gewichts gemobbt. Ihre Mutter Gabo (Melika Foroutan, schlanker als schlank, schöner als schön), Chefin einer Modelagentur, versorgt Leyla, in ihren wenigen freien Minuten, mit gesunder Nahrung und klugen Ratschlägen. Beides untergräbt Leylas Selbstwertgefühl noch weiter. Da entschließt sie sich, bei einer Baseballmannschaft ein Probetraining mitzumachen. Ihr Schlag ist atemberaubend. Auch ein Mitspieler, der auch der schönste Junge auf dem Spielfeld ist, verliebt sich in sie.

Leylas Kunstlehrerin Vicky (Nora Tschirner), 38 Jahre, Single, schnippisch, latent verpeilt und grundsympathisch (halt wie die Tschirner, die wir aus der Talkshow kennen), hat in dem Moment ein Auge auf den neuen Sportlehrer geworfen. Franz (Maximilian Brückner) wäre eigentlich der ideale Mann fürs Leben, wenn Vicky an längerfristigen Beziehungen interessiert wäre. Aber sie hat nun Mal diese Nur-einmal-Sex-Regel, die sie nach dem ersten Geschlechtsverkehr ändert.

Und dann ist da noch Sonja (Karoline Herfurth). Die 35-jährige ist eine glücklich verheiratete zweifache Mutter, die sich nach der Schwangerschaft für unattraktiv hält. Ihr Mann Milan (Friedrich Mücke) verdient gut als Banker. Vor allem nachdem er zum Abteilungsleiter befördert wird. Nur Sonja ist mit ihrem Leben als Vollzeit-Mutter und Hausfrau unglücklich. Viel lieber würde sie wieder Vollzeit arbeiten. Jetzt erhält sie ein verlockend klingendes Angebot für eine solche Stelle in einem hippen Büro.

Sie alle gehören zum bürgerlich-linksalternativen Milieu. Sie haben keine drängenden ökonomischen Probleme. Sie haben Bürojobs oder sind Lehrer in einer Klasse voller netter Kinder. Und alle von Herfurth porträtierten Paare entsprechen dem konservativen Familienbild. Sie sind heterosexuell und bleiben es. Sie haben oder suchen und bekommen ungefähr gleichaltrige Partner. Denn zu einem Feelgood-Movie gehört ein positives Ende.

Der Weg zur „Du bist schön, so wie du bist“-Erkenntnis führt über fünf vorhersehbare Geschichten, die immer an der Oberfläche bleiben. Es ist banales Herzschmerzkino mit schönen Menschen in schöner Umgebung, das etwaige Tiefen des Stoffes weiträumig umfährt. Daran ändern auch einige treffende Beobachtungen und Witze nichts. Entsprechend ausgedacht wirken die Konflikte, die Probleme und die Lösungen. Die Figuren sind dann auch eher ein- als zweidimensional. Die Männer existieren in dem Episodendrama nur noch als Stichwortgeber. Die Ausnahme ist der von Joachim Król gespielte Wolfi. Er verleiht seiner Figur in wenigen Szenen eine ungeahnte Tiefe. Für seine Frau Frauke ändert er sein Leben.

Das ist, auch dank des guten Ensembles, nie wirklich schlecht, aber auch nie wirklich gut. Alles bewegt sich immer im Fahrwasser ähnlich gelagerter deutscher Komödien. Daran ändern der weibliche Blick und dass hier Frauen und nicht Männer im Mittelpunkt stehen, nichts.

Wunderschön (Deutschland 2022)

Regie: Karoline Herfurth

Drehbuch: Lena Stahl, Monika Fässler, Karoline Herfurth

mit Karoline Herfurth, Nora Tschirner, Martina Gedeck, Emilia Schüle, Dilara Aylin Ziem, Joachim Król, Friedrich Mücke, Maximilian Brückner, Ben Litwinschuh, Luna Arwen Krüger, Melika Foroutan, Benjamin Sadler

Länge: 132 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Wunderschön“

Moviepilot über „Wunderschön“

Wikipedia über „Wunderschön“

2 Responses to Neu im Kino/Filmkritik: Du bist „Wunderschön“. Egal wie du aussiehst

  1. […] Wunderschön (Lothar Hellinger, Christopher Doll) […]

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