Neu im Kino/Filmkritik: „The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“ gelöst

April 21, 2022

Milliardär Abigail Fairfax (Daniel Radcliffe) entführt Loretta Sage (Sandra Bullock). Sie ist eine die Öffentlichkeit gerne vermeidende Romantic-Thriller-Bestsellerautorin, die mit ihren Schmonzetten über den Schatzjäger Dash McMahon enorm erfolgreich ist. In ihre Geschichten, wie ihren neuesten Roman „The Lost City of D“, lässt sie auch historische Fakten und Mythen einfließen.

Fairfax will diese verlorene Stadt und den Schatz, der in ihr versteckt sein soll, unbedingt finden. Er glaubt, dass Loretta ihm bei der Suche und beim Entziffern von alten Schriftstücken helfen kann, Weil die Stubenhockerin nicht freiwillig mitkommen will, entführt er sie auf eine malerische Atlantikinsel. Er glaubt, dass der Schatz auf der Insel ist. Weil auf der Insel ein Vulkan kurz vor seinem Ausbruch steht, muss alles schnell gehen.

Die Entführung von Loretta hat Alan Caprison (Channing Tatum) beobachtet. Er ist das gut aussehende, bei den Leserinnen begehrte, treudoofe Covermodel ihrer Schmöker. Loretta hält ihn – zu Recht – für einen oberflächlichen Schönling und Dummkopf. Er will ihr beweisen, dass er nicht so dumm ist, wie sie glaubt. Deshalb will er sie aus den Händen der Entführer befreien.

Jack Trainer (Brad Pitt in einem Kurzauftritt [Nein, das ist kein Spoiler, weil er erstens im Trailer auftaucht, aber zweitens nicht auf dem Plakat steht]) soll ihm dabei helfen. Der Personal-Trainer war früher ein Elitesoldat. Er verfügt über die nötigen Fähigkeiten, um Loretta aus dem Lager von Fairfax, das gleichzeitig eine historische Ausgrabungsstätte ist, zu befreien.

Die Befreiung gelingt. Auf ihrer Flucht wird Trainer von Fairfax’s Männern aus dem Hinterhalt erschossen.

Jetzt müssen Loretta und Alan sich, gejagt von den Bösewichtern, allein durch den Urwald schlagen. Und beide sind für dieses Abenteuer nicht gerüstet. Sie hat einen hautengen Pailletten-Jumpsuit an, der sogar auf einer Buchpräsentation etwas unpassend ist. Er, nun, er ist ein auf sein Aussehen bedachter Schönling, der perfekt die Rolle der Jungfrau in Nöten ausfüllt.

The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“, so der umständlich-längliche deutsche Titel, ist ein Romantic-Thriller, dessen Prämisse an „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ (Romancing the Stone, 1984) erinnert. In der Actionkomödie stolpern eine hilfsbedürftige Autorin (Kathleen Turner) und ein taffer Abenteurer (Michael Douglas) durch den Dschungel. Vierzig Jahre sind wir da etwas weiter.

Die Brüder Adam und Aaron Nee lassen in ihrem Film zwei Menschen durch die Wildnis stolpern, die nicht für Wildnis geeignet sind. Wobei Loretta zwar die für den Dschungel ungeeignetere Kleidung anhat, aber deutlich selbstständiger als Alan ist. Damit fällt ihr notgedrungen die Retterrolle zu.

Abgesehen von dieser kleinen Änderung bei den Geschlechtern erfüllt der Film hunderprozentig alle Klischees dieser für Frauen geschriebenen Romantic Thriller – und ironisiert sie etwas. Immerhin ist in „The Lost City“ eine Autorin plötzlich die Hauptperson in einer ihrer Geschichten. Es wird einige Male auf den Unterschied zwischen ihren Romanen und der Realität hingewiesen. Mit dieser Metaebene ist der Film für beide Gruppen ansehbar. Die einen erhalten den Romatic-Thriller, den sie sehen wollen. Die anderen erhalten die Komödie über eben diese seichten Romantic-Thriller, die sie für so doof halten und deshalb niemals lesen würden.

Außerdem immunisiert diese Strategie die Abenteuerkomödie gegen Kritik. Denn wie soll einem Film klischeehafte Dialoge und eine klischeehafte Handlung vorgeworfen werden, wenn genau das der Punkt ist? Vor allem wenn die mild chargierenden Schauspieler so sympathisch sind und die Story, angenehm flott mit einigen Witzen und etwas Action, erzählt wird.

Besonders anspruchsvoll ist das nicht. Aber unterhaltsam.

The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt (The Lost City, USA 2022)

Regie: Adam Nee, Aaron Nee

Drehbuch: Oren Uziel, Dana Fox, Adam Nee, Aaron Nee (nach einer Geschichte von Seth Gordon)

mit Sandra Bullock, Channing Tatum, Daniel Radcliffe, Da’Vine Joy Randolph, Oscar Nuñez, Patti Harrison, Bowen Yang, Brad Pitt

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „The Lost City“

Metacritic über „The Lost City“

Rotten Tomatoes über „The Lost City“

Wikipedia über „The Lost City“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Freakonomics“ erklärt die Welt

Oktober 25, 2013

 

Das Buch „Freakonomics“ von Steven D. Levitt und Stephen J. Dubner war vor einigen Jahren ein Überraschungsbestseller, in dem die Autoren auf unterhaltsame Art mit ökonomischem Denken und statistischen Modellen die Welt erklärten und immer wieder zu überraschenden Entdeckungen kamen.

Für den Film wurde dann ein etwas ungewöhnlicher Zugang gewählt, indem man mehrere, teils auch bei uns bekannte Regisseure, wie Morgan Spurlock und Alex Gibney, aufforderte, in ihrem Stil eine kürzere Dokumentation zu drehen. Die so entstandenen Dokumentationen wurden für den Film, ergänzt um lockere, anekdotenreiche Gespräche mit dem Ökonomen Levitt und dem Wirtschaftsjournalisten Dubner, zu einem spielfilmlangen Film zusammengefügt, bei dem die disparaten Elemente überwiegen. Denn die einzelnen, stilistisch verschiedenen Filme sind von unterschiedlicher Qualität, unterscheiden sich oft kaum von einer TV-Dokumentation, bleiben aufgrund ihrer Kürze und den teils notwendigen Vereinfachungen bei dem Übertragen von mit Zahlen gesättigten Sachtexten in eine Dokumentation an der Oberfläche, auch weil alternative Erklärungen oft nicht oder nur knapp angesprochen werden. Daher ist der Erkenntniswert der „Freakonomics“-Kurzfilme oft gering und, über die gesamte Filmlänge, immer mit dem Gefühl verbunden, dass die Macher den Zuschauer manipulieren, um zu Beweisen, dass man mit ökonomischem Denken die Welt erklären kann.

Das mit Abstand beste Segment des Films ist von Alex Gibney: „Betrüger“ (Pure Corruption) über Betrügereien bei japanischen Sumo Ringern, die man, weil die Ringer Teil eines Schweigekartells sind, durch eine statistische Auswertung der Ergebnisse der Kämpfe herausfand. Gibney liefert auch einen informativen Einblick in die Welt der Sumo-Ringer und ergänzt die statistischen Befunde, die ein Nebenaspekt des Films sind, mit Interviews mit Sumo-Ringern und Journalisten.

Dagegen fallen die anderen Filme deutlich ab. In „Erziehung“ (A Roshanda by Any Other Name) fragt Morgan Spurlock, welche Bedeutung der Vorname für den beruflichen Erfolg hat. Weil er sich die meiste Zeit mit den verschiedenen Vornamen beschäftigt, spricht er die wichtigere Verbindung zwischen Ethnie, Einkommen, Ausbildung und damit verbundenen Chancen nur am Rand an.

In „Ursache und Wirkung“ (It’s Not Always a wonderful Life) versucht Eugene Jarecki zu erklären, warum die Kriminalität in den USA in den Neunzigern sank. Er erklärt das mit der umstrittenen These von Steven Levitt, dass die Legalisierung von Abtreibungen in den Siebzigern dazu führte, dass viele Frauen die Kinder, die sie nicht wollten abtrieben und daher zwanzig Jahre später die potentiellen Verbrecher fehlten.

Auch wenn Levitt im Film seine These energisch verteidigt, wirkt sie doch eher nach einer statistischen Zufälligkeit, wie der Verbindung von Störchen und Kindern.

In „Anreize schaffen“ (Can a Ninth Grader Be Bribed to Succeed?) dokumentieren Rachel Grady und Heidi Ewing ein Experiment an einer Schule in Chicago: die Schulleitung will mit geldwerten Belohnungen die Leistungen seiner Schüler steigern. Grady beobachtet zwei Schüler während des Experiments. Während der Afroamerikaner seine Leistungen deutlich steigern kann, bleiben die Noten des Weißen gleichbleibend schlecht – und wir können darüber spekulieren, warum die ökonomische Theorie, nach der Anreize unsere Handlungen bestimmen, so versagte.

Auch wenn einige Teile des Films zum Nachdenken anregen, ist „Freakonomics“ als spielfilmlanger Dokumentarfilm ein enttäuschendes Sammelsurium.

Freakonomics - Plakat 4

Freakonomics (Freakonomics, USA 2010)

Regie: Heidi Ewing, Alex Gibney, Seth Gordon, Rachel Grady, Eugene Jarecki, Morgan Spurlock

Drehbuch: Peter Bull, Alex Gibney, Jeremy Chilnick, Morgan Spurlock, Eugene Jarecki,

Heidi Ewing, Rachel Grady, Seth Gordon

LV: Steven D. Levitt/Stephen J. Dubner: Freakonomics: A Rogue Economist Explores the Hidden Side of Everything, 2005 (Freakonomics: Überraschende Antworten auf alltägliche Lebensfragen)

Länge: 93 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zu „Freakonomics“

YouTube: „Freakonomics“-Kanal

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Freakonomics“

Moviepilot über „Freakonomics“

Metacritic über „Freakonomics“

Rotten Tomatoes über „Freakonomics“

Wikipedia über „Freakonomics“ und die Vorlage 

Meine Besprechung von Alex Gibneys „We steal Secrets: Die Wikileaks-Geschichte“ (We steal secretes: The story of Wikileaks, USA 2013)


Neu im Kino/FIlmkritik: Jason Bateman ist „Voll abgezockt“ von dem wundervollen „Identity Thief“ Melissa McCarthy

März 29, 2013

Als Sandy Patterson ganz hilfsbereit am Telefon der netten Frau von seiner Bank einige Informationen gibt, ahnt er nicht, was er damit auslöst. Denn die nette Telefonstimme ist Diana, die mit geklauten Identitäten ihren Kaufrausch befriedigt. Ab jetzt gibt sie als Sandy Bigelow Patterson in Orlando, Florida, Geld in rauen Mengen aus, während in Denver, Colorado, Sandys Kontostand unaufhaltsam in die Miesen rutscht. Seine Kreditwürdigkeit ist futsch. Er wird verdächtigt, mit einem Drogenkartell Kontakt zu haben. Und auch sein neuer Job ist in Gefahr. Der ermittelnde Polizist meint nur, dass sich die Sache in einigen Monaten klären werde. Also tut Sandy, der wahrscheinlich sogar mitten in der Nacht auf einer einsamen Landstraße an einer roten Ampel stehen bleibt, was ein Mann tun muss. Er nimmt die Angelegenheit in die eigenen Hände. Er fliegt nach Florida, um Diana auf eigene Faust nach Denver zu bringen. Denn so gefährlich kann dieses kleine, übergewichtige Weibsstück ja nicht sein.

Nun, das ist ein Irrtum. Denn Diana ist ein wahrer Teufel; halt das genaue Gegenteil von Sandy.

Dennoch kann er sie überzeugen, ihn nach Denver zu begleiten. Die schießwütigen Gangster, die gerade in ihrer Wohnung stürmten, halfen.

Und ab jetzt verläuft die Komödie „Voll abgezockt“ von „Kill the Boss“-Regisseur Seth Gordon, wie eine Straßenbahn, auf geradem Weg zum vorhersehbaren Happy End. Das ist nicht schlecht. Immerhin ist Melissa McCarthy, die Diana spielt, eine fantastische Komödiantin, die sich hier so richtig austoben kann, ihr Opfer Sandy wird von Jason Bateman daher übersteigert Normal gespielt, die Chemie zwischen den Beiden stimmt und so dürfen sich die gegensätzlichen Charaktere auf ihrer langen Autofahrt ordentlich aneinander reiben und, selbstverständlich, annähern.

Allerdings ist in dem Moment, in dem die beiden sich auf die Reise begeben auch schon der größte Konflikt aus dem Weg geräumt. Die Komödie hat ihr gesamtes Konfliktpotential verpulvert und wird ab da zum vor sich hin plätscherndem Buddy-Movie mit witzigen Episoden. Denn sie unternimmt während der gesamten Reise keinen einzigen ernsthaften Fluchtversuch. Stattdessen finden Sandy und Diana sich zunehmend sympathisch, lernen voneinander und befreunden sich. Ihre Verfolger, ein Gangsterpärchen und ein Kopfgeldjäger, beide ziemlich gewalttätig und etwas unterbelichtet, sind nicht wirklich bedrohlich. Die trendige Kapitalismuskritik ist arg zahm. Hey, der glücklich verheiratete, zweifache Vater Sandy macht das alles, weil er seinen Job in der Finanzbranche behalten will. Und alle Wendungen, auch die unlogischen, sind absolut vorhersehbar bis hin zum kitschig-versöhnlichem Ende.

Dennoch ist „Voll abgezockt“ dank Melissa McCarthy eine unterhaltsame Komödie, die viel von ihrem Potential grundlos verschenkt.

Voll abgezockt - Plakat

Voll abgezockt (Identiy Thief, USA 2013)

Regie: Seth Gordon

Drehbuch: Craig Mazin (nach einer Geschichte von Craig Mazin und Jerry Eeten)

mit Jason Bateman, Melissa McCarthy, Amanda Peet, Jon Favreau, John Cho, Robert Patrick, Genesis Rodriguez, Eric Stoenstreet, Maggie Elizabeth Jones, Clark Duke, Morris Chestnut, Ben Flacone, Mary-Charles Jones

Länge: 111 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Voll abgezockt“

Metacritic über „Voll abgezockt“

Rotten Tomatoes über „Voll abgezockt“

Wikipedia über „Voll abgezockt“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Seth Gordons „Kill the Boss“ (Horrible Bosses, USA 2011)