Je länger ich über „Eine deutsche Partei“ nachdenke, umso ärgerlicher finde ich den Film. Simon Brückner war über mehrere Jahre als stiller Beobachter bei AfD-Treffen. Er begleitete während der vergangenen Legislaturperiode, genaugenommen zwischen 2019 und 2021, vor allem AfD-Politiker aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. Dazu kommen noch zwei Vertreter aus den Bezirksverordnetenversammlungen von Neukölln und Reinickendorf und Bundestagsabgeordnete.
Diese Aufnahmen von Sitzungen und öffentlichen Auftritten fügte er jetzt zu einem Film zusammen. Er unterteilt ihn in sechs Kapitel. Die Funktion dieser Kapitel ist rätselhaft. Eigentlich erspart sie im dunklen Kinosaal nur den Blick auf die Uhr. Denn Brückner erzählt chronologisch. Auf einen Kommentar verzichtet er. Schließlich handelt es sich um eine dieser stillen Beobachtungen, in denen dem Publikum ein Blick auf die Ereignisse gewährt wird, ohne dass der Regisseur sich mit seiner Meinung oder seiner Person einmischt. Durch die Auswahl des Materials und den Schnitt tut er es doch. Außerdem führt die Anwesenheit einer Kamera normalerweise zu einem verändertem Verhalten; wobei dieser Punkt heute sicher weniger zutreffend ist. Früher, vor allem zu den Anfängen des Direct Cinema, waren Kameras größer, unhandlicher und seltener als heute. Heute nimmt jeder mit seinem Smartphone in oft beeindruckender Qualität alles auf und fast niemand stört sich daran. Auch die porträtierten AfD-Mitglieder stören sich nicht erkennbar an dem zwischen ihnen sitzendem Dokumentarfilmer.
Brückner verzichtet auch auf alle Textinserts. So wird, wenn man die AfD-Politiker nicht kennt, „Eine deutsche Partei“ einfach nur eine zweistündige Abfolge von sprechenden Köpfen, über die man nichts weiß und auch nichts erfährt. Denn wer die Sprecher (es sind eigentlich nur meist etwas ältere Männer) nicht kennt und keine Ahnung von der Berliner Lokalpolitik hat, wird sich öfter fragen, um was es denn da geht. Das Gesagte kann er, weil jegliches Vorwissen darüber fehlt, auch nicht beurteilen.
Damit ist der Film kein Beitrag zur politischen Aufklärung. Dafür brächte es Hintergrundinformationen und Einordnungen des Gesagten, die im Film erfolgen sollten. Entweder durch Nachfragen, durch einen Off-Kommentar oder durch andere Interviewpartner. Auf alles das wurde verzichtet zugunsten eines Direct-Cinema-Porträts einer Partei, das als intimes Porträt, in dem sich die Partei demaskiert, verkauft wird.
Diese „Demaskierung“ funktioniert nicht. AfD-Gegner werden ihr Bild bestätigt bekommen. AfD-Fans ihres. Und alle, die einfach nur politisch interessiert sind und mehr über die AfD erfahren wollen, bleiben hilflos zurück. Es fehlen einfach alle Informationen, mit denen irgendetwas eingeordnet werden kann. Teils, weil in Codes gesprochen wird. Teils weil der Zusammenhang, in dem etwas gesagt wird, unklar ist. Es gibt keinen Faktencheck. Es gibt auch nie eine Position dazu außerhalb der Partei-Blase.
Damit ist „Eine deutsche Partei“ einfach nur eine zweistündige Abfolge von zufällig aufgeschnappten O-Tönen ohne irgendeinen Erkenntniswert und eine gigantische Verschwendung von Zeit.
(Hinweis: Grundlage für diese Besprechung ist die auf der Berlinale präsentierte Version. Etwaige spätere Änderungen sind nicht berücksichtigt.)
Eine deutsche Partei (Deutschland 2022)
Regie: Simon Brückner
Drehbuch: Simon Brückner
Länge: 116 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Filmportal über „Eine deutsche Partei“
Moviepilot über „Eine deutsche Partei“
Rotten Tomatoes über „Eine deutsche Partei“ (aktuell keine Besprechungen und Kommentare zum Film)